Montag, 29. November 2021

Bill Gates ist schlimmer als Hitler, denn wegen Adolf ist mein Computer noch nie abgestürzt

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Ein Kommentar aus jener Zeit, als die Forschungen an dem Impfstoff gegen Covid-19 bereits auf Hochtouren liefen - und Bill Gates durch seine Stiftung  in Schwurbelkreisen Teil der großen Verschwörung wurde. Ich persönlich erinnere mich an ihn noch als denjenigen, der durch sein Unternehmen Microsoft zu einem der reichsten Menschen der Welt wurde - in meiner frühen Jugend war nicht Apple Inc. der große heiße Scheiß, sondern tatsächlich Microsoft. Was Bill Gates betrifft, so wurde ihm zumindest im letzten Jahr gern unterstellt, er wolle uns mit der Impfung einen Überwachungschip implantieren - mal ganz abgesehen davon, dass so ein Chip wohl eher kaum in eine Injektionsnadel passen würde, wäre das ja eigentlich völlig unnötig, da eh jeder ganz freiwillig sein Handy mit sich in der Tasche transportiert. Ein weiterer Verschwörungsmythos ist, dass die Impfung unfruchtbar mache und Gates damit die Bevölkerung in der Dritten Welt reduzieren wolle - was auch sehr viel Sinn ergibt, wenn man bedenkt, dass in der Dritten Welt die wenigsten Menschen in den Genuss einer Impfung kommen. Aber komm du mal einem Schwurbelfritzen mit Logik!

Aber Schluss jetzt mit Corona - ich habe euch ja versprochen, dass ich diesmal was anderes machen werde. Und das mache ich auch: Ich werde mich nämlich zum ersten Mal seit langem wieder zwei Disney-Filmen zuwenden - und zwar jenen, die auf Erzählungen aus der griechischen Antike basieren. Ich hatte als Jugendliche eine Phase, in der ich mich sehr mit griechischer Mythologie beschäftigt habe, deswegen sind mir die meisten dieser Geschichten und Figuren nicht fremd. Als ich ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt war, entdeckte ich die freien Nacherzählungen des österreichischen Schriftstellers Michael Köhlmeier über die griechischen Sagen, die damals in dem Radiosender Ö1 ausgestrahlt wurden. Und so saß ich ganze Nachmittage neben dem Radio auf dem Boden meines Zimmers und lauschte diesen überaus spannenden Geschichten. In der Folge kaufte ich mir auch die Bücher und kannte mich schon bald selbst recht gut aus, was in der Schule keineswegs ein Nachteil war. Und genau in dieser Zeit kam Disneys Hercules in die Kinos.

Der im Jahre 1997 erschienene Zeichentrickfilm unter der Regie von John Musker und Ron Clements war für mich eine herbe Enttäuschung - auch wenn ich schon alt genug war, um zu wissen, dass Disney adaptierte Geschichten oft sehr frei interpretiert. Und obwohl die Figuren von dem genialen britischen Karikaturisten Gerald Scarfe entworfen worden waren, der beispielsweise auch die Zeichentricksequenzen von Pink Floyds legendärem Film The Wall gestaltet hatte, was Hercules einen ganz speziellen Stil verlieh. Das Problem ist halt, dass die mythologische Geschichte sehr nach amerikanischen Sehgewohnheiten aufbereitet und auf das zurechtgestutzt wurde, was bei Disney als "familienfreundlich" verstanden wird. Was das zu bedeuten hat, werden wir noch sehen.

Im Film ist Hercules der Sohn des Göttervaters Zeus und seiner Gattin Hera; seine Geburt ist Hades, dem Gott der Unterwelt, Bruder und gleichzeitig auch mächtiger Widersacher von Zeus, jedoch ein Dorn im Auge, da er die Macht über die Götterwelt an sich reißen will und ihm geweissagt wurde, dass Hercules ihm das einst vereiteln würde. Er beauftragt seine Gehilfen Pech und Schwefel, das Baby auf die Erde zu entführen und ihm durch ein magisches Elixier der Unsterblichkeit zu berauben, damit er ihn töten kann. Der Plan misslingt, das Kind trinkt die Flasche nicht ganz aus und wächst in der Folge als Pflegekind des kinderlosen Menschenpaares Amphitryon und Alkmene zu einem sterblichen Menschen heran, ohne jedoch seine göttliche Kraft verloren zu haben. Als Jugendlicher erfährt er, dass er möglicherweise von den Göttern abstammt, doch er muss sich erst als würdig erweisen, dorthin wieder aufgenommen zu werden. So wird der von dem Satyr Philoktetes, genannt Phil, unterrichtet, der schon andere große Helden unter seine Fittiche genommen hat. Erwachsen geworden, lernt Hercules bei einem Kampf gegen einen Flussgott die schöne Megara, genannt Meg, kennen und verliebt sich in sie, ohne zu ahnen, dass sie zu Hades' Gefolgsleuten gehört. Nachdem er gegen eine Reihe von Ungeheuern gekämpft hat und sein Ruhm immer größer geworden ist, erklärt er sich bereit, Meg zuliebe eine Weile auf seine Kräfte zu verzichten. So kann Hades mit den befreiten Titanen den Olymp stürmen; indessen gelingt es Meg zusammen mit dem fliegenden Pferd Pegasus, Phil auf den Plan zu rufen und opfert ihr Leben, damit Hercules seine Kräfte wieder zurückerlangen kann. So gelingt es ihm, die Schlacht gegen Hades und sein Gefolge siegreich zu schlagen; anschließend will er Meg aus der Unterwelt zurückholen und ist bereit, dafür sein eigenes Leben zu geben. Diese selbstlose Tat gibt ihm seine Göttlichkeit wieder, und so kehrt er zusammen mit Meg auf den Olymp zurück, verzichtet jedoch auf ein Leben als Gott und entscheidet sich stattdessen, zusammen mit Meg auf der Erde zu leben.

Wie wir wissen, ist Hercules einer der berühmtesten, wenn nicht gar der berühmteste Held der griechischen Antike. Zu dem strahlenden Helden, der er heute ist, machten ihn allerdings erst die Römer, die ihm einen Charakter verliehen, der mehr oder weniger an die Actionhelden der 1980er Jahre erinnert. Auch der Name Hercules ist römischen Ursprungs - in der griechischen Sagenwelt lautet sein Name Herakles. Ein weiterer Unterschied zwischen Film und Mythologie ist, dass es die Gut-Böse-Dualität, die in Hollywood und speziell bei Disney so beliebt ist, in der griechischen Sagenwelt so gar nicht gibt - beispielsweise ist das griechische Paradies, das Elysium, eigentlich nur für besonders gute Menschen gedacht, aber manchmal kommen dort Leute hin, die das nach unseren Moralvorstellungen gar nicht verdient hätten (so ist Helena nur wegen ihrer Schönheit dort). Entsprechend ist Hades eigentlich auch gar nicht "der Böse" und Zeus nicht "der Gute" - aber ein Zeus, der alles bespringt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist (hihihihihi, sie hat "bespringen" gesagt), passt halt nicht in ein Disney-Märchen. Deshalb wird im Film auch streng nach Hollywood-Ideologie Zeus' rechtmäßig angetraute Ehefrau Hera zur Mutter des Helden gemacht - und nicht Alkmene, wie in der eigentlichen Sage. Und auch der leidenschaftliche Hass, den Hera in der mythologischen Vorlage für Herakles empfindet, passt hier nicht hinein - zumal dieser darin begründet ist, dass Zeus sie wieder einmal betrogen, ihr dies aber als seinen göttlichen Auftrag verkauft hat. Darüber hinaus ist die Sterbliche Alkmene ebenfalls verheiratet, und zwar mit Amphitryon, der ihr den Seitensprung jedoch verzeiht, da er schnell begreift, dass er gegen einen Gott nichts ausrichten kann. Stattdessen zeugt er mit ihr ebenfalls einen Sohn, und so bringt Alkmene Zwillinge zur Welt - der eine ist Herakles, Sohn des Zeus, der andere Iphikles, Sohn des Amphitryon. Von Anfang an sinnt Hera auf Rache und schickt den Kindern eine giftige Schlange in deren Bettchen - die Herakles mit bloßen Händen erwürgt.

Vor allem aber ist der mythologische Herakles nicht der strahlende Held, zu dem ihm die Römer später gemacht haben, sondern ein zutiefst widersprüchlicher Charakter mit einer tragischen Geschichte - einerseits bringen ihm seine Heldentaten viel Ruhm und Ehre, andererseits wächst er aber nicht daran, sondern wird immer mehr zu dem, was er eigentlich bekämpft. Sein Leben lang wird er von einem unbändigen Jähzorn angetrieben, der häufig mit Wahnvorstellungen einhergeht und zusammen mit seiner unbändigen Körperkraft zu einer tödlichen Gefahr werden kann, die auch so manchem Unschuldigen das Leben kostet. So erschlägt er als Jugendlicher aus einem Wutanfall heraus seinen Musiklehrer, und als Erwachsener tötet er unter Wahnvorstellungen seine geliebte Frau Megara und die vier gemeinsamen Kinder. Auch ansonsten entspricht Herakles so gar nicht dem modernen Bild eines Helden: Er tötet die, die nicht nach seinem Willen handeln, und ist durch sein unbedachtes Handeln auch für den ein oder anderen Krieg verantwortlich. Frauen gegenüber ist er keineswegs so schüchtern und unsicher wie im Film - er nimmt sich, was er begehrt, ohne Rücksicht auf die Frauen selbst oder auf deren Väter, die er auch schon mal aus dem Weg räumt. Die berühmteste Geschichte um Herakles aber ist die der zwölf Aufgaben, die er für seinen Vetter Eurystheus, König von Mykene, erledigen soll, um den Mord an seiner Frau und seinen Kindern zu sühnen - ihr immenser Umfang hat sich sogar in unserem Sprachschatz unter dem Namen "Herkulesaufgabe" niedergeschlagen. Nebenbei hatte Herakles, während er die zwölf Aufgaben erledigte, noch einige andere Hindernisse zu überwinden, die in andere Sagenkreise hineinspielten - etwa der um Iason und die Argonauten oder auch um den Trojanischen Krieg. Möglicherweise ist es allerdings auch seiner Popularität zu verdanken, dass er quasi in jeder bekannten griechischen Sage irgendeine Rolle gespielt haben soll.

