Sonntag, 24. März 2019

Eine der am häufigsten gegoogelten Fragen ist: Wie google ich etwas?

Das ist natürlich genauso sinnvoll, wie wenn man früher im Lexikon nachgeschlagen hätte, wie man was im Lexikon nachschlägt. Da ich mich ja mit 35 Jahren nicht mehr zur Jugend zählen darf (oder muss oder was auch immer), darf ich stolz verkünden, dass mir in meiner Schulzeit noch beigebracht wurde, Lexika und Wörterbücher zu verwenden. In meiner kranken Phantasie male ich mir manchmal aus, dass Leute meiner Generation irgendwann, wenn das World Wide Web mal zusammenbricht, die großen Gurus sein werden, die noch ein Leben ohne Internet kannten.

Ach, die gute alte Zeit, als man noch den zehnbändigen Brockhaus im Bücherregal stehen hatte, in dem man nachschlug, wenn man etwas wissen wollte! Und als mein Vater mit der riesigen Landkarte am Straßenrand im Auto saß und versuchte, herauszufinden, wo er hinfahren musste! Das geht heutzutage natürlich alles einfacher - demzufolge ist es natürlich auch eine mittlere Katastrophe, wenn Wikipedia mal für 24 Stunden ausfällt. Spätestens seit Beginn meiner Studienzeit ist das Internet auch ein integraler Bestandteil meines Lebens. Und spätestens seit dem Arabischen Frühling kann es auch gesellschaftliche Umbrüche bewirken.

In letzter Zeit ist eine Jugendliche in aller Munde - die sechzehnjährige Greta Thunberg. Eigentlich sollte das klar sein, aber ich folge mal dem Beispiel des Volksverpetzers und stelle zuerst mal eines klar: Greta ist nicht meine Heldin oder mein Idol. Ich begrüße es durchaus, dass sie den Mut hatte, aufzustehen und sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten einzusetzen. Aber das macht mich nicht zu ihrem "Fan". Jugendliche und junge Erwachsene sind oftmals naiver als Ältere - aber ihre Unbedarftheit und ihr Optimismus sind oftmals besser dazu geeignet, sich Problemen zu stellen, als die Abgestumpftheit und Resignation der Älteren. Die Hippies in den Sechzigern hatten naive Ideale, die in ihrer Gesamtheit nicht durchführbar sind, aber das Umdenken der Jugend in der damaligen Zeit hat durchaus auch Dinge verändert, und das nicht zum Negativen - beispielsweise den liebevolleren Umgang mit den eigenen Kindern, den offeneren Umgang mit Sexualität oder, wenn auch nicht Gleichberechtigung, so doch eine erhebliche Verbesserung der Stellung der Frau. Klar, manche sehen das heute nicht mehr als Verbesserung an - am besten wäre es wohl für manche, wir würden in die fünfziger Jahre zurückkehren - zumindest in das, was sie sich als die fünfziger Jahre vorstellen. Aber hatten wir das nicht schon?

