Freitag, 28. Dezember 2018

Die Regenamsel singt schon wieder

Bei dieser Weisheit handelt es sich heute einmal um einen Ausspruch meiner Großmutter mütterlicherseits, die, was das Wetter anbelangt, immer eher pessimistisch war - und zudem eine glühende Anhängerin der allseits bekannten Bauernregeln. Obwohl dies hier keine ist. Meine Großmutter ist gestorben, als ich zehn Jahre alt war - aber bis heute muss ich an diesen Satz denken, wenn ich die Amsel singen höre.

Meine Großmutter war übrigens auch technisch versierter als viele andere in ihrem Alter - so nahm sie beispielsweise Radiosendungen auf Kassette auf, indem sie das Radio und den Kassettenrecorder aneinanderstellte. Dann hörte man sie immer im Hintergrund gehen und kommentieren. Ein paar Jahre vor ihrem Tod bekam sie sogar einen Videorecorder geschenkt, mit dem sie auch umgehen konnte. So nahm sie sehr oft Filme und Fernsehserien für mich auf.

Dass ich ein großer Filmfreak bin, ist inzwischen wohl hinlänglich bekannt. Und auch, dass ich dadurch verdorben wurde, dass Freunde von mir schon früh Zugriff auf Streifen hatten, die für Kinderaugen eigentlich gar nicht geeignet sind. Aber andererseits - was ist für Kinderaugen heutzutage schon geeignet? Eine britische Mutter kämpft unter #metoo dafür, "Dornröschen" für Kinder zu verbieten - ihrer Meinung nach ist dieses Märchen frauenfeindlich, weil der Prinz die Prinzessin mit einem Kuss weckt. In einer älteren Version aus Italien (Sonne, Mond und Thalia) wird die Prinzessin übrigens nicht geküsst, sondern vergewaltigt. Das ist natürlich überhaupt nicht frauenfeindlich.

Aber da es euch offenbar so gut gefällt, wenn ich Horrorfilme auf Logikfehler hin untersuche, habe ich mal gehirngestürmt (zu deutsch braingestormt) und mich bei anderen Genres auch mal schlau gemacht. Für mich übrigens nichts Neues - schon als Kind habe ich mich gerne über Klischees in Historienfilmen und alten Edgar-Wallace-Filmen lustig gemacht. Deshalb ist meine Liste auch etwas zu lang, um sie nur in einem Post abzuhandeln. Freut euch also auf mehrere Posts zu dem Thema.


Was bei Filmen ausgesprochen wichtig ist - allgemein

1. Ich glaube, den meisten ist schon mal aufgefallen, dass in Filmen nur äußerst selten wer aufs Klo muss, und auch gegessen und getrunken wird in der Regel nicht viel - außer, es handelt sich um hochprozentigen Alkohol. Doch selbst wenn der Held mehrere Gläser Whisky kippt, ist er nie so betrunken, dass er die Kontrolle verliert. Das passiert immer nur den anderen.

2. In vielen amerikanischen Filmen steht man nachts gern auf, um Milch direkt aus der Flasche zu trinken. Dabei wird nie das Licht angemacht, dafür bleibt die Tür des stets vollgefüllten Kühlschranks ewig lang offen, ohne dass jemand schimpft.

3. Im übrigen wird auf alltägliche Verrichtungen nie sehr viel Wert gelegt. So sind Wohnungen immer blitzsauber, aber man sieht nie jemanden putzen. Außerdem sitzen Hollywood-Schauspieler mit Vorliebe mit Straßenschuhen auf dem Bett oder auf Polstermöbeln.

4. Alle wohnen in einem Loft oder Penthouse, selbst wenn sie einen Beruf haben, mit dem das im echten Leben nicht leistbar wäre. Gearbeitet wird so oder so selten, selbst wenn man jemanden am Arbeitsplatz sieht. Stattdessen wird Kaffee aus Plastikbechern getrunken, über das Privatleben geplaudert oder mit dem Kollegen/der Kollegin angebändelt. Trotzdem darf man nie vergessen, sich so oft wie möglich über seinen stressigen Job zu beschweren. Bei der Polizei darf man auch nie vergessen, zu bemängeln, wie grausig der Kaffee schmeckt.

6. Raumschiffe haben weder Badezimmer noch Klo (wahrscheinlich rennen die Statisten deswegen immer so hektisch durch die Gegend). Es gibt auch keine Besatzungsmitglieder, die für die sanitären Dienste verantwortlich sind - trotzdem sehen Raumschiffe immer so aus, als könne man da vom Boden essen.

7. Darsteller, die klitschnass aus dem Wasser kommen, sind nach wenigen Minuten wieder knochentrocken. Außerdem sitzt die Frisur immer perfekt, selbst nach actionreichen Kampfszenen. Frauen sind immer perfekt geschminkt und tragen oft Frisuren, die normalerweise zwei Stunden beim Friseur brauchen - selbst wenn sie gerade aus dem Bett aufgestanden sind oder mehrere Tage/Wochen/Monate in der Wildnis verbracht haben. Sogar frisch operiert im Krankenhaus sitzt die Frisur einwandfrei!

8. Frauen haben nie dort Haare, wo sie nicht hingehören - selbst im Konzentrationslager oder im Mittelalter haben sie immer perfekt rasierte Beine! Im übrigen haben die Leute immer, egal zu welcher Zeit, auch als mittelalterliche Bauern, perfekte Zähne und saubere Fingernägel.

9. Nach dem Sex wird nie geduscht, dafür sitzt auch hier die Frisur der Dame wieder perfekt, und die Darsteller liegen immer so, dass die Frau bis zu den Schultern, der Mann aber nur bis zur Hüfte zugedeckt ist. Außerdem steigen die Männer auch mit Vorliebe ohne Unterhose in die Jeans.

10. Und im übrigen: Ist euch schon mal aufgefallen, dass so genannte "Mauerblümchen" in Teeniefilmen in Wirklichkeit ausgesprochen attraktive Mädchen sind, die lediglich möglichst unvorteilhaft frisiert und gekleidet und im Zweifelsfall auch noch mit einer altmodischen Brille entstellt werden? Kein Wunder, dass auch für die angeblich "hässlichen Entlein" das Happy-End als schöner Schwan vorprogrammiert ist!

Okay, das waren einmal die ersten Klischees und Logikfehler, die mir so untergekommen sind. Wer mag, kann mir gerne auch noch Anregungen geben - ich bin für alles offen, und zum Gehirnstürmen hole ich ohnehin immer Expertenmeinungen ein. Also, genießt die letzten Tage des Jahres 2018, vielleicht sogar mit einem guten Film! (oder Dinner for One)

vousvoyez

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Tafel löschen ist das Wichtigste auf der Welt

(c) vousvoyez
Dieser Satz hat viele Fragen aufgeworfen, die ich leider erst jetzt, nach eineinhalb Jahren, adäquat beantworten kann. Wie wohl ersichtlich ist, stammt er aus meiner Schulzeit - und wurde einer Schulkollegin im Deutschunterricht in den Mund gelegt, als sie an diesem Tag Tafeldienst hatte. Man muss dazu sagen, sie nahm diesen Dienst ernster als alle anderen - denn sie schaffte es, die Tafel zu löschen, ohne dass die üblichen hässlichen Schlieren zurückblieben. Aber dass sie den Tafeldienst für das Wichtigste auf der Welt hielt, wage ich doch zu bezweifeln - auch wenn die Lehrerin dies behauptete. Was mich persönlich betrifft, ich werde den Geruch des Tafelschwamms und dieses unangenehme Gefühl auf der Haut, wenn man ihn angefasst hat, nie in positiver Erinnerung behalten.

Es wird euch wohl schon aufgefallen sein, dass ich gerne auf Erinnerungen zurückgreife - auch wenn diese, wie ich in meinem Artikel über den Mandela-Effekt schon erläutert habe, nicht immer ganz zuverlässig sind. So wird auch dieser Post von Erinnerungen getragen werden.

Ich möchte heute über Helden sprechen. Grund dafür ist ein Video, in dem der Frage nachgegangen wird, wo die Helden heutzutage geblieben sind. Meine Kindheit in den 1980ern und 1990ern war die Zeit der großen Action-Helden. Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Chuck Norris, Jean-Claude Van Damme und wie sie alle hießen bevölkerten die Kinoleinwände. Sie hatten zwei hervorstechende Eigenschaften: Sie waren weiß und sie waren männlich. Heute macht man Witze über Chuck Norris. Damals waren Action-Heroes wie er so cool, dass nicht einmal das möglich war - bis im Laufe der 90er der Siegeszug der computeranimierten Special-Effects begann und die Männer unter den Menschen nach und nach verdrängte.

In solchen Filmen spielten Frauen natürlich eine untergeordnete Rolle - sie waren lediglich dazu da, um die männlichen Männer noch männlicher wirken zu lassen. Was natürlich in der Zeit davor auch nicht anders war - aber damals auf die Spitze getrieben wurde. Frauen waren hilflose Wesen, die nur existierten, damit sie von den harten Action-Heroes gerettet werden mussten - und oft durch reine Blödheit in brenzlige Situationen gerieten. Das waren auch die Erwartungen, die man an Mädchen richtete: Unsere Aufgabe war es, lieb zu sein und hübsch auszusehen - und auf den strahlenden Prinzen bzw. den mutigen Helden zu warten, der uns retten sollte, vor was auch immer. Unsere Rolle war passiv - und das ist sie im Grunde genommen bis heute.

Ich habe das Gefühl, dass Mädchen heute mehr denn je in eine rosarote Einhorn- und Prinzessinnenwelt gedrängt werden. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit in einem Geschäft für Babymode gearbeitet, und was mir am meisten auffiel, war, dass es kaum geschlechtsneutrale Kleidung gab, wie es in meiner Kindheit der Fall gewesen ist - alles war entweder rosa und mit Blumen, Einhörnern und süßen Tieren verziert, oder aus blauem Stoff, der mit Autos, Drachen und anderen "männlichen" Motiven bedruckt war. Eine Kundin erzählte mir, dass dieses Konglomerat der Extreme aus den USA kommt - wie so vieles. Mädchen sollen kein Blau und Jungen kein Rosa tragen - und das, obwohl es einmal umgekehrt war. Aber schon in meiner Kindheit war Rosa eine "Mädchenfarbe" - und ist bis heute meine absolute Hassfarbe.

Man tut den Mädchen eigentlich nichts Gutes, wenn man sie in die passive Rolle drängt, denn die Anforderungen an Frauen werden mit jeder Generation höher. Früher blieb die Frau zu Hause, kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder - heutzutage ist das kaum noch möglich. In einer Dokumentation äußerte eine Psychologin die Theorie, dass Mädchen in der Pubertät deswegen eher zu psychischen Problemen neigen, weil sie weniger als Jungen dazu angehalten waren, ihre Energie anders zu fokussieren. Ob das stimmt, kann ich nicht sagen - aber es klingt einleuchtend. Auch wenn man heutzutage natürlich bereit ist, die Zügel ein wenig lockerer zu halten - Buben dürfen ab und an auch mit Puppen spielen, ohne gleich als "schwul" abgestempelt zu werden, und man erkennt an, dass Mädchen auch Fußball spielen können. Aber das sind nach wie vor eher Ausnahmen. Obwohl es bereits Studien gibt, die belegen, dass Talente und Körperkraft in der Kindheit geschlechtsunabhängig sind, werden nach wie vor bei Buben eher räumliches und logisches Denkvermögen, bei Mädchen soziale Kompetenz und Kreativität gefördert. Mit dem Ergebnis, dass Kinder in der Schulzeit in den jeweiligen Bereichen meist besser abschneiden.

Ich glaube, eines der Probleme, die ich als Kind damit hatte, mich selbst als Mädchen zu akzeptieren, war die Passivität, die als "weiblich" begriffen wurde. Der (männliche) Held zieht aus, um Abenteuer zu erleben. Die Frau wartet zu Hause - oder sie wartet darauf, gerettet zu werden. Ich wollte damals schon nicht warten, und schon gar nicht auf einen Mann - ich wollte auch Abenteuer erleben. Ich wollte der Superheld sein, nicht die Prinzessin.