Auch die Geschichte um Herakles' Tod zeigt, dass sein Charakter im Gegensatz zu der glatt gebügelten Disney-Variante von hoher Ambivalenz ist: Durch einen Kampf mit dem Flussgott Acheloos, der sich in abgewandelter Form auch bei Disney wiederfindet, erlangt er die Gunst der schönen Königstochter Deïaneira, die seine zweite Frau wird. Diese wird beinahe von dem Zentauren Nessos entführt, der jedoch von Herkules' Pfeil niedergestreckt wird, welcher mit dem tödlichen Gift der Hydra von Lernos getränkt ist. Der sterbende Zentaur rät ihr, etwas von seinem Blut aufzufangen und aufzubewahren für den Fall, dass sie sich Herakles' Liebe nicht sicher sein kann - sie ahnt jedoch nicht, dass das Blut eines Zentauren kein Liebeselixier ist. Herakles beginnt das geregelte Familienleben bald zu langweilen, weshalb er sich aufmacht, um neue Abenteuer zu erleben - bei seiner Rückkehr erfährt Deïaneira jedoch, dass er eine Gefangene, die schöne Iole, mitbringen wird. Von Eifersucht geplagt, bestreicht sie seine Tunika mit dem Blut des Nessos in dem Glauben, dadurch seine Liebe zurückzugewinnen - doch stattdessen beschert das Gewand dem Helden unerträgliche Schmerzen, weshalb er einen Scheiterhaufen errichtet und sich von seinem Jugendfreund Philoktetes (der in der Sage kein Satyr ist) bei lebendigem Leib verbrennen lässt. Das Feuer verbrennt seinen sterblichen Leib; der unsterbliche Teil darf jedoch in den Olymp, wo er sich mit Hera versöhnt und deren Tochter Hebe, der Göttin der Jugend, heiratet - deren Vater Zeus ist, aber Inzestverhältnisse sind in der griechischen Götterwelt keineswegs eine Seltenheit. Beispielsweise sind Zeus und Hera nicht nur Eheleute, sondern auch Geschwister - beide sind direkte Nachkommen des Titanenpaares Kronos und Rhea, die wiederum die Kinder von Gaia und Uranos, dem Himmel und der Erde, sind. Und Uranos wiederum ist nicht nur der Ehemann, sondern auch der Sohn von Gaia.

Der Disney-Film weicht aber nicht nur bezüglich Hercules' Charakter und Geschichte stark von der mythologischen Vorlage ab - so wurden die neun Musen, die Schutzgöttinnen der Künste, auf fünf reduziert, und insgesamt kann man anmerken, dass verschiedene Elemente der gesamten Mythologe in dem Film wild durcheinandergemischt wurden. So erinnert die Darstellung der Moiren, also der Schicksalsgöttinnen, eher an die der Graien aus der Perseus-Geschichte, die hier keine Göttinnen sind, sondern mit den Gorgonen verwandt, mythologische Schreckgestalten mit Flügeln und Schlangenhaaren. Es handelt sich hierbei um drei alte Frauen, sozusagen um die Personifizierung des Alters, die schon als Greisinnen zur Welt kamen - sie besitzen zusammen nur ein einziges Auge und einen Zahn, die sie allerdings untereinander weiterreichen können, je nach Bedarf. Perseus sucht sie auf, als er nach der Gorgone Medusa sucht, und luchst ihnen Auge und Zahn ab, um von ihnen ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Als er Medusa den Kopf abschlägt, wird aus ihrem Blut übrigens das geflügelte Pferd Pegasos geboren - das eigentlich ebenfalls nicht zur Herkules-Sage gehört, sondern zu der des Helden Bellerophon, welcher auf Pegasos' Rücken die Chimäras und die Amazonen besiegte. Das magische Pferd des mythologischen Herakles hieß Areion - es ging aus einer Verbindung des Meeresgottes Poseidon mit der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter hervor. Diese hatte auf den aufdringlichen Gott keine Lust, also verwandelte sie sich in eine Stute und versteckte sich in der Herde des Königs Onkios - was für Poseidon jedoch kein Hindernis war, denn er verwandelte sich in einen Hengst. Areion konnte sprechen und sehr schnell laufen - er gehörte erst Onkios, dann Herakles und später Adrastos, dem König von Argos.

Ein weiterer Film, dem ich mich heute widmen will, ist Atlantis - Das Geheimnis der verlorenen Stadt aus dem Jahr 2001, bei dem Gary Trousdale und Kirk Wise Regie führten. Es handelt sich hierbei um ein technisch gut gemachtes Werk, der allerdings bei den Kinokassen nicht sehr erfolgreich war - wohl, weil ihm die Possierlichkeit fehlt, die bei den meisten Disney-Filmen das hervorstechendste Merkmal ist, und weil sich der handgezeichnete Film zu diesem Zeitpunkt außerhalb Japans eher auf dem absteigenden Ast befand. Ähnlich wie bei Pocahontas, wollte man wohl auch hier ein Werk kreieren, das auch ein erwachseneres Publikum ansprach, was wohl auch den eher kantigen Zeichenstil und die actionreiche Handlung erklärt. Ein wenig erinnert er an die klassischen Abenteuergeschichten à la Jules Verne - und wie damals üblich, so hat man auch hier auf die Anziehungskraft von Hollywood-Stars gesetzt, beispielsweise wird der Protagonist Milo Thatch im Original von Michael J. Fox synchronisiert, und in der deutschen Version wird der Song im Abspann von der damals bereits sehr populären Girlgroup No Angels zusammen mit Donovan gesungen.

Die Handlung spielt im Jahre 1914; der junge Wissenschaftler Milo Thatch ist einer der wenigen, die an die Existenz der versunkenen Stadt Atlantis glauben, weshalb er nur wenig Unterstützung von seinen Vorgesetzten erhält. Dies ändert sich, als er eines Abends Besuch von Helga Sinclair bekommt, die ihn mit dem milliardenschweren Unternehmer Mr. Whitman, einem alten Freund von Milos Großvater, bekannt macht. Dieser erklärt sich bereit, Milos Expedition nach Atlantis zu finanzieren, der von jenem Expertenteam begleitet wird, das auch schon Milos Großvater zur Seite stand, und übergibt ihm auf Anweisung des Großvaters das Tagebuch eines Hirten, das ihn zu der versunkenen Stadt führen soll. Also macht sich Milo mit seinem Team auf die gefahrvolle Reise in einem hochmodernen U-Boot, die damit endet, dass ihr Gefährt von einem Leviathan angegriffen wird, was dem Großteil der Besatzung das Leben kostet. Unter Milos Führung schaffen es die Überlebenden, nach Atlantis zu gelangen, dessen König sie gar nicht begeistert aufnimmt, während Milo sich in dessen Tochter Kida verliebt. Diese vertraut ihm an, dass Atlantis dem Untergang geweiht ist, weil ihre Bewohner verlernt haben, die alten Schriften zu lesen und die eigene Technologie zu nutzen. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach dem "Herz von Atlantis", einen Kristall, der für das Überleben der Atlanter essenziell ist - dabei stellt sich jedoch heraus, dass es sich bei dem übrigen Expeditionsteam um eine Söldnertruppe handelt, die den Kristall stehlen will. Als diesen es gelingt, ihn zu finden, reagiert er auf Kida, woraufhin diese mit ihm verschmilzt und selbst zum Kristall wird. Daraufhin sperren die Söldner sie in eine Transportkapsel und wollen mit ihr Atlantis verlassen; Milo kann zwar ein paar von ihnen überzeugen, dass das Leben der Atlanter wichtiger ist als der Kristall, aber zwei von ihnen verlassen Atlantis dennoch mit Kida. Der kurz vor dem Ableben stehende König erzählt den anderen, dass der Kristall bei Gefahr immer mit einem Wirt königlichen Geblüts verschmilzt, um Atlantis zu schützen; bleibt der Wirt jedoch zu lange mit ihm verschmolzen, wird er zu einem Teil von ihm. Also beschließt Milo, Kida und Atlantis zu retten; zusammen mit den zurückgebliebenen Expeditionsteilnehmern und den Atlantern zieht er in den Kampf, wobei die beiden, die den Kristall entführt haben, ihr Leben verlieren. Als vor den Toren der Stadt ein gewaltiger Vulkan ausbricht, der droht, sie zu zerstören, können sie die Transportkapsel gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen und die Stadt vor der Lava schützen. Danach gibt der Kristall Kida wieder frei, und während die anderen wieder zurückreisen, beschließt Milo, in Atlantis zu bleiben; Mr. Whitmore erhält als Beweis für die Existenz einen jener Kristalle, die die Bewohner von Atlantis um den Hals tragen. Was aber hat es mit diesem Atlantis auf sich, das in so vielen Geschichten eine Rolle spielt und um das sich so viele Verschwörungsmythen ranken?

