Donnerstag, 14. Dezember 2017

Kräht der Hahn am Mist, ändert sich's Wetter, oder es bleibt wie's ist!

Ja ja, das Wetter ist ein prima Thema, um ein Gespräch anzufangen. Mal ist es zu warm, mal ist es zu kalt, mal regnet es zu viel, mal zu wenig, mal wartet man auf den Schnee, mal geht er einem auf die Nerven. Was mich betrifft, ich bin kein großer Fan dieses beliebten Small-Talk-Themas. Viel lieber rede ich über Filme. Auch über Horrorfilme. Wobei ich subtile Thriller und unvergessliche Klassiker den plakativen Splatter-Filmen vorziehe. Der beste Horrorfilm aller Zeiten ist für mich nach wie vor Nosferatu - Symphonie des Grauens. Fast hundert Jahre alt, funktioniert der Film bis heute, und das ohne Ton und in Schwarz-Weiß. Was mich zu meinem heutigen Thema bringt. Ich habe diesen Artikel etwas umgeschrieben, da die erste Version ziemlich unausgegoren war. Im Wesentlichen geht es aber um dasselbe - um Logikfehler in Horrorfilmen. Inspiriert zu dieser Idee hat mich übrigens ein alter Artikel von Umberto Eco, bei dem es um Logikfehler in Westernfilmen ging. Und eine Diskussion in einer Horrorfilm-Gruppe bei Facebook, die ich mit Freunden fortgeführt habe. Das Ergebnis liegt in folgendem Artikel vor.

Was man von Horrorfilmen lernen kann

1. Prinzipiell gilt:
  • Komische Leute sind gefährlich
  • Kinder sind gefährlich
  • Videokassetten sind gefährlich
  • Autoreifen sind gefährlich
  • Hühner sind gefährlich
  • Das Internet ist gefährlich
  • Hölzerne Spielbretter sind gefährlich
  • Puppen sind gefährlich
  • SMS sind gefährlich
  • Anrufe sind gefährlich
  • schwarzhaarige Mädchen sind gefährlich
  • Masken, Pakete, Wälder, Autos, Erbsen...
... also gib dich niemals der Illusion hin "Mir kann ja gar nichts passieren" ...

2. Wenn dir jemand sagt: "Gehe niemals an diesen und jenen Ort", geh sofort hin! Besonders ratsam ist es, in verlassenen Häusern oder dunklen Wäldern herumzuirren. Am besten alleine - ansonsten könnte dich ja jemand retten. Wenn man zu zweit oder in Gruppen unterwegs ist, tendieren die anderen aber sowieso oft dazu, schwerhörig zu sein ("Habt ihr was gehört?" - "Nein, was denn?"). Wichtig ist es auch, mindestens einmal wegen einer Katze, einem Vogel oder irgend einem anderen harmlosen Kleintier zu erschrecken.

3. Autos starten immer erst nach mehreren Versuchen, und Telefonleitungen sind grundsätzlich tot - auch wenn man noch so viel drauf herumhämmert. Wenn ihr schon im Handy-Zeitalter angekommen seid, ist grundsätzlich kein Empfang oder der Akku ist leer.

4. Nimm immer irgendeine kleine Funzel mit, eine Mini-Taschenlampe oder eine Kerze. ACHTUNG: Kerze immer genau vors Gesicht halten, ansonsten siehst du zu viel! Solltest du dich in einem Haus befinden, ja nicht das Licht anmachen - eine Kerze oder Taschenlampe macht viel mehr Stimmung! Außerdem fallen die sowieso immer aus der Hand - und sind dann auch meist kaputt.

5. Wenn man
  • eine sexy Blondine
  • ein gut aussehender, aber hirnloser Athlet oder
  • Angehöriger einer ethnischen Minderheit ist,
stirbt man immer zuerst.

6. Wer Sex hast, stirbt meist zuerst! Außerdem wird man als Frau häufig angegriffen, wenn man kaum etwas anhat

7. Eine großartige Idee ist es auch, in ein Haus zu ziehen, in dem schon mehrere Leute auf mysteriöse Art verstorben sind. Im übrigen flieht man auch grundsätzlich nie aus dem Haus, sondern immer in die oberen Stockwerke oder in den Keller! Am besten in den Keller, denn dort gibt es grundsätzlich kaum oder kein Licht. Wenn dort übrigens seltsame Geräusche, kein Licht oder rotes Licht, plötzlich Wasser oder auf einmal Nebel ist, muss man sofort nachschauen! Sonst steht einem ein langweiliger Abend bevor. Wenn ihr euch verstecken wollt, dann am besten in Schränken. Das ist so originell, da sieht garantiert nie jemand nach. Eine super Idee ist es auch, eine Türklinke mit einem Stuhl zu blockieren - das hält selbst tonnenschwere Monster eine Zeitlang auf.

8. Wenn ihr draußen in der Natur seid - Flüsse enden immer in einem Wasserfall und Höhlen stürzen grundsätzlich ein, wenn man sie verlassen will!

9. Intelligent ist es, ganz laut Sachen wie "Hallo?" und "Ist da jemand?" zu rufen. Sollte man jemanden verfolgen, ist es besonders wichtig, "Bleib stehen!" zu schreien. Das gilt übrigens auch für Cartoons.

10. Wenn ihr seht, dass aus einem Badezimmer Wasser, Blut, Nebel etc. hervorsickert, müsst ihr die Tür sofort aufmachen! Blutspuren sollten immer mit Interesse verfolgt, Schleimspuren immer angefasst und zwischen den Fingern zerrieben werden.

11. Wenn ihr wegrennt, ist es ratsam
  • erst einmal stehen zu bleiben und ein erschrockenes Gesicht zu machen,
  • immer wieder stehen zu bleiben und euch umzudrehen, um zu sehen, ob der Killer auch nachkommt
  • alle paar Meter hinzufallen
  • vorher noch die Katze zu retten
12. Wenn ihr zu Fuß vor einem Auto davonlauft, müsst ihr immer schön mitten auf der Straße rennen und dürft nicht in unwegsames Gelände ausweichen!

13. Gruppen müssen sich grundsätzlich immer trennen; Monster in Gruppen greifen nie gleichzeitig an, sondern immer einer nach dem anderen, sonst sind alle verwirrt.

14. Monster bleiben immer gerne unter extrem schweren Gegenständen stehen, die nur mit einem Seil an der Decke befestigt sind.

15. Wenn ihr den Killer überwältigt, solltet ihr die Waffe immer neben ihm liegen lassen! Grundsätzlich sterben die nie beim ersten Anlauf, und so ist es eine gute Idee, ihm gleich eine Waffe frei Haus zu liefern!

16. Bevor der Killer zur Tat schreitet, erklärt er seinem Opfer gerne lang und breit, was er vorhat und warum.

17. Und schließlich und endlich: Wenn eine Frau umgebracht wird, muss sie immer so laut wie möglich schreien. Das hilft in dieser Situation ungemein.

So, ich hoffe, ihr habt was gelernt. Und um das Maß noch voll zu machen, will ich mit einem Zitat aus Joseph Conrads Herz der Finsternis schließen: "The Horror, the Horror!"

vousvoyez

Sonntag, 10. Dezember 2017

Die Soldaten entblößten sich mit ihren Schwertern

(c) vousvoyez
Das war wohl einer der besten Übersetzungsfehler, passiert bei einer Lateinschularbeit in meiner damaligen Klasse. Der eigentliche Satz hätte lauten sollen: "Die Soldaten zogen ihre Schwerter." Wörtlich "Die Soldaten entblößten ihre Schwerter". Also so weit hergeholt ist das gar nicht. Wobei böse Zungen auch behaupten könnten, dass Freud dabei wohl auch eine Rolle spielt; denn welche Gedanken treiben ein sechzehnjähriges Mädchen wohl um?

Wobei das ja von den Jungs ja oft noch getoppt wird. Und heute sind Mädchen sowieso generell früher dran. Natürlich gab es schon zu jeder Zeit frühreife Dreizehnjährige, die eine längere Liste an Verflossenen hatten als manch andere in ihrem ganzen Leben. Aber in letzter Zeit kommt es mir so vor, als hätte es sich gehäuft. Damals, als ich sechzehn war, hatte ein ein Jahr jüngerer Freund von mir seinen ersten Sex mit einer Dreizehnjährigen, die aussah wie mindestens siebzehn und am Strand gern ihre Brüste entblößte. Ein gefundenes Fressen für alle anderen Mütter - ihre eigene war bei jenem Urlaub gar nicht dabei -, die ihr Befremden über das jugendliche Busenwunder nur allzu lautstark kundtaten. Der einzige Kommentar meiner eigenen Mutter, die älter war als die meisten anderen, war, dass sie doch einen schönen Busen hätte. Und das stimmte auch - körperlich war sie nahezu absurd ausgereift. Es gab auch eine Menge Zickenkrieg zwischen ihr, mir und meinen Freundinnen. Heute verstehe ich mich ausgezeichnet mit ihr - irgendwann wird man halt doch erwachsen.

