Donnerstag, 19. Dezember 2019

Nur weil etwas Fakt ist, muss es noch lange nicht stimmen

Wie ihr euch sicher denken könnt, stammt dieser Satz von einer Vertreterin der Intelligenzallergiker intellektuellen Elite des World Wide Web. In welchem Zusammenhang, kann ich allerdings, ehrlich gesagt, nicht mehr eruieren. Allerdings ist gerade diese extrem bescheuerte intelligente Weisheit viel zu gut, als dass ich mich angesichts dessen nicht einem Thema widmen könnte, das ich schon längere Zeit eher vernachlässigt habe, das aber höchstes Unterhaltungspotenzial hat, nämlich unseren geliebten Schwurbels.

Wer mich schon ein bisschen länger kennt - online oder auch privat -, weiß, dass ich an einer bestimmten Kategorie von Schwurbelfritzen Kritikern einen besonderen Narren gefressen habe. Warum, das ist schwer zu sagen. Ich glaube, das liegt einfach daran, dass ich immer wieder über den gewaltigen Einfallsreichtum der Menschheit erstaunt bin, weshalb ich auch von Kindheit an ein leidenschaftliches Interesse an Mythen, Legenden und Religionen hege. Diese sind ja bisweilen den Schwurbelgeschichten  nicht so unähnlich. Die natürlich überhaupt gar nichts mit alternativen Fakten zu tun haben, die auch ganz wirklich vollkommen wahr sind!!!!!!11

Beginnen möchte ich meine neuerlichen Ausführungen so, wie ich viele beginnen, nämlich mit mir selbst. Seit meiner frühesten Kindheit habe ich Bücher über alles geliebt - ich wollte sie lesen, ich wollte sie aber auch einfach nur besitzen. Auch wenn mir bewusst ist, dass es sehr viele gibt, die diesen Wesenszug überhaupt nicht verstehen, und ich muss zugeben, dass das zeitweise auch ein bisschen anstrengend ist, besonders in Phasen, in denen man zu sehr vielen Wohnungswechseln gezwungen ist. Jedenfalls bin ich in Buchläden, Bibliotheken, auf Bücherflohmärkten und in Antiquariaten von jung an schon aufgeblüht. Als junge Frau war ich einmal in Frankfurt - und man musste mich fast mit Gewalt aus den vielen großen Buchhandlungen wieder rauszerren. Aber auch vor Wühltischen machte ich nicht halt - auch wenn man da zeitweise Gefahr läuft, unwissentlich den haarsträubendsten Schrott zu kaufen. Da Wühltisch-Bücher allerdings selten mehr als einen oder zwei Euro kosten - irgendwie muss man seinen Müll ja loswerden -, ist das nicht allzu schmerzhaft. Damals pendelte der Preis so zwischen zehn oder fünfzehn Schilling. Michael Mittermeier hat in seinem Buch Die Welt für Anfänger den österreichischen Schilling mit der italienischen Lira verglichen. Was nicht gerade für eine Italien-Erfahrung spricht - offenbar hat ihm seine Mutter nie tausend Lire in die Hand gedrückt mit dem Hinweis: "Geh dir ein Eis kaufen!" Im Gegensatz dazu waren tausend Schilling für mich der Inbegriff des wahren Reichtums.

Langer Rede kurzer Sinn, jedenfalls kaufte ich im zarten Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren von so einem Wühltisch mal ein Buch, an dessen Titel ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann. In diesem Buch wurde die angeblich wahre Geschichte einer Frau erzählt, die in einer satanistischen Sekte aufgewachsen sein soll. Satanisten sind ja immer gut, wenn man Schwurbels Wahrheitssuchende gerne triggern will. Angeblich durchlebte sie ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch grausame Folter, sexuellen Missbrauch und Demütigungen, ehe sie sich als junge Erwachsene vermeintlich aus diesem psychischen Gefängnis befreien konnte - doch in Wirklichkeit war sie immer noch darin gefangen, denn sie soll an einer Dissoziativen Identitätsstörung, auch bekannt als Multiple Persönlichkeitsstörung, leiden, und Angehörigen der Sekte, die sie glaubte, hinter sich gelassen zu haben, waren angeblich immer noch in der Lage, sie von außen zu steuern.