Etwa um 360 v. Chr. beschrieb der Philosoph Platon das Inselreich Atlantis in seinen Dialogen Timaios und Kritias - Letzterer blieb unvollendet. Es handelt sich dabei um fiktive Dialoge zwischen jeweils zwei historischen Persönlichkeiten aus Politik und Philosophie - die ausführlichere Beschreibung befindet sich vor allem in der Kritias, in welcher der angebliche Untergang von Atlantis im Krieg gegen Athen erzählt wird. Dem Philosophen Kritias zufolge habe Atlantis große Teile Europas und Afrikas erobert und sei vor seinem Untergang auch im Begriff gewesen, sich auch Griechenland untertan zu machen, ehe es von Athen in einer siegreichen Schlacht geschlagen und kurz darauf durch ein Erdbeben und eine Flutwelle zerstört worden sei. Das Reich selbst wird sehr detailliert beschrieben, beherrscht worden sei es von den Nachfahren des Atlas, eines Sohnes des Meeresgottes Poseidon, der sowohl dem Inselstaat als auch dem Atlantischen Ozean seinen Namen verliehen  hätte und nicht zu verwechseln ist mit jenem Titanen, der für seine Loyalität zu Kronos von Zeus damit bestraft wurde, für alle Ewigkeiten das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern zu tragen, bis er von Perseus mit dem abgeschlagenen Haupt der Medusa versteinert und zum Atlasgebirge wurde. Die Zerstörung von Atlantis erklärt Platon ebenfalls mit der Strafe der Götter, da die Bewohner des Reiches von Gier und Macht getrieben worden seien - nähere Ausführungen dazu gibt es allerdings nicht, da die Kritias, wie schon gesagt, unvollendet ist, und es nun mal in der Natur unvollendeter Werke liegt, dass Teile davon fehlen. Prinzipiell ist die Atlantis-Episode aber wohl eine jener Geschichten, die Platon gerne in seine Werke einbaute, um eine zuvor aufgestellte These zu veranschaulichen. In diesem Falle versuchte er damit, die praktische Bewährung eines idealen Staates zu veranschaulichen. Wobei hier nicht Atlantis, sondern Athen als Ideal dargestellt wurde - vielfach versteht man dies heute als politische Allegorie auf die expansive Seemachtspolitik des realen Athen.

Ob es sich bei Atlantis um ein real existierendes historisches Inselreich oder eine reine Erfindung Platons handelt, daran scheiden sich bis heute die Geister - bereits in der Antike wurde darüber gestritten. Die Fiktionalität der Geschichte ist allerdings bereits daran erkennbar, dass in der Kritias ein Athen geschildert wird, das es so nie gegeben hat, während das Bild von Atlantis aus verschiedenen Elementen realer Vorbilder zusammengestückelt und nach den Feindbildern des antiken Griechenlands gestaltet ist. Andere wiederum sind überzeugt davon, dass es sich bei dieser Erzählung um keine Erfindung Platons handelt - argumentiert wird dies damit, dass Platon die Atlantik-Geschichte, im Gegensatz zu seinen anderen Parabeln, nicht ausdrücklich als "Mythos" gekennzeichnet hat und dass es auffällige Ähnlichkeiten zu älteren Quellen aus Ägypten gäbe. Und dann gibt es eben diejenigen, die glauben, dass es Atlantis tatsächlich gegeben und sein Untergang wirklich stattgefunden hat. Sie sind überzeugt, dass Platons Erzählung auf einer wahren Begebenheit beruhe oder zumindest einen historischen Kern beinhalte. Die Versuche, ein historisches Atlantis zu lokalisieren, beschränken sich allerdings bis heute auf Hypothesen von einzelnen Personen - die meisten Philologen und Althistoriker halten die Geschichte allerdings für reine Fiktion und begründen das damit, dass all die Spekulationen letztendlich auf nur eine einzige Quelle - nämlich Platon - zurückzuführen ist.

Vermutungen um ein historisches Atlantis gab es, wie schon erwähnt, bereits in der Antike, etwa bei Krantor von Soloi, Proklos und Tertullian. Im Mittelalter geriet der Mythos allmählich in Vergessenheit, um in der frühen Neuzeit im wahrsten Sinne des Wortes eine Renaissance zu erleben - natürlich durch die Rückbesinnung auf die griechisch-römische Antike, aber auch durch die Seereisen zu bisher unbekannten Teilen der Welt, allen voran natürlich Amerika. Viele damalige Philosophen machten sich das Stilmittel der Scheingeschichte, um Kritik an Geschehnissen der eigenen Gegenwart zu üben, zu eigen, so etwa Thomas Morus, Tommaso Campanella oder auch Francis Bacon. Im 16. und 17. Jahrhundert hielten manche Atlantis gar für den Ursprung der menschlichen Zivilisation, eine Idee, die sich im 19. Jahrhundert in Ignatius Donnellys Buch Atlantis - The antediluvian World wiederfindet, der sogar behauptete, Atlantis sei die Urheimat der Arier; er beschrieb Atlantis als eine Art Paradies, das jedoch moralisch korrumpiert worden sei, womit er dessen Untergang erklärte. Theosophen, Anthroposophen und Ariosophen hielten die "Atlantider" für die Repräsentanten einer der sieben Menschheitsepochen, während der Mythos in der Philosophie Cosmique als Ursprung okkulter Lehren genannt wird. Diese beiden Lehren fanden auch ihren Niederschlag in der Ideologie des Nationalsozialismus - hier soll Atlantis zur Urheimat der "arischen Herrenrasse" erklärt; lokalisiert wurde es in diesem Rahmen allerdings in der Nordsee oder gar am Nordpol. Diese Idee findet bis heute in rechtsextremen Kreisen großen Anklang, und zwar weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Aber natürlich werden auch die Außerirdischen mit der Atlantis-Geschichte in Verbindung gebracht - in dieser Geschichte wurde Atlantis als erste Zivilisation von Aliens gebaut. Nach seiner Zerstörung wurde das reichhaltige atlantische Wissen zwar gerettet, aber dummerweise in der Bibliothek von Alexandria aufbewahrt, die ja bekanntermaßen verschwunden ist.

Aber nicht nur in toxischen Ideologien und esoterischen Kreisen, auch in Kunst und Kultur wurde es immer wieder als Sujet benutzt - etwa in E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen Der goldne Topf oder in Pierre Benoits Fantasy-Roman L'Atlantide, aber auch in trivialen Werken wie der Perry-Rhodan-Reihe. Sowohl in Michael Endes Jim Knopf und die wilde 13 als auch in Thomas Manns Joseph und seine Brüder und in J. R. R. Tolkiens Silmarillion findet Atlantis ebenfalls Erwähnung. In Walter Moers' herrlich bekloppter Romanreihe, die er selbst als "Zamonien-Zyklus" beschreibt, ist Atlantis die Hauptstadt des fiktiven Kontinents Zamonien, und in einem der letzten Asterix-Bände, die noch von Albert Uderzo verfasst worden waren, Obelix auf Kreuzfahrt, fahren Asterix, Obelix und Miraculix mit einem gekaperten Schiff voller entflohener Sklaven nach Atlantis, um sich Rat bei den dort ansässigen Druiden zu holen. Ihr seht also, Atlantis bietet so viel Stoff für Mythen und Legenden, dass wir noch in hundert Jahren nicht damit fertig würden.

Wie ihr also seht, ist auch die griechische Antike ein Thema, über das ich ewig und drei Tage berichten könnte, aber wie ich merke, habe ich schon wieder einen viel zu langen Artikel geschrieben. Ich hoffe, dass wir uns bis zum nächsten Mal wiedersehen und dass ihr mir bis dahin gesund bleibt! Bon voyage!

vousvoyez

Donnerstag, 25. November 2021

Manche Zeitungen sind so widerlich, dass man den toten Fisch beleidigt, wenn man ihn darin einwickelt

© vousvoyez
Damals, als die BILD mal wieder in Hochform war. Jenes Medium, das sich aktuell fragt, wie es kommen kann, dass die Infektionszahlen aktuell durch die Decke gehen wie noch nie, das aber zuvor ordentlich Öl ins Feuer gegossen hat, um Misstrauen gegen jegliche Expertise zu schüren. Ja, meine Lieben, es ist mal wieder soweit, wir in Österreich sind wieder im Lockdown. Und das, obwohl wir eine Situation wie diese hätten verhindern können - und obwohl Wissenschaftler uns bereits im Sommer davor gewarnt haben. Aber, wie unsere Eltern schon gesagt haben: Wer nicht hören will, muss fühlen. Blöd nur, dass nicht nur die Unvernünftigen und Nachlässigen fühlen müssen, sondern alle - auch diejenigen, die alles getan haben, um genau dieses Szenario zu verhindern. Und dass die Situation aktuell einen gewaltigen Keil in unsere Gesellschaft treibt. Wie man auch angesichts der Demonstrationen hier in Österreich, aber auch in Belgien und den Niederlanden gesehen hat.

Ja, wir sind wieder im Lockdown - mit dem so lange gewartet wurde, bis in den Krankenhäusern in Salzburg und Oberösterreich die Triage vorbereitet werden musste. Und nicht nur das - ab Februar soll die Impfpflicht in Österreich endgültig auf den Weg gebracht werden. Als ich Letzteres hörte, war mir im Grunde sofort klar: Das gibt Ärger. Wie jedem anderen, der einen kritischen Blick auf die Entwicklungen der letzten Zeit geworfen hat. Und wir haben Recht behalten: Am letzten Wochenende wurden in Brüssel, Rotterdam und Den Haag Autos in Brand gesteckt, die Demos in Wien waren größtenteils von rechtsradikalen und verschwörungsideologischen Gruppierungen organisiert, ganz vorne dabei FPÖ und MFG. Dabei fällt auf, dass sich seit Beginn der Proteste gegen die Maßnahmen ein regelrechter Demonstrations-Tourismus gebildet hat - viele Teilnehmer kamen nicht nur aus anderen Bundesländern, sondern sogar aus dem Ausland. Und viele der Banner, die dort zu sehen waren, waren offen rechtsradikal - scheint aber niemanden gestört zu haben. Und das ist eben ein Problem - und zwar ein gewaltiges.