Jedenfalls hat sich die Jugend vorgenommen, Gretas Beispiel zu folgen und für eine Lösung der Klimakrise zu demonstrieren. Ja, ich weiß, dafür setzen sie ihre Zukunft aufs Spiel, weil sie der Schule fernbleiben. Aber machen wir uns doch nichts vor - es sind diese Menschen, denen wir diesen Planeten hinterlassen. Und es ist uns Erwachsenen offenbar scheißegal. Sonst würden wir auf ihre Forderungen eingehen, anstatt Fake News in die Welt zu setzen, uns via Internet den ganzen Tag über die inkonsequenten Schulschwänzer aufzuregen und einen Teenager zu diskreditieren.
Natürlich kann man einwenden, dass der Friedensnobelpreis vielleicht ein bisschen hoch gegriffen ist. Aber ganz ehrlich - es haben schon Leute für deutlich weniger diesen Preis bekommen. Greta ist vielleicht nicht die Heldin, für die sie viele halten, aber sie hat es zumindest geschafft, junge Leute zu mobilisieren und den Dialog über die Klimakrise anzuheizen. Wir werden die Klimaschutz-Ziele, die wir uns gesetzt haben, mit Sicherheit nicht erreichen, aber irgendwie scheint das keinen zu stören. Ganz im Gegenteil - es gibt genügend Leute, die den menschengemachten Klimawandel immer noch leugnen, mit dem Argument, das Klima sei nicht statisch. Klar - das stimmt schon. Aber sind wir uns doch ehrlich - nie hat sich das Klima so rasant verändert wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Doch anstatt Themen wie dieses aufzugreifen, wird einfach an allem vorbeigeredet und auffällig viel Energie darauf verschwendet, gegen die böse Jugend zu wettern und speziell ein Kind in Misskredit zu bringen. Dabei ist es doch unsere Schuld, dass ausgerechnet ein Teenager sich dieses Problems annimmt - wir tun es ja nicht. Und ja, es mag sein, dass der eine oder andere von dem Gesicht dieses Mädchens schon genervt ist - aber das rechtfertigt nicht die mediale Hetze gegen sie, es rechtfertigt keine Fake-Profile mit ihrem Namen, deren Profilbild nicht sie, sondern ein kleines Mädchen mit Down-Syndrom zeigt und in denen gegen Jugendliche und Menschen mit Behinderung gehetzt wird, und es rechtfertigt nicht, dass über sie ständig Fake News und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Ganz offensichtlich sind etwa 50% der Accounts, die Lügengeschichten über Greta vertreiben, ebenfalls gefaket - was wohl bedeutet, dass man hier noch mehr Kritiker "erfindet", als es tatsächlich gibt. Mein Lieblingsargument ist, dass ihr Urgroßvater angeblich den Klimawandel erfunden hat und ein guter Freund von Alfred Nobel gewesen sein soll - und überdies den Nobelpreis für Chemie erhielt. Selbst wenn - der Mann ist seit 90 Jahren tot. Sehr unwahrscheinlich, dass er sie dazu "angestiftet" hat. Ganz abgesehen davon, dass man den Klimawandel genauso wenig "erfinden" kann wie die Gravitation. Und die Geschichten über ihre Familie sind teilweise auch ganz schön an den Haaren herbeigezogen - ich werde aber unten noch einen Artikel dazu verlinken. Am schlimmsten finde ich aber die diskriminierenden Äußerungen aufgrund ihres Asperger-Autismus. Ja, ich weiß, heutzutage scheint echt jeder Experte zu sein, wenn es um Autismus geht. So gibt es diejenigen, die behaupten, dass sie ihre Aktionen aufgrund ihres Autismus gar nicht selbst gestartet haben kann - sie sei ja geistig eingeschränkt und deswegen gar nicht fähig dazu. Dazu kann ich nur eines sagen: Nein, Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Einschränkungen sind nicht unfähig, selbst zu denken oder sich eine eigene Meinung zu bilden. Und nein, Asperger-Autismus ist keine "Krankheit" - es beschreibt lediglich eine Entwicklungsstörung, die sich aber nicht oder nur sehr leicht auf die kognitiven Fähigkeiten auswirken. Was bedeutet, dass Asperger-Autisten größtenteils normal oder sogar überdurchschnittlich intelligent sind. Und ich sage es noch einmal: Autisten haben sehr wohl Gefühle, es fällt ihnen lediglich schwer, die Gefühle ihrer Mitmenschen einzuordnen, weshalb sie in ihrer Kommunikationsfähigkeit häufig eingeschränkt sind. Und die Leute werden auch nicht müde, ständig dieses langweilige Bild von Greta beim Essen im Zug zu posten, auf dem ein paar Plastikverpackungen zu sehen sind. Abgesehen davon, dass man von niemandem verlangen kann, absolut perfekt zu sein - ich denke, wer sich über den eigenen Plastikverbrauch keine Gedanken macht, braucht auch nicht solche Memes zu teilen.

Aber die Diskreditierung und Fake News beschränken sich nicht nur auf die Person Greta Thunberg, sondern auf alle Jugendlichen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Und mir drängt sich der Gedanke immer mehr auf, dass es hauptsächlich darum geht, weiterhin ungestört über die heutige Jugend herziehen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit reichte es, darüber zu klagen, dass sich die jungen Leute heutzutage nur noch für ihre Smartphones interessieren. Jetzt interessieren sie sich für was anderes, und das ist in den Augen vieler auch falsch - und viele dieser "Kritiker" lassen es auffällig an dem Anstand und Respekt mangeln, den sie von der Jugend so dringend fordern. Doch es geht nicht nur darum - es geht auch darum, dass man das eigene bequeme Leben nicht aufgeben muss. Denn Plastik ist praktisch, Fleisch schmeckt gut und Müll trennen ist anstrengend, ebenso wie der zeitweilige Verzicht aufs geliebte Auto. Ein beliebtes Argument ist ja auch, die Jugend solle lieber gegen Altersarmut auf die Straße gehen - warum zum Geier die Jugend und nicht wir selbst? Und wenn uns die Schulausbildung unserer Kinder so wichtig ist, warum kümmern wir uns dann nicht selbst um den Klimaschutz? Ganz offensichtlich wollen wir die Verantwortung einfach nur abschieben - weil es viel bequemer ist, sich vom Wohnzimmersessel aus zu empören.