Ich las das Buch und war milde beeindruckt, obwohl mir ein paar Behauptungen darin damals schon etwas merkwürdig vorkamen. Aber ich dachte nicht weiter nach; es verschwand irgendwo in meinem Bücherregal, und Jahre später, als ich mein Elternhaus verließ, gehörte es zu den wenigen, die ausgemustert wurden, wahrscheinlich, um auf dem nächsten Wühltisch zu landen. Vor etwa einem Jahr dann stieß ich auf ein YouTube-Video über die "Verschwörungstheorie", das viele der Fragen, die ich mir damals selbst schon gestellt habe, ebenfalls aufwarf. Die Frau in dem Buch müsste heute etwa zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt sein; bis heute gibt es noch keine konkreten Ergebnisse bezüglich ritueller Gewalt. Auch die vermeintlichen Täter bleiben äußerst diffus, obwohl es unfassbar viele sein sollen, darunter auch Ordnungsorgane und sogar Regierungsmitglieder. Wer nur ein bisschen was über den Mechanismus von Verschwörungsideologien weiß, dem sollten hierbei bereits die Ohren klingeln. Darüber hinaus wurde in dem Buch behauptet, dass junge Mädchen willkürlich geschwängert und deren Kinder hinterher dem Satan geopfert werden sollten; ich weiß, dass es Fälle gibt, in denen Frauen ihre Schwangerschaft nicht bemerken und irgendwann ein Kind auf die Welt bringen, aber so extrem viele sind es ja doch nicht, und es ist doch äußerst merkwürdig, dass kein Außenstehender bei so vielen Mädchen, denen das passiert sein soll, je deren Schwangerschaft bemerkt haben soll. Es braucht doch nur außerhalb des rituellen Kreises zu Komplikationen kommen - und so selten kommt das wiederum nicht vor -, und schon wäre alles klar. Abgesehen davon, dass Personen mit Dissoziativer Identitätsstörung doch immer noch nur einen einzigen Körper haben - ist es dann nicht äußerst merkwürdig, dass, wenn diese Person unter Drogen gesetzt wird, nicht alle inneren Persönlichkeiten die Wirkung der Drogen zu spüren bekommen sollen? Darüber hinaus wäre, wenn man diesem Buch glauben würde, wie schon gesagt eine unglaublich hohe Anzahl an Personen an diesen rituellen Gewaltakten beteiligt und würde sich von der Außenwelt völlig unbemerkt in auffallend großen Gruppen an irgendwelchen geheimen Orten treffen - und das weltweit und ohne dass bis zum heutigen Tage auch nur irgendein Außenstehender davon Wind bekommen hätte. Offenbar gibt es weitaus mehr als nur ein Buch und auch Dokumentation zu diesen Themen, aber viel mehr als in dem Buch, das ich selbst gelesen habe, kommt da nicht heraus. Versteht mich nicht falsch: Mir ist klar, dass sexuelle und auch rituelle Gewalt real sind, und ich zweifle auch nicht daran, dass die angeblichen Satanismus-Opfer tatsächlich missbraucht wurden und ihre Geschichte sicherlich auch glauben. Allerdings frage ich mich, ob das Problem da nicht eher bei den Therapeuten liegt, die diese behandeln, als bei den Opfern selbst. Es klingt für mich halt nur äußerst unglaubwürdig, dass wir von all diesen Satanisten weltweit unterwandert sein sollen und es, wie schon gesagt, seit gut einem halben Jahrhundert immer noch keine konkreten Anhaltspunkte gibt.Ja, ich weiß, dass dies nur meine Meinung ist - aber für mich hat das Ganze halt eher die Glaubwürdigkeit einer Bravo-Foto-Love-Story. Tut mir leid.