Was allerdings nicht heißt, dass es in meiner Familie an weiblichen Vorbildern mangelt - sowohl die Familie meines Vaters als auch die meiner Mutter ist voll mit starken, intelligenten, tatkräftigen Frauen. Aber das fand ich erst nach und nach heraus, als ich schon alt genug war, um zu begreifen, dass die Rollenbilder von Mann und Frau hauptsächlich auf Klischees beruhen. Und ich habe mit dem Älterwerden auch andere weibliche Helden kennen gelernt - in der Literatur, in der Wissenschaft und ja, auch im Film. Und so lernte ich allmählich, dass es auf dieser Welt Frauen gibt, die größere Helden sind als die Action-Heroes meiner Kindheit. Ohne das männliche Heldentum schmälern zu wollen, aber sind wir uns ehrlich - es sind nach wie vor lediglich Filmhelden.

vousvoyez

Dienstag, 18. Dezember 2018

Da hätt' ich viel Geld, wenn ich ein schwangerer Mann wär'

(c) vousvoyez
Dieser Satz geht wieder einmal auf meine Kindheit zurück; damals war ich mit meinen Eltern und einer befreundeten Familie wandern - wo, weiß ich nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass auf einer Berghütte der jüngste Sohn der anderen Familie - er war damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt - beim Anblick eines Mannes mit vorspringendem Bauch ganz laut rief: "Da schau, ein schwangerer Mann!" Woraufhin dieser zu ihm ging, ihm die Bauchtasche unter seiner Jacke zeigte und nur trocken meinte: "Da hätt' ich viel Geld, wenn ich ein schwangerer Mann wär'."

Wandern gehört ja praktisch zum österreichischen Kulturgut - immerhin liegt unser Land direkt in den Alpen. Überhaupt besinnen sich immer mehr Österreicher auf ihre Ursprünge und ihre Kultur - oder das, was sie dafür halten. Trotzdem sehen viele ihre Kultur und Traditionen bedroht, da unser schönes Land immer mehr Einwanderer anzieht. Ich möchte hierzu einen Satz aus einem Asterix-Heft (Das Geschenk Cäsars) loswerden - der eine oder andere weiß vielleicht, dass ich aus einer Familie von Asterix-Fans komme. Und zwar ist es ein Satz von Methusalix, dem Dorfältesten: "Du weißt, ich hab nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier."

So lässt sich die allgemeine Stimmung hier auch zusammenfassen. Wobei es natürlich immer darauf ankommt, wie man die Sache sieht - ich halte auch nichts davon, Schüler auf Grund des Ramadans von Prüfungen zu befreien oder muslimische Mädchen vom Sexualkundeunterricht auszuschließen. Aber seit einiger Zeit gibt es (besonders im Internet) eine "Tradition", die besonders zur Weihnachtszeit, die ja jetzt schon in den letzten Zügen ist, angewendet wird. Und zwar ist es die Tradition der Übertreibung.

Ich weiß nicht, ob es euch schon aufgefallen ist - etwa ab November häufen sich in den sozialen Netzwerken seit einigen Jahren Meldungen, in denen beklagt wird, dass wir aus Rücksicht auf unsere muslimischen Mitbürger angeblich unsere eigenen Traditionen verleugnen. Das Martinsfest heißt auf einmal Lichterfest, der Weihnachtsmarkt Wintermarkt und der Weihnachtsmann Zipfelmützenmann (hoffentlich wird mein Blog durch dieses Wort nicht wieder als "jugendgefährdend" eingestuft). Angeblich deswegen, weil Muslime sich sonst auf den Schlips getreten fühlen. Deswegen können wir auch immer weniger unsere Kultur ausleben, und irgendwann werden unsere Frauen auch verschleiert herumlaufen müssen und wir werden zur muslimischen Fastenzeit nicht mehr beim Essen oder Trinken erwischt werden dürfen.

Ganz ehrlich? Ich weiß gar nicht, was die alle haben - wir leben doch unsere Kultur! Und zwar dermaßen penetrant, dass kaum jemand davor sicher ist. Das beginnt in meiner Stadt schon im September mit einem großen Trachtenfest mit sehr viel Maskerade - man kann sich kaum noch Richtung Innenstadt wagen, ohne auf Dirndl und Lederhosen zu treffen. Was das Martinsfest angeht - das heißt bei uns größtenteils "Laternenfest", und da sind nicht die Muslime schuld; diese Bezeichnung gibt es schon so lange, wie es das Martinsfest gibt, und ich wette, beim Lichterfest ist es auch nicht anders. Besonders aber leben wir unsere Kultur jetzt, zur Weihnachtszeit aus - an allen Ecken und Enden hört man Last Christmas oder Wonderful Christmastime, überall sind die Straßen und Häuser mehr oder weniger hübsch dekoriert, jeder ist grantig und hetzt von Geschäft zu Geschäft. Und nach Weihnachten geht das dann auch noch weiter - mein absolutes Hassfest, der Fasching, kommt als nächstes, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass wir jetzt nicht mehr Ostern feiern, nur weil ein Teil unserer Bevölkerung mittlerweile muslimisch ist.

Liebe Leute, es wird selten so heiß gegessen, wie gekocht wird. Lasst euch nicht irre machen von irgendwelchen Verschwörungsideologen Aufgeweckten aus dem Internet, die irgendwelche Bildchen teilen und das dann als Beleg dafür nehmen, dass wir unsere Kultur "verraten". Schaut euch lieber einmal um - habt ihr wirklich das Gefühl, dass wir unsere Traditionen nicht mehr leben? In meiner Kindheit gab es weit weniger Muslime, aber trotzdem waren Trachten eine Zeit lang verpönt (und es gab auch noch keinen Andreas Gabalier). Heute gehört unsere traditionelle Kleidung wieder zum guten Ton - zumindest einmal jährlich, was weitaus öfter ist als noch vor 20 oder 30 Jahren. Und was die Zuwanderung betrifft - wir sollten endlich aufhören, alles zu dramatisieren, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Dass Sprache, Kultur und Ethnie niemals statisch sein können, sollte eigentlich schon allgemein bekannt sein. Unser Land wird sich in nächster Zeit noch verändern, aber das Leben besteht nun einmal aus Veränderungen. Und es liegt an uns, zu entscheiden, welche Veränderungen wir zulassen und welche nicht. Und ich denke, dass es vor allem diejenigen sein sollten, die uns vorwärts bringen - und Rassismus ist das ganz sicher ebenso wenig wie die Akzeptanz von rückschrittlichen Traditionen. Und damit meine ich nicht nur unsere eigenen.

vousvoyez

Mittwoch, 7. November 2018

Kein Wunder, dass Mozart so früh gestorben ist, er hat seine eigene Musik nicht mehr ausgehalten

(c) vousvoyez
Mein Vater hatte kein herausragendes musikalisches Talent. Trotzdem nahm er in seiner Jugend Banjo-Unterricht. Das sagte er jedenfalls seinen Eltern. In Wirklichkeit nutzte er die Zeit, in der er angeblich Banjo spielte, um sich mit Mädchen zu treffen. Mit klassischer Musik konnte er nie viel anfangen. In seiner Jugend mochte er Joan Baez und die Beatles - und stritt sich wie viele Jungs damals mit seinem Vater wegen seiner Haarlänge. Das kann man sich heute kaum mehr vorstellen.

Inzwischen sind mehr als fünfzig Jahre vergangen, und Mozart und die Beatles sind längst Geschichte. Ich habe das alles nicht erlebt, aber auch ich habe in inzwischen fast 35 Jahren so einiges mitbekommen, was in der Welt passierte. Ich habe sieben Regierungen in Österreich miterlebt, drei Päpste und sechs US-Präsidenten. Ich war auf der Welt, als das Reaktorunglück in Tschernobyl passierte und die Berliner Mauer fiel, ich erinnere mich an den EU-Beitritt Österreichs, die Jahrtausendwende und den 11. September 2001. Aber manches habe ich nicht mehr in Erinnerung.

Ich muss zugeben, ich habe kein so großes Interesse mehr fürs Fernsehen oder für Serien. Ich werde immer Bücher lesen, aber ansonsten, das muss ich zugeben, nutze ich die neuen Medien aktuell mehr als die alten. Der Streaming-Dienst Netflix ist mir wurscht, aber letztens bin ich auf eine Reihe vonYouTube-Videos gestoßen, in der von einer Netflix-Serie gesprochen wurde, die die Geschichte eines der bekanntesten Attentäter Amerikas erzählt.

Ein bekannter Attentäter stammt ja auch aus meiner Heimat. Franz Fuchs, von den Medien "das Bombenhirn" genannt, verübte in den neunziger Jahren zahlreiche Brief- und Rohrbombenattentate gegen Migranten sowie Personen und Organisationen, die sich für die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund engagierten. Vier Menschen starben dabei, die letzte Rohrbombe fetzte dem Attentäter selbst die Hände weg. Im Jahr 2000, drei Jahre nach seiner Inhaftierung, erhängte er sich in seiner Zelle mit dem Kabel seines Rasierapparates.

Fuchs' Attentate waren eindeutig rassistisch motiviert. Der Unabomber Ted Kascynski, der siebzehn Jahre lang Briefbomben verschickte, war zwar anti-links eingestellt, seine Motive waren jedoch gänzlich andere.

Theodore Kascynski wurde 1942 als Kind polnischer Einwanderer in Chicago geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Im Alter von neun Monaten wurde er auf Grund eines allergischen Schocks ins Krankenhaus eingeliefert und dort mehrere Tage von seinen Eltern isoliert, was sein anfänglich umgängliches Wesen nach Aussage seiner Mutter komplett verändert hätte. Ich weiß nicht, inwiefern das stimmt, aber damals war der Umgang mit Kindern ohnehin erschreckend lieblos, ja geradezu widernatürlich; in den Erziehungsratgebern von Johanna Haarer wird beispielsweise empfohlen, das Baby unmittelbar nach der Geburt erst einmal 24 Stunden in einem separaten Zimmer allein zu lassen, und allgemein habe ich auch von Personen aus dieser Generation gehört, die im Krankenhaus von den Eltern nicht besucht werden durften. Ob dies aber der Grundstein für Kascynskis Mangel an sozialer Kompetenz ist, kann ich nicht beurteilen.

Schon als Kind soll Kascynski über herausragende intellektuelle Fähigkeiten verfügt haben, ein Test bescheinigte ihm einen IQ von 165 bis 167, er übersprang zwei Klassen und erhielt mit sechzehn Jahren ein Stipendium für die Harvard-Universität. Dort begann er ein Mathematik-Studium, das er an der University of Michigan abschloss. In den Videos, von denen ich ausgehe, wird Kascynskis hohe Intelligenz angezweifelt. Dazu muss aber gesagt werden, dass IQ-Tests gewisse Teilaspekte der Intelligenz, beispielsweise die emotionale, ausklammert. Nicht umsonst sind uns so viele einzelgängerische, absonderliche Genies bekannt. Man darf auch nicht vergessen, dass hochbegabte Kinder, die noch dazu Klassen überspringen, oft zum Außenseitertum verdammt sind - sie sind ihren Altersgenossen intellektuell über- und ihren älteren Klassenkameraden körperlich unterlegen. Dies macht sich besonders am Beginn der Pubertät bemerkbar. Ich weiß aus meinem unmittelbaren Umfeld, wie riesig in dieser Zeit selbst der Altersunterschied von einem einzigen Jahr schon sein kann.

Ein weiteres einschneidendes Erlebnis von Kascynskis Jugend war wohl seine Teilnahme an dem CIA-Projekt MKUltra, das von den fünfziger bis in die siebziger Jahre hinein lief. Dieses Projekt ist allgemein bekannt; es diente der Erforschung der Bewusstseinskontrolle und der Entwicklung eines Wahrheitsserums im Verhör von Spionen der Sowjetunion. Bei diesem Programm wurden vorwiegend ahnungslosen Probanten psychedelische Drogen sowie Gifte, Chemikalien, Gas, Krankheitserreger und Elektroschocks verabreicht, man testete die Wirkung von Hypnose, Psychotherapie, künstlicher Gehirnerschütterung und Operationen. Viele der Versuchspersonen trugen schwere körperliche und psychische Schäden davon, manche wurden zu Forschungszwecken entführt, es gab sogar Todesfälle. Der Schriftsteller Ken Kesey verarbeitete seine Erfahrungen als Testperson später in seinem Roman Einer flog über das Kuckucksnest. Vielleicht mache ich mich zu dem Thema auch einmal schlau. Wir werden sehen.

Nach Abschluss seines Studiums nahm Kascynski eine Forschungsstelle an der Michigan University an, ehe er als Assistenzprofessor an der University of California in Berkeley arbeitete. Überraschend kündigte er diese Stelle bereits nach zwei Jahren und zog zunächst zurück zu seinen Eltern nach Lombard, einem Vorort von Chicago. Er arbeitete zusammen mit seinem Bruder David in einer Fabrik, wurde jedoch von diesem entlassen, nachdem er dort sarkastische Gedichte über eine Kollegin aufgehängt hatte, die seine Liebe nicht erwiderte. Hier zeigt sich bereits sein Mangel an sozialer Kompetenz; sein Hass auf die Gesellschaft nahm wohl Gestalt an.

