Mittwoch, 30. Juni 2021

Herbert Kickl ist das Krokodil im blauen Kasperltheater

©vousvoyez
Und beinahe anderthalb Jahre später ist dieser Satz so aktuell wie eh und je, hat es Herr Kickl doch geschafft, sich die FPÖ unter den Nagel zu reißen. Und ich hab keine Ahnung, was ich davon halten soll - ich habe Kickl vor mehr als zwei Jahren als Innenminister erlebt, und er ist einer der Letzten, die ich noch in der Regierung haben will. Allerdings bemerke ich auch, dass er die Partei spaltet wie kaum ein anderer, und das könnte ein gutes Zeichen sein; es könnte zu einem Stimmenverlust für die FPÖ führen. Allerdings denke ich da an das Jahr 2016 zurück. Damals, als die Welt noch viel einfacher erschien, dachte ich mir noch: Donald Trump, US-Präsident? Niemals! Umso mehr, als man aufgrund eines schrecklichen Mordes an einer Dreizehnjährigen mutmaßlich durch zwei junge Afghanen jetzt die Gunst der Stunde nutzt, um Stimmung gegen "die Ausländer" zu machen: Man fordert härtere Asylgesetze und konsequentere Abschiebung - das sieht dann aber so aus, dass man Schüler und Lehrlinge aus ihren Betten reißt und ins Flugzeug setzt. Denn anständige Menschen sind nun mal leichter zu fassen als Kriminelle - und die Quote freut sich.

Aber lassen wir diese traurige Geschichte doch hinter uns und reden wir stattdessen von etwas Angenehmen. Von Fußball zum Beispiel! Der tut niemandem weh, da ist der Gegner klar, und man kann sich wunderbar darüber streiten, welche Mannschaft die bessere ist - außerdem kann man da die lästige Politik außen vor lassen! Äh, Moment ...

Ich persönlich würde mich keineswegs als Fußballfan einordnen - die meisten Spiele langweilen mich einfach nur zu Tode. Deswegen habe ich, wenn mein Angebeteter ein Fußballspiel genießt, auch meistens den Laptop auf den Knien oder ein Buch in der Hand. Es gibt allerdings Ausnahmefälle, in denen ich selbst gebannt am Fernseher klebe, ohne auch nur einmal ins Buch zu schauen oder meinem Schatz die Ohren vollzuquatschen - so wie letzten Samstag beim Spiel Österreich gegen Italien. Denn obwohl meine Landsleute verloren haben, haben sie es doch ihrem überaus starken Gegner nicht leicht gemacht. Selbst im Ausland wird dieses Spiel als das bisher spannendste der Saison bezeichnet. Und doch kann ich es nur mit Vorbehalt genießen - denn wie ihr vielleicht schon gemerkt habt, läuft bei mir das Hirn leider immer im Hintergrund mit. Und dabei kommt nicht immer was Gutes heraus.

Schon allein die Tatsache, dass die Europameisterschaft im Jahr 2021 stattfindet, sich aber immer noch "EM 2020" nennt, treibt mich in den Wahnsinn, auch wenn ich noch so sehr weiß, da es da um die Verträge geht, die ansonsten angepasst werden müssten. Wahrscheinlich geht es auch darum, dass man sonst die ganzen Colaflaschen, Chipspackungen und Panini-Alben neu bedrucken hätte müssen. Aber das ist i-Tüpfelchen-Reiterei, besonders im Vergleich zu all dem anderen, was mich an dieser Fußball-Maschinerie so verdammt sauer macht. Nun ist es für mich selbstverständlich absolut nachvollziehbar, dass man nach beinahe eineinhalb Jahren Corona, Corona, Corona auch mal über etwas anderes diskutieren will. Und dass man die neu gewonnenen Freiheiten in vollen Zügen auskostet. Ich bin halt leider anders - ich kann nicht einfach ausblenden, was da im Hintergrund so alles abläuft. Denn Fußball ist nach außen hin selbstverständlich völlig harmlos, ja sogar integrativ - nicht zuletzt hat das runde Leder (auch wenn es mittlerweile nicht mehr ausschließlich Leder ist) auch meinem Freund bei der Integration gute Dienste geleistet. Aber hinter der Hochglanzfassade lauern Geldgier und Skrupellosigkeit, die auch über Leichen geht, wenn es denn sein muss.

Denn natürlich ist ein "Geisterspiel" öde, das Geschrei der Fans motivierend - allerdings vergessen wir leider nur allzu oft, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Wie man am Beispiel Ungarn und England gesehen hat, wo die Menschen sich maskenlos schreiend dicht an dicht gedrängt haben. Ja, ich weiß - was für eine spießige Spielverderberin ich doch bin! Aber ich sage mal so - ich möchte diese Freiheiten dauerhaft zurück und nicht nur über den Sommer. Auch wenn ich zugeben muss, dass es durchaus Einschränkungen gibt, die ich mir auch für die Zukunft vorstellen könnte - ich halte es zum Beispiel für eine total gute Idee, dass Fremde mir auch nach der Pandemie nicht mehr ihren schlechten Atem ins Gesicht husten dürfen. Und dass sich mein Hintermann in der Warteschlange nicht mehr einfach so, ohne dass wir auch nur einander vorgestellt wurden, an mich kuscheln darf. Aber was momentan in der EM oft veranstaltet wird, ist in etwa so wie Sex mit lauter Fremden ohne Kondom - wer die Konsequenzen trägt, darf sich nicht wundern. Vergessen wir nicht: Einer der schlimmsten Corona-Hotspots, der zu überlasteten Krankenhäusern und Krematorien sowie einer unfassbaren Menge an Toten geführt hat, war Bergamo - wo noch im März 2020 ein Europacup-Spiel stattfand, nachdem bereits die ersten Covid-19-Fälle von Personen, die keine Verbindung zu China gehabt hatten, gemeldet worden waren. Trotz dieses Wissens und trotz der Warnungen, dass die neue Delta-Variante, die sich aktuell in Großbritannien verbreitet, die Infektionszahlen wieder aufwärts treiben könnte, wird die EM als "Strahl der Hoffnung" beworben, als "Zeichen, dass eine gewisse Normalität zurückkehrt". Wie gesagt - ich möchte kein Spielverderber sein, ich möchte aber auch kein zweites Bergamo oder Ischgl.

Ganz allgemein habe ich allerdings den Eindruck, dass Fußball für viele bedeutet, eine Menge Extrawürste zu verteilen. So wurde zu Beginn der Pandemie noch möglichst oft in möglichst vollen Stadien gespielt - etwa in Leipzig unmittelbar vor dem damals bereits absehbaren Lockdown, wo sich noch etliche Fans nachweislich schön angesteckt haben. Und auch in Zeiten, als der Rest der Welt sich zu Hause verschanzen musste, musste die Bundesliga weitergehen - bedeutet ja Kohle -, während Kindern der Mannschaftssport im Freien verboten war. Und auch Infektionsschutz für die Spieler war zu diesen Zeiten ein Fremdwort - warum auch, das sind ja schließlich Fußballgötter, und Götter sind bekanntlich über alles und jeden erhaben.

Ein weiterer Punkt ist, dass sich sowohl FIFA als auch UEFA in ihren Statuten gegen jede Art von Diskriminierung aussprechen - Stellung beziehen funktioniert allerdings nur, solange es nicht zu unbequem ist. Und so strahlen uns aus den Fußball-Werbespots alle Farben des Regenbogens entgegen, während die Allianz-Arena in München diese nicht tragen darf, während Deutschland gegen Ungarn antritt - jenes Land mit Viktor Orbán als Staatsoberhaupt, welcher ein Gesetz nach dem anderen verabschiedet, das seine Feindseligkeit gegenüber der LGBTQI+-Community mehr als deutlich macht. Erst eine Woche zuvor wurde die Aufklärung über Homosexualität und Transgender in Schulen sowie Werbung und für Kinder und Jugendliche zugängliche Medien, in denen nicht hetero-normative Personen als Teil der Normalität dargestellt werden, verboten. Nun nahm die UEFA bereits Ermittlungen gegen den DFB auf, als Manuel Neuer, Torwart und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, seine Armbinde in den Farben des Regenbogens trug - ein klares und wichtiges Zeichen der Solidarität gegenüber der LGBTQI+-Community. Dem DFB drohte eine Geldstrafe. Begründung: Das Tragen der Regenbogenfarben sei keine Vertretung von Werten, sondern ein politisches Statement, was laut der Statuten der UEFA verboten sei. Immerhin bewirkte der öffentliche Druck, dass die UEFA die Ermittlungen am selben Abend noch einstellte. In den Regenbogenfarben erstrahlen durfte die Allianz-Arena trotzdem nicht - und Péter Szijjártó, der Außenminister Ungarns, entblödete sich nicht, darauf hinzuweisen, dass gerade Deutschland wissen müsse, dass es schlecht sei, Sportveranstaltungen mit Politik zu vermischen. Ein geschmackloserer Vergleich als die Solidarität mit der Queer-Community mit der NS-Vergangenheit Deutschlands fiel ihm nicht ein, oder wie? Der Witz dabei: Obwohl die UEFA das Verbot der Regenbogenfarben damit begründete, politisch neutral zu sein, ist gerade diese Reaktion alles andere als das. Denn den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, sich nur dann gegen Diskriminierung zu stellen, wenn es gerade bequem ist und es dort zu unterlassen, wo es unangenehm werden könnte, ist bereits ein politisches Statement, ob es der UEFA nun passt oder nicht. Denn damit gibt sie zu verstehen, dass Menschenrechte dort aufhören, wo der Fußballplatz beginnt.

Und das ist eines der größten Probleme dieses Vereins - denn damit macht er sich argumentativ gemein mit Diktatoren und Faschisten. Denn auch diese erklären Sport für komplett unpolitisch, nutzen diesen aber für ihre politische Agenda. Denn das Symbol für LGBTQI+, die Regenbogenfahne, kommt gerade recht, solange es in der Werbung gut aussieht, und Statements gegen Rassismus sind inzwischen obligatorisch. Darüber, dass nicht-weiße Spieler des DFB und ÖFB abseits des Spielfeldes immer noch rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind, wird allerdings der Mantel des Schweigens gebreitet. Ebenso, wie auch sonst nicht viel Wert auf Menschenrechte gelegt wird, sobald es um die Kohle geht - das beweist schon der Umstand, dass die dänische Nationalmannschaft weiterspielen musste, nachdem Christian Eriksen auf dem Spielfeld bewusstlos zusammengebrochen war und vom Platz getragen werden musste. Ein tolles Vorbild, diese UEFA - Mitgefühl spielt keine Rolle, wenn die Kohle stimmen muss, im Gegenteil, es ist eher lästig. Wie im alten Rom: Das Volk braucht Brot und Spiele, um zufrieden zu sein, selbst wenn man dafür über Leichen geht - wenn auch im Fall von Eriksen nur potenziell, denn zum Glück ist er noch am Leben. Ganz abgesehen davon spielt man mit mehreren Austragungsorten nicht nur der Pandemie in die Hände, sondern tut auch dem Klima keinen Gefallen.

Wenn es um die Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr geht, wird es allerdings noch deutlich schwieriger - denn in Katar, das diese ausrichten soll, wird Sexualität, die vom Hetero-Normativen abweicht, strafrechtlich verfolgt. Ganz abgesehen davon, dass schon die Vergabe der WM 2022 an ein Land, das nicht gerade als "Fußballnation" glänzt, nicht nur für mich mehr als fragwürdig ist - ich denke, es besteht kein Zweifel, dass da eine Menge Geld geflossen ist. Da spielt die allgemein ziemlich unterirdische Menschenrechtslage im Emirat natürlich keine Rolle mehr - etwa die brutalen Arbeitsbedingungen an den Baustellen, die in den letzten zehn Jahren laut The Guardian insgesamt 6.751 Arbeitsmigranten aus Bangladesch, Indien, Nepal, Pakistan und Sri Lanka das Leben kosteten - die Todesfälle unter Arbeitsmigranten aus Kenia und von den Philippinen sind in dieser Statistik gar nicht enthalten, da über diese keine Auskunft gegeben wird, aber alles in allem kann man von knapp 2 Millionen Todesfällen unter Arbeitsmigranten ausgehen. Und darunter sind auch jene, die die Stadien für die kommende Weltmeisterschaft errichtet haben: möglicherweise das tödlichste Bauprojekt seit Errichtung der Pyramiden von Gizeh.