Darüber hinaus ist es für mich schon sehr auffällig, dass sich ganz plötzlich alle, ob Eltern bzw. Lehrer oder nicht, total für die Ausbildung unserer Jugend interessieren. Die ganze Zeit davor hat das ja auch niemanden gejuckt, der nicht unmittelbar betroffen war - und oft nicht mal diejenigen, wie betroffen waren. Ständig wird über Lehrermangel und Budgetkürzungen gejammert, dauernd werden Reformen gefordert, aber irgendwie geht da schon seit Ewigkeiten nicht wirklich was weiter. Und überdies - seit es die Schulpflicht gibt, gibt es auch Schulschwänzer. Wer kann behaupten, dass es in der eigenen Generation, die ja sowieso das Maß aller Dinge zu sein scheint, keine Schulschwänzer gab? Oder dass er oder sie überhaupt gar nie im Leben schon mal Schule geschwänzt hat? Und nicht, um auf Demos zu gehen, sondern um fernzusehen oder sich herumzutreiben. Klar, man wird nicht ganz verhindern können, dass es Schüler gibt, die tatsächlich die günstige Gelegenheit zum Schwänzen ergreifen - aber kann man es ihnen verdenken? Und überdies holen die Schüler, soweit ich den Überblick habe, die Fehlstunden sowieso nach. Und überhaupt - auch Arbeiterstreiks finden nicht in der Freizeit statt, außerdem wurde auch an schulfreien Tagen demonstriert. Abgesehen davon - wenn man nicht will, dass die Kinder die Schule schwänzen, warum hört man sich ihre Sorgen dann nicht an und übernimmt sie vielleicht selbst? Ach ja, das hab ich vergessen - weil einem dann die Zeit fehlt, um über andere herzuziehen.

Denn das ist ja lustig und überdies auch bequem. Und so werden nicht nur dreiste Lügen über Greta, sondern auch über die Demonstrierenden an sich verbreitet. Ich sehe dieser Tage oft Fotos demonstrierender Schüler, deren Plakate mit irgendeinem Computerprogramm bearbeitet wurden, so dass die Botschaften auf einmal ganz anders lauten als ursprünglich. Die Fälschungen sind so schlecht und billig, dass ich mich ernsthaft frage, ob der Verursacher sich nicht dafür schämt - aber anscheinend fällt das vielen nicht auf. Warum auch - wenn das bearbeitete Foto die eigenen Vorurteile bestätigt, reicht das doch. Was natürlich die Frage aufwirft, warum man Argumente erfinden muss, wenn man doch sowieso vollkommen recht hat. Oder ob man dies nicht vielmehr deswegen tut, um sich nicht mit den Argumenten auseinandersetzen zu müssen.

Und natürlich dürfen wir nicht vergessen: Diese Argumente sind null und nichtig, weil Greta etwas aus einer Plastikverpackung gegessen hat und weil die Schüler nach der Demo auch Müll produziert haben - aber macht das das Thema weniger wichtig? Keiner der Menschen, die jemals versucht haben, die Welt zu verändern oder zu verbessern, war völlig fehlerfrei; ich bin es nicht, meine lieben Leser und Innen sind es nicht und all die kritisierenden Besorgtbürger sind es auch nicht - warum sollte es Greta und warum sollten es die anderen Schüler sein? Kein Mensch verlangt, dass wir im Wald leben müssen - es geht nicht darum, dass Autos und Plastik überhaupt nicht mehr benutzt werden dürfen, es geht darum, den wahnwitzigen Verbrauch von Ressourcen zu reduzieren. Und nein, auch Aussagen wie "dann sollen sie sich nicht von den Eltern mit dem SUV zur Schule kutschieren lassen" gelten nicht - denn wie der Satz schon erklärt, fahren die Eltern den SUV und nicht die Schüler, und wenn man so wahnsinnig besorgt um das Kind ist, kann man es auch zu Fuß zur Schule begleiten. Auch hier - es sind in erster Linie die Erwachsenen gefordert. Und überdies scheinen sich viele Schüler ja tatsächlich ernsthaft Gedanken um Fleischkonsum oder Mülltrennung zu machen, seit dieses Thema präsent ist - was interessieren uns da die paar, die das nicht tun? Zeitweise habe ich aber auch das Gefühl, dass da auch sehr viel schlechtes Gewissen und Scham dabei ist; wir mussten von den Kindern auf die Probleme unserer Klimapolitik aufmerksam gemacht werden - ist es dann aber nicht ebenso peinlich, wenn wir von ihnen verlangen, dass sie uns ökologische Nachhaltigkeit vorleben?