Obgleich ich es ehrlich gesagt befremdlich finde, dass Mädchen sich in einem Alter, in dem manche meines Jahrgangs noch mit Puppen gespielt haben, schon wie Erwachsene zu verhalten versuchen. Kindheit gibt es nur einmal - wenn sie vorbei ist, ist sie vorbei und kommt nie wieder. Und die gleichen Leute, die ihre achtjährigen Töchter in Miniröcken und ausgeschnittenen Oberteilen herumlaufen lassen, kriegen fast einen Anfall, wenn es darum geht, eine Dreijährige mit unbedeckter Brust im Schwimmbad herumlaufen zu lassen - aus Angst vor Pädophilen. Der erste Trend kommt von den Hollywood-Stars, den zweiten gab es vor zwanzig Jahren auch nur in den USA, als ein zehnjähriger Junge wegen sexueller Belästigung vor Gericht stand, obwohl er seiner Schwester nur beim Pipimachen geholfen hat.

Ich weiß, dass ich als Kinderlose nicht das Recht habe, Müttern vorzuschreiben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. Und ich weiß, dass man als Elternteil auch mit der Zeit gehen muss - aber man kann es auch übertreiben. Übertrieben ist für mich, wenn Sechsjährige in der Straßenbahn mit dem Smartphone spielen. Wenn Zehnjährige sich anziehen wie Pubertierende. Wenn Kinder ständig bespaßt werden müssen, weil sie sich nur ja nicht langweilen dürfen - und als Erwachsene können sie dann nicht mit Frustration umgehen. Wenn man seine Kinder möglichst in lückenlose Terminpläne zwängt - und dann die Beziehung darunter leidet. Wenn man Kinder nicht Kinder sein lässt, wie sie es eigentlich verdienen.

Erinnert euch doch an eure eigene Kindheit!

vousvoyez

Freitag, 1. Dezember 2017

Mein Großvater hatte zwei Gebisse: Eins für zu Hause und eins fürs Finanzamt

(c) vousvoyez
Zugegeben, er war nicht wirklich mein Großvater, sondern der zweite Ehemann meiner Großmutter mütterlicherseits. Mein leiblicher Großvater starb bereits im Alter von 26 Jahren im Zweiten Weltkrieg. Der Stiefvater meiner Mutter bekam zwei Pensionen; jedes Jahr ging er in seinem schäbigsten Anzug, mit einem löchrigen Hut und einem lockeren Gebiss zum Finanzamt, um zu beweisen, dass er auf die beiden Pensionen angewiesen war.

Da die Menschen immer älter werden, sind Zähne mitunter ein ernsthaftes Problem. Daran ist unter anderem aber auch schlechte Ernährung schuld. Was mich zum eigentlichen Thema bringt.

Wir leben ja in einer Zeit, in der Essen nicht allein der Ernährung dient, sondern zu einem Lifestyle geworden ist. Jeder kocht, und jeder ist Anhänger einer bestimmten Ernährungsweise, und jeder Zweite fotografiert sein Essen, um es in den Social Medias zu posten. Ich muss zugeben, ich habe noch nie meine Mahlzeiten auf Facebook gepostet. Vielleicht auch, weil mir bei weitem zu viel anderer Blödsinn einfällt. Und weil jeder Simpsons-Fan weiß, dass man mit Salat keine Freunde findet. Aber letztens feierten wir mit meiner Mutter deren Geburtstag in einem heimischen Restaurant, und ich beobachtete, wie am Nachbartisch zwei junge Herren, bevor sie das Essen auch nur anrührten, ihre vollen Teller eine Ewigkeit mit Spiegelreflex-Kameras fotografierten. Ich denke, als Food-Blogger läuft man Gefahr, zu verhungern, bevor man das richtige Foto gemacht hat.

Aber das Leben ist eben einfach nicht fair. So habe ich beispielsweise einen Arbeitskollegen, der zur Mittagsjause vier mit fettigen Aufstrichen belegte Weckerln verdrücken kann, dabei aber spindeldürr bleibt, während ich manchmal das Gefühl habe, dass ich ein Salatblatt nur anschauen muss, und schon nehme ich einen halben Kilo zu. Die Sache ist nur die: Wenn jemand dick ist, traut sich niemand, etwas über sein Gewicht zu sagen. Wenn jemand dünn ist, glauben alle, sie müssen ihren Senf dazugeben. Der beste Ratschlag ist ja, mehr zu essen. Aber helfen tut das niemandem. Wer trotz hoher Kalorienzufuhr nicht zunimmt, kann sowieso nichts machen. Und Magersüchtige können nicht einfach wieder zu essen anfangen, weil der Körper sich an das Hungern gewöhnt hat - und weil die Krankheit ja suggeriert, dass man zu dick ist, obwohl man nur noch ein Strich in der Landschaft ist. Und überdies finde ich auch, niemanden geht es etwas an, ob der andere zu dick oder zu dünn ist.

Andererseits weigere ich mich aber auch, auf der Trendwelle der Ernährungsreligion mitzuschwimmen. Zugegeben, ich versuche, wenig Fleisch und viel Gemüse zu essen. Aber das Wort "Flexitarier" klingt für mich eher wie irgendeine religiöse Sekte - so wie Frutarier. Ernährung als Lifestyle treibt die kuriosesten Blüten. So gibt es Menschen, die ihre Hunde und Katzen vegan ernähren und auch noch behaupten, das sei völlig natürlich. Und das, obwohl ich noch nie eine Wildkatze Blätter oder Früchte fressen gesehen habe - sie fressen nur Gras, um die Verdauung anzuregen und das, was sie nicht verdauen können, wie Haare oder Knochen, wieder herauszuwürgen. Wie ein erwachsener Mensch sich ernährt, ist seine Sache. Aber Fleisch fressende Tiere vegan zu ernähren, ist für mich Tierquälerei. Wer nicht damit fertig wird, dass ein Hund oder eine Katze Fleisch frisst, soll sich so ein Tier nicht anschaffen. Sich Tierfreund zu nennen und so etwas zu tun, ist nichts als Doppelmoral.

So, das war's dann wieder. Ich hoffe, dass ich bald wieder richtig in Stimmung bin, um eine weitere Bombe an Weisheit platzen lassen zu können.

vousvoyez

Sonntag, 19. November 2017

Waschen tun sich nur dreckige Leute

(c) vousvoyez
Dieser Satz stammt von meinem Vater und war eine Antwort auf die Bitte meiner Mutter, sich doch endlich duschen zu gehen. Neben einem Ausdruck von Faulheit war dies auch noch eine harsche Kritik an einem Übermaß an Hygiene. Wenn wir zu Zeiten der Pest mehr Hygiene betrieben hätten, dann hätte es die Pest nicht gegeben. Aber dem heutigen Übermaß an Hygiene verdanken wir unsere ganzen Allergien und Intoleranzen. Ich bin da schon beinahe nicht auf der Höhe der Zeit, denn ich habe weder das eine noch das andere - und das, obwohl ich jeden Tag dusche. Muss ich allerdings auch, denn bei meiner derzeitigen Tätigkeit bleibt man nicht sauber.

Ständig werden neue Waschmittel, Pflegeprodukte, Putzmittel angeboten. Da sie nicht mehr können, als sauber zu machen, muss man ihnen noch hunderttausend Eigenschaften andichten, damit sie sich doch noch von anderen Produkten unterscheiden. Schon in meiner Kindheit rühmten sich Waschmittel damit, "nicht nur sauber" zu waschen - was zum Teufel sollen sie denn tun, außer die Wäsche sauber zu machen, kruzifix? Und weil Pulver und Flüssigwaschmittel zu langweilig sind, werden dann auch noch irgendwelche Tabs oder Megapearls erfunden, um den Leuten weiszumachen, dass sie noch sauberer als sauber waschen - hey, das gibt es doch überhaupt nicht, ihr Vollpfosten!