Ab 1970 wohnte er in einer kleinen, selbst gebauten Hütte in Montana, die weder über Elektrizität noch fließend Wasser verfügte. Hier fasste er den Entschluss, sich an der Gesellschaft zu rächen. Am 25. Mai 1978 explodierte eine Briefbombe auf dem Parkplatz der Northwestern University in Evanston, Illinois, bei der ein Polizist verletzt wurde. Diesem ersten Attentat folgten bis 1995 insgesamt 16 Anschläge, deren Opfer zunächst bevorzugt Universitätsprofessoren und Vorstandsmitglieder von Fluggesellschaften waren, was Kascyinski den Spitznamen "Unabomber" (university and airline bomber) einbrachte. Die Attentate forderten insgesamt 23 Verletzte und drei Tote.

Im Juni 1995 schickte Kascynski anonym ein Manifest mit dem Titel Die Industriegesellschaft und ihre Zukunft an die New York Times und die Washington Post und stellte das Ende der Bombenattentate in Aussicht, sollte dieses veröffentlicht wurden. Dies geschah auch. Das Manifest ist im Wesentlichen eine Absage an die Industriegesellschaft, die Kascynskis Meinung nach die Menschen ihrer individuellen Freiheit beraubt. Er sieht seine Bombenanschläge als Beginn einer Revolution, die die Deindustrialisierung zur Folge haben und den Menschen zur Autonomie zurückführen soll - eine Autonomie, die allerdings nie im Interesse der Menschheit war. Wir Menschen haben das Überleben unserer Art gesichert, indem wir Kollektive gebildet haben; das gilt auch für Kascynskis großes Vorbild, dem indianischen Jäger. Der Autor des Manifests scheint große Probleme damit zu haben, dass unsere Gesellschaft gewisse Regeln verlangt; natürlich krankt es in unserer Gesellschaft an so manchem, aber völlig ohne Regeln kann niemand leben. Ich kann nicht einfach so meinen Nachbarn erschlagen, nur weil er zu laut Musik spielt. Und ich kann nicht erwarten, dass sich jemand nicht wehrt, wenn er angegriffen wird. Beim Betrachten der Videos, die mich zu diesem Artikel inspiriert haben, ist mir eine Geschichte eingefallen, die mir mein ältester Bruder einmal erzählt hat: Als Erstklässler hat er einmal nur so zum Spaß einen schwächeren Mitschüler schikaniert, woraufhin er es dann jedoch mit dessen großem Bruder zu tun bekam. So hat er gelernt, dass man immer mit Gegenwehr rechnen muss. Wenn das ein Sechsjähriger begreift, ist es in der Tat schwer vorstellbar, dass ein Erwachsener dazu nicht in der Lage sein soll. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit des anderen beginnt - das ist eine alte Weisheit, die nicht nur für die jeweilige Woche gilt, sondern für die gesamte Menschheit, und das zu jeder Zeit. Kascynski jedoch will die ultimative Freiheit, wenn nötig auch auf Kosten aller anderen, und die Welt muss ausschließlich nach seinen Regeln leben. In den erwähnten Videos ging es darum, dass das Unabomber-Manifest wohl deswegen so bereitwillig publiziert wurde, weil es nicht so umstürzlerisch ist, wie man annehmen mag - was darin gefordert wird, ist nicht das, was die meisten Menschen wollen, und den wenigen, die es wollen, steht es frei, es zu tun, und sie tun es meist auch. Abgesehen davon - und das halte ich persönlich für mindestens ebenso wichtig - geht aus dem Text auch nicht hervor, wie es nach erfolgreicher Beendigung der Revolution weitergehen soll.

Doch die Veröffentlichung des Manifests hatte noch einen weiteren Nutzen: Man hoffte, die Identität des Unabombers an Hand seines Schreibstils ermitteln zu können. Tatsächlich erkannte die Frau von Ted Kascynskis Bruder David dessen Stil, er wurde am 3. April 1996 festgenommen. Auf Initiative seiner Familie hin wurde ihm paranoide Schizophrenie attestiert. Da Kascynski jedoch seine Taten nicht als die eines Gestörten verstanden haben wollte, bekannte er sich letztlich schuldig und wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er in einem Hochsicherheitsgefängnis in Florence, Colorado verbüßt.

Warum ich darüber schreibe? Nun ja - spektakuläre Verbrechen haben immer eine gewisse Faszination auf den einen oder anderen Menschen ausgeübt. Nicht umsonst hat Charles Manson noch in Haft haufenweise Fanpost bekommen. Schlimmstenfalls endet es mit einem Blutbad wie bei Anders Breivik, der ja auch ein großer Bewunderer des Unabombers war. Fest steht: Kascynski war nicht der geniale Rebell, den manche in ihm sehen wollen. Er war viel mehr ein labiler Mensch, der wohl durch ungünstige Umstände in seinen prägenden Lebensjahren einen Hass gegen die Gesellschaft hegte, doch seine Attentate folgten keiner wirklichen Logik - man kann wohl eher annehmen, dass die Gewalt, die er ausübte, nur dem Selbstzweck diente und nicht wirklich einem "höheren Wohl" diente.

Deswegen - überlegt euch genau, wen ihr bewundert.

vousvoyez


Hier die Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=u135NM3XyLo
https://www.youtube.com/watch?v=kRSDxyHsbPQ
https://www.youtube.com/watch?v=JvdQbmNOt1w

Falls es wen interessiert, hier kann man auch das Manifest nachlesen - macht euch selbst ein Bild:

https://www.dropbox.com/s/4wg9yxtp7ofb83c/die-industriegesellschaft-und-ihre-zukunft.pdf?dl=0


Montag, 29. Oktober 2018

Plötzlich, eines Tages, wachst auf und merkst, du bist tot!

Der Urheber dieses Spruchs hat die Erfahrung inzwischen schon gemacht. Früher hatten wir in der Familie öfter so Sprüche, die sich um das Ableben drehten. Allerheiligen steht ja gerade unmittelbar vor der Tür. In meiner Kindheit verbrachten wir diesen Tag mit etwas, das wir "Gräberrallye" nannten und bei den meisten Familien üblich war: Wir besuchten die Gräber von Verwandten, von denen ich allerdings fast keinen kannte, und kauften hinterher gebratene Maroni von einem der allgegenwärtigen Standln. Das war für mich irgendwie der Beginn der Vorweihnachtszeit. Der erste Tod, an den ich mich erinnern kann, war der des älteren Bruders meines Vaters, der an Krebs starb, als ich etwa drei oder vier Jahre alt war. Ich erinnere mich noch daran, als mir mein Vater erklärte, dass er gestorben und im Himmel war - auf diese Weise erfuhr ich vom Tod. Als meine beiden jüngsten Nichten etwa gleich alt waren, machten sie die Erfahrung auf dieselbe Art - als mein Vater starb. Mir wurde erklärt, dass man nach dem Tod ein Engel wird und in den Himmel kommt. Man sprach auch oft von einer "Seele" - die ich mir ungefähr so wie eine Sehne vorstellte, wahrscheinlich wegen der Ähnlichkeit des Wortes. Meine Mutter erzählte mir später, sie habe sich die Seele immer wie einen viereckigen Kasten mit Füßen vorgestellt, der vor der Beichte schwarz und hinterher weiß war. Ich wurde älter, und die kindlich-naive Vorstellung eines Himmelreiches verflüchtigte sich etwa zu der Zeit, als ich erfuhr, dass die Weihnachtsgeschenke nicht vom Christkind gebracht werden.

Uns Österreichern wird ja oft nachgesagt, wir seien nahezu vernarrt in den Tod und hätten ein Faible fürs Morbide. Das hat zwar einen wahren Kern, aber ich denke, das kommt vor allem von all jenen, die gerne ganz Österreich mit Wien verwechseln. Die Wiener haben tatsächlich ein besonders inniges Verhältnis zum Tod - auch wenn der Schriftsteller Thomas Bernhard Salzburg als die morbideste Stadt bezeichnete. Das ist aber auch verständlich, wenn man seine Geschichte betrachtet - er ist teilweise dort aufgewachsen und als Jugendlicher beinahe an einer Lungenkrankheit gestorben. Aber ich muss zugeben, auch mir fällt bei dem Gedanken, wo der Hauch des Todes am ehesten zu spüren ist, auch als erstes Salzburg ein. Irgendwie kommt mir diese Stadt ein bisschen wie ein konservierter Leichnam vor. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich Wien eher von seiner "jungen" Seite kenne, wenn man das mal so sagen kann. Vielleicht auch, weil ich schon so ewig lang nicht mehr in Salzburg war, in Wien aber schon öfter. Und mein Besuch der Kapuzinergruft ist auch schon mindestens 25 Jahre her.

Aber ja, wenn man all die großen Geister der Kunst betrachtet, die schon in Wien lebten, so beschäftigten sich praktisch alle irgendwann einmal mit dem Tod. Die typischen Wiener Lieder handeln auch hauptsächlich davon, und ich kenne keine sprachliche Varietät, die so viele Synonyme für den Begriff "sterben" verwendet.

A Bankl reißen bedeutet wörtlich "eine Sitzbank umwerfen" und stammt aus dem Rotwelschen, der Sprache der Fahrenden, der Vagabunden, Bettler und Kleinkriminellen. Wer tot umfällt, schmeißt oft auch die Bank mit um - sofern sie nicht, wie viele Parkbänke, festgeschraubt ist.

An Abgang machen heißt praktisch, von der Bühne des Lebens abzugehen. Wien war ja bekanntlich lange Zeit ein Zentrum der europäischen Kunst und Kultur - und erfreut sich auch heute noch eines regen kulturellen Lebens. Ich glaube, es war Shakespeare, der die Welt zur Bühne und uns, ihre Bewohner, zu Schauspielern erklärte. Aber zumindest auf der Theaterbühne kann sich der zuvor Verstorbene noch einmal vor seinem Publikum verbeugen.

Auch derjenige, der die Patschen streckt, stirbt. In Österreich sagen wir zu Hausschuhen bzw. Pantoffeln "Patschen", und manche Fußbekleidung wird mit einem Schuhstrecker bzw. -spanner versehen, um nicht die Form zu verlieren. Für Patschen ist das zwar eher unüblich, kann aber durchaus sein. Wenn einer stirbt, braucht er seine Patschen nicht mehr, so dass diese für immer auf dem Schuhstrecker gespannt bleiben.

Wenn man tot und begraben ist, also unter der Erde liegt, schaut man sich die Erdäpfel oder vielleicht auch die Radieschen von unten an. In Österreich heißen Kartoffeln Erdäpfel - gleich wie das französische pommes de terre. Ein Berliner Kabarettist, der sich "der Tod" nennt, immer mit Kutte und Sense auf die Bühne geht und sozusagen PR fürs Sterben macht, zeigt gerne, wie harmlos die Radieschen von unten aussehen. Die heißen in Österreich gleich wie in Deutschland. Aber auch das Wort "Kartoffel" setzt sich neben den guten alten "Erdäpfeln" immer mehr durch.

Bevor man begraben wird, haut man sich ins Holzpyjama. Der Holzpyjama ist der Sarg - wobei man sich, ähnlich wie beim Radio, nicht einig ist, ob es "der" oder "das Pyjama" heißt. Zu Anziehen sagt man manchmal auch "sich in's G'wand hauen". Und wenn man im Sarg liegt, hat man sich also eben den Holzpyjama angezogen.

Aber ehe man das macht, muss man bekanntermaßen erstmal den Löffel abgeben, hinlegen oder weghauen. Dieser Ausdruck stammt übrigens aus dem Mittelalter, als das Arme-Leute-Essen üblicherweise aus Brei bestand und überdies außer mit dem Löffel hauptsächlich mit den Händen gegessen wurde - wie es in afrikanischen Ländern bis heute üblich ist. Viele Löffel waren damals selbst geschnitzt, und da das Essen lebensnotwendig ist, ist das Hinlegen oder Weghauen gleichbedeutend mit dem Ableben; wenn der Löffel wiederverwendet wurde, hatte man ihn mit seinem Sterben abgegeben.

Sobald man das getan hat, stellt man die Bock auf. Die Wiener nennen die Schuhe gern "Bock", und wenn jemand in Schuhen gestorben ist und tot daliegt, berühren deren Sohlen nicht mehr den Boden, sondern stehen senkrecht.

Und sobald sie senkrecht stehen, hat man sich die Schleif'n geben; gemeint ist die Schleife, die den Kranz auf dem Grab ziert, wenn jemand frisch verstorben ist. Beliebt sind ja auch Sinnsprüche in altdeutscher Schrift - oder ist das nur so bei Soldaten, die im Krieg gefallen sind?

Einer der liebsten Ausdrücke meiner Mutter ist er ist umg'standen. "Umstehen" heißt eigentlich verderben, man kann es aber auch so interpretieren, dass derjenige im obersten Stock angekommen ist - das ja bekanntlich das Himmelreich ist. Dann hat er es auch umebog'n, also hinter sich gebracht, gemeint ist das Leben. Letzterer Ausdruck kommt übrigens aus dem Bereich der Küferei, also der Fassbinderei; dies war Schwerstarbeit, da die eisernen Reifen mit schweren Zangen umgebogen werden mussten.