Rituelle Gewaltakte sind ja bekanntlich Bestandteil vieler Verschwörungstheorien  höchst vernünftiger Wahrheiten. Ich habe in einem anderen Artikel ja bereits über Alex Jones berichtet, den Typen mit den schwulen Fröschen. Dieser beteiligte sich während des letztens US-Wahlkampfs 2016 an der Verbreitung der Pizzagate-Geschichte, die irgendwann auf 4chan und Reddit auftauchte und in der behauptet wurde, Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton betreibe im Keller einer Pizzeria in Washington, D. C. einen Kinderpornoring. Daraufhin stürmte am 4. Dezember desselben Jahres ein bewaffneter Mann die Pizzeria, um die Kinder zu befreien - und musste feststellen, dass das Gebäude, in dem sie unterbracht war, gar keinen Keller hatte und es auch keine Kinder gab, die dort festgehalten wurden. Die Verbreitung einer kruden Theorie als unterdrückte Wahrheit brachte Menschen in Gefahr und einen weiteren für vier Jahre ins Gefängnis.

Besonders die Vorstellung, jemand könnte Kindern Gewalt antun, fügt bestimmten Schwurbelgeschichten alternativen Fakten natürlich noch einmal eine ordentliche Dimension an Dramatik hinzu. So wird in diesem Zusammenhang gerne mal über pädophile Handlungen oder Mord an kleinen Kindern geschwurbelt berichtet. So sind viele Verschwörungstheoretiker Wahrheitssuchende in diesem Jahr vor Entrüstung Sturm gelaufen anlässlich eines Interviews mit Jim Carrey, der behauptete, Hollywoodstars würden zu Weihnachten ganze Babys verspeisen. Der Witz dabei: Dieses Interview hat nie stattgefunden. Es handelt sich hierbei um "Fauxtire", eine Zusammensetzung aus dem französischen faux wie falsch und Satire - das sind Falschnachrichten, die absichtlich besonders unglaubwürdig und dramatisch gehalten werden. Ich habe unten noch einen Artikel dazu verlinkt. Ja, unglaubwürdig. Einige scheinen sie trotzdem für glaubwürdig zu halten. Und auch die Flacherd-YouTuber haben sich inzwischen offenbar auf die Promis eingeschossen - klar, irgendwann wird es ja langweilig, nichts anderes zu tun, als seiner Community ständig zu versichern, dass die Erde flach ist. Ihre neueste Masche ist jetzt, zu behaupten, dass alle Prominenten in Wirklichkeit "Transsexuelle" seien - und aufgrund anatomischer Merkmale zu entscheiden, ob diese Personen eine Geschlechtsumwandlung getätigt hätten. Manche lehnen sich sogar so weit aus dem Fenster, zu behaupten, dass sie auch ihre Kinder als das gegenteilige Geschlecht erziehen als das, mit dem sie geboren werden. Nun - dass man Trans-Personen mit exakt demselben Anstand und Respekt zu behandeln hat wie alle anderen auch, sollte inzwischen selbstverständlich sein, auch wenn manche das ganz offensichtlich immer noch nicht kapieren. Aber dass alle Prominenten ein anderes Geschlecht vortäuschen sollen als ihr biologisches, klingt irgendwie seltsam, ganz abgesehen davon, dass man nicht jedes körperliche Merkmal auf jeden Angehörigen eines bestimmten Geschlechts zuteilen kann, da die Menschen bekanntermaßen verschieden sind.