Überhaupt hat die Werbung manchmal einen Hauch von Surrealismus. Eine Supermarktkette wirbt beispielsweise mit dem Attribut "Freunde". Ich soll also Leute, die ich nie gesehen habe, als meine Freunde anerkennen? Noch besser - die Konzerne wollen uns weismachen, unsere Familie zu sein. Um Mitglied zu werden, braucht man nur eine Plastikkarte oder ein Stück gefaltetes Papier, in das Rabattmarken eingeklebt werden. Da kommen dann noch so Sätze wie "Sammeln Sie Treuepunkte?" Nein, ich sammle keine Treuepunkte! Wieso auch? Das wäre eine Lüge, und das wissen sowohl der Kassier als auch ich - denn ich bin kein treuer Supermarktkunde. Wenn ich in einem Geschäft ein bestimmtes Produkt nicht finde, gehe ich in eines mit einem anderen Namen. Dafür bekomme ich für meine Nicht-Treue dann irgendwelches Geschirr oder ein hässliches Stofftier mit viel zu großem Kopf. So als ob ich mir nichts sehnlicher wünschen würde! Und dann soll man auch noch bei irgendwelchen Gewinnspielen mitmachen - bei denen in Wirklichkeit nicht der Mitspieler gewinnt, sondern diejenigen, die dir das Gewinnspiel andrehen. Es ist wohl kein Zufall, dass mein Vater das Ausgeben von Geld für einen Lottoschein als "Deppensteuer" bezeichnet hat.

Apropos Lotto: Mich nerven Lottospieler kolossal. Denn immer, wenn ich Zigaretten kaufen will (ja ich rauche, verurteilt mich doch!) und es eilig habe, steht in der Schlange vor mir einer von ihnen und drückt der Kassierin einen Stapel Lottoscheine in die Hand, die sie dann einzeln durch ein Gerät durchziehen muss. Und dann kauft er auch noch fünf verschiedene Lottoscheine, Rubbellose und Brieflose, nur um dann endlos im Münzfach seiner Geldtasche herumzukramen. Raaaaaaaaaaah!!!! Habe ich früher übrigens auch oft im Supermarkt erlebt: Steht man an der Kassa, vor dir nur eine einzige alte Dame, die mit ihren gichtigen Fingern die letzten paar Cents aus der Geldtasche puhlt: "Warten's, ich hab's genau!" Das stellt auch meine sprichwörtliche Geduld auf die Probe.

So, jetzt ist es raus. Ich hoffe, ich lenke jetzt nicht den Hass der Nichtraucher und Lottospieler auf mich. Wenn doch: Viel Spaß und bon voyage!

vousvoyez

Sonntag, 22. Oktober 2017

"Golden Eye" heißt auf Englisch "Golden Egg"

Interessant, dass man englische Phrasen noch einmal ins Englische übersetzen kann. Ich weiß nicht mehr, wer das in die Welt gesetzt hat, aber derjenige wollte wohl damit ausdrücken, dass die Engländer eine eigene Auffassung von Sprache haben: Zum Auge sagen sie Eye, zum Ei sagen sie Egg, zum Eck sagen sie Corner. Wer in der Schule Englisch gelernt hat, weiß, dass man gewisse Worte sofort zu verstehen glaubt, da sie ähnlich oder gar gleich klingen wie im Deutschen, sie heißen aber etwas ganz anderes. So wie tv programme für Fernsehsendung (Fernsehprogramm heißt tv guide), menu für Speisekarte (Menü heißt set meal) und become für werden (bekommen heißt get). Und wir ärgern uns, dass die bösen Engländer uns so viele Steine in den Weg gelegt haben, ohne darüber nachzudenken, wie seltsam die unsere Sprache mitunter finden. Ein Erasmusstudent aus London hat sich mal darüber beschwert, dass es für das Wort "Warum" im Deutschen so viele Synonyme gibt, während den Engländern why schon genügt.

Die Welt der Sprache ist im Großen und Ganzen ja äußerst spannend, auch wenn es ziemlich mühsam ist, wenn man sich mit Vokabeln, Grammatik und hunderttausend Ausnahmen herumschlagen muss. Mein Bruder kritisiert beispielsweise bei den meisten Sprachen deren Mangel an Logik. Vielleicht liegt das daran, dass Sprachen - sieht man jetzt mal von künstlich entstandenen wie Esperanto ab - nicht irgendwann einmal entstanden und dann so geblieben sind, sondern einem zeitlichen Wandel unterworfen sind. Auch heute wandelt sich die Sprache - besonders durch das, was wir als "digitale Revolution" bezeichnen, die Worte wie "googeln", "chatten", "twittern" und "tindern" hervorgebracht hat. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass man auf so rasante Art und Weise Zeuge des Sprachwandels wurde.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch so verquere Vereine wie den zur Reinerhaltung der deutschen Sprache nicht - die deutsche Sprache ist bereits dermaßen lange nicht mehr rein, dass sie ohne Fremd- und Lehnwörter nicht existieren könnte. Das Verschwinden von Dialekten und Minderheitensprachen ist ebenfalls höchst bedauerlich, jedoch auf Grund der anhaltenden Globalisierung wohl unvermeidlich. Die meisten afrikanischen Sprachen sind ja beispielsweise gar nicht mehr "rein", sondern haben sich mit den früheren Kolonialsprachen vermischt, die in den jeweiligen Ländern ja häufig Amtssprache sind. Übrigens habe ich neulich herausgefunden, dass Afrika insgesamt etwa über 2.000 Sprachen in sich vereint - das nur nebenbei bemerkt, auch für jene, die Afrika immer noch als einzelnen Staat und nicht als Kontinent mit ganzen 53 Staaten begreifen. Und das, obwohl Europa nur 47 Länder hat und im Vergleich zum "Schwarzen Kontinent" winzig ist.

Auch ich spreche den Dialekt meiner Heimatstadt kaum. Da im Rahmen meiner Erziehung die so genannte "Hochsprache" als "schön" und Dialekt als "schiach" (hässlich) begriffen wurde, wurde ich meine ganze Kindheit und Jugend hindurch dazu angehalten, Erstere zu sprechen. Allerdings nicht zu "deutsch" - denn wir sind immer noch Österreicher, und die Deutschen nachmachen müssen wir nicht. Wenn mein Vater meine Aufsätze las, regte er sich manchmal darüber auf, dass ich zu viele "deutsche" Begriffe verwendete. Das war jedoch unumgänglich, denn ich las nicht nur österreichische Bücher, sondern auch Bücher aus Deutschland und solche, die in Deutschland übersetzt worden waren. Und selbst die österreichischen Bücher werden nach deutschem Standard korrekturgelesen, nicht nach österreichischem - seltene Ausnahmen sind in der Kinderliteratur beispielsweise Christine Nöstlinger und in der Erwachsenenliteratur Thomas Bernhard. Bei diesen ist das österreichische Deutsch als Stilmittel akzeptiert.

Diese Einstellung, den Deutschen nicht alles nachmachen zu müssen, bezog sich übrigens nicht nur auf die Sprache. Ich erinnere mich beispielsweise, wie die meisten anderen auch, noch lebhaft an meinen ersten Schultag. Ich besuchte eine private katholische Volksschule, in die damals nur Mädchen aufgenommen wurden - trotz heftiger Gegenwehr, denn eigentlich wollte ich das überhaupt nicht. Dementsprechend begriff ich die Schule wohl bereits früher als die meisten anderen als eine Verschlechterung meiner Lebensbedingungen von der freien, unbeschwerten Kindergartenzeit, in der das Geschlecht noch völlig egal war, hin zu einer geordneten und eingeschränkten Schulzeit. Am ersten Tag war ich die einzige, die weder einen Rock noch ein Kleid anhatte - ich trug eine Hose, wie immer, wenn es mir gelang, nicht in ein Kleid gezwungen zu werden. Ein Umstand, der mir hinterher auch - mit lächelndem Gesicht - lange vorgeworfen wurde. Vor allem aber beneidete ich die anderen um ihre riesigen Schultüten - ich bekam nämlich keine. Die Schultüte war ein Brauch aus Nachkriegs-Deutschland, und meine Eltern waren der Meinung, wer seinem Kind eine Schultüte kaufte, würde "die Deutschen nachmachen". Mir war das ehrlich gesagt herzlich egal - ich sah nur, dass alle etwas bekamen, nur ich nicht. Meine Geschwister haben übrigens dasselbe erlebt. Zwei von ihnen haben heute auch Schulkinder - und auch bei ihnen war die Schultüte obligatorisch.

So, jetzt habe ich euch auch noch mit meinem einschneidenden Kindheitstrauma belästigt. Und dabei gibt es noch so viel über Sprache zu wissen - beispielsweise, dass fast alle Sprachen vom westlichsten Zipfel Europas bis hinüber nach Indien vermutlich die gleichen Wurzeln haben - nämlich das Indogermanische. Und dass die deutsche Sprache, wie wir sie heute kennen, aus einer vielfältigen Mischung von Dialekten entstanden ist. Allerdings würde das wohl auch wieder einmal den Rahmen sprengen. Und übrigens auch meine Möglichkeiten. Weiterführende Literatur gibt es ja zu Hauf! Im Großen und Ganzen ist es in einer globalisierten Welt auch nicht verkehrt, nicht nur eine einzige Sprache zu beherrschen. Denn die Welt ist groß, und ein Menschenleben reicht nicht aus, um sie in ihrer Gänze zu begreifen. In diesem Sinne, bon voyage! Arrivederci! Ciao Ciao! Goodbye! Adieu! Adios Amigos! Sayonara!

vousvoyez

Freitag, 22. September 2017

Ein Steinbock fliegt nicht herum

(c) vousvoyez
Eigentlich wollte ich diese Weisheit ja zum Anlass nehmen, um generell über den Sinn und Unsinn astrologischer Voraussagen zu reflektieren. Jetzt habe ich aber gerade erfahren, dass am 23. September 2017, also morgen, die Welt untergeht. Andere sprechen zwar erst vom 5. Oktober, aber da ich den genauen Termin nicht in Erfahrung bringen konnte, schreibe ich halt schon mal jetzt, um Nägel mit Köpfen zu machen. Und um ein fulminantes Kopfkino einzuleiten.