Wenn sich jemand den Holzpyjama anzieht, muss er außerdem noch nachschauen, ob der Deckel passt. Gemeint ist hier natürlich der Deckel vom Grab. Ich erinnere mich übrigens noch daran, dass der Deckel des gewaltigen Sarges der Kaiserin Maria Theresia in der Kapuzinergruft so aussah, als ob er einen Spalt breit offen sei. Dies ist übrigens nicht nur mir aufgefallen. Also hat sie wohl nicht nachgeschaut, ob der Deckel passt. Sobald er aber passt, lasst ma si abe, man lässt sich hinunter; gemeint ist hier, dass der Sarg in die Grube hinuntergelassen wird.

Ist es einmal so weit, so wird man vom Banernen g'hoit. Nein, das ist kein Schreibfehler; gemeint ist nicht die gelbe Südfrucht, sondern der "Beinerne", also der Tod. Knochen werden in Wien gern als "Baana", also "Beine", bezeichnet, das kommt von "Gebein", und bekanntlich wird der Tod ja gerne als Skelett dargestellt, natürlich oft mit schwarzer Kutte und Sense.

Eine beliebte Redewendung ist auch der Ausdruck mit'm Anasiebz'ger fahr'n. Die Straßenbahnlinie 71 führt in Wien direkt zum Zentralfriedhof. Demzufolge würde man in meiner Stadt wohl mit dem Neununddreißiger fahren - auch wenn das keiner sagt. Und den Großteil meiner Familie kann ich nur mit dem Siebener besuchen.

Wie ihr seht, ist die Sprache unserer Bundeshauptstadt äußerst vielfältig und kreativ - besonders wenn es darum geht, sich "niedazuleg'n". Nicht umsonst heißt es: "Der Tod muss ein Wiener sein". Ich hoffe nur, er kommt nicht eines Tages zu mir und sagt "He, Oide! Zeit, dass 'd an Löffel abgibst!" Das wäre wohl zu viel des guten. Was nachher passiert - keine Ahnung. Es gibt eine Menge Leute, die glauben, es zu wissen, aber sie glauben es eben nur und wissen es nicht. Deswegen zu jammern, hat auch keinen Sinn, denn ändern kann man es nicht - der Tod ist wohl der größte Gleichmacher im Leben, und das hat auch was Beruhigendes. Außer für Woody Allen, der ja bekanntlich die Unsterblichkeit nicht durch sein Werk erlangen will, sondern dadurch, dass er nicht stirbt. Da seine Eltern mit über hundert geworden sind, kann es durchaus sein, dass auch er so lange lebt. Wir werden ja sehen.

Wir sehen uns ganz bestimmt wieder, bevor einer von uns die Patschen streckt. Das Leben hält noch so viel bereit. In diesem Sinne, bon voyage!

vousvoyez

Zum Ausklingen noch ein echtes Wienerlied, das mich zu diesem Artikel inspiriert hat: https://www.youtube.com/watch?v=L7O1TomcTOg

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Du sollst keine Türen bumsen

Ein Auszug aus den 10 Geboten einer von mir und einem Kollegen gegründeten Alternativ-Religion. Die allerdings schon längst der Vergangenheit angehört - man sollte eben nicht zu flexibel sein, jobmäßig. Stattdessen sollte man an etwas glauben, um die Moral zu stärken. Und vielen sind die Weltreligionen eben nicht genug. Manche bauen da lieber auf das haarsträubende Geschwurbel die hochvernünftigen Ansichten diverser Verschwörungstheoretiker Wahrheitssuchender.

Jaja, ich weiß, das Schwurbelthema hatten wir schon mal. Ich hatte auch nicht wirklich vor, es wieder zu beleben. Wie viele von uns jedoch wissen, wird aktuell gegen die österreichischen Staatsverweigerer der Prozess geführt - ein Thema, das ich bereits angerissen habe -, und überdies rückt die Preisverleihung für den goldenen Aluhut 2018 näher. Außerdem öffnet die einmalige Beschäftigung mit all dem Blödsinn den alternativen Ansichten derer, die sich als "Truther" betiteln, Tür und Tor zur literarischen Unterwelt des World Wide Web. Leider findet man da nicht nur lustige Geschichten, sondern auch Ansichten, die höchst bedenklich, teilweise sogar gefährlich sind (zur Erinnerung - auch der Holocaust und die Hexenprozesse basierten auf Verschwörungstheorien). Und unglücklicherweise haben diese Ideen oft auch noch Anhänger, die felsenfest von deren Richtigkeit überzeugt sind. Nicht nur das - manche Verschwörungs-Blogs wecken in mir die Vermutung, dass ihre Ersteller an einer schweren psychischen Erkrankung leiden, die nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch andere in Mitleidenschaft ziehen könnte (ein Herr "belegte" seine Behauptung, vom System - wen auch immer er damit gemeint haben könnte - gefoltert zu werden, indem er Fotos von diversen Körperteilen, einschließlich unterhalb der Gürtellinie, in seinem Blog zur Schau stellte. Aus Rücksicht auf die psychische Gesundheit meiner Leser verlinke ich diese Website lieber nicht). Von solchen Ergüssen lässt man lieber die Finger, wenn man nicht gerade vorhat, die nächste Mahlzeit auszulassen.

Aber ich möchte mich nicht allzu tief in das tragische Labyrinth von Holocaust-Leugnern und MMS-Schluckern begeben. Das Leben ist auch so schon kompliziert genug - wenn ihr euch informieren wollt, kann ich euch genügend Links anbieten. Ich muss schließlich auch auf meine psychische Gesundheit achten - und auf meine physische, denn ich kann nicht pausenlos meinen Kopf gegen die Wand donnern. Trotzdem möchte ich noch auf ein paar idiotische Behauptungen harte Fakten der Truther-Gemeinde eingehen. Man könnte meinen, nach der flachen Erde und den Reptiloiden könnte es nicht mehr schlimmer kommen. Irrtum, Sirs and Ladies, Irrtum! Es geht immer NOCH abstruser vernünftiger!

Ja, wir werden in vieler Hinsicht getäuscht und belogen. Geheime Mächte, die so geheim sind, dass nur die Rige der Intelligenzverweigerer intellektuelle Elite der Verschwörungsaufdecker von ihnen weiß, so geheim, dass man ihre Existenz weder beweisen noch wiederlegen kann (wie praktisch!) fällt nichts Besseres ein, als uns rund um die Uhr zu belügen und uns vom Kindergarten an mit falschem Wissen zu indoktrinieren. So wird uns sogar weisgemacht, dass ganze Landmassen existieren, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt! Was "die Mächtigen" davon haben, wird allerdings nicht erklärt.
Die Rede ist von Finnland. Ja, ihr habt richtig gehört, es geht um ein nordeuropäisches Land, das fast so groß ist wie Deutschland. Dieses soll nämlich angeblich gar nicht existieren - dort, wo es sein soll, so die Theorie, befinde sich lediglich die Ostsee. Erkläre das mal den 5,5 Millionen Finnen!

Diese Verschwörungsideologie war ursprünglich als Witz gemeint. Derjenige, der diese Behauptung in die Welt setzte, hat nie ernsthaft daran geglaubt. Dennoch gab es Leute, die dem Schreiber auf dem Leim gingen, und so bildete sich eine Splittergruppe aus Aufgewachten, die tatsächlich glauben, Finnland existiere nicht. Diese behaupten, dass dieses Land nach dem Ersten Weltkrieg von den Japanern und den Russen erfunden wurde, damit sie dort ungestört fischen konnten. Die gefangenen Fische würden dann mit der Transsibirischen Eisenbahn, getarnt als Nokia-Produkte, nach Japan transferiert. Die Menschen, die glauben, Finnen zu sein, kämen in Wahrheit aus Ostschweden, Westrussland und dem nördlichen Estland - die finnische Hauptstadt Helsinki liege in Wahrheit im östlichen Schweden! Im Laufe der nächsten hundert Jahre sei das nicht existente Finnland dann - da es in den Bereichen Bildung und Alphabetisierung, medizinische Versorgung, Gleichstellung, Stabilität, Unbestechlichkeit und Pressefreiheit Spitzenpositionen einnimmt - zu einer Art Utopie geworden, einem Ideal, nach dem alle anderen europäischen Ländern streben sollten. Ein weiterer "Beweis" der Finnland-existiert-nicht-Theorie ist übrigens auch der Umstand, dass es keine universal bekannten Prominenten gibt, die aus diesem Land kommen.

Übrigens: Der Initiator dieser Verschwörungstheorie amüsiert sich bis heute königlich über all die Dummköpfe, die ihm auf den Leim gegangen sind. Ist ja auch ein starkes Stück, die Existenz eines ganzen Landes vollkommen zu negieren. Aber wie der eine oder andere, der meinen Blog nicht erst seit heute kennt, wahrscheinlich noch weiß, habe ich bereits früher erklärt, dass auch Theorien noch Zulauf erfahren, die eigentlich schon längst widerlegt sind - es gibt auch immer noch Leute, die glauben, Blair Witch Project sei echt, obwohl die Macher dieses Films schon längst zugegeben haben, dass diese Behauptung nur ein PR-Gag gewesen sei. Vielleicht schreibe ich auch mal über PR-Gags für Horrorfilme - ich kenne da einige gute. Aber nun weiter.

Wer nun tatsächlich glaubt, der Zenit des Abstrusen sei nun erreicht, der irrt. Jaja, liebe Leute, die Unterwelt ist tief! Und wer sich bereits mit dummen, leicht widerlegbaren Behauptungen alternativen Fakten beschäftigt hat, dem wird vielleicht nicht entgangen sein, dass die NASA in Wirklichkeit nur dazu da ist, um der Menschheit Lügen aufzutischen - sei es die flache Erde, die gefakte Mondlandung oder die zweite Sonne. Ja, ihr habt richtig gehört, die NASA verheimlicht uns eine zweite Sonne!

Nun ist es so, dass die Hypothese einer zweiten Sonne, genannt Nemesis, keineswegs so abstrus ist, wie sie zu sein scheint - laut neuerer astronomischer Erkenntnisse treten sonnenähnliche Sterne in der Regel tatsächlich paarweise auf. Man geht jedoch davon aus, dass der mögliche Begleitstern der Sonne deren System bereits so weit verlassen hat, dass man ihm seinem ursprünglichen Stern nicht mehr zuordnen könnte. Da ich keine Astronomin bin, will ich auf diese Idee nicht weiter eingehen - im Internet steht ohnehin genug darüber. Nun gibt es aber Leute, die behaupten, die NASA verheimliche uns diese zweite Sonne absichtlich - angeblich, weil sich hinter dieser ein zweiter Planet befinde, der irgendwann mit der Erde kollidieren soll. Wie man eine zweite Sonne verheimlicht? Angeblich durch einen Spiegel - trotzdem klingt diese Geschichte extrem an den Haaren herbeigezogen. Nun gut.

Als ob das noch nicht genug wäre, gibt es immer wieder Leute, die es wagen, die Fähigkeiten unserer klügsten Köpfe in Zweifel zu ziehen. Ich habe ja bereits darüber berichtet, dass es immer wieder Fans gibt, die den Tod ihrer Idole nicht wahrhaben wollen und deswegen behaupten, sie hätten diesen nur vorgetäuscht. Aber nicht nur das - es gibt sogar Menschen, die behaupten, der kürzlich verstorbene Stephen Hawking, ein leuchtendes Beispiel dafür, dass man trotz widriger Umstände noch Unglaubliches erreichen kann, sei in Wirklichkeit gar kein Genie gewesen. Statt dessen sei er die Geisel jenes Computers gewesen, der ihm die Fortbewegung und das Sprechen ermöglichte - in Wirklichkeit sei nämlich dieser der Urheber all seiner genialen Ideen gewesen. Da der Computer den Wunsch hatte, von der Gesellschaft anerkannt zu werden, bediente er sich Hawkings Körper. Nein, Leute, ihr seid nicht allein mit dem Gedanken, dass diese Theorie an Frevel grenzt - lässt sie doch außer Acht, dass Hawking bereits ein Genie war, bevor er erkrankte, und dass ihn die Krankheit auch, bevor er seine Fähigkeit zu sprechen verlor, in keiner Weise intellektuell beeinträchtigte. Deswegen möchte ich dieses Thema auch nicht allzu sehr vertiefen - es soll nicht mehr sein als ein Beispiel dafür, an was für komische Sachen manche Menschen glauben.