Dieser ganze Shitstorm, den wir auf die nächste Generation herabregnen lassen, ist also leicht zu durchschauen - es geht darum, uns wieder mal über die Jugend von heute aufzuregen und gleichzeitig vom Thema abzulenken. Aber wir dürfen eines nicht vergessen - diese jungen Leute müssen eines Tages diese Welt selbst gestalten. Und wir hinterlassen ihnen einen Haufen Probleme, die wir selbst verursacht haben oder immer noch verursachen. Abgesehen davon: Hören wir endlich auf, so zu tun, als würden wir uns für Themen interessieren, die uns eigentlich, salopp gesagt, am Arsch vorbeigehen! Das ist nämlich tatsächlich Heuchelei - und zwar von der übelsten Sorte.

vousvoyez

Fake News über Greta: https://www.volksverpetzer.de/hintergrund/geruechte-greta/

Klimaquiz debunked: https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/das-klimaquiz-der-afd-die-aufloesung/

Montag, 18. März 2019

Wenn man einen Unfall hat, kommt die Polizei und sagt, dass es verboten ist, einen Unfall zu haben

(c) vousvoyez
Aufsätze von Volksschulkindern tragen ja bekanntlich immer wieder mal zur Erheiterung bei. Meine Mutter hat einmal erzählt, dass eine Lehrerin ihr im Gespräch offenbart hat, wie viel sie durch die ersten freien Aufsätze über das Familienleben ihrer Schüler erfahren hat.

Der Spruch "Narren und Kinder sprechen die Wahrheit" ist gar nicht so falsch, denn tatsächlich sind Kinder in ihren Aussagen weitaus ehrlicher und direkter als Erwachsene. Erst wenn man älter wird, lernt man, dass es in gewissen Situationen klüger ist, nicht die Wahrheit zu sagen und dass man gewisse Dinge lieber verschweigt, um andere nicht vor den Kopf zu stoßen. Manche verlernen mit der Zeit, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Und wenn's ganz blöd kommt, nennt man sich irgendwann mal "Truther".

Deswegen möchte ich heute einmal über Induktion sprechen. Nein, damit meine ich nicht den Kochplattenherd, der heutzutage in vielen Haushalten zu finden ist. Ich meine damit einen Begriff aus den Grundlagen der Philosophie, der von Aristoteles geprägt wurde. Der Begriff "Induktion" kommt aus dem lateinischen inducere und bedeutet herbeiführen, veranlassen, einführen; man spricht von Induktion, wenn man von einem oder mehreren speziellen Sachverhalten auf ein allgemeingültiges Gesetz schließt. Sie ist also Teil des empirisch orientierten Denkens, wie es beispielsweise John Stuart Mill vertreten hat, also eine Denkweise, die auf Erfahrung beruht. Sie steht damit im Gegensatz zur Deduktion, die das Gegenteil meint - nämlich, dass man vom Allgemeinen aufs Besondere schließt.

Die klügeren Köpfe unter euch werden vielleicht schon bemerkt haben, dass die Methode der Induktion so ihre Tücken hat, wie auch schon so bedeutsame Denker wie David Hume und Karl Popper festgestellt haben. Dennoch gibt es auch heutzutage immer wieder Personen, die sich einerseits für die großen Denker unserer Zeit halten und sich andererseits fleißig der Induktion bedienen. Ja, richtig, ich spreche unter anderem auch von unseren geliebten Aluhut-Trägern!

Beispiele für Induktion sind etwa Sätze wie: "Das Kind von dem und dem ist autistisch und wurde geimpft, deswegen macht Impfen autistisch." "Meine Großmutter hat als Kind die Masern überlebt, deswegen sind die Masern völlig harmlos." "Der älteste Hund der Welt wurde vegan ernährt, deswegen ist Veganismus für alle Hunde dieser Welt die einzig richtige Ernährung." 