Alles in allem gibt es gute Gründe, auf den Genuss großer Fußballveranstaltungen zu verzichten - auch wenn ich durchaus gut nachvollziehen kann, dass nicht jeder das möchte. Und ich insgesamt der Meinung bin, dass man die Korruption der einzelnen Vereine zuallerletzt den Fans zur Last legen soll - das ist ebenso eine Verschiebung des Problems, wie die Verantwortung für die Ausbeutung von Plantagenarbeitern ausschließlich in die Hände des Konsumenten zu legen (und damit sage ich nicht, dass wir nicht eine gewisse Mitverantwortung tragen). Und entgegen vieler anderer Nicht-Fans bin ich nicht nur nicht der Ansicht, dass alle Fußballer und alle Fußballfans dumm sind, ich erlebe auch selbst, dass der Intellekt unter jenen, die der runden Leder-PVC-Mischung (hihihi) zugetan sind, genauso heterogen ist wie bei vielen anderen Gruppen. So habe ich den Eindruck, dass der österreichische Nationalspieler David Alaba durchaus etwas im Kopf hat, während ich bei Marko Arnautović und Ex-Spieler Ivica Vastiċ manchmal ein bisschen daran zweifle. Aber natürlich kann es auch sein, dass ich mich irre - in diesem Fall möchte ich mich bei den beiden letzteren, zweifellos hoch talentierten Persönlichkeiten entschuldigen. Selbstverständlich kann man ein glühender Fußballfan und trotzdem kritisch gegen die Vereins-Maschinerie sein. Und natürlich können diejenigen, die mich wirklich gut kennen, mir auch zur Last legen, dass ich selbst immer sehr ungern und schlecht Fußball gespielt habe. Aber das ist eine andere Geschichte.

vousvoyez

Samstag, 26. Juni 2021

Sollte ich jemals einen elektrischen Stuhl haben, werde ich umgehend meine Ernährung umstellen

@roaming_angel
Dass die richtige Ernährung immens wichtig für die Entwicklung ist, wissen wir ja schon länger. Ebenso wissen wir auch, dass eine gute Schulbildung essenziell ist, um im Leben weiterzukommen. Nun, ich habe ja schon in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass wir in einem höchst veralteten Bildungssystem feststecken, an dem lediglich ein paar Veränderungen vorgenommen wurden, die man, bezogen auf die Gesamtsituation, eigentlich nur "kosmetisch" nennen kann. Denn nach wie vor geht es eigentlich nur darum, eine Unmenge an Inhalten auswendig zu lernen, die man, nachdem sie abgeprüft wurden, sofort wieder vergisst.

Doch nicht nur das ist es, was momentan im Argen liegt - eine Gesundheitskrise, wie man sie seit einem Jahrhundert nicht mehr erlebt hat, hat Schüler weltweit ins Home Schooling verbannt, wo ihr bildungstechnisches Fortkommen von der technischen Ausrüstung ihres Haushalts und dem Engagement der Eltern abhing, dazwischen mussten sie im Klassenzimmer frieren, weil das einzige, was man den Sommer über zustande gebracht hatte, die Empfehlung war, ausreichend zu lüften. Und als ob das noch nicht genug wäre, mussten die jungen Leute auch noch auf das allermeiste verzichten, was Jugend eigentlich ausmacht: Reisen, Konzerte, Partys, neue Leute treffen - klar, alles nicht lebensnotwendig, aber uns möchte ich mal sehen, wenn man das in diesem Alter von uns verlangt hätte! Und jetzt, wo die Impfung da ist, müssen die Jungen sich ganz hinten anstellen, weil Covid-19 nun mal für andere gefährlicher ist und diese deshalb priorisiert werden. Die meisten von ihnen haben die Situation auch durchaus verstanden und sich zurückgehalten - mittlerweile haben wir die Situation aber wieder halbwegs im Griff, und so bevölkern die jungen Leute zum Feiern die Parks, öffentlichen Plätze und Flussufer - und rufen regelmäßig die Polizei auf den Plan. In meiner Stadt ging das so weit, dass ein Hetzartikel der FPÖ mit einem reißerischen Video, das alle Skater als Kriminelle hinstellte, zu einem "Trickverbot" für Skater und Innen auf öffentlichen Plätzen führte.

Aber genug der Jammerei - jetzt hat das ja alles ein Ende. Der Lockdown ist vorbei, die jüngeren Schüler haben sogar einen Ninja-Pass bekommen. Wie cool ist das denn - ein Ninja-Pass! In den man jedes Mal, nachdem man negativ getestet wurde, ein Pickerl einkleben kann. Das ist so ungerecht - ich will auch einen Ninja-Pass! Auch wenn ich schon 37 bin! Und nicht nur das - die Schüler sollen an diesem Montag noch zusätzlich von unserem heißgeliebten Bildungsminister Heinz Faßmann für ihre Engelsgeduld belohnt werden, damit alle Welt sieht, in was für einem glücklichen Land wir doch leben und wie lieb die türkise Familie doch ist. Denn nachdem im letzten Jahr auf allen Balkonen für Krankenhauspersonal und Pflegekräfte geklatscht wurde, auch wenn sie sich davon nichts kaufen konnte, aber immerhin, bekommt die Jugend nun ein Konzert spendiert, das online in alle Klassenzimmer übertragen wird! Und wer sind die illustren Musiker, die dafür engagiert wurden? Nun, auf dem Programm stehen Pizzera & Jaus (zugegeben, die sind noch okay), Alle Achtung (häää?), Tina Naderer (wer is'n des?) und DJ Ötzi!

Nun, wie muss ich mir diese Entscheidung im Bildungsministerium vorstellen? Saßen die da alle zusammen und diskutierten? "Ist der David Hasselhoff noch hip bei der Jugend?" - "Naaa, i glaub, die mögen eher diesen ... no ... den ozwickt'n Schweizer do, oder net?" Und dann steht ein Beamter um die 60 auf, total begeistert: "Ich glaub, der DJ Ötzi ist gerate to-tal angesagt!" Wahrscheinlich tritt der Bildungsminister vor dem Konzert dann auch besonders "jugendlich" auf - Basecap, Hoodie und Baggy Pants, alles verkehrt herum angezogen, das hat er sich bei Criss Cross abgeschaut. Und wenn das Konzert vorbei ist, kommt er dann noch einmal auf die Bühne und fragt gönnerhaft lächelnd: "Und, hobt's scho Ohrenbluten? Jo? Jo?"

Nun, nichts gegen Geri Friedle persönlich, ich finde ihn in seinen Interviews äußerst sympathisch - aber ernsthaft? Das ist, als würde man zu Weihnachten ein paar lange Unterhosen geschenkt bekommen. Oder, als hätte man uns als Jugendliche ein Udo-Jürgens-Konzert spendiert. Andreas Gabalier und die Zillertaler Schürzenjäger waren schon vergeben, oder wie? Heintje hat abgesagt, Catarina Valente wollte die Fahrtspesen zurück und Jopi Heesters ist leider viel zu früh verstorben? Oder will man die Jugend etwa schon mal prophylaktisch in die Après-Ski-Kultur einführen, damit die Super-Spreader-Events bei der nächsten Pandemie nicht verlorengehen und das Kitzloch sich nicht einsam fühlt? Zumal DJ Ötzi bereits in meiner Generation die Jugend gespaltet hat - ich für meinen Teil fand sie immer schon schrecklich. Ich meine - ist die Jugend nach Distance Learning und Maskenpflicht nicht schon genug gestraft? Was kommt denn dann als nächstes - die Wiedereinführung von Karzer und Rohrstock? Oder will man ihnen nach den Sommerferien wieder "was Gutes tun" und führt die gute Fee ein, die einem mit Flügeln auf dem Rücken und Zauberstab in der Hand die Gurgeltests überreicht? Oder ein Flötenkonzert von Basti und Gernot zu Schulbeginn? Ich finde, es ist allmählich Zeit, Anzeige in Den Haag zu erstatten - denn eigentlich ist die Europäische Menschenrechtskonvention in unseren Grundrechten verankert. Was auch bedeutet, dass seelische Grausamkeit verboten ist. Wie unser Kanzler einst sagte, als er vor dem Trümmerhaufen der geplatzten Koalition stand: Genug ist genug!

Theoretisch hätte man das Geld, das man dafür aufwendet, in bessere Ausstattung der Klassenzimmer, etwa die lang ersehnten Luftfilter, und in einen Ausbau der Digitalisierung stecken können. Denn die Pandemie ist noch nicht vorbei, und das letzte Jahr sollte uns eigentlich gelehrt haben, dass die Fallzahlen im Herbst möglicherweise wieder ansteigen könnten. Stattdessen wird an allen Ecken und Enden gespart, werden Posten gestrichen und Ressourcen gekürzt. Aber okay, das ist wohl der Ausgleich dafür, dass der Musikunterricht zu jenen Fächern gehört, die schon seit Jahrzehnten als erste von eventuellen Sparmaßnahmen betroffen sind. Und hey, die Jugend ist sicher ganz begeistert davon, im stickigen Klassenzimmer zu sitzen und sich eine Musik reinzuziehen, die Lichtjahre von ihrer Gegenwart entfernt ist. Eigentlich könnte man sich denken, dass die junge Generation nach den Lockdowns mal genug von gestreamten Inhalten hat - aber das Bildungsministerium scheint jetzt erst recht auf den Geschmack gekommen zu sein. Auch wenn jenen, die dort sitzen, eigentlich bekannt sein sollte, dass die letzten Schulwochen eher für Ausflüge und Projekte genutzt werden, aber man darf nicht undankbar sein: Diese Initiative legt zumindest offen, wieviel Ahnung das Ministerium von der Lebenswirklichkeit der Jugend hat. Aber vielleicht sollten wir einfach froh sein, dass es keine gemeinsame Singstunde geben wird - mit Liedern aus dem Rotweißroten Liederbuch von Willi Molterer, Liesi Gehrer und Wolfi Schüssel. Zumindest haben dann die Lehrer ein adäquates Druckmittel: "Wenn ihr brav seid's, gemma Eis essen - wenn ihr schlimm seid's, schau ma DJ Ötzi." Eigentlich kann man da nur mit den Worten der Regierung antworten: Schau auf dich. Bleib zu Hause. Abstand ist die beste Medizin.

(Und ein kleiner Hinweis an alle, die gern shitstormen: Lasst die Künstler in Ruhe! Die können nichts dafür.)

vousvoyez

Samstag, 19. Juni 2021

Wer heute noch eine Bank überfällt, gehört wegen Dummheit in den Knast

https://unsplash.com/@kellysikkema
Wobei Dummheit ja bekanntlich nicht strafbar ist - auch wenn man es sich mitunter wünschen würde, wenn man das eine oder andere Exemplar der Gattung homo sapiens so betrachtet. Da hilft es auch nichts, wenn die Gescheiten das Wort sapiens (weise) hinten dranhängen. Alles, was da hilft, ist, die Sachen mit Humor zu nehmen. Auch wenn es manchmal etwas schwer fällt. Besonders, wenn man sich durch die Untiefen des Internets klickt. Wo ja nicht nur Schwurbelinos und Schwurbelettas zu finden sind, sondern auch Influencer.

Dass wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe per se kein Problem mit Influencern - das ist ja doch ein recht dehnbarer Begriff. Ich habe nur ein Problem damit, dass manche von ihnen einfach alles machen, um an möglichst viel Geld zu kommen. Gut - ich muss deren Kanäle ja nicht ansehen. Aber das Ding ist halt, dass die kunterbunte Welt der Klicks und Likes auch einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die jüngere Generation hat. Nun gut - auch wir Älteren orientierten uns in den Jahren der Kindheit und Adoleszenz an Idolen aus der Welt der Reichen und Schönen. Der Unterschied war halt, dass wir eine weitaus weniger starke emotionale Bindung zu ihnen hatten - das ist in den interaktiven Medien doch um einiges anders. Und dass es noch keine digitalen Medien gab, zu denen man überall und jederzeit Zugriff hatte - um ins Internet zu gelangen, waren damals weitaus mehr logistische Hürden zu überwinden, um Musik zu hören, war man auf das Radio und CDs angewiesen. Wobei es natürlich auch damals schon genug Blödsinn gab, mit dem man sich als Kind und Teenager berieseln lassen konnte - aber die Dynamik hat sich durch Reality TV und Social Media doch sehr geändert. In meiner Jugend wollten die meisten Popstar oder Model werden; heutzutage will man Influencer werden. Und viele schaffen es bereits in sehr jungen Jahren - und mit vergleichsweise wenig Aufwand. Andere wiederum sind bereits berühmt, bevor sie alt genug sind, zu entscheiden, ob sie das überhaupt wollen. Denn das Internet eröffnet nicht nur aufstrebenden jungen "Talenten", rund um die Uhr ihr tolles Leben zu feiern, sondern auch Familien, einem zu jeder Zeit ihr perfektes Leben unter die Nase zu reiben. Und dabei so zu tun, als wären Ehe und Kindererziehung ein Klacks. Wobei häufig verschwiegen wird, dass es vor allem der frühe Ruhm ist, der Mittzwanzigern ein Luxusleben plus eigener Familie ermöglicht.

