Nun, ihr wisst ja, dass hierzulande der American Way of Life großen Einfluss hat - so wie überall auf der Welt. China ist zwar bereits im Begriff, sich als zweite Wirtschaftsmacht zu etablieren, aber die amerikanische Popkultur steht nach wie vor auf der ganzen Welt, auch dort, unangefochten an der Spitze. Der Kabarettist Lukas Resitarits meinte einst, die Sowjetunion hätte sich unter anderem deswegen aufgelöst, weil selbst in kommunistischen Ländern das Anglo-Amerikanische als viel cooler galt als das Russische - und das, obwohl Ost-Produkte damals bereits besser waren als ihr Ruf. Aber selbst wenn man in den Sechzigern weder Jewgeni Jewtuschenko noch Bob Dylan nicht verstanden hat, so hat Letzterer wenigstens auf Englisch unverständlich gesungen. Man muss dazu allerdings auch sagen, dass Englisch weitaus leichter zu lernen ist als Russisch. Und der Einfluss des Amerikanischen macht sich nicht nur in Mode, Musik und Filmen bemerkbar - auch die amerikanisierten Formen von Halloween, dem Valentinstag und dem Weihnachtsmann haben wir bereits aus den USA übernommen. Und auch unsere Sprache ist immer mehr von Anglizismen geprägt - in der Weltmetropole Berlin etabliert sie sich beispielsweise immer mehr, ob als Verkehrssprache oder im beruflichen Alltag, es gibt sogar ganze Studiengänge auf Englisch. Klar ist es ein wenig schade, dass die sprachliche Vielfalt in Europa immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird - aber das ist, wie gesagt, der Preis dafür, dass wir näher zusammenrücken, und überdies ist Sprache ohnehin dem stetigen Wandel unterworfen, weshalb ich das jetzt nicht so schrecklich finde wie vielleicht manch anderer. Es ist eben wichtig, sich untereinander zu verstehen.
Die englische Sprache ist im gesamten deutschsprachigen Raum natürlich in der IT-Branche sehr präsent, auch wenn englische Worte hier mitunter etwas eingedeutscht werden, wie etwa "downloaden". Mein Bruder und ich haben uns eine Zeit lang den Spaß gemacht, Computerbegriffe übersetzt zu verwenden, was zu so schönen Worten wie "Heimseite" und "Winzigweich-Fenster" führte. Für Facebook gibt es ja bis heute die abwertende Bezeichung "Fratzenbuch". Und auch in der Jugendsprache sind Anglizismen schon seit mehreren Generationen präsent - man denke etwa an das Wort "cool", das in den 80ern und 90ern seinen Siegeszug feierte und bis heute gebräuchlich ist. Da es inzwischen jedoch auch von Älteren benutzt wird und deshalb nicht mehr dazu dient, sich von den Erwachsenen abzugrenzen, ist es inzwischen kein reines Jugendwort mehr - auch wenn es nach wie vor eher in einem jugendlichen, modernen Kontext angewendet wird. Und es gibt Anglizismen, die so, wie sie im Deutschen angewendet werden, im Englischen nicht korrekt sind - weshalb sie in der Sprachwissenschaft auch als Schein- oder Pseudoanglizismen bezeichnet werden. Und über diese möchte ich heute mal sprechen.
Ich erinnere mich noch, als man vor etwa 20 Jahren anfing, vom Handy-Bildschirm als "Display" zu sprechen - heute sagt man ja eher "Screen", durch die neue Funktion auch "Touchscreen". Mir fiel damals jedoch auch auf, dass besonders ältere Semester, die noch nicht so umfangreich in Englisch unterrichtet worden waren, das Wort als "Displee" mit Betonung auf die letzte Silbe aussprachen. Ich fand das ärgerlich und lustig zugleich - allerdings noch, ohne zu bedenken, dass auch das Wort "Handy" für ein Mobiltelefon ein Scheinanglizismus ist. Handy bedeutet im Englischen soviel wie "praktisch" bzw. "handlich" - was natürlich bereits zeigt, wie das Mobiltelefon zu seinem Namen gekommen ist. Der Begriff "Handy" für Mobiltelefon etablierte sich Anfang der 1990er Jahre, aber woher er kommt, ist umstritten - man nimmt unter anderem an, dass es sich um eine Produktbezeichnung handelt, die damals von der Elektronik-Firma Motorola geprägt wurde. Ähnlich, wie auch Tesa bzw. Tixo, Maggi oder Uhu ja eigentlich Produktbezeichnungen sind. In England wird das Handy übrigens mobile phone, in Amerika cell phone genannt. In Singapur sagt man übrigens handphone - Scheinanglizismen sind also nicht nur im Deutschen zu finden.