Natürlich ist Induktion keineswegs vollkommen nutzlos und verwerflich. Die Wissenschaft arbeitet beispielsweise hauptsächlich mit Induktion - anhand verschiedener empirischer Beispiele schließt sie auf einen allgemeinen Sachverhalt. Im Gegensatz zu den meisten aufgewachten Individuen verlässt sie sich jedoch nicht auf Einzelfälle, sondern nutzt zusätzlich noch die von Mill so bezeichnete method of agreement (Methode der Übereinstimmung) - sie schließt von mehreren Sachverhalten, die gleich oder ähnlich sind, auf ein allgemeingültiges Gesetz. Und wie ich, glaube ich, schon einmal angedeutet habe (sorry, auch ich habe nicht alle meine bisherigen Artikel auswendig gelernt), sind selbst diese Gesetze nicht unwandelbar, sondern können auch widerlegt und korrigiert werden und sind dann trotzdem immer noch wissenschaftlich.

Dennoch kann man nicht bestreiten, dass Induktion auch gewisse Probleme aufwirft - besonders eben, wenn man von Einzelfällen auf die Allgemeinheit schließt. Man kann behaupten, dass der Autismus eines Kindes durch Impfen entstanden ist, dem stehen aber andere Kinder gegenüber, die ebenfalls geimpft sind und trotzdem keinen Autismus haben. Überdies scheint "Autismus" in der heutigen Zeit ein beliebter Kampfbegriff zu sein. Und das, obwohl Autismus laut allgemeiner Definition keine "Krankheit" im klassischen Sinn, sondern eine Entwicklungsstörung ist, die überdies angeboren ist und nicht durch irgendwelche "Parasiten" herbeigeführt wird, selbst wenn sich die Symptome manchmal erst im frühen Kindesalter zeigen. Abgesehen davon, dass Autisten keine gefühllosen Zombies sind, wie manche Schwurbler es uns weismachen wollen. Auch wenn die sogenannte "Inselbegabung", also außergewöhnliche Fähigkeiten auf einem bestimmten Teilgebiet, nur auf einen kleinen Teil der Autisten zutrifft. Aber allgemein kann man sagen, dass Autismus keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstörung ist, und dass diese Diagnose so komplex ist, dass man sie nicht wirklich verallgemeinern kann. Dass Impfen Autismus verursachen soll, geht überdies auf einen Artikel des nicht mehr zugelassenen Arztes Andrew Wakefield aus dem Jahre 1998 zurück, der einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung, also der Schutzimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln, und Autismus hergestellt hat. Dieser Artikel hat keinerlei Seriosität, was aber nicht auf eine Verschwörung der sogenannten NWO zurückgeht, sondern darauf, dass Wakefields Ergebnisse einerseits nicht reproduziert werden konnten und er andererseits der Bestechung durch die Anwälte von Eltern autistischer Kinder überführt wurde - was übrigens auch der Grund ist, warum er 2010 Berufsverbot bekam. Leider scheint das vielen nicht klar zu sein - weshalb beispielsweise Donald Trump Wakefields Studie aktuell dazu benutzt, um Obamacare auszuhebeln.

Ebenso kann man behaupten, dass diese und jene Person nicht an Masern gestorben ist - das macht Masern jedoch keineswegs zu der "harmlosen Kinderkrankheit", als die sie Impfgegner gerne darstellen. Ich habe letztens ein Meme entdeckt, bei dem der Umgang mit Masern in den fünfziger Jahren mit dem heutigen verglichen wird. Es hat zum Inhalt, dass man Kinder in früheren Zeiten dazu angehalten hat, mit masernkranken Altersgenossen zu spielen, um sich anzustecken und immun zu werden. Ich denke ja, die einfachste Methode, diese Behauptung zu überprüfen, wäre es, diejenigen zu fragen, die in den fünfziger Jahren Kinder waren. Aber das wäre natürlich viel zu einfach. Ich muss zugeben, ich hatte nie Masern - meine böse Mutter hat mich dagegen impfen lassen -, aber von allen, die diese Krankheit tatsächlich hatten, weiß ich, dass man mit Masern neben dem typischen Hautausschlag auch hohes Fieber hat und ganz allgemein eher geschwächt ist - keine allzu günstigen Voraussetzungen, um mit anderen Kindern herumzutoben. Und selbst wenn - solange es keine Impfung gibt, denken sich Mütter halt wohl, besser, die Kinder bekommen es jetzt als später. Tatsächlich handelt es sich bei Masern um eine höchst ansteckende Infektionskrankheit, die in ungünstigen Fällen Komplikationen nach sich ziehen und, wenn man Pech hat, zu Lungen- und Hirnentzündungen und in der Folge sogar zum Tod führen kann. Überdies begreife ich nicht, warum die böse "Schulmedizin" das Ziel anstreben soll, Menschen gegen eine Krankheit zu immunisieren, deren Behandlung weitaus lukrativer wäre. Und nein, das heißt im Umkehrschluss nicht, dass alle Ärzte Götter und alle Impfungen notwendig sind, und es heißt auch nicht, dass die Pharma-Industrie eine blütenweiße Weste hat. Komischerweise habe ich von all den dummen "Schlafschafen" auch nie eine solche Behauptung gehört. Aber das Leben ist eben einfacher, wenn alles ausschließlich schwarz-weiß ist.