Ich muss zugeben, ich bin bezüglich der Impfpflicht ebenfalls hin- und hergerissen. Einerseits frage ich mich, ob man die Impfquote nicht anders hätte steigern können und ob man wirklich alles getan hat, um die Leute zum Impfen zu überzeugen. Und hier muss ich ganz klar sagen: Nein - man hat praktisch gar nichts getan. Aktuell haben wir die niedrigste Impfquote im westlichen Europa; es war von Anfang an klar, dass zu wenig Leute sich impfen haben lassen, aber niemand fühlte sich dafür verantwortlich. Dafür hat Sebastian Kurz, als er noch Kanzler war, ständig damit geprahlt, wie toll wir die Pandemie doch meistern - noch als die Intensivstationen wieder anfingen, sich zu füllen, hat er das Ende der Pandemie verkündet. Und nachdem er seinen Platz räumen musste, ist die ÖVP in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, Alexander Schallenberg ist mit seiner Rolle als Bundeskanzler sichtlich überfordert. Die ganze Zeit über hat es geheißen, es wird weder einen weiteren Lockdown noch eine Impfpflicht geben- jetzt haben wir beides. Da wundert es nicht, dass das Vertrauen in diese Regierung praktisch nicht mehr vorhanden ist. Man hätte die jetzige Situation verhindern können und hat es nicht getan - jetzt bleibt einem nichts anderes übrig, als die Reißleine zu ziehen und wieder einmal massive Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung vorzunehmen. Aus diesem Grund fällt mir auch keine Alternative zu einer Impfpflicht ein - die Lage ist ernst, und es gibt nun mal einen harten Kern an Impfgegnern, die alles verweigern, was "die da oben" anordnen. Und nein - man soll nicht unhinterfragt alles tun, was von oben angeordnet wird, aber es ist auch nicht sehr zielführend, alles zu verweigern, nur weil es von oben kommt. So ein Verhalten erwartet man eigentlich eher von Zweijährigen.

Und das ist auch mit ein Grund, warum ich Hohlphrasen wie "Zusammenhalt" und "die Hand reichen" schon so langsam nicht mehr hören kann. Die Politik sorgt sich um die "Spaltung" der Gesellschaft - meist wird diese "Spaltung" aber eher jenen angelastet, die einen realistischen Blick auf die Situation haben, die die mangelnde Impfbereitschaft ansprechen und den Missionierungseifer jener kritisieren, die sich als "Skeptiker" begreifen. Und meist beklagen jene diese "Spaltung", die jedem Widerspruch mit Beschimpfungen und unterschwelligen Drohungen begegnen und die öffentlich die Hinrichtung von Journalisten, Politikern und Wissenschaftlern fordern. Und ja - selbstverständlich wäre mir auch lieber, wenn wir alle an einem Strang ziehen würden, aber sehen wir es doch einmal realistisch: Es gibt Leute, die kannst du nicht mehr überzeugen. Und je mehr du versuchst, mit Fakten zu kontern, desto mehr klammern sie sich an dem fest, was sie glauben wollen. Das sind Leute, die in einer Art Parallelwelt leben und zu denen man mit sachlicher Argumentation nicht mehr durchdringt. Die Ironie dessen, dass diejenigen, die sich ganz freiwillig gegen die Gesellschaft stellen, sich beschweren, dass sie durch 2G von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, entgeht manchen offenbar ganz und gar. Ebenso wie die Tatsache, dass diejenigen, die sich ständig als Opfer des Faschismus sehen, faschistischen Ideologien nachlaufen und für andere die Todesstrafe fordern. Das Problem an jenem immer gleichen Appell an den "Zusammenhalt" ist aber nicht nur dies - sondern auch die Tatsache, dass man zwar permanent fordert, jenen entgegenzukommen, die den Boden gemeinsamer Werte schon längst verlassen haben, dass einem aber all jene, die unter der Pandemie-Situation am meisten leiden, also Gesundheitspersonal, Eltern, Schüler und Studenten, nicht so wichtig zu sein scheinen. Nein, eine Gefahr für die Demokratie ist nicht jene sogenannte "Spaltung", die angeblich von all jenen betrieben wird, die es wagen, Fakten vorzubringen - die eigentliche Gefahr liegt bei jenen, die in ihrer eigenen Realität leben, die in einschlägigen Social-Media-Gruppen völlig ungebremst ihren Hass-, Gewalt- und Umsturzphantasien freien Lauf lassen. Und dass das viel zu viele das augenscheinlich noch immer nicht zu kapieren scheinen.

Dies hat man auch bei der Demo gesehen - wo man angesichts des Gewaltpotenzials total überrascht war, obwohl von vorn herein klar war, dass das keine friedliche Happy-Pappy-Blumenkinderparty wird. Und obwohl ausdrücklich erlaubt war, dass Leute, deren Wissenschaftsverständnis direkt aus dem Mittelalter zu stammen scheint, gegen jene Maßnahmen protestieren, die gerade deshalb noch nötig sind, weil sie nichts tun wollen, um sie obsolet zu machen. Das wirklich Schockierende an der Sache ist jedoch, dass sich so viele, die ja eigentlich "nur" gegen das Impfen sind, sich vollkommen hirnlos in diese Nazi-Filterblase mit hineinziehen lassen. Und ja, noch einmal: Es sind nicht alle Nazis, die auf diesen Demos mitmarschieren - aber das spielt eigentlich auch gar keine Rolle mehr. Die rechtsextreme Fraktion hat diese Proteste schon längst an sich gerissen und nutzt sie, um ungehemmt ihre Propaganda zu verbreiten. Wenn man jedoch Leute damit konfrontiert, die sich nicht als rechts sehen, wird sich nicht distanziert - stattdessen rechtfertigt man sich mit Scheinargumenten wie "wir haben doch gemeinsame Ziele", "ich kann ja nicht alle Plakate lesen" oder "du warst ja gar nicht dabei". Und das, meine Lieben, sind nichts als faule Ausreden - hilflose Versuche, zu rechtfertigen, warum man solchen Leuten hinterherrennt. Und das ist das Gefährliche daran - denn dies ermöglicht es der extremen Rechten, weit über ihre eigene Zielgruppe hinaus neue Schichten anzusprechen. Und nicht nur das - gerade diejenigen, die diesen Ideologien nachlaufen, vergleichen die derzeitige Situation mit dem, was die Nazis im zweiten Weltkrieg all jenen angetan haben, die nicht in ihr Weltbild passten. Dieses unsägliche Leid wird für oberflächliches, populistisches Geschwafel missbraucht, bei jeder kleinen Unannehmlichkeit vergleicht man sich mit den Opfern der Shoa und banalisiert damit das, was damals geschah - gleichzeitig demonstriert man gegen Wissenschaft und Medizin, erwartet aber, dass das bereits jetzt völlig überlastete Gesundheitspersonal im Ernstfall für einen da ist. Ähnlich wie Staatsverweigerer und Reichsbürger sich zwar gegen den Staat auflehnen, aber gleichzeitig Sozialhilfe kassieren und staatliche Institutionen nutzen wollen, um ihre Interessen durchzusetzen. Solche Bewegungen resultieren aus einer Gesellschaft, in der die Verehrung von Göttern und Helden dem Hochhalten des eigenen Egos gewichen ist - in der jeder, der die Kunst der Selbstdarstellung beherrscht, mit nur wenigen Klicks zum Star werden kann. In einer Welt, in der jedem Schwachsinn Gehör geschenkt wird, sind jene, die ständig eingeimpft bekamen, besonders und individuell sein zu müssen, anfällig für die Bauchpinseleien jener, die sie in ihre Welt der Verschwörungsgläubigen hineinziehen. Darum kommt man solchen Leuten auch mit Fakten nicht bei - weil es ihnen eigentlich gar nicht um das Thema an sich geht, sondern um den Schutz ihrer eigenen Selbstwahrnehmung.

Der Egoismus, der in unserer Gesellschaft schon seit langem um sich greift, bricht sich jetzt gerade Bahn: Wir haben über ein halbes Jahrhundert lang praktisch nur Aufschwung erlebt, mussten auf nichts verzichten und konnten uns ganz uns selbst und unserer persönlichen Entfaltung widmen - da ist es jetzt für viele natürlich ein Schock, sich plötzlich anderen zuliebe zurücknehmen zu müssen. Viele dieser Proteste basieren auf der Angst vor dem Verzicht und der Flucht vor der Realität - all diese Leute sprechen sehr oft von Rechten, aber nie von Pflichten. Und ich wette, da sind, wenn überhaupt, nur wenige dabei, die je für gerechtere Löhne, höhere Renten oder gegen Kinderarmut aufgestanden sind - die eigene Komfortzone verlässt man nur noch, wenn man gefordert ist, sich selbst ein wenig zurückzunehmen. Man erkennt es auch daran, dass viele die Impfstraßen nicht deshalb stürmen, um andere zu schützen, sondern um ihre kostbare Freiheit wiederzuerlangen. Manche haben das schon im Sommer so gehalten, als man sich impfen ließ, um auf Urlaub fahren zu können. Das ist auch der Grund, warum der Ruf nach mehr Bildung und Aufklärung ein wenig zu kurz greift - die meisten dieser Leute treffen ihre Entscheidungen durchaus sehr bewusst. Das Problem ist, dass sich dadurch immer mehr die Prioritäten verschieben - sie haben kein Problem (mehr) damit, Teil der rechtsradikalen Propaganda-Maschinerie zu werden. Dies bedeutet, dass uns die Gefahr rechtsextremer Ideologien auch nach der Pandemie noch beschäftigen wird. Auch die Leute, die 1933 Hitler wählten, waren nicht alle Nazis, fanden aber einige seiner Ziele ganz offensichtlich so attraktiv, dass der von ihm geschürte Hass nur noch Nebensache war.