Was vorwiegend sehr junge Follower nicht durchschauen, ist, dass die Anbiederung an das Publikum, die Präsentation des (vermeintlichen) Privatlebens, die Inszenierung des Familienlebens und die Förderung des eigenen Sprösslings inzwischen schon ein sehr lukratives - und bisweilen auch knallhartes - Business geworden sind. Und dass da so nebenbei einige Gesetze und Richtlinien umgangen werden - auch und gerade solche, die den Jugendschutz regeln. Vor zwei Jahren hat YouTube unter fast allen Videos mit Kinder-Protagonisten die Kommentar-Funktion gesperrt, nachdem aufgefallen war, dass diese häufig von unangemessenen, teilweise sogar pädosexuellen Kommentaren geflutet wurde. Dies ist selbstverständlich ein großer Schritt in die richtige Richtung - dennoch sind sowohl Behörden als auch Accounts teilweise doch ziemlich lasch, wenn es darum geht, Minderjährige zu schützen. Zumal etwa die Kommentarfunktion von Familienblogs, auf denen ja häufig noch kleinere Kinder zu sehen sind, nach wie vor uneingeschränkt genutzt werden kann. Und viele, sehr viele Eltern leider ziemlich gedankenlos sind, wenn es um die Präsentation ihrer Kinder im Netz geht - sei es aus Unwissenheit oder Ignoranz. Ich kann's ja auch irgendwie verstehen - ich habe zwar keine Kinder, aber als frischgebackene Mutter wäre ich mit Sicherheit ebenso stolz auf meinen Sprössling wie die meisten anderen Mütter und hätte vielleicht das Bedürfnis, dies mit der ganzen Welt zu teilen. Und ich freue mich auch, wenn ich ab und zu mal die Familie von Leuten sehe, mit denen ich sonst nicht mehr so viel Kontakt habe. Aber es gibt eben Dinge, die nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt sind - und nicht nur das, meiner Ansicht nach haben Kinder bis zu einem gewissen Alter nichts im Internet verloren, zumindest nicht im öffentlichen Kontext. Und die meisten Social-Media-Plattformen sind, zumindest ihren Nutzungsbedingungen zufolge, der gleichen Ansicht - Profile dürfen bei den meisten erst ab 13, bei manchen gar erst ab 16 Jahren angelegt werden. Zumindest theoretisch - praktisch kümmert es weder YouTube noch Facebook oder Instagram, wie alt die Person hinter dem Account ist. Lustigerweise ist es gerade TikTok, jene App, die aktuell häufig in der Kritik steht, die noch am ehesten auf die Einhaltung ihrer Nutzungsbedingungen pocht und schon mal Profile löscht, deren Betreiber eindeutig zu jung sind. Besonders auf Instagram umgehen viele Eltern hoffnungsloser Jung-Influencer dieses "Problem", indem sie die Accounts ihrer Sprösslinge auf ihren eigenen Namen laufen lassen. Und nicht nur die Nutzungsbedingungen dieser Plattformen, auch das Verbot von Kinderarbeit sowie die Persönlichkeitsrechte der Kinder werden hier häufig umgangen - teilweise wird sogar permanent die Intimsphäre verletzt.

Denn selbstverständlich nutzen Influencer-Eltern gerne die Niedlichkeit ihrer Kinder, um Klicks zu generieren. Und so gibt es auf YouTube inzwischen unzählige Kanäle, die sich hauptsächlich um den Familienalltag mit kleinen Kindern drehen. Und leider kennen einige der Betreiber da keine Grenzen - so werden den Kleinen "lustige" Streiche gespielt, man wird permanent über ihren Gesundheitszustand, die Konsistenz ihres Stuhlgangs und ihres Erbrochenen informiert, sie werden unzensiert in der Badewanne, im Pool, im Bett oder beim Kinderarzt gezeigt. Manche präsentieren sogar den Inhalt der Schubladen in ihren Kinderzimmern, einschließlich jener, in denen Badezeug und Unterwäsche aufbewahrt werden. Rückzugsorte und Privatsphäre? Fehlanzeige. Was in Zukunft nicht nur für die Kinder zum Problem werden könnte, deren Klassenkameraden jeden Aspekt ihres Lebens kennen, bevor sie sie selbst zu Gesicht bekommen haben, sondern auch für die Eltern, sollte der eine oder andere Sprössling irgendwann auf die Idee kommen, rechtlich gegen die inflationäre Zurschaustellung ihres Lebens vorzugehen.

Jetzt können wir natürlich einwenden, dass Kinderstars kein ganz neues Phänomen sind - der Unterschied ist allerdings, dass das Setting sich inzwischen deutlich verändert hat. Denn Kinderstars meiner Generation oder älter hatten zum einen ein Leben außerhalb ihres Star-Daseins, während Influencer-Kinder rund um die Uhr damit konfrontiert werden; zweitens fungieren die Eltern von Stars aus Film und Fernsehen selten auch noch gleichzeitig als Arbeitgeber; drittens gibt es für die Arbeitszeiten dieser Kinderdarsteller feste Regeln, auf die bei minderjährigen Influencern häufig bei weitem nicht so viel Wert gelegt wird; viertens ist der Schutz von Kinderstars aus dem Internet bisweilen gar nicht oder nur mangelhaft gegeben. Bis jetzt weiß ich von genau einer Familie, die sich eine Arbeitsgenehmigung für ihre Tochter besorgt hat und regelmäßig Rücksprache mit den zuständigen Behörden hält - und auch das scheint nicht ganz freiwillig zu sein. Nun ist es natürlich nicht dasselbe, in afrikanischen Diamantminen oder asiatischen Textilfabriken zu schuften, wie Videos zu drehen und gestellte Fotos zu posten - aber ja, auch das ist Erwerbsarbeit, wenn auch eine mitunter sehr gut bezahlte. Aber selbstverständlich würden fürsorgliche Influencer-Eltern niemals zugeben, dass das, was ihr Nachwuchs vor der Kamera veranstaltet, Arbeit ist - die machen das ja freiwillig und haben dabei so viel Spaß! Nun, ich möchte nicht bestreiten, dass die Kinder beim Produzieren der Videos nicht tatsächlich Spaß haben - was jedoch häufig unterschätzt wird, ist, dass Kinder nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional von ihren Eltern abhängig sind. Und wenn Mami sich freut und besonders lieb zu dir ist, wenn du ein bestimmtes Verhalten an den Tag legst, dann machst du es natürlich total "gerne". Die Frage ist halt nur, ob Mami auch einverstanden ist, wenn du keine Videos mehr machen willst - wird sie deine Entscheidung respektieren oder wird sie dir ein schlechtes Gewissen machen, damit du es dir noch einmal überlegst? Schwierig wird es vor allem dann, wenn das Influencer-Dasein die Kinder so sehr einschränkt, dass sie keine Zeit mehr haben, um einfach nur Kind zu sein. Und wenn es schon mehr oder weniger den Lebensunterhalt seiner gesamten Familie bestreitet. Im Jahr 2019 war der siebenjährige US-Amerikaner Ryan Kaji der bestverdienende Influencer der Welt - der Junge generiert mit seinen Videos, in denen er Sachen auspackt und mit neuen Spielsachen spielt, jedes Jahr Beträge in Millionenhöhe. Doch auch die sechsjährige Russin Nastya gehört mit ihren in schlechtem Englisch gehaltenen Videos mittlerweile zu den Topverdienern. In Frankreich gibt es inzwischen ein Gesetz, das sich an dem amerikanischen Coogan Act von 1939 orientiert und gewährleisten soll, dass nicht der gesamte Verdienst des Kindes an die Eltern ausbezahlt wird, sondern ein Teil auf ein Treuhandkonto überwiesen wird, auf das es ab dem 16. Lebensjahr Zugriff hat - dieses soll dafür sorgen, dass der Erlös dieser Tätigkeit nicht vollständig von den Eltern ausgegeben wird, wie es bei dem Jungschauspieler Jack Coogan, nach dem das amerikanische Gesetz benannt ist, geschehen ist.

Doch das Problem ist nicht nur die mögliche wirtschaftliche Ausbeutung der Kinder - kritisch gesehen wird auch die Schleichwerbung, die durch diese Videos ins Netz gerät. Denn Kaufaufforderungen, die direkt an Kinder gerichtet werden, ist verboten - aber sie ist auch gar nicht mehr notwendig, wenn Kinder die Produkte in die Kamera halten und vorführen.  Und spätestens da kann man sich durchaus fragen, ob es in diesen Videos tatsächlich um die Interessen der Kinder geht oder nicht doch eher um die der Erwachsenen. Influencer entwickeln eine emotionale Bindung zu ihren Zuschauern, weshalb ihre Kaufempfehlungen häufig als vertrauenswürdiger empfunden werden, weshalb sie für große Konzerne sehr wertvoll sind. Klar werden Kinder in einer Konsumgesellschaft bereits von klein auf mit Werbung konfrontiert - aber ist das deswegen auch richtig, sie bereits in einem Alter mit Werbung zuzuballern, in dem sie diese noch gar nicht von anderen Informationen unterscheiden können? Ich muss ganz ehrlich sagen, ich zweifle daran. Noch schräger wird es, wenn Kinder Gewinnspiele bewerben, deren Teilnahme Minderjährigen gar nicht erlaubt ist - auf einem Kanal, der angeblich ausschließlich "von Kindern für Kinder" konzipiert ist. Kurz zusammengefasst: Es ist offensichtlich, dass hinter solchen Kanälen Erwachsene die Strippen ziehen. Und ebenso wie die Eltern, verdienen auch die Plattformen ordentlich an ihnen - was wohl auch der Grund ist, warum es diese mit dem Kinderschutz mitunter nicht so genau nehmen.

Die Frage ist natürlich, welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung der Protagonisten dieser Accounts hat. Schon auf erwachsene Privatpersonen kann sich der ständige psychische Druck, der durch den unterbewussten Anspruch auf Likes und Reaktionen entsteht, verheerend auswirken - wie aber mag dies für Kinderstars sein, die rund um die Uhr mit ihrem Ruhm konfrontiert sind? Ganz zu schweigen von den Hasskommentaren, mit denen auch schon die Jüngsten konfrontiert sein können. Eine vierzehnjährige Influencerin kokettiert häufig mit depressiven Verstimmungen - natürlich kann man behaupten, sie tue das nur für die Aufmerksamkeit, aber weiß man es denn? Und selbst wenn - ich habe in einem anderen Artikel schon erläutert, dass man solche Verhaltensweisen immer erst nehmen sollte. Und es ist mir auch schleierhaft, dass da niemand einschreitet. Hinzu kommt, wie schon zuvor angemerkt, auch die durchaus nicht zu unterschätzende Sexualisierung, die hier oft stattfindet. Ein Elternpaar steckt seine kleine Tochter in eine Meerjungfrauenflosse und filmt sie schwimmend im Pool, weil dies sehr viele Klicks bringt - dessen sind sie sich sehr wohl bewusst, sonst würden sie dies nicht tun. Sind sie sich jedoch auch dessen bewusst, dass diese Klicks möglicherweise von Personen kommen, von denen Eltern im normalen Leben eher nicht wollen, dass sie ihre Kinder beobachten? Generell erfolgen die meisten Reaktionen häufig auf Fotos und Videos, in denen besonders viel nackte Haut zu sehen ist. Und dass auf Accounts, auf denen das Kommentieren möglich ist, häufig Profile von eindeutig älteren Männern zu finden sind, die Herzchen- und Flammen-Emojis posten. Und dies betrifft nicht nur professionelle Influencer - häufig passiert das auch auf Accounts von Kindern und Jugendlichen, die ganz augenscheinlich nicht unter Aufsicht der Eltern entstanden sind. Das Gefährliche hierbei ist, dass sich Kinder der Konsequenzen ihrer Handlungen noch nicht im selben Maße bewusst sind wie Erwachsene - sie eifern ihren volljährigen Influencer-Vorbildern nach, ohne sich etwas dabei zu denken. Vor allem auf TikTok hat das in den letzten Jahren zu Trends geführt, bei denen es, um es vorsichtig auszudrücken, etwas komisch wird. Ein Trend, der im letzten Jahr vor allem in den USA sehr beliebt geworden ist, ist der der sogenannten E-Girls und E-Boys - eine Jugendkultur, die Elemente der Skater-Kultur, Cosplay, Hip-Hop, Gothic, Emo, Rave und ein wenig 90er-Nostalgie in sich vereint. Besonders Mädchen interpretieren diesen Look oft sehr sexy, mit sehr kurzer Kleidung, die den japanischen Schuluniformen nachempfunden ist, und offensiv anzüglichem Verhalten. Beliebt ist hierbei vor allem etwas, das in der japanischen Hentai-Kultur - also pornographischen Animes - als Ahegao bezeichnet wird und einen bestimmten Gesichtsausdruck im Zustand sexueller Ekstase beschreibt. Und versteht mich jetzt nicht falsch - es liegt mir fern, alle Männer oder generell alle Erwachsenen, die sich solche Kanäle ansehen, zu diskreditieren und der Pädophilie zu bezichtigen. Aber gerade bei Accounts mit sehr vielen Abonnenten und durchaus auffälligen Kommentaren liegt die Vermutung durchaus nahe, dass unter den Zuschauern auch der eine oder andere ist, den man als alles andere als vertrauenswürdig klassifizieren kann.