Laut der Liste der Weltuntergangsprophezeiungen hätte ich eigentlich gar nicht erst geboren werden sollen. Und auch sonst niemand, der heute auf dieser Welt lebt - also auch ihr nicht, meine verehrten gegenderten LeserInnen. Wenn Bhagwan, der Begründer des Neo-Sannyas, Recht gehabt hätte, dann hätte ich die Apokalypse innerhalb meiner ersten 15 Lebensjahre bereits erleben müssen - vielleicht hatte ich es deswegen auch so eilig damit, schwimmen zu lernen (denn er sagte u. a. eine Sintflut wie zu Noahs Lebzeiten voraus). Moses David, der Begründer der Children of God, sagte den Weltuntergang im Jahr 1993 voraus - nur die Angehörigen seiner Religionsgemeinschaft blieben von diesem Massensterben natürlich ausgenommen, also hätte ich, da ich dieser Gemeinschaft nicht angehöre, theoretisch schon im zarten Alter von 9 Jahren das Zeitliche segnen müssen - ich wäre heute also bereits 24 Jahre über der Zeit!!!

Der amerikanisch-christliche Fernsehkanal Trinity Broadcasting Network gab mir übrigens nur 4 Jahre, 8 Monate und 1 - 2 Tage zu leben; wie die auf diesen Termin gekommen sind, wüsste ich selbst gerne. Auch Charles Taylor, Wim Walgo und Norbert Lieth, Paul Kuhn, Hart Armstrong sowie eine Reihe hartgesottener Christen legten den Weltuntergangstermin für das Jahr 1988 fest; ein heißer Tipp, um schnell noch seine letzten Rechnungen zu bezahlen und bei der Apokalypse schuldenfrei zu sein. Da ich damals, wie gesagt, erst vier Jahre alt war, hätte mir zumindest Paul Kuhn, der religiöse Leiter der Michaelsvereinigung in Dozwil am Bodensee, noch eine Chance gegeben - denn laut seiner Prophezeiung wären Kinder von der allgemeinen Heuschrecken- und Skorpion-Invasion am 8. Mai 1988 verschont geblieben. Und dieses Luxusleben blieb mir versagt! Danke, Herr Kuhn! 1988 jährte sich übrigens die Gründung des Staates Israel zum 40. Mal - es gibt keine bessere Ausrede, als in Hysterie zu verfallen.

Laut der Sekte Church Universal and Triumphant, zu der ich leider nicht viele aufschlussreiche Informationen gefunden habe, hätte 1990 übrigens ein weltweiter Atomkrieg ausbrechen müssen - nach Ende dieses Jahres hieß es dann plötzlich: "Nein, jetzt noch nicht, aber bald!" Offensichtlich sind die mit Bunkern und Waffenlagern bis heute gut vorbereitet. Mir drängt sich hierbei allerdings die Frage auf, ob das Überleben eines Atomkrieges tatsächlich besonders erstrebenswert wäre - nach allzu viel Spaß hört sich das nicht an. Zumindest der Führer der südkoreanischen Tami Mission Church Lee Jang Rim bekam Konsequenzen der Panikmache zu spüren, die über den Verlust der Glaubwürdigkeit hinausreichten - seine falsche Prophezeiung des Weltuntergangs am 28. Oktober 1992, der vier Selbstmorde zur Folge hatte, wurde mit einer Geld- und Haftstrafe belegt. Im Großen und Ganzen standen meine Chancen schlecht, dass ich meinen 10. Geburtstag noch erleben würde - im Jahr 1993 erwarteten die Davidaner in Texas den Weltuntergang, und auch die russische Sektenführerin Maria Devi Christos legte den Termin für den Weltuntergang am 24. November 1993 fest - und hätte beinahe einen Massenselbstmord herbeigeführt. Dieser erfolgte erst ein Jahr später, allerdings durch 53 Mitglieder der Sonnentempler (wobei 38 von ihnen von den anderen umgebracht wurden, weil sie nicht freiwillig zum Planeten Sirius mitkommen wollten - manchmal muss man zu seinem Seelenheil wohl gezwungen werden). Allerdings buchten auch später einige Sonnentempler ein One-Way-Ticket in Richtung Sirius - einige sind eben unbelehrbar und lassen sich nicht einmal durch falsche Prophezeiungen davon abbringen, den Weg zur Erlösung zu suchen. Der Erzbischof Ussher of Armagh sagte den Weltuntergang 1996 übrigens bereits im Jahre 1659 voraus - wenn er das damals schon wusste, muss es ja wohl stimmen, oder? Äääääh...nein!!!!

Auch eine Deutschlehrerin, Anhängerin der Sternengeschwister, prophezeite den Weltuntergang nach einem Ausbruch des Atomkrieges, allerdings erst sechs Jahre nach dieser komischen amerikanischen Sekte. Da fällt mir ein, im Herbst 1996 wurde das Gymnasium, in dem ich meinen Abschluss machte, in einen Neubau umgesiedelt - dessen Keller als Atombunker gebaut worden war. Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl zehn Jahre zuvor war das damals eine verpflichtende Maßnahme - ähnlich wie die alljährliche Petition, die jedem Schüler die Verabreichung von Kaliumjodidtabletten nach einem neuerlichen Super-GAU gewährleisten sollten, um Schilddrüsenkrebs vorzubeugen. Gibt's das eigentlich noch? Offensichtlich, denn im World Wide Web kann man die Einverständniserklärung tatsächlich noch herunterladen! Übrigens sagte das Biblische Astronomische Nachrichtenblatt am 10. April 1997 die Ankunft des Antichristen voraus - wer immer das auch sein mag. Jedenfalls scheint er im Jahr 1997 mehrere Termine versäumt zu haben - auch die Zahlenmystiker errechneten seine Ankunft 13 Jahre nach meiner Geburt (oh je, das auch noch!!!). Laut der Internationalen Hellsehervereinigung hätte sich die Apokalypse allerdings bis zum Jahr 2001 hinziehen müssen - offensichtlich hatten die eine sadistische Ader. Die Prophezeiung des Tag X auf den 25. Juli 1998, nach der einige Auserwählte von Außerirdischen auf die Raumschiffe des Sex(hihihihihi)-Gottes gebeamt werden sollten, während der Rest der Menschheit vernichtet würde, musste nach dem Verstreichen des Termins revidiert werden - der nächste Termin ist im Jahr 8661. Das nennt man sich Zeit verschaffen! In diesem Jahr wurde die Apokalypse übrigens vielleicht tatsächlich gerade noch verhindert - nämlich durch einen geplanten Anschlag amerikanischer christlicher Fanatiker auf die Al Aqsa Moschee in Jerusalem. Und natürlich mussten auch die Zahlenmystiker ihren Senf dazugeben - nachdem es 1997 nicht geklappt hatte, sollte der Weltuntergang ein Jahr später nachgeholt werden.

An diverse Weltuntergangstermine im Jahr 1999 erinnere ich mich sogar selbst noch - damals hätte praktisch jeden Tag die Welt untergehen sollen! Man prophezeite die Sintflut, den Atomkrieg, die Evakuierung der Erde durch Außerirdische, den Einschlag eines Planetoiden (ich sage nur eines: Uriella!), die Ankunft des lang ersehnten Kometen und die Sonnenfinsternis (die dann tatsächlich kam, aber außer ein paar Minuten Dunkelheit hielt sie nicht, was sie versprach). Angehörige einer indonesischen Sekte waren so wütend, dass sie nach dem 9. 9. 1999 wieder zur Arbeit mussten, dass sie drei ihrer Führer erschlugen. Nostradamus sagte für dieses Jahr den "großen Schreckenskönig" voraus - er hat sich mir allerdings nicht vorgestellt. Die Hysterie erreichte ihren Höhepunkt dann am 31. Dezember 1999 - dem letzten Tag des zweiten nachchristlichen Jahrtausends; für mich übrigens ein entspannter Tag auf Skiurlaub mit Familie und Freunden.