Und klar - mir ist bewusst, dass man auch die Unentschlossenen noch erreichen muss. Aber langsam sind wir an dem Punkt, an dem die Fraktion, die im Vorjahr noch den Diskurs gesucht hat, in der Auflösung begriffen ist. Was mit Sicherheit auch daran liegt, dass man die Sachverhalte schon zu oft erklärt hat - und, wie Dr. Christian Drosten es formuliert hat, keine Lust hat, wie ein Papagei ständig dasselbe zu wiederholen. Denn auch wenn es für viele offenbar so klang - keiner hat je gesagt, dass die Impfung ein Zaubermittel ist. Sie schützt aber ziemlich effektiv vor einem schweren Verlauf - und im übrigen ist all das, was in einen Patienten hineingepumpt werden muss, sobald er auf der Intensivstation landet, deutlich ungesünder als der Impfstoff selbst.

Lustigerweise verweigert man zwar die Impfung, findet aber nichts dabei, Ivermectin zu schlucken, jenes Pferde-Entwurmungsmittel, dessen Einnahme FPÖ-Chef Herbert Kickl empfohlen hat. Und zwar in einer Menge, die für Pferde, nicht aber für Menschen gedacht ist. Und nicht nur, dass dieses Entwurmungsmittel aktuell ausverkauft ist - es liegen auch tatsächlich Leute, die das Zeug eingenommen haben, auf den Intensivstationen. Also nicht nur, dass man eine Impfung verweigert, dafür aber irgendwelchen Mist schluckt, nur weil einem das ein Giftzwerg gesagt hat, den man aus irgendeinem Grund toll findet - man blockiert durch seine Dummheit auch noch die immer knapper werdenden Intensivbetten. Und als sei das nicht schon absurd genug, wurden vor der Demo in Wien Gerüchte verbreitet von wegen, Helikopter würden Pfizer-Impfstoff versprühen und Beamte würden in den Gullys auf Demonstranten lauern, um diese beim Vorbeigehen in die Waden zu impfen.

Wie ihr also seht, ist die Welt anscheinend vollkommen übergeschnappt - so sehr, dass ich mir manchmal wünsche, weit weg auf einer einsamen Insel zu sein und von nichts mehr zu wissen. Und nachdem ich mir wieder mal eine Menge Frust von der Seele geschrieben habe, denke ich, dass ich mich nächstens wieder etwas vergnüglicheren Themen widmen werde. Bis dahin passt auf euch auf und bleibt gesund. Bis zum nächsten Mal!

vousvoyez

Freitag, 5. November 2021

Trump hat etwas in seiner Jobbeschreibung nicht verstanden - er ist Präsident der Vereinigten Staaten, nicht Gott

vongestern.com
Ich erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten Mal wegen Donald Trump ganz unvermutet einen Riesen-Shitstorm kassierte: In einer Horrorfilmgruppe auf Facebook wurde kurz nach Halloween 2016 die Frage gestellt, was denn nun aus den ganzen Horrorclowns geworden ist, die in diesem Jahr zu einem medialen Phänomen aufgestiegen waren. Da die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten gerade vorbei waren, schrieb ich in einem Kommentar, dass einer von ihnen jetzt US-Präsident sei. Ich erwartete keinen nennenswerten Applaus, es war eher eine spontane Äußerung, wie ich sie häufig mal tätige, auch im Leben außerhalb des Internets - was ich aber bestimmt nicht erwartet hatte, waren die zahlreichen bösen Smileys und die vielen wütenden Kommentare, die ich als Antwort bekam. Darin stand, dass ich zu viel fernsähe (ich hatte damals nicht mal einen Fernseher) und wie dumm ich doch sei und dass ich überhaupt nichts verstehen würde und wie ich den heiligen Onkel Donald nur kritisieren könnte so weiter und so fort. Natürlich war mir klar, dass Trump wohl auch seine Fans haben musste - immerhin war er gerade US-Präsident geworden -, aber dass es im deutschsprachigen Raum so viele gab, war mir damals noch nicht klar, und ich war vollkommen ratlos, was ich antworten sollte. Ich war damals noch nicht so gut mit den einzelnen Social-Media-Bubbles vertraut und wusste nicht, wie ich damit umgehen konnte. Heute weiß ich selbstverständlich mehr. Nun, die dicke Orange sind wir inzwischen los, auch wenn sie immer noch genug Fans hat, und die Blütezeit der Horrorclowns ist offensichtlich vorbei, selbst wenn es in der Zeit um Halloween immer noch vereinzelt Warnungen gibt.

Ich muss zugeben - ich habe Clowns schon als Kind nicht gemocht. Allerdings wusste ich damals nicht, dass ich mit dieser Abneigung nicht allein war - es schien irgendwie Gesetz zu sein, dass alle Kinder Clowns mögen. So war die zentrale Figur im Kinderprogramm des ORF von den späten 1960ern bis hinein in die 1990er ebenfalls ein Clown - und tatsächlich hat Habakuk alias Arminio Rothstein das österreichische Kinderfernsehen geprägt wie kaum ein anderer, so sehr, dass sein Einfluss auch heute noch erkennbar ist. Doch trotz seiner enormen kreativen Kraft sind nicht alle seiner selbst kreierten Puppen in positiver Erinnerung - zum Teil wohl auch, weil sie immer irgendwie versifft aussahen, wie diese alten Teddybären in den Spielzeugmuseen, und weil sie mit ihrem dauerlustigen Gehabe einen so scharfen Kontrast zu dem traurigen Clown bildeten. Und tatsächlich war es wohl diese Traurigkeit, die Kinder zweier Generationen nachhaltig verstört hat - Michael Mittermeier, der als Bayer ja auch mit österreichischem Fernsehen vertraut ist, sagte einmal, dass es nur den Österreichern einfallen konnte, im Kinderfernsehen einen depressiven Clown zu zeigen. Und auch privat scheint Rothstein, der seine künstlerische Begabung entdeckte, als er sich als Sohn eines Juden im Keller vor den Nazis versteckte, und dessen extreme Wutanfälle berüchtigt waren, eine zutiefst tragische Figur gewesen zu sein, aber das war in seiner Generation verständlicherweise keine Seltenheit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die künstlerisch innovativen Werke des frühen Kinderfernsehens nicht immer so kindgerecht waren, bisweilen stimmt das sogar wirklich - so wurde Rothsteins Adaption von Teja Aichers Zwerg Bumsti 1982 eingestellt, weil die Darstellung der Ehe zwischen einem Alkoholiker-Zwerg und einer Maus bereits für damalige Verhältnisse als zu frauenfeindlich galt. Einen auffälligen Kontrast zu dem immer etwas düster wirkenden Clown Habakuk bildete der noch lange nach Rothsteins Tod in der Kindersendung Am Dam Des auftretende, von Heinz Zuber dargestellte Clown Enrico, der mit seinem Blümchenhut, dem schwarz-grün karierten Mantel und dem italienischen Akzent weitaus freundlicher wirkte. Tatsächlich habe ich ich vor ihm nicht gefürchtet - allerdings fand ich ihn mit seiner überdrehten Art eher nervig.

Eine weitere Clownsfigur, die mir in meiner Kindheit öfter begegnete, ist der Pierrot bzw. sein weibliches Pendant, die Pierrette, die in den 1980er Jahren aus irgendeinem Grund etliche Poster in Mädchenzimmern, aber auch Kleidung und andere Alltagsgegenstände zierte - deswegen habe ich ein solches Poster als Artikelbild gewählt. Ich erinnere da etwa an den Film La Boum - in der Szene, in der Protagonistin Vic auf ihre erste Party geht, trägt Sheila O'Connor, die ihre beste Freundin Pénélope verkörpert, ein Sweatshirt mit Pierrette-Motiv. Warum diese Figur ausgerechnet damals so beliebt war, konnte ich nicht herausfinden - dass Pierrot damals schon längst Eingang in die Popkultur gefunden hatte, wird aber beispielsweise in dem Video zu David Bowies Song Ashes To Ashes ersichtlich. Die melancholisch-poetische Figur des Pierrot etablierte sich zur Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert und fusionierte Einflüsse der Commedia dell'Arte mit denen des französischen Jahrmarkt-Theaters - der erste Pierrot-Darsteller war der böhmisch-französische Pantomime Jean-Baptiste Gaspard Debureau. Bis in die Gegenwart hinein tauchte die Figur immer wieder auf, etwa als Porzellanfigur in den Kaufhäusern der 1920er Jahre, wo erstmals auch die Pierrette zu sehen war, oder auf den Gemälden von Künstlern wie Henri Toulouse-Lautrec oder Pablo Picasso. Sie inspirierte das moderne Körpertheater eines Étienne Decroux und Marcel Marceau, die Kostüme von Balletts wie Igor Strawinskis Petruschka und Jean Cocteaus Parades, aber auch die von Madonnas Girlie-Show-Welttournee viele Jahre später. Vor allem aber diente diese Figur den Frauen der Moderne, die sich mehr und mehr die Selbstbestimmung erkämpften, als modische Inspiration. So verkleidete sich die Schriftstellerin Fanny zu Reventlow, die bereits in jungen Jahren gegen ihr adeliges Elternhaus rebellierte, als Pierrot, um in der Münchner Künstlerszene wilde Partys zu feiern - sie diente vielen Schriftstellern als Muse, darunter Heinrich und Thomas Mann, Rainer Maria Rilke sowie Frank Wedekind, der ihr in seinem Theaterstück Erdgeist mit der Figur der Lulu ein Denkmal setzte. Diese stand wiederum Pate für viele andere literarische und filmische Figuren, etwa Nabokows Lolita, die von Marlene Dietrich gespielte Lola Lola in Der blaue Engel sowie Gelsomina in Fellinis La Strada.