Ja, Prominente sind dankbare Projektionsflächen für alle möglichen lustigen Schwurbelgeschichten. Und deswegen will ich euch zum Abschluss noch eine aus dem popkulturellen Bereich erzählen. Wie ihr vielleicht mitgekriegt habt, hatte ich eine Phase, in der ich mich sehr viel mit der Musik der sechziger Jahre, speziell der Beatles, auseinandergesetzt habe. Das liegt unter anderem daran, dass mich das erste Soloalbum von John Lennon durch eine sehr dunkle Zeit gebracht hat. Und, dass ich, wenn mich ein Künstler begeistert, gerne so viel wie möglich über ihn (oder sie) in Erfahrung bringen möchte. Anscheinend sind die Beatles aber auch eine sehr dankbare Vorlage, wenn es um Verschwörungstheorien alternative Fakten geht. Ich habe ja bereits von den Gerüchten erzählt, die behaupten, dass Paul McCartney bereits im Jahr 1966 bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein soll - obwohl er sich trotz seiner mittlerweile 77 Jahre immer noch bester Gesundheit zu erfreuen scheint. Aber das ist nicht alles - die Beatlemania, wie das Phänomen rund um den Hype um diese britische Popgruppe genannt wird, soll laut eines Schwurbel-Artikels ein perfider Plan der Illuminaten gewesen sein, um die Gesellschaft nach ihrem Gutdünken zu verändern. Als "Beweis" dafür wird eine unbelegte Bemerkung John Lennons gegenüber seinem Musikerkollegen Tony Sheridan in Hamburg angeführt, in der er erklärt haben soll, er habe seine Seele für den Erfolg seiner Band an den Satan verkauft. Nun - es ist nicht allen bekannt, dass John Lennon nicht nur Musiker war, sondern darüber hinaus auch noch Graphik an der Liverpooler Kunstakademie studierte und insgesamt drei Bücher veröffentlichte, in denen von ihm verfasste Kurzgeschichten, Gedichte und Illustrationen gesammelt sind. Kurz gesagt - ich kenne genug von dem, was John Lennon gesagt, geschrieben und gezeichnet hat, um zu wissen, dass der Mann über einen ziemlich provokanten Sinn für Humor verfügte. Was die Idee nahelegt, dass auch diese Bemerkung, sollte er sie tatsächlich getätigt haben, wohl eher ein Witz sein sollte. Aber man kann von einem Truther ja nicht erwarten, dass er auch noch Humor versteht - vor allem nicht von einem Mann, der bei der Royal Variety Performance 1963 das gut betuchte Publikum aufforderte, mit den Juwelen zu rasseln. Weitere "Belege" für die Beatles als Teil einer Illuminaten-Verschwörung bzw. eines "Massenexperiments" mehrerer vollkommen diametral zueinander stehenden Gruppierungen sind unter anderem auch, dass sie am Beginn ihrer Karriere in einem Liverpooler Striplokal sowie in mehreren Nachtclubs im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli auftraten, dass ihr Manager homosexuell war und dass sie während ihrer gemeinsamen Karriere auch Drogen konsumierten. Nun - eine ganze Menge Künstler nahm damals Drogen, viele auch schon vor den Beatles. Sind die etwa auch Teil der Verschwörung? Lustig finde ich auch die Behauptung, dass "Theo Adorno" die gesamte Musik der Beatles komponiert haben soll. Abgesehen davon, dass die Urheberschaft und Entstehungsgeschichte der Beatles-Songs ziemlich gut belegt ist, waren die wenigen musikalischen Werke des deutschen Philosophen und Soziologen Theodor Adorno, der im übrigen seit 1945 nicht mehr komponiert hat, wohl kaum dem Pop-Genre zuzurechnen. Abgesehen davon, dass die "versteckten Codewörter", die die Beatles unter die amerikanische Jugend gebracht haben sollen, wie "cool", "Teenager" und "Popmusik", schon vor ihrer Gründung bekannt waren und dass Begriffe wie "Beatniks" und "Beat-Generation" mitnichten eine Bezeichnung für Beatles-Fans waren. Die Beat-Generation war eine Gruppierung junger amerikanischer Literaten wie Jack Kerouac, Alan Ginsbergh und William Burroughs, die ihre ersten Werke bereits veröffentlichten, als die späteren Beatles noch Kinder waren. Als ich etwa sechzehn Jahre alt war, habe ich vor allem die Bücher von Kerouac sehr geliebt - so sehr, dass ich bisweilen träumte, selbst per Anhalter durch Amerika zu trampen. Aus dieser Generation von Literaten gingen dann die Beatniks hervor - sozusagen die Vorfahren der späteren Hippies. Und was den Umstand betrifft, dass ein paar Songs der Beatles den berühmt-berüchtigten Charles Manson inspirierten - für die Fehlinterpretationen eines gescheiterten Musikers und manipulativen Sektenführers können die Songwriter doch nichts. Und natürlich dürfen die angeblichen Rückwärtsbotschaften nicht fehlen, über die ich bereits in einem anderen Artikel erzählt habe. Wer mehr über die Illumiaten-Beatles erfahren will, dem empfehle ich ein Video über den Originalartikel, sehr amüsant vorgetragen von einem meiner persönlichen Lieblings-YouTuber, dem Bücheronkel. Das Video verlinke ich ebenfalls.