Natürlich war das Jahr 2000 voll von Verschwörungstheorien und Weltuntergangsprophezeiungen. Eine Frage, die übrigens auch Dr. Sommer, die Allwissende Müllhalde des BRAVO-Universums, beschäftigte. All diese Termine näher zu benennen, würde allerdings den Rahmen des Machbaren sprengen.

Der südafrikanische Reverend J. S. Malan verlegte die Apokalypse von 1995 auf 2002. Die typischen Terminprobleme eines Geistlichen. Im Jahr 2003 hätten abermals ein paar Auserwählte von den Aliens gerettet werden sollen - aber die hatten wohl was anderes zu tun. Laut George Curle hätte die Apokalypse übrigens von 1999 bis 2005 andauern sollen - komisch, dass ich davon nichts mitbekommen habe.

2012 war das nächste dankbare Jahr für Verschwörungstheoretiker - denken wir nur an das Ende des Maja-Kalenders am 21. 12. Das wird ein schwerer Schlag gewesen sein für all jene, die den weihnachtlichen Verwandtenbesuchen entgehen wollten.

Nun ja, und morgen ist also der nächste Termin. Was das alles mit fliegenden Steinböcken zu tun hat? Keine Ahnung - vielleicht überleben die ja die Apokalypse und fliegen dann im Weltall herum. In diesem Fall möchte ich mich dafür entschuldigen, dass der Titel dieses Artikels nicht der Wahrheit entspricht. Wir werden ja sehen.

vousvoyez

Mittwoch, 20. September 2017

Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis der Brunnen leer ist

(c) vousvoyez
Sprichworte gehören zum Alltag jeder Kultur und haben meist einen erzieherischen Charakter. Das Interessante daran ist, dass es in unterschiedlichen Kulturen ähnliche Sprichworte und Redewendungen gibt, auch wenn sie manchmal anders formuliert werden. Der Urheber der volkstümlichen Sprichwörter ist zumeist nicht bekannt. In meiner Schulzeit war es eine Zeit lang üblich, Aufsätze zu bekannten Sprichwörtern zu verfassen, meist aus unserem eigenen Erfahrungsschatz. Häufig sahen es Lehrer nicht so gerne, wenn der eine oder andere eine Geschichte schrieb, die in der Welt der Phantasie angesiedelt war. Ein Freund von mir hatte als Facebook-Profilbild einmal die letzte Seite eines Schulaufsatzes, dessen Handlung auf einem Computerspiel basierte. Auffällig war die ordentlich verfasste, wie üblich mit Rotstift gehaltene Anmerkung der Lehrerin, die da geschrieben hatte: "Du sollst keine Phantasiegeschichte schreiben, sondern einen Erlebnisaufsatz!" Das letzte Wort war doppelt unterstrichen. Dies machte aus der überbordenden Phantasie eines Zehnjährigen einen Akt des Ungehorsams. Und es wirft in mir die Frage auf, ob Lehrende ohne Humor und Phantasie nicht ihren Beruf verfehlt haben, denn jener kleine Junge von damals verdient heute mit seiner Phantasie sein Geld.

Zurück zu den Sprichwörtern. Sprichwörter können in ihrer erzieherischen Intention auch ganz schön nervig sein. Das liegt auch daran, dass man sie irgendwann einmal auswendig kann - genauso wie die üblichen Sätze diverser Eltern, Großeltern oder anderer älterer Familienmitglieder. Und dass die Tugenden, die darin genannt werden, mitunter schon sehr veraltet sind. Mein Vater reagierte darauf, indem er Weltmeister im Verdrehen von Sprichwörtern wurde - und so hat es das eine oder andere Prachtexemplar auch in meine Sammlung der Weisheiten geschafft. So wie das Sprichwort "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht" - das vor allem in einem Land an Sinn verliert, das sein Wasser aus Wasserleitungen oder Flaschen im Supermarkt bezieht. So sind Brunnen aller Art in der heutigen Zeit fast nur noch historische Zierobjekte. Als Kind faszinierten mich vor allem die Brunnen in alten Schlössern, deren Öffnungen mit einem Gitter verschlossen sind, so dass man bis auf den Grund sehen kann. Manche sind so tief, dass man Nebelschwaden sehen kann - da Schlösser und Burgen gerne auf Anhöhen gebaut wurden, war es nicht so einfach, an Grundwasser zu kommen. Es sieht gefährlich und faszinierend zugleich aus. Vielleicht sind Brunnen deswegen so oft in volkstümlichen Märchen und Sagen vertreten - denken wir nur an Frau Holle oder den Froschkönig.

Im übertragenen Sinn hat das Sprichwort natürlich inzwischen nichts mehr mit einem wirklichen Brunnen zu tun, sondern bezeichnet die Ausnutzung des Wohlwollens seines Gegenübers. Eine Erfahrung, die wohl jeder kennt und die ich auch schon mehrfach gemacht habe - und zwar auf beiden Seiten. Im Großen und Ganzen beruhen Geben und Nehmen nicht nur in unserer Kultur auf Gegenseitigkeit. Die geringste Erwartung bezieht sich auf den Respekt des Nehmenden gegenüber des Gebenden. Aber überall auf der Welt gibt es Menschen, die dies offensichtlich nicht verstanden haben - und sei es auch nur, weil diese Art von Geben und Nehmen meist erst erlernt werden muss. Und selbst da gibt es Personen, die es nie lernen - vor allem jene, die beispielsweise an eine Kollektivschuld glauben. Das kann verschiedene Länder genauso betreffen wie einzelne Personen. Wenn ich glaube, jemand ist mir etwas schuldig, weil beispielsweise dessen Großvater meinem Großonkel etwas weggenommen hat, begreife ich das Wohlwollen dieser Person als Selbstverständlichkeit. Und das, obwohl ich mit meinem Großonkel so wenig zu tun habe wie er mit seinem Großvater. Basierend auf dieser Art von Konflikt sind viele große literarische Werke entstanden - denken wir nur an Romeo und Julia oder an die griechische Sage von Atreus und Thyestes. Mit der Individualisierung denken wir heute in unserer Kultur aber anders - jeder ist für sich selbst verantwortlich, und niemand sollte für etwas bestraft werden, was beispielsweise ein Verwandter verbrochen hat. Ausnahmen bilden nur Kinder, die noch nicht strafmündig sind und der Aufsicht und Anleitung Erwachsener bedürfen. Im Großen und Ganzen ist das eine Errungenschaft, die es wert ist, beibehalten zu werden.

vousvoyez

Samstag, 9. September 2017

Der Mensch sucht sich nicht die Maschine, sondern die Maschine sucht sich den Menschen

(c) vousvoyez
Diese Aussage war ursprünglich auf die Eigenwilligkeit von Nähmaschinen bezogen. Manchmal hat man allerdings wirklich das Gefühl, dass wir immer mehr von Technik beherrscht werden. In meiner kranken Phantasie stelle ich mir manchmal vor, wie es wäre, wenn es plötzlich kein Internet mehr gebe. Die jüngeren Leute, die schon damit aufgewachsen sind, würden wahrscheinlich wahnsinnig, wenn sie nicht mehr alles googeln könnten. Und dann wären wahrscheinlich wieder die Älteren gefragt, die in ihrer Jugend ohne diesen ganzen Firlefanz auskommen mussten, weil er noch gar nicht erfunden war. Ich bin ja inzwischen schon in einem Alter, in dem ich mir einen Spaß daraus machen kann, jüngere Leute zu schockieren. Indem ich beispielsweise von einer grauen Vorzeit erzähle, in der Internet und Handy noch Luxusgüter waren und der Durchschnittsmensch auf Telefonbücher, Lexika, Festnetztelefone und Zeitungen angewiesen war, um voll informiert zu sein.

In meiner Kindheit konnte ich mir unter Internet eigentlich gar nichts vorstellen. Ich kannte zwar andere, die im Internet surften, aber irgendwie stellte ich mir tatsächlich so etwas wie Windsurfen darunter vor - was das sein sollte, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Meinen ersten Computer bekam ich mit zwölf, er war schwarzweiß und wurde mehr oder weniger von der ganzen Familie genutzt. Internet fand größtenteils in der Schule statt, in einem eigenen Computerraum, wo man uns zeigte, wie man Suchmaschinen benutzt und wo man sich in prähistorischen sozialen Netzwerken wie talk city mit Jugendlichen aus aller Welt schriftlich austauschte. Manche machten sich einen Spaß daraus, mittels gefälschter Identitäten zu flirten.