All diese Punkte sind durchaus ein Grund, Accounts, bei denen Kinder im Vordergrund stehen, mit Vorsicht zu genießen - besonders jene, bei denen der Eindruck entsteht, dass der Umgang der Erwachsenen mit diesen etwas zu sorglos erfolgt. Ich gehe bei diesen Eltern nicht davon aus, dass diese ihren Kindern bewusst schaden wollen - ich habe selbst erlebt, dass viele mir nicht glauben wollten, als ich versuchte, ihnen zu erklären, dass es nicht ratsam ist, halbnackte Kinder öffentlich auf Social-Media-Profilen zu posten. Viele gehen wahrscheinlich davon aus, dass das doch okay sein muss, weil andere es doch auch machen - und weil sie von offizieller Seite eher selten darauf hingewiesen werden, dass das, was sie tun, möglicherweise problematisch sein könnte. Möglicherweise haben einige auch eine ähnliche Haltung dazu wie manche zur Kunst - was auch als Hobby ausgeübt werden kann, kann doch keine "richtige" Arbeit sein! Zudem behaupten so manche Influencer, die schon bekannt waren, bevor sie Kinder bekamen, gerne, sie hätten keine andere Wahl, da ihre Kinder doch ohnehin wahrscheinlich irgendwann heimlich fotografiert und ihre Bilder in die Öffentlichkeit gelangen würden. Dazu kann ich nur sagen - es gibt etliche Prominente, deren Familien man gar nicht kennt. Selbst Heidi Klum, die ihre Mutterschaft durchaus auch öffentlich ausgeschlachtet hat, hat es hinbekommen, ihre Kinder vor der Öffentlichkeit zu verbergen, bis sie 16 waren. Mit anderen Worten, ich halte das eher für eine Ausrede - zumal bei jenen, die schon ihre Schwangerschaft inflationär thematisieren, irgendwie klar ist, dass sie sich eine solche Chance auf noch mehr Klicks und Reichweite mit Sicherheit nicht entgehen lassen werden. Aber ja - ich habe keine eigenen Kinder, was natürlich bedeutet, dass ich dazu eigentlich gar keine Meinung haben darf, und außerdem bin ich ohnehin nur neidisch, weil ich mir kein Luxusressort in Dubai leisten kann. Ganz nebenbei: Ich möchte in Dubai nicht begraben sein, aber das ist eine andere Geschichte. Mit dieser bin ich einstweilen fertig - ein paar weiterführende Links findet ihr wieder darunter. Empfehlen kann ich etwa die Videos von Alicia Joe, die sich mit der Thematik noch weitaus mehr Mühe gemacht hat als ich. Für uns mich heißt es jetzt erst mal: Bis zum nächsten Mal, passt gut auf euch auf und übertreibt es nicht mit dem Feiern! Bon voyage!

vousvoyez

https://blog.youtube/news-and-events/more-updates-on-our-actions-related-to

https://www.spiegel.de/deinspiegel/kinder-als-influencer-auf-youtube-tiktok-und-instagram-jung-und-einflussreich-a-00000000-0002-0001-0000-000172431232

https://www.derstandard.at/story/2000089645234/neuer-trend-minderjaehrige-als-influencer

https://www.zeit.de/news/2020-07/22/wenn-kinder-als-influencer-geld-verdienen

https://www.dkhw.de/schwerpunkte/medienkompetenz/kinder-und-influencing/#:~:text=Sogenannte%20Kinder%2DInfluencer%2Finnen%20halten,Kan%C3%A4len%20speziell%20als%20Zielgruppe%20angesprochen.

Alicia Joe: https://www.youtube.com/watch?v=03_Jm883nAM

                  https://www.youtube.com/watch?v=bK055_gAXdg

Simplicissimus: https://www.youtube.com/watch?v=LevsIJHm9CU&t=0s

                          https://www.youtube.com/watch?v=nEEQ0X9jFKQ&t=0s

reporter: https://www.youtube.com/watch?v=T7V9FILRQoE

MrWissen2go: https://www.youtube.com/watch?v=EmZ9meLKQWA

mailab: https://www.youtube.com/watch?v=pkbm102QX6k

Walulis: https://www.youtube.com/watch?v=y3oUenSHeJU

              https://www.youtube.com/watch?v=ozwSyy8QbJE

              https://www.youtube.com/watch?v=sJzmvSSUuiw

Dienstag, 8. Juni 2021

Homöopathie hilft bei Demenz nicht, da man vergisst, an die Wirkung zu glauben

© vousvoyez
Generell ist bis heute nicht bewiesen, dass Homöopathie über den Placebo-Effekt hinaus eine Wirkung hat - aber bevor ihr mich alle mit Globuli bewerft: Ich habe kein Problem damit, wenn ihr anderer Meinung seid. Ich habe nur ein Problem damit, wenn man Homöopathie gegen die ach so böse "Schulmedizin" ausspielt - und damit das Leben von Menschen aufs Spiel setzt. Aber darum soll es jetzt hier nicht gehen - denn mit Schwurbel & Co. habe ich mich in letzter Zeit genug befasst. Deswegen dachte ich mir, ich wage mich heute wieder mal ins Reich der Sagen und Legenden - denn bei der Recherche stößt man bekanntlich meistens auf mehr Geschichten, als man auf einmal zu erzählen vermag. Und da ich meine Artikel bisher meist lose bestimmten Kategorien zugeordnet habe, werde ich mich heute dem weiten Feld der Kryptozoologie zuwenden.

Nun, was versteht man unter Kryptozoologie? Das Wort selbst hat seinen Ursprung im Altgriechischen (κρυπτός bzw. kryptos: geheim, verborgen; ζῷον bzw. zóon: Tier, Lebewesen) und bezeichnet eine Pseudowissenschaft, also eine Lehre, die nicht als seriöse Wissenschaft anerkannt ist, da sie deren Ansprüche nicht erfüllt. Und das ist keine Bewertung meinerseits, sondern der offizielle Standpunkt. Der Grund ist, dass sich die Kryptozoologie mit Tieren befasst, für deren Existenz es keine Belege gibt, die über Legenden, Berichte angeblicher Augenzeugen, verschwommene Fotos oder Filmaufnahmen und Ähnliches hinausgehen. Kryptozoologen beschäftigen sich aber nicht nur mit wahrscheinlich erfundenen, sondern auch mit Tierarten, die bereits als ausgestorben gelten, von denen es aber noch lebende Exemplare geben soll. Ein Beispiel für Letztere ist der erste Kryptid, mit dem ich mich heute beschäftigen will und der mit Sicherheit einer der bekanntesten ist - nämlich das Ungeheuer von Loch Ness.

Der bekannte Süßwassersee im schottischen Hochland in der Nähe der Stadt Inverness ist vor allem im Sommer von Touristen sehr gut besucht - verständlich also, dass Nessie in der Region äußerst beliebt ist, kommen doch einige vor allem in der Hoffnung, einen Blick auf das berühmte Monster werfen zu können. Meistens wird es als Plesiosaurier beschrieben, eine Reptilienart, die eigentlich zusammen mit den Dinosauriern ausgestorben ist - und die weitaus weniger eng mit diesen verwandt war, als es der Name vermuten lässt. Die erste schriftliche Erwähnung des berühmten Kryptiden erfolgte bereits im Jahre 565 in der Vita Columbae des irischen Abtes Adamnan, in der er beschrieb, wie Columban von Iona das Leben eines Pikten rettete, indem er dem Monster befahl, sich zurückzuziehen. Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Berichte, die später auf Sichtungen des Loch-Ness-Monsters zurückgeführt wurden - richtig berühmt wurde Nessie allerdings erst im Jahr 1933, als erstmals regionale Zeitungen über das Wesen berichteten. Die Geschichte fand ihren Weg bis nach London, wo Zeitungen Reporter nach Schottland sandten - ein Zirkus bot sogar eine Belohnung für das Einfangen des Ungeheuers. Ein Jahr später tauchte das erste "Beweisfoto" auf, ein großes, im Wasser schwimmendes Tier mit langem Hals und kleinem Kopf. Sechzig Jahre später erzählte ein Reporter, der damals für die Daily Mail gearbeitet hatte, er habe das Foto gefälscht und, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, den Namen eines Dritten benutzt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme ist bis heute das berühmteste, angeblich "echte" Foto des sagenumwobenen Tieres - aber auch ich sehe darin nichts, was man nicht auch damals schon hätte fälschen können. 1972 machte eine Gruppe von Tauchern einige Unterwasserfotos - auf einem ist ganz unscharf etwas zu erkennen, das man mit etwas Phantasie als rautenförmige Flosse interpretieren könnte. Es gibt auch andere Fotos, die angeblich Nessie zeigen - etwa von Frank Searle, der sein Leben von 1969 bis 1985 der Suche nach dem berühmten Monster widmete, die aber hauptsächlich schwimmende Baumstämme zeigten. 2009 behauptete Jason Cooke in der britischen Boulevard-Zeitung The Sun, er hätte Nessie auf Google Earth entdeckt. Das angebliche Monster stellte sich allerdings als kleines Boot heraus.

Bereits im Juni 2003 wurde Loch Ness von einem Team britischer Wissenschaftler ausführlich untersucht - ein Monster wurde jedoch nicht gefunden. Und obwohl die meisten derer, die von der Existenz Nessies überzeugt sind, dahinter einen überlebenden Plesiosaurier vermuten, divergieren die Berichte über das Erscheinungsbild des mysteriösen Tieres zeitweise doch recht stark - beispielsweise gibt es auch Berichte darüber, dass Nessie einem anderen Fabelwesen, nämlich der in Skandinavien populären "Buckelseeschlange", ähneln soll, oder auch dem Basilosaurus, der eigentlich eine ausgestorbene Walgattung aus dem Eozän ist. Erste Behauptungen, dass es sich dabei um jenes Wesen aus dem Mesozoikum handeln könnte, stammen aus dem Jahr 1933 - kurz nachdem der Film Die Fabel von King Kong - Ein amerikanischer Trick- und Sensationsfilm in die Kinos kam, in dem ein solches Wesen vorkommt. Wie es aussieht, gibt es wieder mal mehr Argumente gegen als für die Existenz des beliebten Ungeheuers. Schade eigentlich.

Ein weiteres Monster, dessen Existenz bisher nie bestätigt werden konnte, ist der Allghoi Khorkoi, auch bekannt als Mongolischer Todeswurm. Dieses Wesen soll unter der Erdoberfläche der Wüste Gobi leben - einen Beweis dafür gibt es bisher nicht, aber die Araten, die dort ansässigen Nomaden, glauben fest an seine Existenz. Laut ihnen handelt es sich dabei um einen etwa 60 - 120 Meter langen Wurm mit einem weichen Körper und einer glatten, leuchtend roten Haut, die bei Gefahr Blasen wirft. Manche behaupten, er besäße keine sichtbaren Augen oder Mundwerkzeuge, weshalb man nur schwer erraten könne, wo bei dem Tier vorn und hinten ist - es gibt aber auch Darstellungen, bei denen es einen Mund aufweist, der mich entfernt an die Darstellung des Jabberwocky von Sir John Tenniel erinnert. Laut den Araten verbringt er die meiste Zeit seines Lebens im Untergrund und soll nur selten - bevorzugt bei Regen und meist im Juni oder Juli - an die Oberfläche kommen. Wenn er jedoch einmal auftaucht, ist er eine tödliche Gefahr für Mensch und Tier - denn die Blasen, die seine Haut bildet, sondern ein Gift ab, das alles in der Umgebung gelb färbt und sogar ein ausgewachsenes Kamel zur Strecke bringen kann, und überdies soll er, ähnlich einem Zitteraal, in der Lage sein, Stromstöße abzugeben. Der Mongolische Todeswurm soll vor allem auf die Farbe Gelb reagieren - hat er sein Opfer gefunden, bewegt er sich knapp unter der Erdoberfläche auf sein Ziel zu, streckt den Oberkörper heraus und beginnt, sich aufzublähen. Ein Entkommen gibt es nicht, aber Todesfälle durch den Allghoi Khorkoi sollen immerhin nur selten vorkommen. Auf der sicheren Seite ist man wohl, wenn man nichts Gelbes trägt oder bei sich hat und die Wüste Gobi im Juni und Juli meidet.