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich erfahren, dass es für die Angst vor Clowns sogar einen Fachbegriff gibt, wie für alles im Leben: Coulrophobie. Warum manche von uns unter einer solchen leiden, ist einfach erklärt - Clowns verhalten sich außerhalb der üblichen gesellschaftlichen Norm, was in vielen Menschen Unsicherheit hervorruft. Hinzu kommt, dass durch die Schminke, vor allem durch das aufgemalte Lächeln, die Mimik verzerrt wird, was für viele von uns mit Unbehagen verknüpft ist, da wir Menschen genetisch darauf geeicht sind, Gesichter zu lesen. Es ist ja kein Zufall, dass die Killer bekannter Slasher-Filme wie Halloween oder Freitag der 13. meistens Masken tragen, oder, wie Freddy Kruger in Nightmare on Elm Street, verzerrte Gesichter haben. Bei Kindern ist es wohl die Kombination aus Vertrautem und Ungewohntem, die Abneigung hervorruft.

Generell ist ein Clown ja eigentlich zur Belustigung da - trotzdem hat sich in der Popkultur das Bild es bösen Clowns bzw. Horrorclowns etabliert, der die liebenswerten Eigenschaften des klassischen Spaßmachers konterkariert. Der Schweizer Autor Richard Weihe, der hauptsächlich für seine biographischen Werke über Künstler bekannt wurde, bezeichnete ihn als "Schwarzclown" - in Anlehnung an das klassische Artisten-Duo des seriösen, intellektuellen Weißclowns und des sympathischen, tölpelhaften Rotclowns ("dummer August"). Den meisten professionellen Clowns ist er jedoch eher ein Ärgernis, da sie ihn als Gefahr für das Ansehen ihres Berufsstandes betrachten - und das, obwohl böse Clowns keineswegs eine Erfindung der neueren Geschichte sind. Tatsächlich hat das Erscheinungsbild des Clowns Ähnlichkeit mit den Darstellungen von Dämonen und anderen höllischen Kreaturen. Als Vorläufer der heutigen bösen Clowns kann etwa der Harlekin betrachtet werden, einer derben Spaßmacherfigur, die mit der Commedia dell'Arte in Verbindung gebracht wird, die aber bereits im 11. Jahrhundert erwähnt wurde. Auch den Hofnarren des Mittelalters und der frühen Neuzeit wurde eine Nähe zum Teufel nachgesagt, da sie innerhalb der Gesellschaft eine Sonderstellung einnahmen, beispielsweise als einzige Kritik an herrschenden Verhältnissen üben durften, und daher oft ein zwielichtiges Image hatten. Häufig waren sie nicht einfach Menschen mit komischem Talent, sondern hatten eine Behinderung, waren kleinwüchsig oder psychisch auffällig, also Menschen, die zur damaligen Zeit gesellschaftlich geächtet waren. Ein weiteres Beispiel ist der Pulcinella, eine Figur aus dem süditalienischen und neapolitanischen Volkstheater, die ebenfalls Eingang in die Commedia dell'Arte fand - eine bucklige Gestalt, meist mit langer Nase, später war ihr Erkennungszeichen ein weites, weißes Gewand, eine schwarze Halbmaske und ein spitzer Hut. Er verbreitete Klatsch und Tratsch und hatte allgemein keinen besonders guten Ruf in der Gesellschaft. In der Literatur finden sich Motive des bösen Clowns etwa in Edgar Allen Poes Erzählung Hop-Frog von 1849 und in Catulle Mendès' Theaterstück La femme de Tabarin von 1887. Ruggero Leoncavallos Oper Pagliacci (dt. Bajazzo) von 1892 weist große Ähnlichkeit zu Mendes' Stück auf; die Figur des Canio, der am Ende seine Frau und deren Geliebten mit dem Dolch ermordet, weckt Assoziationen zu den modernen Killerclowns.

Einer der ersten bösen Clowns in der Popkultur ist zweifellos der Joker aus der Batman-Reihe mit seiner weißen Haut, den grünen Haaren und den grinsenden roten Lippen, der meistens als sadistischer Psychopath dargestellt wird, auch wenn er zwischen den 1940er und den 1970er Jahren eher als weitgehend harmloser, infantiler Spaßmacher etabliert war. Auch Michael Myers im Film Halloween von 1978 trägt, als er im Kindesalter seinen ersten Mord begeht, ein Clownskostüm, und in Tobe Hoppers Poltergeist  von 1982 wird einer der Protagonisten beinahe von einer von einem Dämon besessenen Clownspuppe erwürgt. Und auch in der Popmusik kommen böse Clowns vor: In ihrem Song Alptraum droht Nina Hagen der angesprochenen Person damit, ihr in Gestalt eines Clowns zu erscheinen und sie zu misshandeln, der Perkussionist der Metal-Band Slipknot trägt eine Clownsmaske und das Rap-Duo Insane Clown Posse tritt gleich als böse Clowns geschminkt auf. Der bekannteste Horrorclown ist aber wohl Pennywise aus Stephen Kings Roman Es, 1990 von Tim Curry und in der Neuverfilmung 2017 von Bill Skarsgård dargestellt. Ich erinnere mich daran, wie wir diesen Film einen ganzen Sommerurlaub lang diskutierten, ohne dass ich ihn je gesehen hätte - als ich ihn dann schließlich doch zu Gesicht bekam, war ich heftig enttäuscht: Ich hatte ihn mir viel gruseliger vorgestellt! Tatsächlich fand ich John Carroll Lynch als Twisty, der Clown aus der vierten (2014) und siebten (2016) Staffel der Fernsehserie American Horror Story weitaus angsteinflößender - so sehr, dass ich mir die Folge nicht zu Ende anschauen konnte, obwohl ich schon Filme ausgehalten hatte, die weitaus schlimmer waren. Was zeigt, wie individuell die Schmerzgrenze bei Horrorfilmen ist. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch Stephen Ciodos völlig bekloppte Science-Fiction-Horror-Komödie Killer Klowns from Outer Space aus dem Jahre 1988, in der bösartige Killerclown-Aliens über eine Kleinstadt herfallen, die Doctor-Who-Folgen mit den Robot Clowns aus den Jahren 1988/89 und die völlig abgedrehte Kunst von R. K. Sloane, in der auch immer wieder alle möglichen gruseligen Clownsfiguren zu sehen sind.

Aber böse Clowns begegnen uns nicht nur in künstlerischen Werken, sondern auch in den von mir schon häufig erzählten Wandersagen. So kursierte im Jahre 1981 die Geschichte, dass in Brookline, Massachusetts als Clowns verkleidete Männer versucht hätten, Kinder in ihren Van zu locken, woraufhin sich im Mittleren Westen und Nordosten der USA die Angst vor "Phantom Clowns", wie sie genannt wurden, verbreitete. 1985 wurde dasselbe in Phoenix, Arizona erzählt, 1991 wanderte die Geschichte nach West Orange, New Jersey, vier Jahre später tauchte sie sogar in Honduras auf und 2008 in Chicago, Illinois. Die zeitliche Einordnung legt nahe, dass sich hier die Geschichten über böse Clowns mit der Satanic Panic, über die ich ja schon berichtet habe, vermischten - Beweise für böse Clowns, die Kinder entführen, gibt es bis heute nicht. Dafür gibt es das schon erwähnte Horrorclown-Phänomen - reale Sichtungen von Personen, die als gruselige Clowns herumspazieren, um andere zu erschrecken. Dieses existiert im Großen und Ganzen bereits seit den 1980er Jahren - ursprünglich waren es jedoch nur Einzelfälle. Die meisten Sichtungen gibt es in den USA, das Phänomen tritt jedoch auch in Kanada, Großbritannien, Frankreich und selbst in Deutschland, Österreich und der Schweiz immer wieder, besonders um Halloween, auf. Im Jahr 2013 erregte ein Student aus Großbritannien mediale Aufmerksamkeit, als er sich an verschiedenen Orten in Northampton als böser Clown verkleidet zeigte. 2014 tauchten in Frankreich vermehrt gruselige Clowns in der Öffentlichkeit auf, die unechte, aber auch echte Waffen mit sich führten - manche von ihnen wurden auch gewalttätig. 2016, nachdem eine Person mit Clownsmaske in Greenville, South Carolina aufgetaucht war, kam es vor allem in den USA zu den meisten angeblichen oder tatsächlichen Sichtungen von Horrorclowns - dies ging so weit, dass Hunderte Studenten von der Pennsylvania State University im Oktober dieses Jahres auf Clownsjagd gingen, allerdings ohne Erfolg. Mitte Oktober wurde ein Jugendlicher in Schweden von einer Person mit Clownsmaske niedergestochen, und auch in Deutschland häuften sich die Angriffe von als Horrorclowns verkleideten Tätern, was eine umfangreiche mediale Berichterstattung zur Folge hatte - insgesamt sind 415 Fälle registriert. Seit damals gibt es vor allem um Halloween immer wieder mal Leute, die behaupten, Horrorclowns gesehen zu haben - bei den meisten im Netz kursierenden Sichtungen handelt es sich aber wohl um Falschmeldungen.