Im Jahr 1994 schlugen Wissenschaftler aus Ohio die Entwicklung einer so genannten "Gay Bomb", auch "Sex Bomb" genannt, vor. Diese sollte feindliche Soldaten in wollüstige Ekstase versetzen, wodurch sie dazu gezwungen wären, miteinander körperliche Handlungen zu vollziehen, woraufhin man sie leicht hätte überwältigen können. Diese Idee kam über ein Gedankenexperiment nie hinaus, lieferte aber den Nährboden für eine weitere Verschwörungsthese, die von niemand Geringerem als Alex Jones verbreitet wurde. Der Amerikaner Alex Jones betreibt eine tägliche Radiosendung, eine Website und einen internetbasierten Fernsehsender; seine Inhalte sind eher umstritten, da sie aus Verschwörungsthesen bestehen, die häufig rassistisch, sexistisch oder sonst irgendwie bedenklich sind. Viele Internet-Anbieter von YouTube bis YouPorn haben seine Accounts deswegen inzwischen gesperrt. Seine bekannteste Verschwörungsthese ist jedoch die der "Gay Bomb" - ihm zufolge existiere diese wirklich und werde auch eingesetzt mit dem Ziel, alle Männer schwul zu machen. Dies sei auch der Grund, warum es heute viel mehr Homosexuelle gäbe als früher - und nicht etwa, weil man endlich aufgehört hat, Homosexuelle an den Rand der Gesellschaft zu drängen und ihre Neigung zu kriminalisieren. Ziel sei es wieder einmal, die menschliche Bevölkerung zu reduzieren - wie könnte es auch anders sein. Ein unerwünschter Nebeneffekt sei allerdings, dass die Substanz, die die "Gay Bomb" freisetze, bereits ins Wasser gelangt sei und die Frösche schwul mache. (Man merkt es ganz besonders im südamerikanischen Regenwald - da gibt es ja bereits viele lustig bunte Frösche. Die sind wahrscheinlich alle schwul.) Offensichtlich stützte sich Jones bei seiner Aussage auf eine Studie der Berkeley-Universität, die darauf hinwies, dass ein weit verbreitetes Pestizid bei Fröschen zu einem Geschlechtswechsel führen kann. Was aber nicht dasselbe ist wie der Wechsel der sexuellen Orientierung. Tatsache ist jedoch, dass Jones seine Anhänger hat - sein Redestil ist so leidenschaftlich und emotional, wie es viele Amerikaner nun mal gern mögen.

Zum Schluss noch eine Verschwörungsideologie aus der Popkultur - gerade die haben es mir nämlich angetan. Diese Geschichte ist tatsächlich äußerst populär, wird aber heutzutage, denke ich, nur noch von wenigen geglaubt. Trotzdem erfreute sie sich eine Zeitlang großen Zulaufs - die Rede ist von der "Paul-is-dead"-Theorie.

Die Beatles sind bis heute wohl neben den Rolling Stones die erfolgreichste und populärste Band aller Zeiten - haben sie doch ein ganzes Jahrzehnt maßgeblich geprägt. Da sie jedoch Ende der 1960er Jahre auseinander gingen und John Lennons Tod den Traum einer Wiedervereinigung für immer zerstörte, ranken sich wohl weitaus mehr Mythen und Legenden um sie als um ihre musikalischen Gegenspieler. Und einer dieser Mythen ist, dass Paul McCartney schon vor ihrer Trennung gestorben ist.

Diese Behauptung geht auf einen satirischen Artikel der Campus-Zeitung der University of Michigan aus dem Jahr 1969 zurück, in dem stand, McCartney sei drei Jahre zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen und werde seitdem durch ein Double ersetzt. Diese Theorie wurde durch einen Radiosender aus Detroit verbreitet, und wie es halt so ist, fanden sich bald Fans, die sie ernst nahmen und begannen, in den Werken der Beatles nach "Beweisen" für Pauls Tod zu suchen - auf Plattencovers, in Songtexten, in McCartneys Biographie. Das Cover des Albums Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band wurde als Darstellung einer Trauerfeier interpretiert, das Cover von Abbey Road als Trauerzug, John Lennon sagt am Schluss von Strawberry Fields Forever angeblich "I buried Paul" (in Wirklichkeit sagt er "cranberry sauce") und dass McCartney sich 1968 von seiner langjährigen Freundin Jane Asher trennte und nur wenig später Linda Eastman heiratete, lag angeblich daran, dass sein Double sich nicht mit Asher verstand.

Wie man sich denken kann, amüsiert sich Paul McCartney bis heute königlich über diese Theorie, die noch einmal wiederbelebt wurde, als 2007 eine 46jährige Deutsche behauptete, sie sei seine leibliche Tochter - der Vaterschaftstest fiel jedoch negativ aus. Er veröffentlichte 1993 sogar ein Live-Album mit dem Titel Paul Is Dead. Es gibt übrigens noch eine andere Geschichte, die im Gegenteil behauptet, alle Beatles außer Paul seien 1966 gestorben - was daran festgemacht wurde, dass das Aussehen der Bandmitglieder sich von 1966 auf 1967 stark veränderte. Klar, sie ließen sich die Haare und die Bärte wachsen, und John Lennon trug eine Brille und war deutlich dünner geworden - aber ja, natürlich kann das alles überhaupt gar nie passieren, Menschen sehen ihr Leben lang immer total gleich aus. Ich bilde mir wahrscheinlich auch nur ein, dass ich früher dünner war und dass ich als Kind kurze Haare hatte.

Okay, das waren all die seltsamen Geschichten hochwissenschaftlichen Erkenntnisse, die mir in letzter Zeit so begegnet sind. Ich kann nicht sagen, ob ich meinen Aluhut noch einmal aufsetzen werde. Ich habe eigentlich noch ein paar ganz andere Ideen und halbfertige Artikel am Start. Ich hoffe, ihr seid dann wieder mit dabei.

vousvoyez

Finnland existiert nicht: https://www.vice.com/de/article/8qgeqa/bielefeld-war-gestern-dieser-typ-hat-das-internet-davon-berzeugt-dass-es-finnland-gar-nicht-gibt

Ein paar widerlegte Theorien von Alex Jones: https://www.forbes.com/sites/brucelee/2018/08/16/alex-jones-top-10-health-claims-and-why-they-are-wrong/#52144e673e7f

Wikipedia ist zwar nicht immer zuverlässig, hilft aber tatsächlich manchmal weiter! Zumindest wenn man etwas zum ersten Mal hört.


Dienstag, 16. Oktober 2018

Warum haben die Amerikaner so ein großes Klo? - Weil sie so einen fetten Hintern haben.

(c) vousvoyez
Der Moment, wenn du begreifst, wie schwierig es ist, gute Witze selbst zu erfinden. Zumal die mündlich tradierten Witze sich ja oftmals verändern - wie jeder weiß, der schon einmal versucht hat, einen Witz durch Zugaben zu verändern. Dennoch haben mir meine schlechten Amerikaner-Witze eine Freundschaft beschert, die schon mehr als zwanzig Jahre Bestand hat - also waren sie wohl doch zu etwas gut. Obwohl diese Freundin damals nur über meine Witze gelacht hat, weil sie mich nicht bloßstellen wollte - während ich mich ständig fragte, wie sie die nur witzig finden konnte.

Als ich ein Kind war, konnte ich mich lange nicht damit abfinden, ein Mädchen zu sein. Nicht, weil ich mich im falschen Körper fühlte, sondern weil ich alles schrecklich fand, was man allgemein als mädchenhaft ansieht - ich mochte keine Kleider tragen, wollte meine Haare nicht wachsen lassen, spielte nicht mit Puppen und verabscheute Rosa (ich hasse diese Farbe bis heute). Dies ging bis in die Volksschulzeit hinein, die ich zu meinem Leidwesen auch noch in einer reinen Mädchenschule verbringen musste. Dennoch begann ich damals, mich allmählich zu verändern, und nach und nach entwickelte ich auch Interessen, die durchaus als mädchenhaft eingestuft werden könnten. So hatte auch ich eine Phase, in der ich mich für Pferde interessierte. Ich las alles über sie, hatte eine Sammlung von Spielzeugpferden, und mein sehnlichster Wunsch war damals natürlich ein eigenes Pferd. Eine Zeit lang nahm ich sogar Reitunterricht. Ich hörte jedoch damit auf, als ich in die Pubertät kam und Jungs und Musik wichtiger wurden - so wie viele. Plötzlich kamen mir die Mädchen albern vor, die nur an Pferde dachten und über Pferde redeten. Ich war ohnehin nie eine gute Reiterin, aber in der Zeit, als ich regelmäßig reiten ging, lernte ich drei Arten von Menschen kennen, denen man begegnet, wenn man sich für diesen Sport interessiert und gerne damit anfangen möchte.

Da sind zum einen die erfahrenen Reiter, die möglicherweise sogar beruflich mit Pferden zu tun haben. Diese kennen sich natürlich aus und können einem die besten Ratschläge geben, wie und wo man anfängt, was man beachten muss und welches Pferd für Anfänger am besten geeignet ist. Die zweite Kategorie sind jene, die durchaus schon geritten sind (und damit meine ich WIRKLICH geritten, nicht die, die einmal auf einem Pferd spazierengeführt wurden), die aber weit weniger erfahren sind. Diese können dir zwar auch ein paar Tipps geben, raten dir aber, dich mit jemandem in Verbindung zu setzen, der sich etwas besser auskennt - sie können ihre Kompetenz also ziemlich genau einschätzen. Und dann gibt es noch die dritte Kategorie - das sind jene, die noch nie in ihrem Leben auf einem Pferd gesessen, wahrscheinlich noch nie einen Stall von innen gesehen und möglicherweise sogar Schwierigkeiten dabei haben, ein Pferd von einer Kuh zu unterscheiden. Die weit verbreitete Meinung bei jenen "Experten" ist, dass Reiten ja überhaupt kein Sport ist - schließlich lässt man sich ja nur von einem Pferd in der Gegend herumtragen. Diesen Menschen ist überhaupt nicht klar, dass sie keine Ahnung haben - statt dessen erklären sie dir, dass das eh total einfach ist, da du ja ohnehin nur auf einem Pferd sitzen musst, vielleicht musst du ab und zu auch am Zügel ziehen oder die Schenkel zusammendrücken. Bei diesen Menschen nützt es überhaupt nichts, zu erklären, dass man neben einer inneren Ausgeglichenheit - denn Pferde sind sehr sensible Tiere - auch ein gutes Gleichgewichtsgefühl braucht (denn man muss sich ja auf die Bewegungen des Pferdes einstellen), und es auch keine schlechte Idee ist, als Reiter an seiner Kraft und Ausdauer zu arbeiten. Auch das Argument, dass dann auch Fahrradfahren und Autorennen kein Sport ist - denn da sitzt man ja auch - wird wohl nicht allzu viel bringen. Sie können es sich einfach nicht vorstellen und bleiben deshalb bei dem, was sie glauben - was leicht aussieht, muss ja auch leicht sein, oder? Bezeichnend ist übrigens, dass kaum einer dieser "Experten" sich jemals auf ein Pferd setzen würde.

Diese "Spezialisten" sind der lebende Beweis für den Dunning-Kruger-Effekt. Manche nehmen als Vergleich auch gern bestimmte Verschwörungsideologen und haben damit auch recht - da ja viele denken, sie wüssten nach zwei Wochen Internet-Surfen schon mehr als jemand, der sich über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg mit derselben Materie befasst hat. Nun, was ist der Dunning-Kruger-Effekt?

Der Begriff stammt aus der Populärwissenschaft und geht auf eine Publikation des US-amerikanischen Psychologieprofessors David Dunning und seines Studenten Justin Kruger aus dem Jahr 1999 zurück, die nach einer Reihe von Studien an der Universität von Cornell zu dem Ergebnis kamen, dass gerade Personen, die in einem Bereich inkompetent sind, eher dazu neigen, ihr Wissen und Können zu über- und das kompetenterer Personen zu unterschätzen. Also im Falle meines Beispiels: Leute, die noch nie geritten sind, glauben oft, besser als der beste Reiter zu wissen, ob Reiten Sport ist oder nicht. So fanden auch Dunning und Kruger mittels eines Experiments heraus, dass gerade diejenigen, die sich für besonders kompetent hielten, schlechter abschnitten als die, die ihre Fähigkeiten nicht ganz so hoch einschätzten. Wir kennen ja nicht nur von den "Reitexperten" die Neigung, besonders selbstbewusst aufzutreten, wenn man von einer bestimmten Materie wenig bis gar keine Ahnung hat.