Einer jener Forscher, die sich auf die Suche nach dem Allghoi Khorkoi begaben, war der tschechische Autor Ivan Mackerle, der auch schon Nachforschungen vom Ungeheuer von Loch Ness gestellt hatte. Er hatte zufällig von einer mongolischen Studentin Geschichten zu dem sagenhaften Riesenwurm erfahren und stellte Nachforschungen an. Allerdings behauptete er, vor 1990 nichts in Erfahrung gebracht haben zu können, da Informationen über dieses Wesen vom kommunistischen Regime unterdrückt worden seien - und das, obwohl der Olgoj-Chorchoi, wie die in lateinische Buchstaben transkribierte russische Bezeichnung lautet, bereits in den 1940er Jahren Gegenstand eines russischen Science-Fiction-Romans dieses Namens gewesen ist, verfasst von dem russischen Schriftsteller und Paläontologen Iwan Jefremow. Dieser hatte in seiner Jugend selbst die Wüste Gobi bereist und war durch die Geschichten der mongolischen Nomaden zu diesem Roman inspiriert worden - der im deutschsprachigen Raum vor allem in der DDR sehr beliebt gewesen zu sein scheint. Anfang der 1960er Jahre befasste sich der russische Biologe und Autor Igor Akimuschkin in dem Buch Es gibt doch Fabeltiere! mit dem Wüstenwurm. Auch der amerikanische Forscher Roy Chapman Andrews, der in den 1920er Jahren wegen seiner Dinosaurier-Ausgrabungen berühmt geworden ist, erwähnte den Allghoi Khorkoi in seinem Expeditionsbericht. Aber gibt es den gefährlichen Riesenwurm wirklich?

Ihr könnt es euch schon denken - Wissenschaftler zweifeln an seiner Existenz. Was vor allem daran liegt, dass Würmer in der Wüste nicht überleben können, da sie keine Flüssigkeit speichern und daher auf Feuchtigkeit angewiesen sind. Das einzige Tier, das dem sagenhaften Todeswurm entfernt ähneln könnte, ist die australische Wüstentodesotter - was bedeutet, dass es entweder in der Wüste Gobi eine bisher noch unentdeckte Giftschlangenart gibt, oder er ist gänzlich der Phantasie der Araten entsprungen. Tja, wieder nix!

Ein weiterer bekannter Kryptid ist zweifelsohne der Bigfoot, der als übergroßes menschenähnliches Wesen mit dichtem Fell und überdimensionalen Füßen beschrieben wird, das mehrmals in den USA und Kanada gesichtet worden sein soll. Der in Kanada auch Sasquatch genannte Riese, von dem amerikanische Ureinwohner seit Mitte des 19. Jahrhunderts berichten, wird in fast allen Gebirgen der USA und Kanada, insbesondere in den Rocky Mountains, aber auch in den Waldgebieten von Texas vermutet. Von ähnlichen Wesen wird auch in Asien, etwa China, Malaysia und Indien, berichtet - bekannt ist etwa der Yeti aus dem Himalaya, von dem im Kloster von Khumjung im nepalesischen Khumbu sogar ein Skalp ausgestellt ist, der sich nach näherer Untersuchung allerdings als die Haut einer Bergziege herausstellte. Manche vermuten, dass es sich bei Bigfoot und Yeti um Überlebende einer ausgestorbenen Menschenaffen-Art handle - andere wiederum glauben, dass es sich bei den angeblichen Sichtungen dieser Wesen in Wirklichkeit um zufällig gerade aufrecht stehende Bären gehandelt habe. Tatsächlich vermutet der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner in seinem Buch Yeti - Legende und Wirklichkeit, dass Leute, die von Sichtungen des legendären Schneemenschen berichteten, in Wirklichkeit den Tibetischen Braunbären oder den Kragenbären gesehen haben. Im Jahr 2011 wurde behauptet, ein Forscherteam habe Fußabdrücke sowie die Lagerstätte des Yeti gefunden - sie hatten sogar Haarproben mitgebracht, bei denen es sich jedoch laut Zoologen der Universität Stanford um die Haare von Bären und Pferden handelte. Weitere Proben wie Knochen, Zähne, Haut, Haar und Kot erwiesen sich ebenfalls als von Bären oder auch Hunden stammend - allerdings konnte so 2014 eine bislang unbekannte Bärenart entdeckt werden. Auch für die Existenz des Bigfoot gibt es bislang keinerlei wissenschaftliche Beweise - im Dezember 2002 bekannte der Sohn eines Holzfällerunternehmers, dass sein Vater mittels überdimensionaler, aus Holz geschnitzter Füße seit 1958 immer wieder einmal Fußspuren gelegt habe. Auch die existierenden Foto- und Filmaufnahmen konnten bislang alle als Fälschungen identifiziert werden. Am bekanntesten ist wohl der von Roger Patterson und Robert Gimlin im Jahr 1967 veröffentlichte 16-mm-Film, der einen weiblichen Bigfoot zeigen soll - bei dem es sich aber wohl er um einen Menschen im Affenkostüm handelte. Auch die Bigfoot-Leiche, die zwei Männer in den nördlichen Wäldern des amerikanischen Bundesstaates Georgia gefunden haben wollen, war in Wirklichkeit ein eingefrorenes, handelsübliches Bigfoot-Kostüm. So wie es aussieht, sind also auch Yeti und Bigfoot reine Sagengestalten.

In Lateinamerika gibt es außerdem die Sage des Chupacabra (aus dem Spanischen chupar: saugen und cabra: Ziege), die allerdings noch verhältnismäßig jung ist - die ersten Berichte kamen 1995 aus Puerto Rico. Der Chupacabra wird als haarloses, etwa ein bis eineinhalb Meter großes Wesen mit grauer, etwas ins Bläuliche gehender Haut beschrieben, das auf seinem Rücken einziehbare Stacheln trage. Manche behaupten, sein Erscheinungsbild entspräche im Ganzen dem des bekannten Bildes eines Außerirdischen, während andere ihm die Ähnlichkeit mit einem Kojoten zuschreiben. Manche Darstellungen des Chupacabra erinnern mich auch an eine nackte Hyäne. Tatsächlich gibt es Leute, die den Chupacabra für einen Nachfahren außerirdischer Wesen halten, die sich auf der Erde fortgepflanzt hätten. Vor allem die Boulevardmedien in Mexiko, Südamerika und der Karibik vermuten hinter jedem mit bloßem Auge nicht sofort identifizierbaren Wesen einen Chupacabra. Den Namen hat dieses seltsame Wesen, weil man behauptet, es falle Schafe und Ziegen an und sauge ihnen, wie ein Vampir, das Blut aus. Seriöse Berichte über den Angriff eines Chupacabras gibt es nicht - meist wird das Auffinden getöteter Tiere, an denen kein Blut zu finden ist, als Chupacabra-Angriff interpretiert. Im August 2005 will ein texanischer Bauer einen Chupacabra gefangen, getötet und zur Untersuchung in das Texas Parks and Wildlife Departement gebracht haben. 2007 bemerkte die texanische Farmerin Phyllis Canion drei haarlose, hundeartige Tiere in der Nähe ihres Landes, die wohl einige ihrer Hühner gerissen hatten - als sie kurz darauf den Kadaver eines dieser Tiere auffand, fotografierte sie ihn und stopfte ihn aus. Aufsehen erregte Hollywood-Legende Johnny Depp, als er, nachdem er eine Pressekonferenz in Tokio versäumt hatte, behauptete, er sei in seinem Hotelzimmer von einem Chupacabra angegriffen worden. Nun, dass es ein seltsamer haarloser Hund in ein japanisches Hotelzimmer geschafft hat, ohne dass es jemand bemerkt hat, ist natürlich äußerst unwahrscheinlich - aber kann es den Chupacabra wirklich geben?

Und auch hier muss ich euch enttäuschen - auch der Chupacabra ist wahrscheinlich nur eine Ausgeburt des tief verwurzelten Aberglaubens der Bauern auf den Westindischen Inseln, der mit den dort ansässigen Voodoo-Praktiken in Verbindung steht. Und auch die Tierkadaver aus Texas sind keine Chupacabras - die Verantwortlichen des Texas Parks and Wildlife Departement hatten nie den Kadaver des angeblich gefangenen Wesens vor Augen, und das gemachte Foto stellte sich als präparierter Kojote heraus. Und auch bei dem von Phyllis Canion ausgestopften Wesen handelt es sich nicht um einen Chupacabra, sondern um einen Hybriden zwischen einem Kojoten und einem mexikanischen Wolf. Das einzig Seltsame an diesem Tier ist der haarlose Körper und die bläulich-graue Haut, aber selbst dafür gibt es eine Erklärung - viele jener Tiere in der Gegend waren nämlich gerade von der Räude befallen, die gerade für Caniden, also Hunde, Wölfe, Füchse und Kojoten, höchst ansteckend ist. Sie wird durch Milben ausgelöst und führt zu Haarverlust; durch den Juckreiz kratzen und beißen sich die Tiere häufig selbst, was zu einer Verdickung der Haut sowie zu veränderter Pigmentierung führen kann. Die geschwächten Tiere können keine Jagd auf Wildtiere mehr machen und vergreifen sich deshalb vermehrt an Haustieren; auch die starke Abmagerung kann ihr Erscheinungsbild verändern und bizarr wirken lassen. Abgesehen davon ist es auch äußerst unwahrscheinlich, dass ein Tier von der Größe der angeblichen Chupacabras sich ausschließlich von Blut ernähren kann; dass an den gerissenen Ziegen und Schafen kein Blut gefunden wurde, liegt wohl daran, dass dieses sich in toten Körpern sehr schnell zersetzt. Und, dass ein Körper nicht zwangsläufig ausgeblutet sein muss, nur weil die Wunde trocken ist.

Mitunter können auch Effekte auf Fotos und Videoaufnahmen dazu führen, dass Leute an Wesen glauben, die es eigentlich gar nicht gibt; ich spreche hier vom sogenannten Rod-Effekt. Bei Rods handelt es sich um helle, stabförmige Objekte, die sich schnell rudernd oder schraubend durch die Luft bewegen und so aussehen, als hätten sie an der Seite eine Membran ähnlich den Sepien. Man nahm an, dass sie durch ihre Geschwindigkeit nicht mit bloßem Auge erkennbar und nur durch Kameras mit sehr kurzen Verschlusszeiten aufzunehmen seien. Manche vermuteten dahinter optische Phänomene, andere hielten sie für unbekannte Lebensformen, während es natürlich wieder welche gab, die glaubten, es handle sich um außerirdische Wesen. Tatsächlich gelang es, solche Rods, die durch Überwachungskameras beobachtet worden waren, in Netzen zu fangen - wo sie sich als gewöhnliche Insekten entpuppten. Denn tatsächlich handelt es sich bei Rods um keine seltsame Tierart oder gar Außerirdische, sondern um einen leicht erklärbaren Unschärfe-Effekt, der auftritt, wenn sehr schnell fliegende Tiere, etwa Insekten oder Vögel, vor allem wenn sie lange, schlanke Körper und große Flügel haben, aufgenommen werden. Wenn Kameras bei schlechten Lichtverhältnissen mit relativ langsamen Verschlusszeiten aufnehmen, entstehen durch den schnellen Flug der Tiere längliche Objekte, die durch die Wegstrecke und die schnellen Flügelschläge zustande kommen.

Ein weiteres dinosaurierartiges Wesen soll sich in den Urwäldern im Gebiet des Kongo-Flusses herumtreiben - Mokele-Mbembe (Lingála: Der den Lauf des Flusses stoppt) ist vor allem bei dem rund um den Télé-See ansässigen Volk der Bangombe berüchtigt, da es Überlieferungen zufolge schon mal vorkommen kann, dass er Fischerboote angreift. Beschrieben wird ein Wesen, mindestens so groß wie ein Elefant, dessen Fußspuren denen eines Flusspferds ähneln. Es habe vier Beine, einen langen Schwanz, einen langen Hals und einen verhältnismäßig großen Kopf, männliche Exemplare sollen außerdem ein Horn tragen. Es soll eine bräunlich-graue bis rötlich-braune Haut haben und sich ausschließlich von Pflanzen ernähren - Menschen greife es nur an, wenn sie in sein Territorium eindrängen. Es soll im Ganzen also einem Sauropoden ähneln, einem langhalsigen, pflanzenfressenden Dinosaurier.