Und man kann behaupten, dass es vollkommen richtig ist, Hunde und Katzen vegan zu ernähren, wenn doch ein vegan ernährter Border-Collie das biblische Alter von 27 Jahren erreichte und es somit als ältester Hund der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte. Nun, wenn ich auf Google den Begriff "ältester Hund der Welt" ohne den Zusatz "vegan" eingebe, stoße ich als erstes nicht auf den veganen Hund, sondern einerseits auf eine Kelpie-Hündin, die zu einem australischen Milchbauern gehörte und etwa 30 Jahre alt wurde, die es aber nicht ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte, weil sie keine Geburtsurkunde hatte, andererseits auf einen 1939 verstorbenen Australian Cattle Dog, der 29 Jahre alt wurde. Beide waren Hütehunde, und es ist schwer vorstellbar, dass sie vegan ernährt wurden. Nun wissen wir ja alle, dass zwischen Tierhaltern schon seit längerem ein erbitterter Kampf um die richtige Ernährung ihrer vierbeinigen Lebensgenossen tobt - ähnlich wie dem der Mütter um die richtige Erziehung ihrer Kinder. Nachdem Letzteres bereits zu so einer Art Religion geworden zu sein scheint, sind nun die Tiere dran. Wobei ich betonen muss, dass ich auch sehr viele vernünftige Veganer kenne, die ihre Ernährungsweise als ihre persönliche Entscheidung begreifen und nicht als allgemeingültiges Gesetz. Ich halte es auch nicht für falsch, sich über Billigfleisch, Massentierhaltung und Tierquälerei Gedanken zu machen und etwas dagegen zu unternehmen. Und ich weiß, dass es Hunde mit Unverträglichkeiten gibt, die kein Fleisch vertragen. Aber das sind eben auch nicht auf alle Hunde dieser Welt übertragbar. Soweit ich weiß, kann man überdies Hunde an eine pflanzliche Ernährung gewöhnen, Katzen hingegen nicht. Und es hilft nun einmal nichts, zu leugnen, dass es Tiere gibt, die von Natur aus Fleischfresser sind - wer das nicht aushält, sollte keine Fleisch fressenden Tiere halten. Denke ich.

Ich weiß, dass ich mit diesem Artikel niemanden überzeugen kann, der in seinem Glauben gegen Impfungen und für die vegane Ernährung fleischfressender Haustiere bereits gefestigt ist. Das einzige, was ich hoffen kann, ist, dass der eine oder andere vielleicht darüber nachdenkt. Und klar, natürlich werde ich von der NWO, den Reptiloiden, den Illuminaten und den Rothschilds finanziert - ich weiß nicht, ob euch schon aufgefallen ist, dass ich auf diesem Blog bislang noch keine Werbung geschalten habe. Was bedeutet, dass ich damit kein Geld verdiene. Aber ich bin natürlich trotzdem ein Schlafschaf, das vom System indoktriniert wurde - welches System das auch immer sein mag.

vousvoyez

Freitag, 1. März 2019

Ich bekomme keinen Krebs, ich bin selbst einer

(c) vousvoyez
Nein, diese Weisheit ist nicht exakt die gleiche wie die letzte - aber zugegebenermaßen sehr ähnlich und auch von demselben Kollegen, der sich gern darüber lustig machte, dass sein Sternbild den gleichen Namen hat wie eine gefürchtete Krankheit.