Was aber nicht heißen soll, dass alle Menschen, die ihre Kompetenz überschätzen, besonders dumm sind. Die Selbstkritischeren unter meinen Lesern mögen sich wahrscheinlich reuevoll eingestehen, dass sie so etwas auch schon bei sich selbst beobachtet haben. Und ich kann euch versichern: Ich bei mir auch. Denn keiner kann von sich behaupten, nicht auch schon einmal "Opfer" dieser kognitiven Verzerrung gewesen zu sein. Besonders wenn man jung und unerfahren ist, neigt man dazu, sein Wissen bzw. seine Fähigkeiten höher einzuschätzen, als sie in Wirklichkeit sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf dieser Welt auch nur einen Menschen gibt, der sein ganzes Leben lang permanent nur sein Licht unter den Scheffel gestellt und sich überhaupt gar nie auch mal überschätzt hat. Der Unterschied ist aber, ob man bereit ist, sich selbst zu hinterfragen und Fehler einzugestehen, oder ob man auf seinem Nichtwissen beharrt und Einwände nicht zulässt. Und auch, ob man auf die Kompetenz von Menschen vertraut, die es ganz offensichtlich besser wissen als man selbst, oder ob man sich für kompetenter hält. Leider gibt es von der zweiten Kategorie nach wie vor viel zu viele, und die fallen besonders im Internet auf, wo praktisch jeder posten kann, was er will und wo nicht immer so klar ist, wer Ahnung hat und wer nicht. Wenn man sich da nicht gründlich informiert, kann man auch schon mal ganz schön danebenliegen - weshalb ich Informationen für diesen Blog in der Regel doppelt und dreifach überprüfe, und selbst da können Fehler passieren, egal, wie vertrauenswürdig die Quelle ist.

Fazit: Wir lernen durch Erfahrung, müssen uns aber immer wieder selbst hinterfragen. Und das ist es ja auch, was die Wissenschaft tut - im Gegensatz zur Ideologie, die ihre Behauptungen für unantastbar hält. Leider müssen wir die einfachen, bequemen Wege ab und an verlassen, wenn wir unsere Kompetenzen steigern wollen. Und wir müssen irgendwann verstehen lernen, dass wir nicht allein auf der Welt sind.

vousvoyez

Freitag, 12. Oktober 2018

Du spielst immer nur Blödmann und seine Gaxis!

(c) vousvoyez
Das Argument eines Kindes, das sich beim Spielen mit einem anderen Kind nicht einig ist. Ein paar Jahre später habe ich mit einem dieser beiden Kinder je ein Bilderbuch mit dem Titel Blödmann und seine Gaxis gezeichnet. Diese beiden Kinder sind inzwischen natürlich schon längst erwachsen. Ich habe sie erst neulich wieder gesehen.

Als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene waren wir fast jedes Jahr miteinander auf Urlaub - und zwar fuhren wir in den ersten beiden August-Wochen immer an den Weißensee, wo wir im Laufe der Jahre auch jährlich andere Freunde trafen. Zu Beginn der Pubertät wurde der Soundtrack unserer Urlaube sehr von der Bravo-Hits-Compilation geprägt - in der Zeit vor YouTube und Spotify war man gezwungen, ganze CDs zu kaufen, wenn man ein Lied, das einem gerade gefiel, immer wieder hören wollte. Es sei denn, man machte sich die Mühe, sie vom Radio auf Kassette aufzunehmen - eine Praxis, die Ende der Neunziger jedoch allmählich aus der Mode kam. Einen Sommer lang waren die Bravo Hits 13 sehr angesagt, eine Sammlung von unvergesslichen Songs wie Coco Jambo, Sexy Eyes und Piep, piep, kleiner Satellit. In den Jahren danach stritt ich mit meinen Freunden allerdings häufig darüber, in welchem Sommer wir diese CD gehört haben. Ich war immer der festen Überzeugung, dass sie uns im August 1996 begleitete. Meine Freunde wiederum behaupteten, es sei bereits der Sommer 1995 gewesen - ihr Argument war, dass wir die CD angeblich mit einer Kinderbetreuerin gehört haben, die damals dort arbeitete. Ich habe mich kürzlich informiert - die Bravo Hits 13 kamen im Mai 1996 heraus. Was natürlich bedeutet, dass wir sie nie mit der erwähnten Kindergärtnerin hörten, da diese im Sommer 1996 gar nicht mehr am Weißensee arbeitete.

Diese kleine Geschichte ist ein amüsantes Beispiel für ein im Internet gehyptes Phänomen, mit dem ich mich in diesem Artikel beschäftigen will. Dieses Phänomen wird wissenschaftlich "Konfabulation" genannt, bekannt ist es aber unter dem Namen "Mandela-Effekt". Der Name geht auf den südafrikanischen Aktivisten und Politiker Nelson Mandela zurück. Als dieser im Jahr 2013 im Alter von 95 Jahren verstarb, herrschte Verwirrung; einige Jahre zuvor waren sich einige nämlich in einer Diskussion darüber einig gewesen, dass dieser bereits in den achtziger Jahren im Gefängnis verstorben sein soll - man wollte sich sogar detailliert an das damalige, im Fernsehen übertragene Begräbnis erinnern.

Jeder von uns kennt die Erfahrung, dass sich Erinnerungen nach Überprüfung der Fakten oft als falsch herausstellen. Der Mandela-Efffekt meint das falsche Erinnern einer ganzen Gruppe. Dies kann schon anhand kleiner Beispiele gezeigt werden: Das berühmte Star-Wars-Zitat "Luke, I'm your father" ist beispielsweise falsch, in Wirklichkeit heißt es "No, I'm your father", das beliebte gelbe Pokémon Pikachu hat keine schwarze Schwanzspitze, wie manche glauben, der Monopoly-Mann trägt kein Monokel und ein bekannter Song von Queen endet nur mit "we are the champions" ohne "of the world". Trotzdem bilden sich viele ein, dass es so ist. Unheimlich, oder?

Zu dem Mandela-Effekt gibt es natürlich zahlreiche Theorien; beliebt ist jene, nach der diese Erinnerungen aus einer Parallelwelt stammen, innerhalb derer sie tatsächlich wahr sind. Die Theorie der Parallelwelten ist zwar umstritten, aber keineswegs so unwissenschaftlich, wie sie klingt; sie entstammt der Quantenphysik und dient dazu, Paradoxien zu erklären, beispielsweise die Frage nach Schrödingers Katze. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man die Parallelwelt-Theorie beliebig auf alle Lebensbereiche anwenden kann, zumal man sie weder beweisen noch widerlegen kann und sich selbst die Quantenphysiker über ihren Wahrheitsgehalt uneinig sind.

Viel schlüssiger ist es, zu akzeptieren, dass unsere Erinnerung keineswegs so zuverlässig ist, wie wir glauben. Sie setzt sich aus visuellen, auditiven und olfaktorischen Elementen zusammen, außerdem ist sie sehr mit Gefühlen verbunden. Zudem vermischt sie sich unbewusst auch sehr gern mit unserer Phantasie. So entsteht Erinnerung aus verschiedenen Assoziationen, die sich jedoch lösen oder falsch verknüpft werden können, so dass beim Abruf dieser Erinnerung Fehler passieren können.

Aber wie erklärt sich, dass mehrere Personen beim Erinnern denselben Fehler machen? Nun ja, es gibt auch Erklärungsversuche, die weitaus schlüssiger klingen als die einer Parallelwelt. So gibt es beispielsweise das Phänomen der sozialen Verstärkung von Überzeugungen - je mehr Leute etwas glauben, desto mehr andere sind bereit, dies ebenfalls zu glauben. So bin ich gar nicht so überzeugt davon, dass die angeblichen Erinnerungen an Mandelas Begräbnis tatsächlich völlig unabhängig voneinander passierten - interessant wäre es gewesen, dabei zu sein, um herauszufinden, auf welche Weise diese "Erinnerung" zustande kam. Denn es ist ein Unterschied, ob man fragt "Wie war das?" oder ob man fragt "War das so und so?" In meiner Eingangsgeschichte fiel zum Beispiel der Satz "Erinnert ihr euch denn nicht, wie wir damals mit der Kathi immer die Bravo Hits 13 gehört haben?" Das ist was anderes, als wenn man beispielsweise fragt: "Mit wem haben wir die Bravo Hits 13 immer gehört?" Auf einmal taucht das Bild von Kathi auf, die ihren Körper zu Coco Jambo bewegt - ein Bild, das ausschließlich in der Phantasie existiert.

So kann man beim Mandela-Effekt auf die Memetik verweisen, eine Theorie des Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Sie geht davon aus, dass Erinnerungen ("Memes") weitergegeben und dabei verändert werden können; so können sich bei der Weitergabe auch Fehler einschleichen. Wir waren uns darüber einig, dass die Bravo Hits 13 die beste Compilation dieser Reihe waren, gleichzeitig empfanden wir die Kindergärtnerin aus dem Jahr 1995 als die beste, die in unserer frühpubertären Zeit in dem Hotel, in dem sie angestellt war, arbeitete. So wurden zwei angenehme Erinnerungen miteinander verknüpft, und alle außer mir waren davon überzeugt, dass beide Ereignisse zur selben Zeit stattfanden. Ebenso macht die Memetik schlüssig, dass Erinnerungen oft schöner sind als die tatsächlichen Ereignisse - in unserem Fall ist die Erinnerung an all die schönen Sachen, die wir im Sommer 1995 gemacht haben, stärker als die Erinnerung an das schlechte Wetter in diesem Jahr.

Fazit: Der Gedanke an den Mandela-Effekt ist faszinierend und auch etwas gruselig - Letzteres aber auch nur auf den ersten Blick. Es gibt auf dieser Welt viele Dinge, sie sich nicht so einfach erklären lassen, aber viele sind doch eher auf Irrtümer unseres Gehirns zurückzuführen. Die Idee, dass wir in Wirklichkeit von einer unbekannten Realität beherrscht werden, hat was für sich, da wir immer wieder nach etwas Neuem Ausschau halten, um dem Alltagstrott entfliehen zu können, sie wird auch durch technisch immer ausgereiftere Filme wie die Matrix-Trilogie immer wieder zur Diskussion gestellt und letztendlich auch durch den Überfluss an Informationen, dem wir heutzutage ausgesetzt sind, immer weiter verbreitet. Aber gewisse Dinge lassen sich doch eher einfach erklären. Der Refrain von We Are The Champions endet immer mit "of the world", bis auf die letzte Wiederholung, bei der die letzten drei Worte ausgelassen werden - deswegen ist es gar nicht so unlogisch, dass wir uns an etwas anderes erinnern wollen. Pikachu hat schwarze Ohrenspitzen, deswegen gaukelt unser Sinn für Symmetrie uns vor, dass auch die Schwanzspitze schwarz ist. "Luke, I'm your father" klingt schlüssiger als "No, I'm your father", da das Falschzitat im Gegensatz zum richtigen keines Kontextes bedarf - jeder, selbst wenn er den Film nie gesehen hat (so wie ich), weiß, wovon die Rede ist. Der Bekleidungsstil des Monopoly-Mannes im Stil des reichen Onkels aus Amerika legt ein Monokel nahe, auch wenn er keines trägt.

Ja ja, ich weiß, ich neige dazu, spannende Geheimnisse zu enttarnen und großartige Geschichten furchtbar langweilig und alltäglich zu machen. Aber hat die Realität oder das, was wir als Realität wahrnehmen, denn absolut nichts Interessantes und Faszinierendes? Ich finde schon. Egal wie viele Geheimnisse wir aufdecken, es gibt doch ohnehin immer wieder neue. Beispielsweise ist das menschliche Gehirn keineswegs vollständig erforscht, und dies wird wohl in absehbarer Zeit auch nicht geschehen. Und wisst ihr was? Ich denke nicht, dass wir jemals ALLES wissen werden und dass es irgendwann einmal eine Welt ohne Wunder und Geheimnisse geben wird. Und das ist doch wohl auch schon spannend, oder?

vousvoyez

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Wenn die Jazz Gitti im Fernsehen ist, kann die Welt ruhig untergehen

Ältere Leute haben ja manchmal Schwierigkeiten, mit dem Wandel der Zeit mitzuhalten - was ja auch normal ist. Und für meine Großmutter war die mollige Wiener Sängerin Jazz Gitti, die in den Achtzigern und Neunzigern sehr populär war, der Inbegriff der Volksverdummung. Wobei ich mir denke, es gab und gibt weitaus Schlimmeres - immerhin war ihre Sendung Tohuwabohu durchaus eine Bereicherung für die österreichische Fernsehlandschaft. Ich denke mir nicht, dass die Welt ruhig untergehen kann. Aber ich muss gestehen, dass ich manchmal an ihr verzweifle.

Vor einiger Zeit bekam ich ein amerikanisches Online-Video zugeschickt, das den Titel Save The Children trug. Darin wurden verzweifelt weinende und schreiende Kleinkinder von ihren Eltern gezwungen, Gemüse zu essen. Der Begleittext erklärte, dass Gemüse etwas ganz Widerliches sei und dass Kinder tagtäglich von ihren Eltern damit "gefoltert" würden. Das Ganze sollte witzig sein - und wurde mir auch so angepriesen. Nun bin ich ein Mensch, der guten Humor sehr zu schätzen weiß, aber ich fand weder das Video noch den Text dazu witzig. Mich machte das eher sauer.