Auch das Telefonieren war noch nicht mobil. Wir hatten drei Festnetztelefone in der Wohnung: eines im Vorzimmer, eines im Salon (so nannten wir das Wohnzimmer) und eines im Schlafzimmer der Eltern. Unsere Telefone hatten Tastenfelder, was damals schon sehr modern war; viele hatten noch Wählscheibentelefone. Mobil telefonieren war für uns, ein Telefon zu haben, dessen Kabel lang genug war, dass man es in ein anderes Zimmer tragen konnte. Später erbten wir ein schnurloses Telefon, was meine Eltern veranlasste, meine telefonsüchtige Schwester ständig zu fragen: "Wo ist das Telefon?" Außerhalb der Wohnung konnte man es nicht verwenden. Wir kamen uns schon mit einem Autotelefon wahnsinnig gut vor. Und so war die erste Frage meiner Schwester, wenn sie nach Hause kam: "Hat wer angerufen?" (Ja, ich weiß, dass das grammatikalisch nicht richtig ist, aber bei uns ist das halt Umgangssprache.)

Die ersten Handys waren so riesig, dass man gefühlt jemanden damit erschlagen konnte. Sie hatten lange Antennen, die man rausziehen musste, ehe man telefonieren konnte. Mitte der Neunziger waren Handybesitzer meist Angeber; junge Männer, die möglichst laut überall mit dem Handy telefonierten, um allen zu zeigen, wie cool sie waren. Jeder schimpfte über sie, aber dann kaufte sich doch einer nach dem anderen das erste Handy. Ende der Neunziger waren Handyverträge dann von ein Jahr auf das andere für jeden erschwinglich, und auf einmal war es normal, dass die Leute überall telefonierten. Solange Telefonieren nicht mobil war, war der Satz "Wo bist du?" eher unsinnig; sobald jeder ein Handy hatte, wurde er normal.

Heute ist nicht nur das Telefonieren, sondern auch das Internet mobil. Und so starrt in Wartezimmern und in öffentlichen Verkehrsmitteln nahezu jeder auf einen winzigen Bildschirm. Manchmal ist das etwas mühsam - beispielsweise wenn man sich mit jemandem unterhalten will, der nur Augen für sein Smartphone hat. Ich habe das Smartphone lange verweigert, und auch heute weigere ich mich, in der Straßenbahn nur noch aufs Handy zu starren. Vielleicht wäre es anders, wenn ich zehn oder zwanzig Jahre jünger wäre. Das Internet hingegen nutze ich gerne und oft - vor allem, um euch mit meinen großartigen Weisheiten zu unterhalten!

vousvoyez

Montag, 28. August 2017

Ist's zu Silvester hell und klar, ist am nächsten Tag Neujahr

(c) vousvoyez
Nun ja, nicht alle Silvester, die ich erlebt habe, waren hell und klar, und das neue Jahr ist trotzdem immer wieder gekommen. Das nächste Silvester erlebe ich schon zum 34. Mal. Manchmal mag ich nicht daran denken. Dann sage ich mir wieder, was soll's, willst du wirklich wieder 20 sein? Oder 15? Oder 12?

Seien wir uns doch ehrlich, die Pubertät ist eigentlich eine bescheuerte Zeit. Kein eigenes Geld, irgendwelche lächerlichen Moden mitmachen und gemein sein zu denen, die dir Kost und Logis gewähren. Und kein Interesse an dem, was für viele andere ein unerfüllbarer Traum ist: Bildung.

Ja, ich habe die Schule gehasst. Aber heute bin ich froh und dankbar, hingegangen zu sein - und dass diese Möglichkeit auch nie in Frage gestellt worden ist. Denn die Alternative ist nicht sehr rosig. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass unser System veraltet ist und dringend einer Reform bedarf - denn die preußische Methode des Eintrichterns ohne zu hinterfragen ist nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sie hätte es auch nie sein sollen. Denn wer keine Fragen stellt, bekommt auch keine Antworten. Und wer nicht offen ist, lässt sich irgendwann von kryptischen Ängsten leiten. Und am Ende sind wir wieder da, wo wir eigentlich gar nicht hinwollten: in einer Welt, in der es gefährlich ist, eine eigene Meinung zu haben. Weil wir nur nachplappern können.

Zum Glück lebe ich nicht im Mittelalter, sondern im 21. Jahrhundert. Zum Glück muss ich nicht hungern und bin auch nicht obdachlos. Ich habe Menschen, die mir etwas bedeuten, ich habe eine Familie, die ich liebe, ich habe genug, für das ich dankbar sein kann. Auch wenn das manchmal nicht so leicht ist. Manchmal sehen wir, dass unser Nächster etwas hat, was wir nicht haben, und wollen es auch. Ich habe gelernt, mich erst einmal zu fragen: Brauche ich das überhaupt? Und es liegt mir fern, jemand anders deswegen etwas wegzunehmen. Ich fühle mich doch sowieso nicht besser, nur weil es dem anderen schlechter geht. Ich wundere mich manchmal, dass es Menschen gibt, die so etwas glauben. Wahrscheinlich sind das diejenigen, die sich immer an einem anderen messen mussten. Oder die, denen man vermittelt, dass man sich alles erst verdienen muss. Sogar die Liebe der Eltern.
Es stimmt, wenn man sich sein Leben selbst gestalten will, bekommt man nichts geschenkt. Und die, die mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, sind nicht automatisch glücklicher. Aber man kann auch nicht alles an Bedingungen knüpfen. Besonders nicht, wenn man sich dafür entscheidet, für ein anderes Leben zu sorgen, ein hilfloses Wesen zu einem selbstbewussten Erwachsenen zu machen. Ich bin froh, dass ich ein liebevolles Elternhaus hatte. Und das auch meine Geschwister ihren Kindern ein schönes Zuhause schenken können. Das hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit Liebe. Und nichts ist schöner, als die Fähigkeit zu lieben.

vousvoyez

Samstag, 26. August 2017

Hallo Rudi, frohe Ostern... oh jessasna, wir ham ja Weihnachten!

(c) vousvoyez
In diesem Zusammenhang frage ich mich, ob es schon Lebkuchen in den Supermärkten gibt; der August ist ja schon bald vorbei. Gesehen habe ich noch keine, aber wer weiß ...

Meine Tante hat vor Jahren übrigens erzählt, dass sie schon im September Weihnachtsgeschenke kauft, um dem Ansturm im Dezember zu entkommen ... und wohl auch, um die Dauerberieselung von Weihnachtsliedern ein wenig einzuschränken. Übrigens habe ich im letzten Jahr verdächtig selten Last Christmas gehört. Vielleicht haben die Radio-DJs selbst schon genug davon. Mein erster Gedanke zum plötzlichen Tod von George Michael war, offen gestanden, ein bisschen böse: Vielleicht wollte er vermeiden, dass er nächste Weihnachten schon wieder sein Lied hören musste?

Sehr schön finde ich auch das Recyceln von Festtagssüßigkeiten. Eine ehemalige Studienkollegin bekam beispielsweise zu Silvester ein Schokoladenschwein geschenkt - das sich beim Auswickeln als Osterküken entpuppte, das einfach in ein anderes Stanniolpapier gepackt worden war. Ich habe auch schon tatsächlich beim Billa "Weihnachtshasen" entdeckt - Schoko-Osterhasen, denen man Weihnachtsmannmützen aufgesetzt hatte.

Geben wir es doch offen zu - Feste wie Weihnachten sind heute nicht mehr religiös motiviert. Sie sind lediglich ein Anreiz, um die eigenen Kinder unter möglichst viel Spielzeug zu vergraben - "Sondermüll", wie mein Bruder früher ironisch bemerkte. Weihnachten ist Teil unserer Tradition, aber wir feiern nicht mehr die Geburt Christi. Nun gut, das muss auch nicht unbedingt sein. Sowohl Weihnachtsbaum als auch Osterhase sind Relikte heidnischer Traditionen - so wie auch beispielsweise das persische Nourouz-Fest, das auf zoroastrische - also vor-islamische - Zeiten zurückgeht. Selbst in dem von der Islamischen Revolution 1979 geprägten Land scheint es auch heute noch einen hohen Stellenwert zu haben.

Es ist ja auch nichts Schlechtes daran, Traditionen zu bewahren, auch wenn man nicht immer um ihre genaue Herkunft und Geschichte Bescheid weiß. Ich finde es aber auch total in Ordnung, dass in öffentlichen Gebäuden keine Kreuze mehr hängen dürfen - schon in meiner Schulzeit war ich der Meinung, dass ein Kreuz in einer öffentlichen, laizistisch ausgelegten Schule, in der Kinder und Jugendliche unterschiedlicher religiöser Prägung unterrichtet werden, nichts zu suchen hat. Demzufolge finde ich auch die Debatte um ein Kopftuch-Verbot in Schulen und bestimmten Berufen nicht falsch - nicht wir müssen uns den Zuwanderern anpassen, sondern umgekehrt. Und wir müssen uns auch an unsere eigenen Gesetze halten - und sie nicht importierten Kulturen unterordnen. Das heißt nicht, dass Angehörige anderer Kulturen diese verleugnen müssen - aber wir müssen auch eine Basis finden, wie wir miteinander leben können. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Wir werden damit fertig werden müssen, dass die Zukunft nicht nur von uns "Ursprungs-Österreichern" gestaltet wird, sondern auch von Zuwanderern und ihren Nachkommen. Und wir dürfen uns nicht ewig von unserem schlechten Gewissen leiten lassen, das auf den Verbrechen einer Generation basiert, die langsam aber sicher ausstirbt. Genozid, Rassismus, Ausgrenzung, Hass, Mord und Totschlag, Bürgerkriege und Invasionen sind auch in anderen Ländern passiert. Und sie passieren immer noch. Auch bei uns. Jeden Tag.