Schon in meiner Zeit in England ist mir aufgefallen, dass das Wort chips im kulinarischen Bereich dort anders verwendet wird als bei uns. Als "Chips" bezeichnet man bei uns hauptsächlich Kartoffelchips, also dünne, frittierte oder gebackene Kartoffelscheiben, die mit Salz und manchmal auch noch mit anderen Gewürzen wie Paprikapulver oder Rosmarin bestreut werden. Während man diese in den USA ebenfalls als potato chips bezeichnet werden, sind chips in England das, was bei uns Pommes Frites sind - man denke nur an den dort so beliebten Snack fish and chips. Unsere Chips werden dort als crisps bezeichnet, während Pommes in Amerika french fries oder auch einfach nur fries heißen. Obwohl sie ja eigentlich aus Belgien und nicht aus Frankreich stammen. Natürlich haben wir auch andere Chips - ich mochte als Kind beispielsweise die Hummerchips im China-Restaurant sehr gern, sie so komisch auf der Zunge zwicken.
Dahingehend könnte das Wort Shooting im englischsprachigen Raum über Leben und Tod entscheiden - denn das, was man bei uns damit meint, nämlich einen Termin, um Fotos zu machen, wird dort als shoot bezeichnet. Ein shooting ist im Englischen die Bezeichnung für eine Schießerei - also nichts, was man unbedingt erlebt haben will, sofern man noch ganz richtig im Kopf ist. Entsprechend ist auch das Wort "Shooting Star" das, was im Englischunterricht häufig als false friend bezeichnet wird - bei uns wird jemand, der buchstäblich über Nacht ein Star geworden ist, so bezeichnet. Im Englischen sagt man dazu eher rising star oder highflyer - ein shooting star ist dort eine Sternschnuppe. Auch die Bezeichnung "Public Viewing" ist im deutschsprachigen Raum weitaus harmloser als im englischsprachigen - hier werden als solche Sportveranstaltungen bezeichnet, die via Bildschirm in Lokalen oder auch im Freien übertragen werden. Auf Englisch bedeutet public viewing soviel wie Leichenschau, man kann jedoch auch - weitaus harmloser - den Tag der offenen Tür so bezeichnen. Trotzdem ist es wohl eher unangebracht, in England oder Amerika von public viewing zu sprechen, wenn man Sportübertragungen meint.
Das Drive-in bezeichnet im deutschsprachigen Raum ja bekanntlich die Möglichkeit, Essen per Auto in bestimmten Restaurants, hauptsächlich McDonald's, zu bestellen und abzuholen. Im englischsprachigen Raum wird dies als drive-thru bezeichnet. Möglich, dass man bei uns deswegen "Drive-In" sagt, weil die Laute th und r für viele deutsche Muttersprachler schwer auszusprechen sind, vor allem, wenn sie aufeinander folgen. Ähnlich wie bei dem Song The Lion Sleeps Tonight, in dem das Zulu-Wort mbube aus dem südafrikanischen Original zu "Wimowe" abgewandelt wurde, weil englische Muttersprachler Schwierigkeiten hatten, es auszusprechen. Allerdings frage ich mich, warum dann das Wort "Thriller" auch im Deutschen gebräuchlich ist - wobei vor allem viele Ältere sowieso eher "Sriller" sagen. Wahrscheinlich würden sie das Drive-in dann wohl einfach als "draif-sru" bezeichnen. Drive-in bezeichnet im Englischen übrigens das Autokino, was man häufig bereits als Kind durch die Fernsehserie The Flintstones (Familie Feuerstein) lernte.
In der Kosmetik gibt es ebenfalls mehrere dieser false friends - beispielsweise wird beim Schminken die Grundierung oft schon als "Make-up" bezeichnet. Im Englischen ist das Wort make up für Schminke zwar auch gebräuchlich, aber die Grundierung heißt hier foundation. Dieses Wort hat sich durch die YouTube-Schmink-Videos allerdings auch bei uns schon etabliert. Ein anderes missverständliches Wort ist Peeling, die englische Bezeichnung für "Schälen". Im Deutschen wird hier der Vorgang bezeichnet, mit dem die abgestorbene Hautschicht mechanisch oder chemisch vom Körper abgetragen wird - im Englischen, je nach Anwendung, face scrub oder body scrub. Auch die Damenunterwäsche kann zu Missverständnissen führen - denn Slips sind im Englischen etwa panties, briefs oder knickers. Das Wort slip hat vielerlei Bedeutung, beispielsweise "gleiten" oder "rutschen", aber keine davon hat mit unseren Unterpumpeln zu tun. Auch der String, der bei uns als Kürzel für den "String Tanga" verwendet wird, bezeichnet im Englischen eine Schnur - der String Tanga selbst heißt in dieser Sprache thong.