Das erste, woran ich dachte, waren die Süßigkeiten-Werbespots, die es seit meiner Kindheit gibt und in denen Lebensmittel mit sehr viel Fett und Zucker als "gesund" angepriesen werden. Ich erinnerte mich speziell an einen Spot der Süßigkeitenmarke Nimm2, in dem eine Mutter darüber klagte, dass ihre Kinder sich weigern würden, Obst und Gemüse zu essen, begleitet von Aufnahmen, in denen gezeigt wurde, wie den Kindern ebendies angeboten wurde und sie sich angewidert abwandten. Zum Glück, erklärte die Mutter, gäbe es die Nimm2-Bonbons, durch die die Kinder ebenfalls ihre "wertvollen Vitamine" bekämen - plus einer Extra-Portion Zucker. Und dann an all die anderen Spots, die auch mich als Kind so beeindruckten - Kinder-Milchschnitte wurde mit "leicht und bekömmlich" als ideale Pausen-Mahlzeit für Schulkinder angepriesen, Kinder-Riegel enthielt die "Extra-Portion Milch", für die man "nie zu alt" sei, Fruchtzwerge waren "so wertvoll wie ein kleines Steak". Nicht zu vergessen jener legendäre Werbespot von etwa Mitte der Neunziger, in der die superschlanke Blondine ihrer etwas molligeren Freundin (die nicht wirklich mollig, sondern eher unvorteilhaft angezogen ist) beim Joggen erzählt, sie erhalte ihre Figur durch den Verzehr von Yogurette-Schokolade (ein Spot, den Michael Mittermeier ein paar Jahre später als "erste Bulimie-Werbung" bezeichnete). Und last but not least dürfen natürlich all die Fast-Food-Werbespots nicht fehlen, die, da Ehrlichkeit ja dem Geschäft schadet, von Models und Sportlern angepriesen werden.

Das zweite, was mir einfiel, war, dass mir eine Freundin einmal erzählte, sie möge kein Gemüse, weil ihre Eltern dies in ihrer Kindheit als Strafe eingesetzt hätten - sie habe es immer essen müssen, wenn sie schlimm gewesen sei. Gleichzeitig dachte ich an meinen Vater, der gerne rohes Gemüse aß, das er oft in kleine Stücke schnitt. Ich war ein richtiges "Papakind", und wenn ich sah, wie er Karotten, Tomaten oder Kohlrabi verzehrte, ging ich von selbst zu ihm und bekam dann auch was. Auch wenn Kinder eher für süße Lebensmittel zu haben sind und Gemüse eher bitter ist, gibt es doch Möglichkeiten, gesunde Ernährung auch schon in frühen Jahren attraktiv zu machen. Und ich erinnerte mich daran, als ich einst in Florida war und all die übergewichtigen Kinder bemerkte, die Imbissbuden wie McDonald's bevölkerten - und dass dieses Bild inzwischen auch hier in Europa bereits keine Seltenheit mehr ist.

Auf der anderen Seite wird uns von den Medien suggeriert, dass nur extreme Schlankheit als "schön" gelten kann - Frauen, die selbstbewusst ihre Kurven zeigen, werden da eher als außerhalb der Norm gehandhabt. Gleichzeitig ist man bei Formaten wie Germany's Next Topmodel dazu übergegangen, die Kandidatinnen mit fetthaltigen Lebensmitteln vor der Kamera hantieren zu lassen, um dem Vorwurf entgegenzuwirken, sie würden ihre Figur durch Hungern und Verzicht erhalten. Aber sind wir uns ehrlich - die meisten können diese unnatürliche Schlankheit nun mal nur mit eiserner Disziplin aufrecht erhalten, auch wenn ihnen teilweise auch ihr junges Alter entgegenkommt. Ich denke, man will mit dieser inszenierten Völlerei dem Vorwurf entgegenwirken, die Sendung fördere Essstörungen. Aber das große Fressen der Superdünnen täuscht eben nicht darüber hinweg, dass durchschnittlich gebaute Mädchen sich leicht minderwertig fühlen angesichts eines solchen Ideals - zumal selbst perfekt gebaute Models in Magazinen oft noch durch Photoshop noch perfekter gemacht werden.

Und während wir uns in den reichen, satten Ländern Sorgen um unsere Figur machen, verhungern Menschen in anderen Teilen der Welt, eine Tatsache, an der wir keineswegs unschuldig sind. Denn wir sind es, die jedes Jahr ein neues Smartphone haben müssen, wir sind es, die jeden Tag Fleisch essen wollen, wir sind es, die den Hals nicht vollkriegen, und wenn uns dies in Form von Flüchtlingsbooten vor Augen geführt wird, unterstellen wir deren Insassen Schmarotzertum und hätten am liebsten, dass sie mitsamt ihren Schlauchbooten absaufen würden, damit wir das Elend nicht sehen müssen, damit wir nicht zur Verantwortung gezogen werden, damit unsere Kinder weiterhin ihr widerliches Gemüse ausspucken können, ohne dass wir uns Gedanken um die Kinder anderer Leute machen müssen, für die ein solches Verhalten den Tod bedeuten könnte.

vousvoyez

Mittwoch, 19. September 2018

Das Fleisch ist butterzart, brauchst gar net kauen, zergeht auf der Zunge

(c) vousvoyez
Für alle Veganer unter euch: Dieser Spruch stammt aus einer Zeit, als Veganismus noch eine seltene Extravaganz war. Das muss man nämlich dazu sagen - besonders wenn man ein dermaßen großes Sammelsurium an Freunden und viralen "Fans" um sich hat wie ich. Was mich aber überhaupt nicht stört - im Gegenteil, denn so kann man einen Sachverhalt von mehreren Seiten betrachten, und der Blick über den Tellerrand fällt wesentlich leichter.

In letzter Zeit hab ich mich ja, was meine Beiträge betrifft, ziemlich in die schwurbelige Unterwelt begeben - und ihr könnt mir glauben, da findet man echt schwer wieder raus! In meinem letzten Artikel habe ich versucht, dies mit etwas Humor zu würzen. Obwohl es mir nicht leicht fällt, meine Zweifel an der Zukunft der menschlichen Intelligenz ad acta zu legen. Und Belege hierfür gibt es en masse.

Zum Beispiel das amerikanische Rechtssystem. Dieses kann Dummheit nämlich ebenfalls unterstützen - wenn es darum geht, wegen fehlender Warnhinweise zu klagen, kann es hierbei leicht mal um Millionenbeträge gehen. Was dazu führt, dass Hersteller immer absurdere Warnhinweise auf ihren Produkten anbringen. Ich hielt den Warnhinweis auf den Umhängen von Superman-Kostümen - ACHTUNG! In diesem Kostüm können Sie nicht fliegen! - lange Zeit für einen Scherz. Ich war zwar bereits in den USA, aber nicht zu Halloween. Da ich diese Information jedoch mittlerweile aus zwei voneinander unabhängigen Quellen habe (und inzwischen auch schon besser über Warnhinweise Bescheid weiß), bin ich mir sicher, dass es stimmt. Michael Mittermeiers lapidarer Kommentar dazu: "Es muss mindestens einen gegeben haben..." Michael Niavarani hingegen wetterte: "Glauben die, dass jemand, der so deppert ist, dass er glaubt, er kann mit dem Fetzen fliegen, lesen kann?"

Dass auf den Deckeln der Behälter von Coffee-to-go mittlerweile Caution hot! steht, hat sich inzwischen bekanntermaßen auch bei uns in Europa durchgesetzt. Ich verstehe überhaupt nicht, warum - eigentlich ging ich immer davon aus, dass ein heißer Kaffee gar nicht heiß ist. Aber okay. Auch der Zweck von Zündhölzern scheint manchen nicht ganz klar zu sein: Warnung! Der Inhalt dieser Schachtel könnte in Brand geraten! Außerdem ist es wohl notwendig, so manchen Führerschein-Besitzer über den Sinn eines Rückspiegels aufzuklären: Daran denken: Was im Rückspiegel erscheint, befindet sich hinter Ihnen! Auch Feuerlöscher sind keine schicke Dekoration: Inhalt nicht entflammbar! Ach so?

Die Eltern unter uns werden wahrscheinlich wissen, wie mühsam es manchmal ist, ein Kind dazu zu bringen, dass es sich waschen lässt. Auch so mancher Erwachsener scheint nicht allzu viel von Körperhygiene zu halten. Nun ist es doch aber so, dass zumindest in den westlichen Industrieländern kaum jemand mehr seine Wäsche mit der Hand wäscht, sondern eine dafür konstruierte Maschine benutzt. Wäre es nicht möglich, das widerspenstige Kind bzw. den uneinsichtigen Partner ebenfalls auf diese Weise sauber zu kriegen? Nur das nicht: Stecken Sie niemanden in diese Waschmaschine!, warnt die Verpackung eines solchen Haushaltsgerätes. Auch ist es nicht immer ratsam, in Ermangelung von Toilettenpapier nach Ersatz zu greifen: Nicht zur Körperhygiene benutzen!, rät ein Hersteller für Klobürsten. Manchmal ist es auch notwendig, die Benutzer von Toiletten darauf hinzuweisen, dass man dort nicht alles machen kann: Abziehwasser nicht zum Trinken geeignet! Überhaupt ist im Haushalt Vorsicht geboten; ein Bügeleisen-Hersteller warnt: Kleidung nicht am Körper bügeln! Man sollte es nicht für möglich halten, aber in einer Arbeitsstelle, in der ich beschäftigt war, soll so etwas tatsächlich einmal passiert sein.

Jaja, Kinder machen einem viel Freude, aber auch viel Kümmernis. Vor allen Dingen mangelt es an Möglichkeiten, sie platzsparend unterzubringen. So wird auf einem faltbaren Kinderwagen darauf hingewiesen: Kind vor dem Zusammenklappen entfernen! So was wird eben leicht mal übersehen... Aber auch das Spielzeug hält nicht immer das, was es verspricht. Ein Warnhinweis auf einem Kinderroller: Dieses Produkt bewegt sich, wenn es benutzt wird! Echt? Na ja, auf Kinder muss man eben immer aufpassen. Besonders im Haushalt, wie der Produzent eines Geschirrspülers erklärt: Erlauben Sie Kindern nie, in der Spülmaschine zu spielen! Dass nur ja niemand "spülen" mit "spielen" verwechselt!

Doch nicht nur auf Kinder, auch auf Erwachsene muss man manchmal gut aufpassen. Im Jahr 2005 bewarb Apple den neuen iPod shuffle, der kleiner war als eine Packung Kaugummi. Doch selbst die Internetseite des Elektronikkonzerns kam nicht ohne Warnhinweis aus: Den iPod shuffle nicht essen! Schade, ich hätte gern gewusst, ob Musik in meinem Magen noch besser klingt. Auch sonst sind Körperfunktionen eine Sache für sich - und so empfiehlt ein Hersteller von Fieberthermometern: Wenn dieses Thermometer rektal eingesetzt wird, sollte anschließend keine Messung im Mund durchgeführt werden. Igitt! Überhaupt sollte man aufpassen, was man in den Mund nimmt - eine Packung Angelhaken macht darauf aufmerksam: Herunterschlucken schädlich! Auch Zahnärzte sollten mit ihrer Kreativität vorsichtig sein und nicht etwa eine Tischlerfräse zweckentfremden: Nicht als Instrument zum Zähne bohren gedacht! Muss man wissen. Ebenso wie die Tatsache, dass auch Haarfärbemittel nur so angewendet werden sollten wie vorgesehen: Produkt nicht zum Verzieren von Speiseeis verwenden! Meine nächste Party fällt also schon mal ins Wasser. Auch aus der folgenden Idee wird wohl nichts, aus mir eine lebende Geburtstagstorte zu machen, denn ein Hersteller von Geburtstagskerzen warnt: Nicht als Ohrstöpsel oder für andere Zwecke verwenden, für die Einführung in Körperöffnungen nötig ist! Ihr habt übrigens bestimmt noch nicht gehört, dass auch Kettensägen unter Umständen gefährlich sein könnten: Nicht versuchen, die Kette mit der Hand anzuhalten! Man mag es sich nicht vorstellen. Aber auch bei Mixgeräten für die Küche ist Vorsicht geboten: Während der Benutzung kein Essen aus dem Mixer entfernen! Es könnte ja sein...

Ich hoffe, ihr habt das alles gut verstanden und beherzigt das auch. Wenn nicht, kommt ja nicht auf die Idee, mich zu verklagen - ich habe euch gewarnt!  Sollte ich etwas vergessen haben, wendet euch an die jeweiligen Hersteller. Auch wenn ich mitunter das Gefühl habe, dass die Menschheit auch vor der einen oder anderen Person gewarnt werden sollte. Also macht's gut und haltet die Augen offen!

vousvoyez

Mittwoch, 12. September 2018

Ihr lasst mich nicht einmal in Ruhe verblöden

Auf diese Art und Weise beschwerte sich meine Mutter darüber, dass sie als Mutter und Großmutter nicht die Zeit hat, sich der Alterssenilität hinzugeben. Andere haben zu viel Zeit - und verblöden dermaßen, dass sie ihre wertvolle Lebenszeit damit verschwenden, andere über nicht vorhandene Sachverhalte "aufzuklären" - und damit mehr Erfolg haben, als man meint. Was ich in meinem letzten Artikel auch schon erklärt habe. Doch diesmal möchte ich näher auf ein paar komplett hirnrissige Verschwörungstheorien eingehen.