Erstmals schriftlich erwähnt wurde Mokele-Mbembe 1776 in einem Reisebericht des französischen Missionars Abbe Liévin Bonaventure Proyart. Auf einer Expedition im Jahre 1913 im Flussgebiet des Likouala-aux-Herbes sammelte der deutsche Offizier und Forschungsreisende Ludwig Freiherr von Stein zu Lausnitz gezielt Berichte der einheimischen Pygmäen über den Mokele-Mbembe. Im Laufe des 20. Jahrhundert gab es auch mehrere Berichte von ausländischen Augenzeugen, die das Tier gesehen haben wollen. Im Jahr 1980 sammelten Naturwissenschaftler und Kryptozoologen abermals Mythen, Legenden und Augenzeugenberichte; drei Jahre später behauptete der kongolesische Biologe Marcellin Agnagna, er habe im Télé-See mehrere Mokele-Mbembe beobachtet. Leider soll seine Videokamera gerade nicht funktioniert haben, und da er seinen Bericht mehrere Male änderte, wurde er nicht für glaubwürdig befunden. Man vermutet, dass es sich bei einer Sichtung auch um eine große afrikanische Weichschildkröte gehandelt haben. Im September 1992 filmte ein japanisches Forscherteam vom Flugzeug aus ein schwimmendes Tier im See; auf der sehr verschwommenen Aufnahme ist jedoch nicht feststellbar, ob es sich nicht möglicherweise um einen schwimmenden Python gehandelt haben könnte. Im Jahr 2006 brach abermals ein Team von Kryptozoologen zu einer Expedition auf, konnten aber am Ende nichts als einen angeblichen Gipsabdruck eines Fußabdrucks vorweisen. Insgesamt vermutet man, dass es sich bei den meisten Sichtungen von Fußabdrücken oder der Tiere selbst um Verwechslungen mit bekannten Tierarten wie Krokodilen, Flusspferden, Nashörnern oder Seekühen (afrikanische Manati) gehandelt haben könnte. Manche glauben, es könnte sich tatsächlich um eine überlebende Sauropodenart handeln - dagegen spricht jedoch, dass bislang keinerlei Kadaver, Knochen oder andere Relikte gefunden wurden, die auf ein Überleben dieser prähistorischen Tiere bis zur Gegenwart schließen lassen könnten.

Wie ihr also seht, ist die Welt voll von seltsamen Wesen, die es angeblich geben soll, auch wenn es mit den Beweisen eher mau aussieht bzw. sie im Laufe der Zeit eher widerlegt wurden. Dennoch kann man natürlich nie wissen, ob an all den Mythen, Legenden und Märchen nicht doch eventuell was dran ist. Was mich betrifft, so wisst ihr ja, dass ich eine doofe Spielverderberin bin, die nichts lieber tut, als tolle Schauergeschichten in die langweilige Realität zu transferieren. Aber lasst euch davon nicht die Laune verderben - denn wer weiß, ob ich recht habe, nicht wahr? Auf jeden Fall hat es mich sehr gefreut, euch wieder einmal an meinen Recherchen teilhaben zu lassen, und freue mich schon auf das nächste Mal. Bon voyage!

vousvoyez

Donnerstag, 3. Juni 2021

Manche Leute sind eine Freude für jeden Chaostheoretiker - man hat so wenig Arbeit mit ihnen

vousvoyez
Eine, wie ich finde, recht clevere Umschreibung dafür, dass manche Leute einem bestimmten Muster folgen, das man bei genauerer Betrachtung auch recht gut erkennen kann. Ich habe das etwa auf der Facebook-Seite von mimikama schon sehr oft erlebt: Wird ein Fake aufgedeckt - aktuell sind vor allem die deutschen Grünen ein dankbares Opfer für Falschzitate und Unterstellungen -, wird sofort kommentiert, dass es ja egal sei, dass das Fake ist, weil schließlich die Möglichkeit bestehe, dass etwas Ähnliches bereits geschehen sei oder erst geschehen werde. Und somit herzlich willkommen zu meinem dritten Teil der Serie "Doofe Kommentare und was sie bedeuten".

Inzwischen verändert sich ja wieder recht viel, und das gibt uns Grund zur Hoffnung: Die Durchimpfungsrate ist zwar immer noch zu niedrig, zeigt aber erste Wirkung; die Neuinfektionen sinken kontinuierlich; erste Öffnungsschritte wurden eingeleitet, die nächsten sollen in Bälde folgen; Leute in meinem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis, die vor kurzem noch gegen die Impfung gewettert haben, haben sich jetzt doch dafür entschieden, weil sie gemerkt haben, dass es doch vieles erleichtert; und nicht zuletzt scheint sich auch "Querdenken" mehr oder weniger totzulaufen. Das sind durchaus erfreuliche Nachrichten, aber trotzdem rate ich dazu, mit dem Jubeln noch ein bisschen vorsichtig zu sein. Denn erstens wüsste ich gerne, ob an den Problemen, die die Pandemie zutage gefördert hat, auch wirklich gearbeitet wird oder ob man gedenkt, so weiterzumachen, als wäre nichts gewesen, nur dass man denjenigen, die sich nicht wehren können, die volle Last der Folgen aufbürdet, die diese Krise verursacht hat (die Anzeichen sprechen leider dafür); zweitens bereitet es mir mittlerweile ein mulmiges Gefühl, dass, wenn die Zahlen sinken, gleich wieder übers Ziel hinausgeschossen wird, immerhin ist ja noch nicht alles vorbei; drittens glaube ich nie und nimmer, dass wird die Querschwurbler endgültig los sind, auch wenn sie in der jetzigen Form wohl bald Geschichte sein werden. Wenn man sich die Kommentarspalten ansieht, dann bemerkt man zwei Tendenzen: Die einen fangen langsam an, unangenehme Fragen zu stellen - warum all das, was prophezeit wurde, nicht eingetreten ist; warum man mit der "Querdenkerei" so gut wie nichts erreicht hat; was mit dem ganzen Geld geschehen ist, das in die Taschen der Initiatoren geflossen ist, und ob die sich nicht eventuell damit im Ausland ein schönes Leben machen -, während die anderen, die nach wie vor daran festhalten, zunehmend mehr Aggression und Frustration an den Tag legen, aus Angst, in absehbarer Zeit in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Man wollte ein Held sein, ein Vordenker, und muss nun feststellen, dass man außerhalb der eigenen Blase nicht ernst genommen wird. Man hat eventuell sein soziales Umfeld eingebüßt und will sich nicht eingestehen, dass man möglicherweise den Lügen anderer geglaubt hat und falschen Idealen aufgesessen ist - weil man sonst gar nichts mehr hat. Bei vielen zeigt sich, dass ihre Haltung offensichtlich aus rein egozentrischem Kalkül heraus entstand - jetzt, wo die Gastronomie wieder aufsperrt, lässt man es sich lieber bei einem kühlen Bier im Gastgarten gut gehen, anstatt sich sinnlos bei einer Demo die Beine in den Bauch zu stehen. Was den Verdacht erhärtet, der sich mir aktuell aufdrängt, nämlich, dass viele nur demonstrieren gegangen sind, damit endlich mal wieder was los ist. Zu Pfingsten in Berlin hat man es gesehen: Von den einst so stolzen "Revolutionären" sind nur ein paar Hanseln übriggeblieben. Einige der mutigen Kämpfer haben sich inzwischen ins Ausland abgesetzt, von wo aus sie versuchen, ihre Anhänger weiterhin zu mobilisieren, damit diese ihnen weiterhin Geld schenken, um auf deren Kosten ein angenehmes Leben führen zu können.

Nun, ich war bei weitem nicht die einzige, für die es von Anfang an keinen Zweifel daran gab, dass diese Gurkentruppe keinerlei Glaubwürdigkeit besitzt - dafür wurde von Anfang an zu viel herumgeplärrt, ohne konstruktive Lösungen zu erarbeiten. Es wurden Dinge gefordert, die schlicht und einfach nicht realisierbar sind, Sachverhalte geleugnet, die offensichtlich sind und Aussagen getätigt, die hinten und vorne nicht zusammenpassten. Deswegen habe ich auch so viel darüber geschrieben - weil ich es sonst nicht richtig fassen konnte. Einen intellektuellen Diskurs hat diese Bewegung nicht angeregt, denn seit über einem Jahr werden immer wieder die gleichen Lügen wiederholt, und die Voraussagen, die allesamt nicht eingetreten sind, werden zeitlich immer weiter nach hinten verschoben. Auch die Aktion #allesdichtmachen konnte daran nichts ändern; viele der Künstler, die sich daran beteiligt haben, fühlen sich benutzt, wodurch auch der einzige kulturelle Anknüpfungspunkt sehr schnell wieder verlorenging. Auch haben die "Querdenker" relativ schnell an Glaubwürdigkeit im Kampf für Freiheit und Demokratie durch ihre offensichtliche Nähe zu rechtsextremen Gruppierungen verloren, auch wenn diese Verbindung bis heute hartnäckig geleugnet wird. Aber sowohl in Deutschland als auch hier in Österreich ist sie doch sehr offensichtlich: Bei unseren Nachbarn spätestens nach einem Treffen der "Querdenker"-Initiatoren mit bekannten Reichsbürgern im November 2020, bei uns nach Herbert Kickls Goebbels-Gedächtnisrede und dem offenen Auftreten von Identitären im März diesen Jahres. Auch die von Anfang an geschürte Medienfeindlichkeit innerhalb der Gruppierung offenbarte deren Extremismus relativ schnell, denn sie verhinderte einen kritischen Diskurs mit professionellen Journalisten, der allerdings für den längerfristigen Erfolg einer Protestbewegung absolut notwendig ist. Stattdessen wurde im digitalen Bereich eine Parallelwelt geschaffen, betrieben von Selbstdarstellern, die sich gegenseitig bis hin zu Bürgerkriegsphantasien aufschaukeln. Nicht zuletzt ist es die antidemokratische Grundhaltung, die die Behörden mehr und mehr auf den Plan ruft. Auch YouTube scheint inzwischen bemerkt zu haben, dass mit Querschwurblern keine Gewinne mehr zu erzielen sind - der Kanal Querdenken 711 wurde vor einer Woche gelöscht. Nun, dass eine Bewegung mit so vielen unterschiedlichen, sich teilweise gegenseitig widersprechenden Gruppierungen keine Zukunft hat, sobald der "gemeinsame Feind" schwächelt oder gar verschwindet, ist nicht überraschend - dies bedeutet jedoch nicht, dass wir das Problem an sich für immer los sind. Denn übrig bleibt der harte Kern, der in dieser Zeit zueinander gefunden hat - esoterische und christliche Fundamentalisten sowie Rechtsextreme. Und ich ahne schon, wohin die Reise in Zukunft geht - das werden nämlich diejenigen sein, mit denen wir uns herumschlagen müssen, wenn es um die Maßnahmen gegen den Klimawandel geht. Bereits jetzt zeichnet sich das ab, denn in diese Richtung werden bereits fleißig Lügen gestrickt.

Warum werden wir als Querdenker denunziert?

Gerade diejenigen, die die Narrative jener, die sich "Querdenker" nennen, glauben, verbreiten und nachplappern, beschweren sich häufig, wenn andere sie in die Nähe dieser Bewegung rücken und tun dabei so, als hätten deren Gegner diese Bezeichnung erfunden, um "Andersdenkende" zu denunzieren. Andersdenkende - auch so ein häufig bemühter Begriff, der suggerieren soll, dass alles nur von Meinungen abhängig sei. Und dabei hat sich die Querdenken-Bewegung diesen Namen selbst gegeben - er sollte suggerieren, dass es sich hier um Revolutionäre handle, um intellektuelle Vorreiter, um Leute, die in der Lage seien, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Und das, obwohl in Wirklichkeit eher das Gegenteil der Fall ist. Aber nicht umsonst wurde der Begriff "querdenken" ursprünglich synonym für laterales Denken verwendet - also die Fähigkeit, durch eine kreative Denkweise zu Lösungen zu kommen. Deswegen setze ich dieses Wort auch stets in Anführungszeichen, wenn ich von jenen spreche, die überhaupt keine Lösungen parat haben, sich aber häufig für verkannte Genies halten. Tatsächlich vergleichen sich manche gern mit Leuten wie Einstein und Galileo - obwohl das Wissenschaftler sind und Querdenker Wissenschaft doch eigentlich total blöd finden. Aber es ist ganz allgemein eine Strategie solcher Leute, ursprünglich positiv besetzte Begriffe für sich selbst zu okkupieren - deswegen war es für viele von ihnen auch kein Widerspruch, für Liebe und Frieden zu singen und zu klatschen, gleichzeitig aber all jene zu beschimpfen, die ihnen nicht nach dem Mund reden, und Leuten nachzulaufen, die alles mögliche im Sinn haben, aber sicher nicht den Frieden.