Reale Killerclowns sind im Vergleich zu all den Geschichten und Legenden natürlich nicht so verbreitet, aber es gibt durchaus Mordfälle, die mit Clowns in Zusammenhang stehen. So wurde im Mai 1990 eine Frau namens Marlene Warren in Wellington, Florida vor ihrer Haustür von einem Clown ins Gesicht geschossen. Der Mord konnte erst 27 Jahre später aufgeklärt werden - bei der Täterin soll es sich um die Geliebte von Warrens Ehemann gehandelt haben. Der bekannteste "Killerclown" ist aber wohl John Wayne Gacy, ein Serienmörder aus Chicago, der in den 1970er Jahren insgesamt 33 Jungen und junge Männer tötete, nachdem er sie gefoltert und vergewaltigt hatte. Ansonsten trat er häufig als Pogo der Clown in einem selbst genähten Kostüm auf Straßenfesten auf, um Kinder zu unterhalten - einer jener netten Familienväter, denen man so etwas niemals zugetraut hätte. Ende 1978 wurde er gefasst, nachdem bereits zuvor zwei überlebende Opfer gegen ihn ausgesagt hatten, und gestand die Taten - 1994 wurde er im Stateville Correctional Center in Illinois mittels Injektion hingerichtet.

Alles in allem kann man wohl sagen, dass Clowns nicht immer unbedingt die sympathischsten Wesen sind - auch wenn die bösen Clowns, soweit ich es sehe, in der Minderheit sind. Die meisten sind tatsächlich freundliche Menschen, die einfach nur Kinder zum Lachen bringen wollen, und manche von ihnen leisten auch durchaus wertvolle Arbeit - etwa die Roten Nasen, die schwerkranken Menschen den Alltag für ein paar Stunden ein wenig schöner gestalten. Entsprechend möchte ich euch, ob Coulrophobiker oder nicht, darum bitten, nicht alle Clowns in einen Topf zu werfen. Und dass ihr auf euch aufpasst und nicht mit Fremden redet, die wie Horrorclowns aussehen. Stattdessen hoffe ich, dass ihr gut durch die neue Corona-Welle kommt und hoffe, dass wir uns bald wieder lesen. Bon voyage!

vousvoyez

Montag, 1. November 2021

Lieber Tuch vorm Mund als Zettel am Zeh

©vousvoyez
Kurz vor Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 konnten sich die meisten Länder dazu durchringen, anzuerkennen, dass einer Eindämmung der Pandemie unter anderem nur mit dem verpflichtenden Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beizukommen ist. Von da an sah man an öffentlichen Orten hauptsächlich verhüllte Gesichter - besonders die hellblauen OP-Masken, die allgegenwärtig waren, bis sie zu Beginn dieses Jahres von den effektiveren FFP2-Masken abgelöst wurden. Ich muss zugeben, für mich war die Vorstellung, mit so einem Fetzen vor dem Gesicht einkaufen gehen zu müssen, anfangs reichlich unangenehm - zumal es für einen Brillenträger mit eher kleinen Ohren noch zusätzliche Schwierigkeiten gibt. Aber man gewöhnt sich bekanntlich an alles.

Und das ist halt eine jener Gegebenheiten, die vor allem von "Querdenkern" sowie ihren Fans und Gläubigern eher selten zugelassen werden: Auch für Leute, die Covid-19 ernst nehmen und nicht alles, was ihnen nicht passt, für eine Verschwörung halten, sind die Maßnahmen unangenehm - wir würden auch lieber ohne Maske einkaufen gehen und uns in ein Café setzen, ohne ständig irgendwelche Nachweise vorzeigen zu müssen. Aber auch wir, die wir uns auf der "guten" Seite sehen, machen es uns auch oft viel zu einfach - diejenigen, die sich als Maßnahmen-Kritiker sehen, sind nicht alle dumm oder ungebildet oder gar beides. Wir sehen doch, dass sich unter ihren Rädelsführern auch einige studierte Köpfe befinden - Professor Bhakdi ist medizinischer Mikrobiologe, Dr. Schiffmann hatte bis vor kurzem eine durchaus angesehene Schwindelambulanz (welch Ironie), Dr, Füllmich (warum ist der Name so passend?) ist Rechtsanwalt, Gunnar Kaiser ist Lehrer, um nur ein paar von ihnen zu nennen. Und gerade der von mir sehr geschätzte YouTube-Kanal Ascendancer, der von einem ehemaligen Verschwörungsgläubigen geführt wird, zeigt, dass keiner von uns davor gefeit ist, auch mal das Falsche zu glauben und sich möglicherweise darin zu verrennen. Es ist in diesem Fall genauso, wie ich es in meinem vorletzten Artikel bei der "Querdenker"-Bubble selbst kritisiert habe - man kann Leute nicht überzeugen, indem man sie zuallererst einmal für dumm erklärt.

Auf der anderen Seite kann man natürlich, bei allem Verständnis für die Sorgen der anderen, auch nicht auf jede noch so seltsame Abstrusität Rücksicht nehmen. Man kann nicht die Maskenpflicht anprangern, nur weil ein paar Leute ein paar Fusseln da drin für Morgellons halten, und man kann Leuten, die sich impfen lassen wollen, nicht bitten, noch ein bisschen zu warten, weil irgendwelche anderen sich einbilden, dass diese Ungeimpfte "anstecken". Und das ist es, was die Angelegenheit so kompliziert macht. Denn eines dürfen wir nicht vergessen: Wir sind eine Gesellschaft, die bereits sehr lange Zeit verhältnismäßig viele Freiheiten genossen hat. Und egal für wie sinnig oder unsinnig wir die Maßnahmen auch halten - Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Versammlungsverbote, die 3G- und 2G-Regel, all das sind durchaus extreme und sehr einschneidende Handlungsschritte. Und egal auf welcher Seite man jetzt steht - das lässt doch niemanden unberührt, und das kann man auch kurz mal anerkennen, ohne zu bewerten. Und mit der aktuellen Tendenz, diejenigen aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen, die nicht geimpft sind und auch keine Infektion überstanden haben, fühlen sich Impfskeptiker in ihrer Meinung bestätigt, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden - ja, ich weiß, dass sie das sofort ändern können, aber lassen wir diesen Gedanken mal trotzdem für eine Sekunde zu. Die Tatsache, dass der Impfstoff so schnell verfügbar war, trägt da auch ein wenig dazu bei - denn klar, das ist weder ein "experimenteller" Impfstoff, noch gibt es bei Impfungen "Langzeitfolgen" in dem Sinne, dass ein Jahr später ganz plötzlich ein Impfschaden auftritt, aber man kann trotzdem erst mal anerkennen, dass das Tempo, in dem die Impfung getestet und zugelassen wurde, den einen oder anderen erst mal verunsichert. Einige von euch sind jetzt möglicherweise total überrascht, aber ich war keineswegs sofort total geil auf die Impfung, sobald ich wusste, dass diese verfügbar ist. Und was die Entwicklungen der letzten Zeit abseits der Pandemie betrifft - ich würde es ziemlich merkwürdig finden, würden Leute das nicht beunruhigend finden. Generell ist halt das Problem, dass wir keine Chance hatten, uns auf all das einzustellen - das wäre sowieso nicht gegangen, aber Flexibilität ist für tendenziell eher durchregulierte Gesellschaften wie die unsere halt eine große Herausforderung, der manche nicht gewachsen sind.

Aber gerade deswegen sollten manche von uns vielleicht auch mal aufhören, ständig so zu tun, als gäbe es nichts zwischen Schwarz und Weiß. Jeder, der mich kennt, weiß, wie sehr ich die ÖVP und die Politik von Kurz schon kritisiert habe - und das bereits lange vor der Pandemie. Deswegen finde ich es auch etwas befremdlich, dass ich selbst Leuten, die mich schon länger persönlich kennen, tatsächlich erklären musste, dass ich mich nicht deshalb an die Maßnahmen halte, weil der Herr Kurz mein Messias ist, sondern weil ich es für richtig befinde, mich an sie zu halten. Und das tue ich  nicht, weil ich nicht selbst denken kann und einfach nur den anderen alles nachmache, sondern weil ich mich über die Gefahren der Pandemie informiert habe, so gut es eben ging. Und falls es jemand noch nicht mitgekriegt habe: Ich kassiere für diesen Blog hier keinen Cent. Ich habe damit angefangen, weil ich gerne schreibe und weil ich nicht wollte, dass das, was ich zu sagen habe, in irgendeiner Schublade versauert. Und ich mache weiter, weil ich ein paar Leuten damit Freude bereite. So einfach kann es manchmal sein. Im übrigen bin ich auch tatsächlich nicht der Meinung, dass alles, was im Zuge der Pandemie passiert ist und noch passiert, gut und richtig ist. Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass es eigentlich nur darum zu gehen scheint, den Reichsten möglichst nicht weh zu tun. Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass man uns im letzten Jahr über Monate hinweg in einem frustrierenden Halb-Lockdown ohne eine Möglichkeit auf Freizeit- und kulturelle Aktivitäten gehalten hat. Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass man Selbstständigen, Leuten aus der Veranstaltungsbranche, der Kulturbranche sowie dem Einzelhandel mehr oder weniger ein Berufsverbot erteilt hat. Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass man Schüler und Studenten in dieser Zeit quasi isoliert und schikaniert hat. Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass aktuell gegen all die Leute, die durch die Pandemie unverschuldet ihren Job verloren haben, Stimmung gemacht wird, um ihnen so wenig Unterstützung wie möglich zukommen lassen zu müssen und dafür den Geiz von Unternehmen zu fördern, die ihren Mitarbeitern keinen vernünftigen Lohn bezahlen wollen. Und natürlich bewertet man Situationen tendenziell eher aus seinen eigenen Erfahrungen heraus - wer ein enges Familienmitglied durch Covid-19 verloren hat, wird darüber vermutlich anders denken als jemand, dessen pubertierendes Kind durch die Kontaktverbote depressiv geworden ist. Beides gehört zur Realität - und beides darf diskutiert werden. Und im übrigen kann man sich auch durchaus einmal irren - es kann passieren, dass man auch mal auf Falschmeldungen hereinfällt oder den falschen Leuten auf den Leim geht. Solche Sachen hat jeder schon erlebt, und wer immer nur das Richtige tut, entwickelt sich nie weiter.