Aber auch bei den Küchengeräten kann man ab und an auf "falsche Freunde" treffen - so ist das, was wir hierzulande als "Mixer" bezeichnen, im englischsprachigen Raum ein blender. Der Oldtimer ist im Englischen ebenfalls nicht dasselbe wie im Deutschen. Während wir damit ein altes Automodell meinen, also das, was im Englischen classic car oder vintage car heißt, ist ein oldtimer dort ein alter Mann. Missverständlich ist auch das Wort Beamer, bei uns die Bezeichnung für einen Projektor. Auf Englisch wird dieser also video projector oder digital projector genannt. Beamer ist in Nordamerika ein Slang-Ausdruck für BMW, in Großbritannien wird jedoch auch ein bestimmter Wurf beim Cricket als beamer bezeichnet - oder auch der Kettenschärer in der Weberei. Letzteres könnt ihr übrigens jetzt schön selbst googeln, hihihihihi! Ein sehr beliebter Anglizismus ist ja in Zeiten der Corona-Krise das Wort "Homeoffice" für Schreibarbeiten, die von zu Hause aus erledigt werden können. Das home office ist in Großbritannien das Innenministerium - gearbeitet wird dort from home oder remotely, man sagt aber auch remote working. Mir ist aufgefallen, dass auch in der heutigen Jugendsprache einige Scheinanglizismen herumgeistern - das Wort safe, das im Englischen "sicher" bedeutet, wird hier auch als Synonym für "garantiert" verwendet.
Und es gibt einige konstruierte Anglizismen, die es im Englischen gar nicht gibt. Dazu gehört beispielsweise der Hometrainer, ein Trainingsgerät für den Hausgebrauch, der auf Englisch exercise bike genannt wird. Oder auch der Streetworker, der im englischsprachigen Raum schlicht als social worker bezeichnet wird. Ein relativ neuer Scheinanglizismus ist der Shitstorm, der schon wieder ganz gut zu der Weisheit dieses Artikels passt, ist es doch wörtlich übersetzt ein "Sturm aus Scheiße" - bei uns bekanntlich ein Sturm aus Entrüstung, dem virtuell Ausdruck verliehen wird. Auch das Wort Castingshow gibt es nur im deutschsprachigen Raum. Der Begriff "Casting" hat sich bei uns ja schon seit längerer Zeit für den Auswahlprozess von Darstellern wie Schauspielern, Sängern, Tänzern oder Models für entsprechende Aufnahmen und Inszenierungen etabliert - als solcher wird er auch im Englischen genutzt. Die aus England stammende Castingshow wird in ihrem Mutterland allerdings als talent show bezeichnet - auch wenn letztendlich nicht unbedingt in allen dieser Shows die Talentiertesten das Rennen machen.
Scheinanglizismen gibt es natürlich, wie schon gesagt, nicht nur im Deutschen. Ich erinnere mich etwa an das Französisch-Lehrbuch, das wir im Unterricht am Gymnasium verwendet haben - dort war ein ganzes Kapitel dem "tattoo" gewidmet, ein Wort, das bei uns ja für "Tätowierung" genutzt wird. In Frankreich bezeichnete es aber offenbar ein Personenfunkgerät, also das, was man bei uns wohl als "Pager" bezeichnen würde. Der Pager hat sich in Österreich nicht durchgesetzt, aber wir kennen ihn aus amerikanischen Filmen und Serien, wo er in der Zeit, kurz bevor sich jeder ein Handy leisten konnte, offenbar von Personen jeder Altersklasse verwendet wurde, etwa, wenn jemand telefonisch nicht erreichbar war.
Die Liste ist natürlich noch lange fortzusetzen, aber allgemein kann man sagen, dass Scheinanglizismen, auch wenn viele sie als Gefahr für die deutsche Sprache sehen, andererseits auch beweisen, wie flexibel und lebendig Sprache sein kann. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an das französischsprachige Kanada - die Franzosen machen sich oft über die Franko-Kanadier lustig, weil ihr Französisch sich anders entwickelt hat als das des Mutterlands. Andererseits ist das amerikanische Englisch ja bekanntermaßen auch in vieler Hinsicht anders als das britische, und auch in anderen englischsprachigen Ländern haben sich inzwischen eigene Varietäten entwickelt. Ich denke, es ist durchaus nicht falsch, über den eigenen Tellerrand zu schauen, anstatt zu glauben, dass die eigene Ansicht die einzig richtige ist. Bon voyage!
vousvoyez