In meiner Schulzeit bekam ich im Musikunterricht zufällig zweimal dieselbe Dokumentation vorgeführt - einmal mit 12 und einmal mit 15. Sie stammte aus den achtziger Jahren, und ihre Grundaussage war, dass Heavy Metal alle Jugendlichen zu Mord und Suizid verführt und dass alle Teenager, die bestimmte Rock-Platten rückwärts hören, Satanismus, Drogenkonsum oder Unzucht verfallen. Letzteres kann wohl eindeutig der Kategorie "Verschwörungstheorie" zugeordnet werden - Ersteres ist wohl eher dem Generationenkonflikt zu verdanken (in den Neunzigern hieß es ja auch, alle Jugendlichen, die Rap hören, werden kriminell).

Seit den 1960er Jahren gab es immer wieder Bands, die zum Spaß in ihre Platten Botschaften einbauten, die man hören konnte, wenn man die Platte rückwärts ablaufen ließ. Seitdem gab es immer wieder irgendwelche Leute, die versuchten, aus rückwärts gespielten Platten versteckte Botschaften herauszuhören - ein Phänomen, das mit strenggläubig christlichen Gruppierungen in den USA der 1980er Jahre seinen Höhepunkt erreichte und sogar bis vor Gericht ging. Und tatsächlich - wenn man Another One Bites The Dust von Queen rückwärts hört, erkennt man ganz deutlich die Worte "It's fun to smoke marijuana" - außerdem braucht man auch viel Phantasie und einen heftigen Dachschaden, und man muss vorher natürlich seinen Aluhut aufgesetzt haben. Und wirklich versuchte man in den Bundesstaaten Kalifornien und Arkansas, Gesetze gegen Rückwärtsbotschaften durchzusetzen. Als ich zwölf war, hat mich das schon gebührend beeindruckt - drei Jahre später war das schon ganz anders. Und da Schallplatten Mitte bis Ende der Neunziger eine Nostalgie-Angelegenheit waren und man für das Rückwärts-Abspielen einer CD ein spezielles Gerät braucht, war das für uns auch nicht wirklich Thema.

Die Ursprünge der nächsten Ideologie sind weitaus älter, und man möchte meinen, dass ihre Anhänger im 21. Jahrhundert bereits ausgestorben sind. Weit gefehlt! Und zwar geht es um die "Flat Earth Society".
In der Schule haben wir alle gelernt, dass die Menschen im Mittelalter geglaubt haben, die Erde sei eine Scheibe. Das stimmt so nicht ganz, soll aber nicht das Thema sein. Jedenfalls kristallisierte sich im 19. Jahrhundert eine Bewegung heraus, die ebendiese Meinung vertrat, aber nicht allzu viel Resonanz erfuhr. Trotzdem überlebte die Theorie aus irgendeinem Grund, seit 2009 gewinnt sie vor allem durch das Internet wieder an Popularität und heute gibt es tatsächlich Menschen, die behaupten, die Erde sei flach und von einem Ring aus Eis umgeben.
Natürlich fragt man sich, wie man so was glauben kann, wo es doch bereits Menschen gab, die im Weltall waren und die runde Erde sogar gefilmt und fotografiert haben. Die Flat Earther haben dafür eine einfache Erklärung: Das alles sei gelogen, die Aufnahmen seien alle miteinander gefälscht. Auf welche Weise man das erkennen kann, wird jedoch nicht erklärt, statt dessen werden alle Raumfahrt-Nationen seit den Fünfzigern - USA, Sowjetunion, Russland, China, Japan, Indien - als Teil einer großen Verschwörung bezeichnet, die uns ein X für ein U vormachen will. Überhaupt scheinen die Flacherdler Beweise und plausible Erklärungen für unnötig zu halten. Ihr Hauptargument: Der Horizont ist immer flach, das Wasser ist immer flach, und die Vermessungstechnologie ist zu kompliziert, als dass man ihr Glauben schenken kann - denn was ich nicht verstehe, kann nicht stimmen, und überhaupt ist die Wissenschaft ohnehin nur ein Lügengebilde. Es geht nicht darum, andere mit stichhaltigen Fakten vom Gegenteil zu überzeugen, es geht einfach nur darum, gegen alles zu sein, was die "Masse" behauptet. Das erklärt auch, warum auf Gegenargumente oft nur mit Beleidigungen geantwortet wird.
Welches Interesse aber haben die "Mächtigen" daran, uns glauben zu lassen, die Erde sei rund, wenn dem gar nicht so ist? Nun ja - wenn die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist, sondern nur ein kleiner Planet in einer gewaltigen Galaxie, die auch nur eine von unfassbar vielen ist, wenn es möglich ist, dass irgendwo da draußen noch andere Lebewesen existieren, dann wäre der Mensch nicht die Krone der Schöpfung. Und wer sich für klein und unbedeutend hält, ist leichter zu kontrollieren. Und bevor das passiert, leugnet man alle Errungenschaften der Menschheit - und nutzt eine davon, das Internet, um diese Idee zu verbreiten.

Wer aber jetzt denkt, noch mehr Wahnsinn ist nicht möglich, der irrt - es geht noch abstruser. Es gibt nämlich Menschen, die der Ansicht sind, dass wir in Wirklichkeit gar nicht von menschlichen Machthabern beherrscht werden, sondern von Außerirdischen, die halb Mensch, halb Reptil sind, sich aber so verwandeln können, dass sie wie Menschen aussehen - außerdem sind sie Vampire, Satanisten und Pädophile, denn sie benötigen das Blut von richtigen Menschen, um sich verwandeln zu können. Prominente Reptiloide bzw. Echsenmenschen sind beispielsweise Queen Elizabeth, Barack Obama, Angela Merkel, Papst Benedikt XVI., Wladimir Putin, Miley Cyrus, Katie Perry und Justin Bieber. Die Anhänger dieser Theorie stützen sich bei dieser Behauptung auf schlecht bearbeitete Fotos im Internet, an den Haaren herbeigezogene Vergleiche der Körperteile Prominenter mit Reptilien, verschwommene Videos, auf Grund derer die Pupillen einer Person senkrecht erscheinen können, und Behauptungen angeblicher Augenzeugen, die so eine Verwandlung schon einmal gesehen haben wollen. Prominentester Vertreter dieser Theorie ist der englische ehemalige Profifußballer, Publizist und "Jesus" David Icke, ein merkwürdig farbloser Mann in einem türkisen Jogginganzug, der sich 1991 von der Bemerkung des Moderators einer britischen Talkshow, das Publikum würde nicht über ihn lachen, sondern ihn auslachen, überhaupt nicht beirren ließ. Übrigens sagte er damals ebenfalls den Weltuntergang voraus. Beweise hat er keine - er behauptet einfach, so wie viele andere Vertreter seiner Theorie auch. Science-Fiction ist wohl doch nicht so harmlos, wie wir glauben.

Als ob das nicht schon genug wäre, gibt es noch etwas, das unser Leben auf der Erde massiv beeinflusst. Uns ist allen bekannt, dass Flugzeuge, die in etwa 8 Kilometern oder höher über uns hinweg fliegen, durch Wasserdampf und sonstige Abgase sowie Unterdruck in Verbindung mit den niedrigen Temperaturen in dieser Höhe weiße Kondensstreifen bilden. Was ihr vielleicht noch nicht wusstet - das sind überhaupt keine normalen Abgase, sondern "Chemtrails".
Die Gefahr dieser Chemtrails ist nicht ausschließlich die Umweltbelastung, von der wir ja alle wissen. Nein, neben den üblichen Abgasen enthalten sie auch noch andere Substanzen, die absichtlich ausgebracht werden, um das Wetter zu kontrollieren und die Menschen zu schädigen! Natürlich ist das eine weitere Methode der Machthaber, um uns alle zu beherrschen und zu kontrollieren, wie könnte es auch anders sein? Neben der Beeinflussung des Wetters (Stichwort Geo-Engineering), die nur laut Aussage der manipulativen Medien reine Theorie ist, und der Kontrolle durch das Militär enthalten diese Chemtrails auch noch eine Substanz, die uns impotent macht, und beeinflussen die Ernte, wodurch die Bevölkerung sich drastisch reduzieren wird. Erzwungene Empfängnisverhütung also. Abgesehen davon verursachen sie auch Alzheimer. Schützen kann man sich nur mit falschen Steinen und potthässlichen Säulen, die für sehr viel Geld überall im Internet zu haben sind - aber für seine Gesundheit und Sicherheit sollte einem doch nichts zu teuer sein, oder?
Chemtrails lassen sich leicht "beweisen" - man braucht nur in den Himmel schauen und erkennen, dass Kondensstreifen seit den Neunzigern mehr und langlebiger geworden sind. Logisch, wenn man bedenkt, dass Flugzeuge seit damals weitaus stärker und leistungsfähiger geworden sind. Und was der ehemalige Oppositions-Kandidat unseres aktuellen Bundespräsidenten sagt, ist sowieso die reine und letzte Wahrheit! Was sagt das über uns Österreicher aus, dass er beim Wahlkampf an der Spitze dabei war? Untersuchungen belegen die Existenz von Chemtrails zwar in keiner Weise, und auch jeder Pilot und jeder, der sich mit Flugzeugtechnik auskennt, kann diese Behauptungen widerlegen, aber wer bis hierher gelesen hat, weiß sowieso, dass alle Wissenschaftler und Experten Lügner sind!

Schlussendlich möchte ich mich hier noch mit ganz speziellen Kandidaten aus der Kategorie der Verschwörungstheoretiker beschäftigen, und zwar den so genannten "Reichsdeutschen" oder "Reichsbürgern" - wohl eine moderne Version der seit dem 16. Jahrhundert allseits beliebten Schildbürger. Diese sind der Meinung, die Bundesrepublik Deutschland, so wie wir sie heute kennen, existiere rechtlich überhaupt nicht, statt dessen gäbe es immer noch das Deutsche Reich, weshalb die heutige Verfassung bzw. die Gesetze des heutigen Deutschland keine Gültigkeit hätten. Darüber hinaus sei der Zweite Weltkrieg auch keineswegs zu Ende, da es nie einen (völkerrechtlich nicht erforderlichen) Friedensvertrag gegeben hat. In Wirklichkeit sei Deutschland eine "Firma" und die deutschen Staatsbürger das "Personal", was man daran festmacht, dass Deutsche über einen "Personalausweis" verfügen (dass der Wortstamm des Personalausweises "Personalien" lautet, können wir getrost weglassen). Um all dem entgegenzuwirken, druckt man falsche Dokumente, die außerhalb der Community nirgends anerkannt werden, und weigert sich, Steuern oder Strafen zu zahlen - auch wenn man Einrichtungen und Annehmlichkeiten, die durch Steuerzahlungen möglich sind, durchaus zu genießen weiß, aber zahlen sollen das mal schön die anderen. Außerdem reichen sie auch gerne dubiose Klagen ein bei Gerichten, die sie eigentlich gar nicht anerkennen - zumindest nicht, wenn es um die eigenen Vergehen geht. Ein prominenter Reichsbürger ist unser Meister der pseudo-tiefgründigen Songtexte Xaiver Naidoo. Vertreter der Reichsbürger-Ideologie finden sich übrigens auch in Österreich - nur nennen die sich "Souveräne" oder "Freemen".

Es gibt natürlich noch mehr dubiose Gruppierungen, die merkwürdige Behauptungen verbreiten, aber das würde hier wohl zu weit führen. Bei Gelegenheit werde ich vielleicht wieder darüber schreiben, aber mal sehen - im Moment glüht mein Aluhut ein bisschen zu sehr. Und überdies wissen die großen Checker, so wie ich und wohl auch die meisten meiner Generation, dass die Welt sowieso von zwei weißen ehemaligen Labormäusen beherrscht wird, aber das wird uns von den Machthabern natürlich verschwiegen, weil sie nicht zugeben wollen, dass sie in Wirklichkeit nur Marionetten sind.

vousvoyez


Infos zu Rückwärtsbotschaften: http://www.spiegel.de/einestages/40-jahre-satanische-botschaften-rock-n-roll-im-rueckwaertsgang-a-948217.html

Infos zur Flat Earth Society: https://www.livescience.com/24310-flat-earth-belief.html

Infos zu Chemtrails: https://sedl.at/Chemtrails/Untersuchungen

Infos zu den Reichsbürgern bzw. Reichsdeutschen: https://blog.dergoldenealuhut.de/2017/04/18/reichsbuergerleitfaden/