Das Problem ist, dass solche Leute, die von einer "Plandemie" sprechen und Stimmung gegen die Impfung machen, Ungerechtigkeiten, die im Zuge dessen passiert sind, für ihre Zwecke ausnutzen. Sie suchen nach Schuldigen statt nach Lösungen, und verbessern nichts, sondern konstruieren nur neue Probleme; sie helfen niemandem, sondern versuchen, eine "Revolution" anzuzetteln, indem sie Leute aufhetzen. Und das, obwohl es doch ziemlich unwahrscheinlich ist, dass alle Länder dieser Welt, selbst die, die sich einen wirtschaftlichen Stillstand eigentlich gar nicht leisten können, sich selbst wegen eines harmlosen Schnupfens so viele Einschränkungen auferlegen. Als Teil einer Gesellschaft muss man halt manchmal damit zurechtkommen, dass nicht alles nur nach dem eigenen Kopf läuft - da hilft es auch nichts, sich in eine Phantasiewelt zu flüchten und alles zu leugnen, was einem nicht gefällt. Damit schadet man sich am Ende nur selbst. Vor allem aber hilft es nichts, auf die Bauchpinseleien jener hereinzufallen, die sich für "Rebellen" halten und sich selbst und ihre Anhänger auf ein Podest heben - du bist etwas Besonderes, du hast es erkannt, du bist kritisch, du gehörst zu einem illustren Kreis, du bist anders als alle anderen; alle anderen hinterfragen nicht, alle anderen sind Schlafschafe, alle anderen sind Mitläufer, alle anderen sind die Dummen. Und da muss ich euch leider enttäuschen: Auch alle anderen laufen nicht einfach blöd mit der Masse mit, selbst wenn sie Entscheidungen treffen, die möglicherweise mit denen der Mehrheit übereinstimmen. Ich persönlich habe auch nicht einfach so akzeptiert, dass wir eine Pandemie haben, ohne vorher Informationen einzuholen. Dieses ewige Hofieren, dass man selbst etwas Besonderes sei, während alle anderen nur unkritische Mitläufer sind, finde ich ehrlich gesagt sowohl frech als auch dumm - irgendwie erinnert es mich an das Gewäsch, auf das vor allem Pubertierende anspringen und das man heute manchmal auf Sharepics noch anfinden kann: Alle anderen sind so oberflächlich, alle anderen sind Mainstream, alle anderen machen sich keine Gedanken über Gott und die Welt. Und selbstverständlich ist man selbst nie alle anderen, man ist immer etwas Besonderes und bewegt sich abseits des Mainstreams. Und genauso unreif ist es, seine Entscheidungen nur davon abhängig zu machen, dass man ja nicht mit dem Strom schwimmt und dass die anderen einen für etwas Besonderes halten. Wer kennt nicht diesen typischen Eltern-Spruch: "Wenn die anderen aus dem Fenster springen, springst du dann auch?" Ein Satz, der ja an sich nicht verkehrt ist - aber wenn die anderen nicht aus dem Fenster springen, springst du dann trotzdem, aus lauter Angst, dass dich sonst jemand für dem Mainstream gefällig halten könnte? Oder wie der österreichische Physiker Florian Aigner es in einem Tweet zum Ausdruck brachte: "Die 68er-Generation hat die Idee durchgesetzt, dass man nicht alles, was Experten und Politiker sagen, ohne nachzudenken glauben soll. Jetzt müssen wir bloß noch die Idee durchsetzen, dass man nicht alles, was Experten und Politiker sagen, ohne nachzudenken für falsch erklären sollte."

Die Grenze des Verständnisses ist allerdings überschritten, wenn es darum geht, Andersdenkende zu beleidigen oder gar zu Gewalt aufzurufen, oder aber bei rassistischen oder antisemitischen Kommentaren sowie Volksverhetzung. Verletzung der Menschenwürde hat nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun - und das muss zu jedem Zeitpunkt klar sein. Und ja, ich weiß und ich sage es noch einmal: Nicht alle, die sich der "Querdenker"-Bubble zugehörig sind, sind Nazis, aber es wird schon ganz schön viel von dieser Seite gebilligt, und vieles, was deren Rädelsführer so von sich geben, wird auch nicht hinterfragt, sondern ziemlich unreflektiert wiedergegeben. Das merkt man ja schon daran, dass sehr viele von ihnen sich mit den Opfern des Holocaust vergleichen, obwohl es dafür absolut keine Rechtfertigung gibt. Denn es ist ja doch ein eklatanter Unterschied, ob man sich freiwillig dafür entscheidet, sich nicht impfen zu lassen, und aufgrund dessen von gewissen Freizeitaktivitäten ausgeschlossen wird, oder ob man wegen seiner ethnischen Herkunft oder seiner Religion um sein Leben fürchten muss - ebenso, wie es ein Unterschied ist, ob man zweimal zum Arzt gehen soll oder in ein Konzentrationslager abtransportiert wurde. Ganz abgesehen davon, dass der Judenstern, der so gern von Anti-Maßnahmen-Demonstranten getragen wird, in diesem Fall eher die Funktion eines Faschingskostüms einnimmt als die eines Stigmas - denn diese Leute werden im Gegensatz zu marginalisierten Gruppen im Dritten Reich nicht dazu gezwungen, ihn zu tragen. Der Unterschied zum Faschingskostüm ist allerdings, dass man seine Verkleidung für echt hält und nebenbei auch noch ganz locker-flockig Millionen Menschen verhöhnt, die einem der grausamsten Massenmorde aller Zeiten zum Opfer gefallen sind. Das ist auch der Grund, warum hier jegliches Verständnis aufhören sollte. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung und seine eigenen Entscheidungen, aber keiner hat das Recht auf Verdrehung der Fakten und auf die Gefährdung anderer.

Letzteres gilt übrigens auch für den Drachenlord - das Thema wird ja nach wie vor noch heiß diskutiert, nicht zuletzt aufgrund eines Artikels von Sascha Lobo, der letzte Woche im Spiegel veröffentlicht wurde. Ich selbst kann dazu nur sagen - ich habe auch schon Mobbing erlebt, und ich kann sehr gut verstehen, dass es ungerecht erscheint, dass hier das Opfer bestraft wird und nicht die Täter. Meine erste Reaktion war ebenfalls der Gedanke, dass Mobbern, wie es halt so häufig der Fall ist, mit so einem Urteil suggeriert wird, dass ihr Verhalten okay ist - dass sie sogar geschützt werden, wenn das Opfer sich wehrt. Allerdings kann man dem Opfer deswegen auch keine Narrenfreiheit gewähren und alles ungestraft dulden, weil es sich ja nur gewehrt hat. Ich finde die juristische Analyse des Rechtsanwalts Chan-jo Jun in diesem Kontext sehr aufschlussreich. Auch der Fall Gil Ofarim scheint sich nicht eben zu seinen Gunsten auszuwirken - jedenfalls hat sich unter den anwesenden Zeugen keiner gefunden, der seine Geschichte bestätigte. Was natürlich höchst bedauerlich ist, da der Musiker, wie schon gesagt, hier sich und seiner Religionsgemeinschaft keinen Gefallen getan hat. Dennoch möchte ich euch darum bitten, euch jetzt nicht wieder von euren Emotionen leiten zu lassen - der Fall ist noch nicht abgeschlossen, und wie sich gezeigt hat, ist Empörung nicht immer die beste Idee.

Eigentlich wollte ich mich ja einen Artikel schreiben zu einem Thema, das ein bisschen zu Halloween passt - leider kam mir die Idee aber ein bisschen spät, deswegen müsst ihr euch noch etwas gedulden. Und überdies sollte man ja hierzulande eh nicht Halloween feiern, da das ja eh nur ein blöder Ami-Quatsch ist, nicht wahr? Nun, das stimmt  natürlich nicht - Halloween ist ein irischer Volksbrauch, der schon seinerseits in die USA importiert worden war. Natürlich verstehen die meisten Kinder, die sich heutzutage in Gruselgewänder hüllen und um Süßigkeiten betteln, diese Tradition nicht - zumal sie ja in unseren Breiten früher nicht üblich war. Aber hey - Weihnachten feiern wir schon weitaus länger, und trotzdem ist es heute im Prinzip nur eine endlose Geschenke-Orgie, das nervige Abspielen immer gleicher Lieder und das Versprechen einer heilen Welt, die es ohnehin nicht gibt, und keiner schert sich mehr um die ursprüngliche Bedeutung, also was soll's? Ich mache den Zirkus zwar nicht mit, aber das soll doch jeder für sich selbst entscheiden - und wenn die Leute Spaß haben, warum soll ich dann mit erhobenem Zeigefinger dastehen und moralisieren? Also hoffe ich, dass ihr euch gestern gut amüsiert habt - oder eben nicht. Ich persönlich habe mich eher geärgert, dass das einzige, was ich früher an diesem Tag mochte, nämlich das Zeigen guter Horrorfilme im Fernsehen, so gut wie nicht stattgefunden hat. Aber wenigstens ist man heutzutage nicht mehr auf das traditionelle Fernsehen angewiesen. Und so hoffe ich, dass ihr einen guten Start in den neuen Monat habt, egal ob traditionell oder nicht, und wünsche euch alles Gute bis zum nächsten Mal. Bon voyage!

vousvoyez