Wieviel bezahlt man dir dafür? Der größte Lump in diesem Land ist und bleibt der Denunziant!

Ja, ich gebe zu, ich als Mitglied der Antifa beziehe ein fürstliches Gehalt, und in Wirklichkeit habe ich mich schon lange in meine Villa auf den Bahamas zurückgezogen. Tut mir wirklich leid, dass ich euch immer vorgemacht habe, ich säße in einer Wohnsiedlung in einer südostösterreichischen Stadt, die als "sozialer Brennpunkt" wahrgenommen wird, aber ihr wisst ja, das Getratsche heutzutage, einfach unerhört ... James, bringen Sie mir noch eine Tasse Kaffee! Ich finde es ja immer recht amüsant, dass jeder, der eine andere Meinung vertritt, zwangsläufig von irgend jemandem bezahlt sein muss. Aber das passt ja zu dem Bild der großen Verschwörung, zu der jeder, der widerspricht, dazugehört. Ganz schön paranoid! Seit Beginn der Pandemie wird außerdem gerne ein Zitat bemüht, das fälschlicherweise dem Dichter und Germanistik-Professor August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben wird - der nicht nur das Deutschlandlied schrieb, dessen dritte Strophe Text der deutschen Nationalhymne ist, sondern uns auch so hübsche Kinderlieder wie Alle Vögel sind schon da, Ein Männlein steht im Walde und Der Kuckuck und der Esel beschert hat. Nun, mir geht die "Blockwart-Mentalität" so mancher ebenfalls gehörig auf die Nerven, die sich anscheinend nur noch dafür interessieren, was andere tun, um bei jeder Gelegenheit die Polizei zu verständigen - allerdings muss man dazu sagen, dass viele von diesen schon vor Corona so waren. Und ich kann auch jene verstehen, die die DDR bewusst erlebt haben und daher dem Denunziantentum noch ablehnender gegenüberstehen, als ich es tue. Aber auch mir widerstrebt es gewaltig, mich in die Angelegenheiten anderer Leute zu mischen - ganz abgesehen davon, dass ich Verständnis dafür habe, dass man nicht ewig die Füße stillhalten und Kinder ins Haus sperren kann. Aber Leute, bei denen jenes Zitat besonders locker sitzt, wittern auch dort Denunziantentum, wo man gegen Verhaltensweisen vorgeht, die durchaus als gefährdend betrachtet werden können - häufig reicht da eine Meldung bei Facebook, nachdem derjenige welche minutenlang rassistischen, sexistischen, antidemokratischen oder sonst irgendeinen entsprechend gearteten Dreck von sich gegeben hat. Oder eine Anzeige gegen jene, die auf Demos wiederholt gegen die Auflagen verstoßen haben, während andere zu Hause sitzen mussten.

Ich fand euch früher mal wirklich gut, aber ... Neutrale Berichterstattung geht anders! Endlich mal einer, der sich traut, die Wahrheit zu sagen!

Den ersten Satz lese ich schon seit Jahren häufig in den Kommentarspalten der Faktenchecker-Seite mimikama. Die zwar auch Verschwörungsmärchen aufdeckt und Falschmeldungen berichtigt, sich gleichzeitig aber wohl am breitflächigsten vor Phising-Mails, Kettenbriefen, Spam-Meldungen, Hacker-Angriffen und Ähnlichem warnt. Leute, die vor allem deswegen diese Seite abonniert haben, fühlen sich meist verraten, wenn sie entdecken, dass mimikama mitunter auch ihrer Meinung widerspricht. Und behaupten dann, dass diese früher mal besser waren - obwohl sie auch früher immer wieder mal auch politische Fakes entlarvt haben. Es ist dort so ziemlich der beliebteste Post neben "Es hätte ja sein können ..." Der Satz mit der neutralen Berichterstattung erklärt sich relativ leicht: Manche Leute sprechen gern von "Neutralität" und meinen damit, dass ein Medium verpflichtet sei, ihre Meinung abzubilden. Weil sie diese für neutral halten, da sie die einzig richtige Wahrheit sei. Eine Wahrheit, die man - laut ihnen - eigentlich gar nicht mehr sagen darf. Deswegen sind Xavier Naidoo, Attila Hildmann, Michael Wendler & Co. auch mutige Helden - denn sie sind die einzigen, die sich trauen, "die Wahrheit" zu sagen. Obwohl der Reiskanzler sich inzwischen in die Türkei verdrückt hat und der König der Selbstdarsteller nach wie vor in Florida residiert - aber das ist eine andere Geschichte. Ganz allgemein wird es aber als besonders furchtlos honoriert, wenn jemand jenes unbelegte Geschwurbel von sich gibt, das Tag und Nacht hemmungslos und völlig ungestraft in alle verfügbaren Social-Media-Kanäle gerotzt wird.

Danke, Merkel! Das sind Stasi-Methoden! Jetzt weiß ich, wie es 1939 war! Das ist der Beginn vom "Great Reset"!

Seit der Flüchtlingswelle 2015 ist es ja nichts Neues mehr, dass die deutsche Bundeskanzlerin für nahezu alles verantwortlich gemacht wird. Am Absurdesten war dies bei der letzten Fußball-WM, als die deutsche Mannschaft bereits in den Vorrunden ausschied; dass in Deutschland Staatstrauer herrscht, wenn die Nationalmannschaft nicht gewinnt, sind wir ja gewöhnt, aber dass es tatsächlich Leute gibt, die die Kanzlerin persönlich dafür verantwortlich machen, war mir bis dato neu. (Viele erklären das damit, dass die so viele Flüchtlinge reingelassen hat - auch wenn keiner von denen in der Nationalmannschaft spielt, aber immerhin sind manche der Spieler schwarz! Think about it.) Und natürlich ist sie auch schuld an der Pandemie, die weltweit ausgebrochen ist und auch Länder betrifft, die mit Deutschland nicht unbedingt auf freundschaftlichem Fuß stehen. Aber auch jenen hat sie bei einer Tasse Kaffee erklärt, sie müssten jetzt so tun, als sei Pandemie. Damit sie ihre Stasi-Methoden durchsetzen kann - wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, auch wenn man nicht alle für sinnvoll erachtet, nicht unbedingt mit den Methoden des Ministeriums für Staatssicherheit zu Zeiten der DDR vergleichbar ist, mit deren Hilfe Leute überwacht, eingeschüchtert, gesteuert und gegebenenfalls inhaftiert wurden. Wobei nicht unbedingt neu ist, dass etwa neugierige Nachbarn scherzhaft mit der Stasi verglichen werden - wenn auch weniger bei uns in Österreich, die wir kein landesinternes Trauma einer beinahe zwanzigjährigen physischen Spaltung erleiden mussten. Andere wiederum glauben, dass die aktuelle Zeit mit dem Jahr 1939 vergleichbar sei - damals, als der Zweite Weltkrieg begann. Nun - in den vierzehn Monaten, die wir nun die Pandemie-Situation haben, sind keine Leute spurlos verschwunden; jeder darf seine Meinung öffentlich frei äußern und tut es in der Regel auch ausgiebig; wir müssen weder Hunger leiden noch fürchten, dass unsere Wohnstatt in absehbarer Zeit von einer Bombe zerstört wird. Kurzum - wir haben nach wie vor keine Ahnung, wie sich meine Großeltern und viele andere, die dieses Jahr bewusst erlebt haben, damals gefühlt haben. Ich persönlich erinnere mich, wenn ich an die Anfangszeit der Pandemie zurückdenke, eher an die Erzählungen aus der Zeit des Reaktorunglücks in Tschernobyl (ich war erst zwei Jahre alt und erinnere mich daher nicht mehr daran), als bei strahlendem Sonnenschein kein Kind zum Spielen draußen war. Andere wiederum schwadronieren von einem "Great Reset". Hier muss ich etwas weiter ausholen - im Frühsommer letzten Jahres hat jemand, den ich eigentlich für intelligenter gehalten hätte, den Kanal von Ken Jebsen entdeckt und fing dann an, von einem "Great Reset" zu schwurbeln. Ich wusste erst nicht, was das ist - bei Google fand ich damals nur das gleichnamige Buch, das ich eigentlich nicht sonderlich dramatisch oder schockierend fand. Es geht darin um einen wirtschaftlichen Umbruch, über dessen Umsetzung nach Ende der Corona-Krise debattiert wird, da das derzeitige neoliberale Wirtschaftssystem durch die Krise an seine Grenzen stößt - das ist aber kein ganz geheimer Geheimplan, sondern er wird offen im Internet diskutiert und in einem Buch dargelegt, das in einem ganz normalen Verlag publiziert und weltweit vertrieben wird. Ken Jebsen phantasierte daraus eine künstlich herbeigeführte Gesundheitskrise mit dem Plan einer kleinen Elite, die Menschheit zu versklaven. Und viele glauben es und verbreiten es weiter, weshalb mittlerweile häufig von einem "Great Reset" schwadroniert wird, der angeblich jetzt beginnen wird, auch wenn ich noch nichts davon gesehen habe. Und natürlich haben da wieder einmal die pöhsen Juden ihre Finger im Spiel.

Du hast bestimmt keine Kinder! Die armen Kinder müssen aus den Tunneln befreit werden vs. Warum sollen wir Flüchtlingskinder aufnehmen; das sind doch sowieso keine Kinder mehr! Die armen Kinder ersticken an ihren Masken und werden wegen der Tests total traumatisiert vs. Geht bei den Demos mit euren Kindern in die erste Reihe!

Damit wären wir bei einem der Themen angekommen, mit denen man Leute am leichtesten triggern kann. Was auch verständlich ist: Hier werden sehr starke Emotionen angesprochen, denn Kinder können noch nicht für sich selbst entscheiden und sind daher auf den Schutz der Erwachsenen angewiesen. Und der sehr weit überwiegende Teil aller Eltern wünscht sich für seine Kinder nur das Beste - auch wenn ihre Vorstellungen von dem, was das Beste ist, deswegen nicht zwangsläufig richtig sind, aber trotzdem ist es sehr wichtig, das anzuerkennen. Weil nämlich gerade jene, die sich "Querdenker" nennen, sehr häufig mit diesen sehr starken Emotionen arbeiten, um Menschen zu überzeugen. Die dann häufig nicht einmal mehr erkennen, wenn gerade dadurch Kindswohlgefährdung stattfindet. Deswegen gerät man, wenn man bestimmten Thesen widerspricht, etwa dass es keine Beweise dafür gibt, dass Kinder in Tunneln gefangen gehalten würden, schnell mal in den Verdacht der totalen Kinderfeindlichkeit. "Du hast bestimmt keine Kinder!", bekommt man dann oft zu hören. Aber wenn man genauer hinsieht, erkennt man oft die Doppelmoral, die dahinter steckt und die sehr an die der Abtreibungsgegner erinnert, denen das Leben Ungeborener wichtiger ist als das Wohl Geborener: Man sorgt sich um das Wohl von Kindern, die ein anonymer Typ im Internet erfunden hat, während man gleichzeitig gegen tatsächlich existierende Kinder hetzt, die in Flüchtlingslagern unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen, weil die EU lieber wegsieht. Und man glaubt völlig unhinterfragt Leuten, die heulend Märchen erzählen von Kindern, die an ihren Masken erstickt sein sollen, und von der Schädlichkeit der PCR-Tests, die aber gleichzeitig bei Demos dazu auffordern, Kinder als Schutzschild vor polizeilichen Übergriffen zu verwenden. Dass dieser Widerspruch so vielen nicht auffällt, ist schon bezeichnend.

Ja klar, jetzt kommt wieder die Nazi-Keule! Die Deutschen sollen ausgerottet werden! Ich bin kein Nazi und die AfD/FPÖ ist nicht rechts. Die Antifa ist das Problem! Die Linken sind genauso schlimm/noch viel schlimmer! Wenn die Grünen in die Regierung kommen, wandere ich aus!