Gerade bemerke ich, dass mein Artikel wieder mal weitaus länger ist als beabsichtigt. Und das, obwohl ich vieles davon bereits wieder rigoros gekürzt habe - aus Gründen der Leserfreundlichkeit. Wer meine weiteren Ausführungen zu einigen ganz tollen Schwurbelmärchen vollkommen der Wahrheit entsprechenden, ausgesprochen vernünftigen Fakten noch nicht kennt, darf sie übrigens gerne in der Kategorie "Unterwelt" nachlesen. Ansonsten - ich komme wieder, keine Frage!

vousvoyez


Satanismus: https://www.youtube.com/watch?v=bTH7rtyVUOo

Transsexuelle Prominente: https://www.youtube.com/watch?v=rl62Wo027Wg

Fauxtire: https://www.mimikama.at/allgemein/hollywood-eliten/

Dr. Andrew Wakefield: https://www.psiram.com/de/index.php/Andrew_Wakefield

Impfungen: https://www.youtube.com/watch?v=RLbuqWlNFoU

Die Pharma-Verschwörung: https://www.youtube.com/watch?v=vDgnsMKWbZs

Die Illuminaten-Beatles: https://www.youtube.com/watch?v=Hi2ZxR9gdOs&t=2s

Dienstag, 17. Dezember 2019

Bruder, warum trinkst du so viele Zigaretten?

(c) vousvoyez
Gut gemeinte Ratschläge können auch fruchtbar sein, wenn man mit der deutschen Sprache noch nicht so vertraut ist. Und natürlich kommt es auch auf den Kontext an. Diese Art von Ratschlägen kann man sicher auch eher annehmen als Besserwisserei, besonders aus den sozialen Netzwerken. Und deswegen will ich heute über ein Thema reden, das ich schon eine Weile vor mir herschiebe, nämlich Nähe und Distanz.