Das Internet ist ja bekanntermaßen auch eine gute Möglichkeit, sich selbst oder anderen das Fürchten beizubringen. Wie der eine oder andere vielleicht schon weiß, habe ich letzten Sommer über ein Social-Media-Phänomen berichtet, das besonders jüngere Nutzer in Atem gehalten hat, nämlich die Geschichte von Momo, dem gruseligen Whatsapp-Mädchen. Hier nur ein grober Überblick, den Rest könnt ihr in meinem alten Artikel nachlesen: Bei Momo handelt es sich in Wirklichkeit um eine Skulptur aus einem Kunstmuseum in Tokio, deren Foto letzten Sommer als Profilbild eines japanischen Whatsapp-Accounts namens "Momo" erschien. Das Thema wurde vor allem von Trash-YouTubern bis zum Erbrechen ausgeschlachtet und in sozialen Netzwerken breitgetreten, in Spanien und Deutschland warnte sogar die Polizei vor Fake-Accounts auf Whatsapp, es tauchten gruselige, aber letztlich kindische Kettenbriefe auf, die Todesdrohungen enthielten und es gab Gerüchte, dass es eine Momo-Challenge gäbe, die der Blue-Whale-Challenge ähnlich sein sollte. Am Ende kam dann sogar das Gerücht auf, dass sich in Argentinien ein zwölfjähriges Mädchen im Zuge dieser Challenge umgebracht haben soll. Eine Menge heiße Luft also - aber mit der Ahnung einer echten Gefahr.

Gegen Ende des Sommers kam es, wie es letztendlich kommen musste - die Leute verloren nach und nach das Interesse an dem Thema, immer mehr von ihnen waren genervt, und die Geschichte lief sich irgendwann tot.
Doch so manche totgeglaubten Trends haben es an sich, irgendwann ein Revival zu erleben. Und so ergeht es zurzeit auch Momo.

Es gibt bereits seit einiger Zeit eine App von YouTube, die nur kindgerechte Videos zulassen soll, so dass Eltern ihre Sprösslinge bedenkenlos vor dem Internet "parken" können, wenn sie mal ihre Ruhe haben wollen. Diese Plattform nennt sich "YouTube Kids". Was sich gar nicht so schlecht anhört. Das Problem ist jedoch, dass YouTube Kids, ebenso wie das normale YouTube, durch einen Algorithmus kontrolliert wird - und dieser ist fehlerhaft.
Vor etwa zwei Jahren tauchten auf YouTube Kids immer wieder Videos auf, die alles andere als kindgerecht waren - Videos, die bei Kindern beliebte Figuren wie Peppa Pig, Elsa aus dem Disney-Film Die Eiskönigin, Micky Maus, Paw Patrol oder Spiderman zeigten, auf die jungen Zuseher jedoch extrem verstörend wirkten: das Schweinchen Peppa Pig, das von einem sadistischen Zahnarzt gefoltert wird; Elsa, die zusieht, wie Spiderman in die Badewanne pinkelt, in der sie gerade sitzt; Micky Maus, die von einem Auto überfahren wird, wobei Blut über die Straße spritzt, vertraute Figuren in Videos voller Gewalt oder Pornographie. Unter dem Schlagwort "Elsagate" tauschten sich Eltern via Social Networks über diese Videos aus.
Inzwischen haben sich die Kontrollen verschärft, und besagte Videos sind von der Plattform genommen worden. Dennoch garantiert YouTube Kids bis heute keine 100%ige Sicherheit, und überdies sollte sowieso klar sein, dass Smartphone und Tablet keine passenden Kinderspielzeuge sind und das Internet den Babysitter nicht ersetzen sollte - auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass so manche es bis heute nicht kapiert haben, wenn ich Zweijährige sehe mit Smartphones, die fast so groß sind wie sie selbst.