Ich denke, die meisten von uns sind sich einig, dass man den Nazis wohl kaum was Positives abgewinnen kann. Entsprechend wird auch keiner gerne mit diesen in einen Topf geworfen. Es gibt halt verschiedene Möglichkeiten, das zu vermeiden: Da gibt es Leute, die es bewusst vermeiden, rechtsextreme Narrative wiederzugeben, Leuten nachzulaufen, die sich offen zu rechtsextremen Gruppierungen bekennen und rechtsextremistische Propaganda zu verbreiten. Und dann gibt es die anderen, die zwar all das tun, dann aber beleidigt sind, wenn man sie damit konfrontiert. Häufig muss man diese gar nicht "Nazi" nennen, damit sie sich über die Nazi-Keule beschweren. Man kann natürlich nur vermuten, warum solche Leute hinter jeder Kritik die Nazi-Keule wittern, aber wie Bob Marley einst zu sagen pflegte: "Who the cap fits, let them wear it." Zu den häufigsten Befürchtungen solcher Leute gehört beispielsweise die, dass "die Deutschen" ausgerottet werden sollen. Nun - da sollte man sich zuerst einmal fragen, wie man "die Deutschen" definiert. Vor allem aber frage ich mich, warum es mich interessieren sollte, ob Leute, die nach meinem Ableben in Deutschland - oder in meinem Fall in Österreich - leben, noch immer genauso aussehen wie zu meinen Lebzeiten. Oder glaubt ihr etwa, die Menschen, die hier leben, hätten zu allen Zeiten immer komplett gleich ausgesehen? Und ich weiß, dass man Menschen eigentlich nicht nach dem Aussehen bewerten soll, aber ich muss zugeben - wenn ich mir die ganzen Leute ansehe, die bei Pegida & Co. mitmarschieren, drängen sich mir mitunter Gedanken auf wie: "Und das soll die 'Rasse' sein, die unbedingt erhalten werden muss?" Aber ja, klar - der Bevölkerungsaustausch hat längst stattgefunden! Die Bevölkerung von vor 150 Jahren lebt heute nicht mehr! Think about it! Aber klar - das Problem sind nicht die Rechtsparteien, die selbstverständlich nicht rechts sind, sondern die Antifa. Wer solche Behauptungen aufstellt, ist entweder besonders dumm, oder er versucht mit aller Gewalt, sich die eigene Ideologie schönzureden. Zuallererst sollte man einmal festhalten, dass "die Antifa" keine homogene Gruppierung ist, sondern eine Abkürzung für Antifaschismus: Wer also behauptet, gegen "die Antifa" zu sein, befürwortet - wissentlich oder unwissentlich - Faschismus. Jaja, ich weiß - ich hab auch schon mitgekriegt, dass viele das nicht schnallen. Bei dem Wort "Antifa" haben die meisten die autonomen Antifa-Grüppchen der 1970er und 1980er Jahre vor Augen, den sagenumwobenen "Schwarzen Block", der vor allem durch fliegende Steine und brennende Autos von sich reden machte. Viele erinnern, wenn über rechte Gewalt berichtet wird, auch gerne an den G20-Gipfel 2017 in Hamburg, als es zu linksextrem motivierten Ausschreitungen kam. Wie überhaupt gerne zu Whataboutism gegriffen wird, wenn es um von rechter Seite verursachter Gewalt kommt - selbst unter dem Trailer zu einem Film, der erklären soll, warum Leute mit dem Nationalsozialismus sympathisieren, waren die Kommentarspalten voll von Jammerlappen, die herumlamentiert haben, wann denn endlich ein Film über linke Gewalt herauskommt. Vielleicht sollte ich auch unter einem Trailer vom Baader-Meinhof-Komplex herumjammern - Moment, ist das nicht ein Film über LINKE GEWALT? Sowas aber auch! Nun - ich glaube, ich habe schon angemerkt, dass allein die Geschichte uns lehrt, dass linke Gruppierungen oft alles andere als friedfertig und gewaltfrei sind. Aktuell sehe ich allerdings die größere Gefahr tatsächlich von rechts, auch wenn es vielleicht bei weitem nicht so viele sind, wie sie scheinen - sie sind nur leider sehr, sehr laut, und die "Querdenker"-Demos haben gezeigt, dass es genügend Leute gibt, die nichts dabei finden, mitzulaufen. Aktuell werden ja in Deutschland gerade Horrorszenarien heraufbeschworen angesichts dessen, dass die Grünen es tatsächlich geschafft haben, eine starke Kandidatin an ihre Spitze zu setzen - viele drohen auch damit, auszuwandern, sollte diese Partei tatsächlich die meisten Stimmen bekommen. Nun, da kann ich ja nur sagen - gute Reise! Aber bitte kommt nicht zu uns nach Österreich, wir haben schon selbst genug Irre hier!

"Mutti Merkel"; "Basti-Spasti"; "van der Wauwau"; "Spahnferkel"; "Angstschober"; "Flintenuschi"; "Greta Thunfisch"; "die Klima-Gretel"

Zu guter Letzt will ich euch noch die erwachsensten Kommentare aller Zeiten vorstellen. Als ich ein Kind war, hat man meinen Nachnamen gerne mit einem Putzutensil verglichen; bis heute finden sich manche besonders witzig und originell, wenn sie auf die entfernte Ähnlichkeit mit dem Namen eines C-Promis verweisen. Nun, dass kleine Kinder sich über die Namen anderer lustig machen, ist normal - ich finde halt, ab einem gewissen Alter sollte man das langsam mal hinter sich lassen. Ja, ich weiß, ich mache auch manchmal doofe Witze. Aber wenn man nicht mehr zu sagen hat als das, wird man es schwer haben, ernst genommen zu werden. Seit 2015 hat es sich ja eingebürgert, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als "Mutti" zu bezeichnen - was vor allem darauf hindeuten soll, dass sie sich rührend um die Flüchtlinge kümmert, während der arme Deutsche am Hungertuch nagen muss. Dass Asylwerbern weniger zusteht als der Hartz-IV-Satz und man wahrscheinlich eher nicht mit einem Haufen Fremden in einem Zimmer hausen will, kann da getrost vernachlässigt werden. Bei uns in Österreich wiederum greift man auf eine Dichtkunst zurück, auf die jeder Vorschüler neidisch wäre, und verbindet sie mit Ableismus. Und ja, ich weiß, ich gebe Herrn Kurz auch gerne doofe Spitznamen, wenn ich mich ärgere - aber ich schaffe das zumindest, ohne Menschen zu beleidigen, die an seiner Art, Politik zu machen, nicht schuld sind. Ebenso originell waren hartgesottene FPÖ-Fans nach der Ibiza-Affäre, als sich gezeigt hat, dass die Funktion des Bundespräsidenten doch weitaus mehr Aufgaben umfasst, als zu repräsentieren - und wie kann man am besten zeigen, dass man Alexander van der Bellen doof findet? Richtig, indem man daran erinnert, dass ein Teil seines Namens an die Bezeichnung von Hundelauten erinnert! Wow, wie kreativ! Ebenso kreativ ist es natürlich, aus dem Namen des deutschen Gesundheitsministers die Bezeichnung eines beliebten Fleischgerichts zu basteln! Oder mit äußerst subtilem Humor darauf hinzuweisen, dass der vor kurzem zurückgetretene österreichische Gesundheitsminister ja nur Angstmacherei betreibe! Die Präsidentin der Europäischen Kommission war zuvor deutsche Verteidigungsministerin, und da ihr Vorname Ursula lautet, bietet es sich natürlich an, sie "Flintenuschi" oder "Panzeruschi" zu nennen. Während Greta Thunberg vor allem in ihrer sehr aktiven Zeit vor Corona gerne als "Greta Thunfisch", "Thunfisch-Gretel" oder "Klima-Gretel" bezeichnet wurde. Hahahahaha, ich lach mich tot!

Das war ein Auszug aus einer Fülle an Posts, mit denen man konfrontiert wird, wenn man es mit Verschwörungsgläubigen Wahrheitsfindenden zu tun bekommt. Und meine persönliche Art, mit all diesem verbalen Dünnschiss fertigzuwerden, der tagtäglich in den Äther geblasen wird. Außerdem hege ich immer noch die Hoffnung, dass vielleicht irgendjemand mal hier vorbeischaut und sich überlegt, wie sehr sich hier die Banalität des Dummen offenbart. Gerade deshalb, weil nicht alle, die sich im Nebel der Verschwörungsideologien verlaufen, dumm sind - im Grunde ist keiner davor gefeit, auch ich nicht. Ich hatte nur ein bisschen mehr Glück als manch andere. Das ist mir klargeworden, als ich den YouTube-Kanal Ascendancer kennenlernte - was dessen Betreiber passiert ist, hätte mir möglicherweise auch passieren können. Vielleicht schreibe ich irgendwann noch einmal was darüber. Wir werden sehen.

Wie schon angemerkt, ist aktuell die irrationale Angst vor dem Kontakt mit Geimpften die neueste Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Wobei ich mir gut vorstellen kann, dass der (selbst auferlegte) psychische Stress tatsächlich körperliche Symptome hervorrufen kann - mir geht es, wenn auch in einem anderen Kontext, manchmal genauso. Vor Jahren hat man angenommen, dass mit dem erleichterten Zugang zu Information auch das Wissen in der Gesellschaft zunimmt - weil man die Macht der Desinformation unterschätzt hat. Menschen neigen nun mal dazu, am ehesten das zu glauben, was sie auch glauben wollen - es gibt in der Geschichte genügend Beispiele dazu. Das ist auch der Grund, warum ich mich lieber an den wissenschaftlichen Konsens halte als an irgendwelche Kanäle und Blogs, von denen ich keine Ahnung habe, woher sie ihre Informationen beziehen. Das Problem ist halt leider, dass die Presse im letzten Jahr die Aussagen von Experten in einen reißerischen Kontext gesetzt hat - und somit das Vertrauen vieler untergraben hat. Deshalb sehen auch viele Mai Thi Nguyen-Kims Aussage, dass Wissenschaft keine Demokratie sei, als "Beweis" dafür, dass sie eine "Wisssenschaftsdiktatur" errichten wolle - dabei hat sie doch Recht: Wissenschaft ist keine Demokratie, weil es hier nicht um Meinungen geht, sondern um Fakten und Ergebnisse. Es geht nicht darum, möglichst alle glücklich zu machen, sondern darum, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Was viele aktuell nicht mehr unterscheiden - ich bin mir nur bei vielen nicht sicher, ob sie das absichtlich machen oder ob sie es wirklich nicht kapieren. Wobei ich denke, dass da vor allem Leute mit durchaus wissenschaftlichem Hintergrund, die absichtlich Desinformation verbreiten, nicht unschuldig daran sind. Ein Bhakdi oder Wodrag bezieht sich nicht auf einen Konsens, sondern pickt sich einzelne Studien heraus, um so bestimmte Meinungen zu bestätigen - das klingt dann auch "wissenschaftlich" und führt gleichzeitig jene hinters Licht, die sich da nicht wirklich auskennen (was nichts mit Dummheit zu tun hat - denn das ist wirklich kompliziert, und auch mein Wissen darüber ist nur oberflächlich), hat aber letztendlich kein richtiges Fundament. Das macht es auch so schwierig, mit Verschwörungsgläubigen zu diskutieren - denn wenn eine Partei die Basis ablehnt, auf der eine Diskussion stattfinden sollte, hat man mit Redlichkeit immer das Nachsehen. Es ist, als wolle jemand in einem Spiel mitspielen, ohne dessen Regeln zu akzeptieren. Andererseits habe ich auch Schwierigkeiten mit Formulierungen, die Wissenschaft mit dem Wort "Glauben" in Verbindung bringen - denn obwohl manche das behaupten, ist Wissenschaft keine Religion. In einer Religion ist eine einmal aufgestellte Behauptung ein fixes Dogma, das für alle Zeiten besteht - das sieht man besonders deutlich am Fundamentalismus, der uns in eine Zeit zurückführen will, die schon längst vorbei ist. Eine wissenschaftliche Erkenntnis ist niemals unangreifbar - sie kann jederzeit widerlegt und durch eine bessere ersetzt werden. Das Lustige ist ja, dass diese Leute permanent alle möglichen Arten von Computer benutzen, die es ohne Wissenschaft nicht geben würde, dieselbe aber dennoch ablehnen.

Aber wie ich schon am Anfang dieses Artikels schrieb, scheinen viele sich aktuell von Querdenkern und Konsorten abzuwenden. Dennoch ist weiterhin Vorsicht geboten - denn jede Bewegung, die sich in der Phase der Auflösung befindet, ist besonders gefährlich, da sie mehr oder weniger ums Überleben kämpft. Vor allem aber sollten wir uns bemühen, diejenigen, die wieder in die Realität zurückkehren, nach Möglichkeit aufzufangen - denn es ist leichter, sich von einer Ideologie abzuwenden, an die man sowieso nie geglaubt haben, als zu erkennen, dass man monatelang das Falsche geglaubt hat. Auch wenn es uns noch so schwer fällt - wir sollten versuchen, nicht nachtragend zu sein und stattdessen dabei helfen, zu verstehen. Denn niemand hat immer recht.

vousvoyez


P.S.: Ich wollte eigentlich noch was zu Xavier Naidoos neuester Heldentat schreiben, finde aber, dass Jan Skudlareks großartiger Analyse nichts hinzuzufügen ist: https://www.volksverpetzer.de/hintergrund/xavier-naidoo-analysiert/