Dass ich dieses Thema schon seit längerer Zeit mal behandeln will, liegt daran, dass mir aufgefallen ist - und da bin ich nicht die einzige -, dass sich unser Verhältnis zu Nähe und Distanz nicht zuletzt auch durch die digitale Revolution sowie Kommunikationsmitteln wie Facebook, Instagram & Co. immer mehr verändert. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte man noch gar nicht die Möglichkeit, sein Leben dermaßen zur Schau zu stellen, wie es heute oft der Fall ist. Was allerdings nicht heißt, dass es nicht auch schon früher Leute mit übermäßigem Geltungsbedürfnis gegeben hätte. Wer kannte sie nicht, die "Adabeis", wie man in Österreich sagt, die, die sich für wichtiger halten, als sie eigentlich sind; die zum Wiener Opernball gehen, in der Hoffnung, ins Fernsehen zu kommen; die auf Urlaub nach Venedig fahren, damit sie überall herumerzählen können, dass sie in Venedig waren, die aber ohnehin nur Schlechtes über Venedig zu berichten haben, nachdem sie ihren Plastikmüll in den Canale Grande geschmissen haben; die, die die Lebensgeschichte eines jeden Prominenten auswendig kennen und jedem nachlaufen, der mal im Fernsehen war; die, die, wenn der Nachbar einen Springbrunnen baut, einen noch größeren in ihrem Garten haben müssen. Das Ding ist halt - früher hatte man als nicht-prominente Persönlichkeit kaum Möglichkeiten, sein Leben öffentlich zur Schau zu stellen. Umgekehrt hat vor einem halben Jahrhundert ein prominentes Paar, nämlich John Lennon und Yoko Ono, die Sensationslust der Medien ad absurdum geführt, indem sie ihre Flitterwochen als Friedenskampagne öffentlich machten. Etwa dreißig Jahre später wurde ihr experimenteller Film Rape als Vorbild für die TV-Show Big Brother genannt, in der Leute zum ersten Mal ganz freiwillig ihr Privatleben aufgaben - wenn auch nur für ein paar Wochen.

George Orwell hat vor 70 Jahren seinen berühmten Roman 1984 veröffentlicht, der von einem totalitären Überwachungsstaat handelt. Auch die oben genannte Show Big Brother nimmt auf diesen Roman Bezug, denn sie ist nach dem nicht greifbaren und deswegen unterschwellig bedrohlichen Herrscher dieses fiktiven Staates benannt, der seine Augen praktisch überall zu haben scheint. Das Buch wird bis heute - ähnlich wie Aldous Huxleys nicht ganz so bekannter Zukunftsroman Brave New World - als visionäres Stück Literaturgeschichte gesehen, und das auch nicht zu Unrecht. Eines jedoch hat Orwell, wie ich, glaube ich, schon einmal erwähnt habe, nicht vorausgesehen: Kein Mensch zwingt uns, unsere Privatsphäre aufzugeben. Wir tun das ganz freiwillig und ohne darüber nachzudenken.

Seit dem 11. September 2001, jenem Tag, an dem vor allem die damals junge Generation, nämlich meine, die Illusion verlor, dass der Westen nahezu unantastbar ist, hat sich allmählich ein Gefühl der Unsicherheit eingeschlichen. Inzwischen glauben wir, die Welt war noch nie so unsicher wie heute - obwohl das ja so nicht wahr ist. In den Achtzigern hatten wir halt noch kein Internet, in dem die neuesten Schreckensmeldungen rund um die Uhr abrufbar waren. Ich war überrascht, als ich mit etwa zwanzig Jahren erfuhr, dass die "goldenen siebziger Jahre" gar nicht so golden waren - dass etwa Deutschland von etlichen Terroranschlägen heimgesucht wurde. Aber diese Flut an Information, der wir heute ausgesetzt sind, erzeugt ein Gefühl der permanenten Gefahr, das uns dazu bringt, unser Recht auf Privatsphäre Stück für Stück aufzugeben, da uns das trügerische Gefühl der Sicherheit als notwendiger erscheint. Anderen Leuten erklären wir, dass wir schließlich nichts zu verbergen hätten - aber bis wohin wird diese Toleranz gegenüber Eindringlingen in unser Privatestes reichen? Ich bin gewiss keine, die sich permanent beobachtet und überwacht fühlt - es beunruhigt mich nur, mit welcher Bereitwilligkeit manche Leute ihr Recht aufgeben, nicht permanent unter Beobachtung zu stehen, und auch anderen dieses Recht nicht mehr zugestehen. So wird jemand, der sich nicht vom Partner bespitzeln lässt, gern mal als nicht vertrauenswürdig eingestuft, während mancherorts Eltern, die nicht jeden Schritt ihres Kindes überwachen, als nachlässig angesehen werden. Und nicht zuletzt tragen auch das Internet und da besonders die sozialen Netzwerke dazu bei, dass wir unser Verhältnis zur Distanz immer mehr verlieren.