Wertvorstellungen und Traditionen sind keine statische Sache - die guten sollen bewahrt, die schlechten verbannt werden, sowohl bei uns als auch in anderen Ländern. Leider passiert das nicht immer. Und leider wird schädigendes Gedankengut aus anderen Ländern auch in unseres importiert - gerade jetzt, wo unsere Gesellschaft im Umbruch begriffen ist. Dem ist entgegenzuwirken, indem wir die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, Jahrhunderte bewahren und ausbauen und uns von denjenigen distanzieren, die ihnen schaden, indem wir voneinander lernen und auf dem Grundsatz des gegenseitigen Geben und Nehmen beharren. Nur so können wir unsere Ideale auch leben.

In diesem Sinne - Toleranz darf keine Einbahnstraße sein!

vousvoyez

*Update 2021: ich bin entsetzt, welch vereinfachtes Weltbild ich vor ein paar Jahren noch hatte

Mittwoch, 23. August 2017

You can no look sex

Das Ausländerthema ist ja gerade wieder sehr aktuell - in allen Medien stößt man auf Schlagworte wie "Flüchtlingskrise" und "Willkommenskultur". Aber im Großen und Ganzen beschäftigen wir uns mit der Frage der Fremdheit doch schon seit der Steinzeit. Eines meiner Lieblingszitate zu diesem Thema ist Karl Valentins Satz "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde". Was natürlich bedeutet, dass man nur außerhalb der Heimat fremd ist. Sofern er eine Heimat hat - und nicht wie mein Partner gleich drei, wobei er in der aktuellen Heimat manchmal wie ein Fremder behandelt wird - und sich in seinen beiden anderen Heimatländern wohl mehr oder weniger fremd fühlen würde. Er ist einer, der gerne sagt, was er sich denkt, und das ist nicht in jedem Land möglich. Seien wir also froh und dankbar, dass wir das hier in Österreich noch dürfen. Auch wenn im Großen und Ganzen nur die Gedanken frei sind.

Zu unserer Weisheit: Ja, sie hat mit Fremdsein zu tun. Mit gegenseitigem Fremdsein. Und so aus dem Zusammenhang gerissen ist sie wohl auch nicht sehr ergiebig. Aber die Geschichte dahinter spricht eine andere Sprache.

Die Generation meiner Eltern befreite sich einst von fremdenfeindlichem Gedankengut, vom Mief der alten Nazis und von der Vorstellung, dass die einen besser sind als die anderen - auch wenn sie nicht frei von rassistischen Denkstrukturen war. Und so wuchs unsere Generation mit dem Gedanken auf, dass jeder Mensch, egal aus welchem Land, egal mit welcher Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung etc. etc. gleich viel wert und wichtig ist. Natürlich waren auch nicht alle in meiner Großelterngeneration gleich - meine Großeltern hatten beispielsweise Kontakt zu einem Studenten aus Ghana und einem aus Trinidad. Ich kenne sie nur von Fotos - die mein Vater gemacht hat, mit der Bildunterschrift "Die Schwarzen". Nicht "Die Neger" - obwohl das damals noch gängig war.

In meiner Kindheit hatte ich praktisch keinen Kontakt zu Menschen anderer Hautfarbe. Ich wusste, dass die Menschen in Afrika dunkler sind als wir - und ich kannte die Zehn kleinen Negerlein. Dieses Lied ist heute verpönt, wurde aber damals selbstverständlich in allen Kindergärten noch gesungen. Für mich persönlich hatte das jedoch nichts mit der Realität zu tun. Und ich kannte auch Pippi Langstrumpfs Vater noch als "Negerkönig". Ich verstand das aber nie rassistisch. Für mich war das gleichbedeutend mit "Südseekönig". Einfach ein König auf einer exotischen Insel. Aber ich verstehe, dass das heute anders gesehen wird.

In der Schule lernte ich dann, dass "Neger" eine abwertende Bedeutung hat. Von da an habe ich auch immer meine Eltern korrigiert, wenn sie von "Negern" gesprochen haben. Für mich war mit elf Jahren selbstverständlich, dass ich Menschen so bezeichne, wie sie sich bezeichnet sehen wollen. Und ich hatte keinen Grund, Menschen anderer Hautfarbe als etwas anderes zu sein, als sie sind - als Menschen.
In meiner Kindheit waren dunkelhäutige Menschen in Österreich ein seltener Anblick - auf dem Land sowieso, aber auch in den Städten. Dann, als ich etwa zehn, elf Jahre alt war, sah man überall in der Stadt junge Afrikaner - sie verkauften eine Straßenzeitung namens Megaphon, die es immer noch gibt. Der Gedanke hinter dieser Initiative war und ist, Asylwerbern einen kleinen Zuverdienst zu ermöglichen. Der Inhalt ist nicht immer nach meinem Geschmack, aber ohne solche Projekte gäbe es vielleicht noch mehr junge Leute mit dummen Ideen, die denjenigen, die uns entzweien wollen, Munition liefern.

Jedenfalls, als das damals anfing, war ich einmal mit meiner Mutter in einer Trafik (für eventuelle deutsche Leser: Tabakladen) in der Innenstadt. Da meine Eltern in der Nähe ihr Geschäft hatten, kannte uns die Verkäuferin respektive Trafikantin. An besagtem Tag stand ein junger Schwarzer - wahrscheinlich aus Nigeria, würde ich heute sagen - bei den Zeitungsregalen (in österreichischen Trafiken werden neben Tabakwaren auch Zeitungen, Zeitschriften und Lottoscheine verkauft) und blätterte im Playboy. Die Trafikantin - eine schon etwas ältere Dame - schimpfte dann darüber, dass die "Neger" immer zu ihr kämen, um "Sexheftln" zu lesen, die sie dann nicht kaufen würden. Dann rückte sie ihre Brille zurecht und sagte streng zu dem jungen Mann: "You can no look sex." Für die Korrekten unter uns: Es hätte heißen sollen "You aren't allowed to read the Playboy without buying it." Aber die Dame gehörte einer Generation an, in der die meisten des Englischen noch nicht mächtig waren - oder nur sehr sporadisch. Der Angesprochene fragte nach einer bestimmten Ausgabe und verließ dann das Geschäft. Und ich versteckte mein Gesicht hinter der aktuellen Ausgabe von Bravo und kicherte in mich hinein.

Die Trafik gibt es heute nicht mehr. Aber das Megaphon erfreut sich heutzutage immer noch großer Beliebtheit - mittlerweile verlegt es auch Kochbücher, CDs und Terminkalender. Manche der Verkäufer können etwas lästig sein. Aber im Großen und Ganzen sind sie voll akzeptiert.

Heute diskutieren wir darüber, wie viele Flüchtlinge wir noch aufnehmen können. Wir ernten, was wir gesät haben - wir haben zu lange weggeschaut, und jetzt können wir es nicht mehr. Und ich habe gelernt, meine Sympathien und Antipathien nicht von Nationalität und Hautfarbe abhängig zu machen. Denn Idioten gibt es überall - und nette Menschen genauso.