Was aber hat das alles mit Momo zu tun?
Seit einiger Zeit kursieren in ganz Europa Medienberichte, die wieder einmal einige Hysterie hervorrufen. Die Rede ist davon, dass in Videos von Peppa Pig und Fortnite, die auf YouTube Kids zu sehen sind, auf einmal das Gesicht von Momo erscheint sowie eine Stimme oder ein Schriftzug, die damit drohen, die Kinder zu töten oder sie auffordert, sich selbst oder ihre Eltern umzubringen. Die Rede ist davon, dass diese Videos "gehackt" worden seien oder automatisch pausiert hätten, um mittendrin Momo zu zeigen und den Kindern zu drohen, oder dass Momo plötzlich nicht nur in Fortnite-Videos, sondern im Spiel selbst auftauchen würde. Tatsache ist, und das weiß sogar ich als Laie, dass man Videos, die einmal auf YouTube hochgeladen wurden, nicht einfach "hacken" kann und dass es auch nicht möglich ist, Videos zu pausieren, um irgendwas anderes "einzuschieben". Wenn diese Videos also tatsächlich existieren, dann müssen sie schon so, wie man sie sieht, hochgeladen worden sein. Und wir wissen ja, dass das nicht allzu schwierig ist. Es ist schlicht und einfach schwachsinnig, zu glauben, irgendeine geheimnisvolle "Momo" würde sich in Kindervideos "hacken", um unsere Sprösslinge zu ängstigen und zu bedrohen.

Als sei das nicht noch genug, werden die vergangenen Ereignisse wild durcheinandergemischt; man spricht von Kindern und Jugendlichen, die sich angeblich reihenweise umgebracht haben, nachdem sie die so genannte "Momo-Challenge" gespielt haben, und bringt die aktuelle Panikmache mit den verstörenden Peppa-Pig-Videos der Vergangenheit in Verbindung, obwohl diese nichts miteinander zu tun haben.

Tatsache ist: Als man bei YouTube versuchte, diese Videos zu beseitigen, wurden schlicht und ergreifend keine gefunden - und tatsächlich gab es auch keinerlei Meldungen seitens der YouTube-Konsumenten, die die Existenz dieser Videos bestätigten. Die einzige Quelle, die man fand, war eine unautorisierte Facebook-Seite, auf der eine Mutter berichtete, dass ihr Sohn ihr erzählt hatte, er hätte Videos gesehen, in denen Momo plötzlich auftauchte - diese Videos konnte er ihr jedoch nicht zeigen. Daraufhin haben verschiedene Eltern in eigenen Posts wohl vor dieser neuen Wendung im totgeglaubten Momo-Hype gewarnt, woraufhin andere Eltern diese Posts wahrscheinlich geteilt und so auf Facebook verbreitet haben. Man erlebt es ja immer wieder - Leute teilen Meldungen auf Facebook, ohne sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Ja, ich gebe zu, anfangs hab ich zeitweise auch mitgemacht - bis ich eben gemerkt habe, dass viele dieser Meldungen nur Hoaxes sind. Fakt ist: Es gibt keine Beweise dafür, dass diese Videos existieren oder in der Vergangenheit existiert haben.

Was die bekannten Selbstmordfälle betrifft, die angeblich ein Resultat der Momo-Challenge gewesen sein sollten, so konnte nie nachgewiesen werden, dass diese tatsächlich etwas damit zu tun hatten. Auch bei dem eingangs erwähnte Suizid-Fall des Mädchens aus Argentinien gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Momo-Challenge daran schuld war.

Das Absurdeste an dieser Geschichte ist, dass auch Prominente, Schulen und sogar die Polizei vor einer Challenge warnen, deren Existenz nie bestätigt wurde. Was wohl daran liegt, dass die Geschichte zum Selbstläufer wurde und immer mehr und mehr aufgebläht wird. In Wirklichkeit gibt es nicht einmal einen Beweis, dass die Momo-Challenge überhaupt existiert. Möglicherweise haben einzelne Kinder und Jugendliche auch ein wenig dick aufgetragen, um andere zu beeindrucken oder zu ängstigen - in sehr jungen Jahren kann man die Tragweite bestimmter Behauptungen ja noch gar nicht einschätzen. Was Eltern und Kinder in Angst und Panik versetzt, ist also wohl keine erfundene Horrorgestalt, die im Internet ihr Unwesen treibt, sondern schlicht und einfach die übersteigerte Darstellung der Medien.

Den einzigen Nutzen, den wir daher aus der ganzen Sache ziehen können, ist also bestenfalls der, dass man Kinder nicht mit dem Internet allein lassen sollte. Ich weiß, als Kinderlose habe ich leicht reden, aber ab und zu schnappe ich in verschiedenen Internet-Portalen halt Posts auf, die mir nichts anderes zeigen, als dass diejenigen, die sie geschrieben sind, eindeutig zu jung sind, um allein im Internet zurechtzukommen.

vousvoyez


https://www.mimikama.at/allgemein/hysterie-um-die-momo-challenge-und-peppa-pig-videos/

https://www.youtube.com/watch?v=nhMa-lAT-xQ