In diesem Sinne, öffnet eure Augen und betrachtet die Welt aus mehreren Perspektiven!

vousvoyez

Dienstag, 22. August 2017

Mir ist wurscht, was der Herr Feng Shui gesagt hat

Jaja, dieser mysteriöse Herr Feng Shui hat uns eine Zeit lang ganz schön in Atem gehalten. Wie wir in Wikipedia nachlesen können, ist Feng Shui aber kein Herr, sondern "eine daoistische Harmonielehre aus China". Ich weiß nicht, ob das noch Mode ist. Ich jedenfalls habe schon länger niemanden mehr davon reden hören. Aber es gab eine Zeit, in der es Leute gegeben haben soll, die ihre Wohnungseinrichtung dieser Lehre angepasst haben. Ich habe das nur so am Rande mitbekommen - vielleicht, weil es damals bei mir nicht wirklich ein Thema war. Dies war eine Zeit, in der sowohl ich als auch meine Altersgenossen in der Regel noch bei den Eltern wohnten, wo die Zimmer-Einrichtung in der Regel ein Konglomerat aus Mama-und-Papa-Lehre und dem Durchbruch der eigenen Individualität war. In letzter Zeit lese ich im World Wide Web sehr viel darüber, wie Jugendzimmer damals ausgesehen haben. Da ich als Kind und Teenager insgesamt vier verschiedene Zimmer bewohnte, kam ich aber zumindest nicht in die Verlegenheit, dass mein Mobiliar - und womöglich auch die Wandverkleidung - mit 18 gleich aussah wie vor meiner Geburt. Und da meine Eltern nach meinem Auszug die Wohnung wechselten, habe ich auch kein altes Kinderzimmer, das so aussieht wie 1998. Deswegen und weil meine Mutter sowieso kein Mensch ist, die am Althergebrachten festhält und Räume wie Schreine oder gar Mausoleen behandelt. Sie besitzt heute nur noch wenig Möbelstücke, die mich an meine Kindheit erinnern.

Ich habe glückliche und traurige Erinnerungen, aber ich bin auch niemand, der - abgesehen von Büchern - allzu viele materielle Erinnerungen an die Vergangenheit braucht. Ich freue mich heute darüber, wenn ich Fotos sehe von Dingen, die ich früher kannte und die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Und um mich an geliebte Menschen zu erinnern, brauche ich nicht unbedingt viele Fotos. Trotzdem freue ich mich, ab und zu alte Fotos zu sehen. Mittlerweile machen mich aber viele auch traurig. Manchmal ist das auch notwendig, aber eben nicht immer.

Zurück zum Herrn Feng Shui. Ich muss ganz ehrlich sagen, was diese Bewegung an Windspielen, bunten Steinen und Duftkerzen in unsere Wohnbereiche gebracht hat, war nicht immer ganz nach meinem Geschmack. Ich hatte als junges Mädchen einen Freund, der in einer Wohngemeinschaft lebte, und das Windspiel auf dem Balkon raubte mir nachts oft den Schlaf. Da gab es ja auch noch diese Stein-Kulte, die hatten nicht alle mit Feng Shui zu tun, waren aber manchmal etwas kryptisch.
Als Kind und Jugendliche verbrachte ich einige schöne Sommer am Weißensee in Kärnten; in den ersten Jahren wohnte ich mit meinen Eltern und einer befreundeten Familie in einem großen Hotel auf einer Anhöhe, das einen malerischen Blick auf den See bot. Der Besitzer hatte jedes Jahr neue Ideen, wie er seine Gäste unterhalten konnte, und griff dabei verschiedene Trends auf. So war einmal eine Dame dort, die irgend einer esoterischen Bewegung angehörte und über die heilende Wirkung verschiedener Mineralien referierte. Mein Vater als erfahrener Juwelier warf nur einen Blick auf ihre Steine und sagte mit stoischer Ruhe: "Alle falsch!" Trotzdem schienen viele von dem Fachwissen der Dame (die passenderweise Hermine hieß) beeindruckt zu sein, jedenfalls lief ihr Geschäft gut. Wir Kinder gingen oft in jenen Raum, in dem ihre Steine aufbewahrt wurden, und bestaunten sie. Sie regten unsere Phantasie an; von dem Gerede der Dame verstanden wir sowieso noch weniger als die Erwachsenen. Jahre später hat mir eine Freundin, die damals auch mit ihren Eltern dort war, erzählt, dass ihre Mutter zwei Ketten aus diesen Steinen gekauft hat - eine für sich und eine für ihre Tochter. Die eine riss nach kurzer Zeit, die zweite verlor ihre Farbe.

Diese kleine Anekdote ist ein Beispiel dafür, dass ich bestimmten Lehren skeptisch gegenüberstehe - zumindest in ihrer westlichen Ausrichtung. Hier bei uns besitzen die meisten Vertreter dieser Lehren ein solides Halbwissen, mit dem sie weniger Informierte zu beeindrucken versuchen, um an ihr Geld zu kommen. Aber nur selten ist es möglich, das Wissen von Philosophien und Lehren so zu verinnerlichen, wie es vor Ort geschieht; immerhin haben wir gänzlich andere Traditionen. Dies zeigt auch schon der Titel dieses Artikels - es ist eine Reaktion auf dieses Halbwissen, das Regeln stur befolgt, auch wenn sie in einem bestimmten Zusammenhang völlig sinnlos erscheinen. Und es ist gut, dass es auch Leute gibt, die ab und zu widersprechen.

In diesem Sinne, gebraucht euren Verstand!

vousvoyez

Freitag, 18. August 2017

Wie kann man berühmt werden, wenn man nur heimlich spioniert?

(c) vousvoyez
Ja, das ist natürlich die Frage. Denn um berühmt zu werden, muss man an die Öffentlichkeit gehen. Aber wir haben trotzdem viele berühmte Spione - so wie James Bond, beispielsweise. Jeder kennt ihn, aber trotzdem ermittelt er immer noch inkognito. Keiner, den er ausspioniert, weiß, dass er James Bond ist - und das, obwohl jeder auf der Welt seinen Namen kennt.

Aber das ist ja gerade das Schöne an Geschichten - sie müssen nicht realistisch sein. Und als jemand, der mit Geschichten aufgewachsen ist, bin ich darin Expertin. Schon von klein auf werden uns Geschichten erzählt - vorgelesen, selbst erfunden, im Fernsehen, einfach überall stoßen wir auf Geschichten. Meist mit der Intention, dass wir etwas daraus lernen sollen - dass wir erfahren sollen, wie die Welt funktioniert. So wie bei mir - wenn ich etwas falsch gemacht habe, haben mir meine Eltern eine Mäusegeschichte erzählt. Der Protagonist dieser Mäusegeschichten war immer das Mausi. Und das Mausi hat immer genau den Fehler gemacht, den ich auch gemacht habe. Und hinterher konnte ich dann bewerten, was das Mausi hätte anders machen müssen. So konnte ich über meine Fehler nachdenken und darüber, wie ich es anders machen kann.

Ich habe auch schon oft gehört, dass Kunst - auch das Geschichtenerzählen - Lüge und Hochstapelei sei. Weil sie etwas Erfundenes verkauft. Der Unterschied zwischen Kunst und Lüge ist allerdings, dass Kunst von Anfang an den Anspruch hat, erfunden zu sein - während eine Lüge behauptet, wahr zu sein. Somit hat derjenige, der die Kunst der Lüge bezichtigt, dieselbe nicht verstanden. Das ist dasselbe, wie zu behaupten, Harry Potter verführe zu Satanismus - Harry Potter wird als erfundene Geschichte verkauft, die dazu dient, zu unterhalten, und nicht, um unsere leichtgläubige Jugend zu verführen. Genauso wie die Bücher von Dan Brown - viele so genannte "Fakten" in diesem Buch sind zurechtgestutzte Geschichten, die dazu dienen sollen, beim Leser Spannung zu wecken. Wer das für bare Münze nimmt, hat nicht verstanden, was Geschichten eigentlich sind.

Meine Liebe zu Geschichten war immer da, seit ich denken kann - mich hat es immer fasziniert, welch magische Welten dadurch erschaffen werden können - Welten, die vorher nicht da waren. Und doch gibt es sie auf einmal - in unserer Phantasie. Das macht uns Filmadaptionen gegenüber so skeptisch - sie stimmen nicht mit unserer Phantasie überein und sind darüber hinaus noch an ein anderes Medium angepasst. Sie sind nicht die Vorstellung des Rezipienten respektive Lesers, sondern die Vorstellung der Personen, die diesen Film gedreht haben. Das voneinander zu trennen, ist zweifelsohne schwierig.
Mich persönlich faszinieren Geschichten, die mich in eine andere Welt entführen - ob die Welt nun ähnlich ist wie die meine oder doch völlig konträr. Was mich fesselt und was nicht, ist schwer zu erklären. Im besten Fall trete ich in eine Art Dialog mit dem Autoren. Deswegen kann ich mit dem Satz "Wer viel liest, hat wenig eigene Gedanken" (sorry, ich hab keine Ahnung wer den in die Welt gesetzt hat) nicht übereinstimmen. Denn viele meiner eigenen Gedanken entstehen gerade durch das Lesen. Ich setze den Gedanken fort und komme so auf eigene Ideen. Und manchmal entstehen meine Ideen auch einfach so. Beim Schreiben, zum Beispiel. Und so ist auch die Idee entstanden, die "Weisheiten der Woche" auf Facebook zu posten und in der Folge einen Blog zu erstellen, der meine Gedanken zu diesen Weisheiten dokumentiert. Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen dazu bringen kann, mich auf dieser Gedankenreise zu begleiten.
In diesem Sinne - bon voyage!

vousvoyez