Heutzutage erfährt alle Welt, wie wir leben, wie wir fühlen, was wir anziehen, was wir essen, wohin wir auf Urlaub fahren. Ich warte eigentlich nur noch darauf, dass die Leute irgendwann einmal anfangen, Fotos von ihrem Stuhlgang auf Instagram zu posten - es würde mich, ehrlich gesagt, nicht mehr überraschen. Und die Distanzlosigkeit, die wir entwickeln, übertragen wir auch auf die nächste Generation - junge Mädchen schicken ihrem ersten Freund Nacktfotos per Handy, die diese nach einer Trennung aus Rache an der allzu Vertrauensseligen veröffentlichen. Ein Verhalten, dessen Grundstein mittlerweile schon in den ersten Lebensjahren gelegt werden kann - unter #deinkindauchnicht haben Prominente wie Wilson Gonzales Ochsenknecht eine Kampagne gestartet, die Eltern auf die Gedankenlosigkeit, ja sogar Fahrlässigkeit aufmerksam machen sollen, mit der Fotos von Kleinkindern zeitweise im Netz geteilt werden. Obgleich "Sharenting", wie man dieses Vorgehen nennt, nicht immer in böser Absicht geschieht; um ehrlich zu sein freue ich mich auch, zu sehen, wie sich die Kinder von Leuten, die ich nicht oft zu Gesicht bekomme, so entwickeln, und Mütter posten ihre Fotos ja auch oft in der Hoffnung, Gleichgesinnte zu finden. Es ist halt so, dass viele dabei mit sensiblen Daten sowie Grenzüberschreitungen, beispielsweise Fotos, die dem Kind später unangenehm werden könnten, unvorsichtig umgehen. Man denke an Woody Allens Kurzfilm Oedipus Wrecks oder den Spielfilm Stop! Or My Mom Will Shoot mit Sylvester Stallone; in beiden Filmen zeigt Mama die Babyfotos ihres inzwischen erwachsenen Sohnes in den unpassendsten Momenten herum. Und um ehrlich zu sein, finde ich Fotos von mit Essen bekleckerten oder vollgesabberten Babys und Kleinkindern nicht witzig und süß, sondern ziemlich abstoßend. Eine ganze Stufe gedankenloser sind allerdings diejenigen, die ihre Kinder schon zu Influencern machen, bevor diese auch nur ansatzweise kapieren, was das überhaupt sein soll.

Häufig wird beklagt, dass die Freizügigkeit zur Zeit der sexuellen Revolution aktuell einen Rückgang erlebt. Ich denke mir allerdings - es ist momentan gar nicht anders möglich. Obgleich auch ich den Einzug der Prüderie, wie er aus den USA zu uns herüberschwappt, zeitweise extrem übertrieben finde. Irgendwie herrscht zurzeit, auch in Bezug auf amerikanische Filme, eine merkwürdige Ambivalenz: Einerseits sind Liebesszenen in den neueren Erzeugnissen Hollywoods erstaunlich züchtig - bisweilen frage ich mich, wann es soweit ist, dass Eheleute wie in den Filmen der dreißiger Jahre wieder in getrennten Betten schlafen -, andererseits ist die Sprache in Komödien, und nicht nur in amerikanischen, oft auffallend vulgär. Ich habe dazu unten ein äußerst interessantes Video verlinkt, in dem erklärt wird, warum diese Art von Humor weitaus weniger mutig ist, als es den Anschein hat. Vorab nur soviel: Wo bleibt die vor allem für den Humor charakteristische Grenzüberschreitung, wenn es eigentlich gar keine Grenzen mehr gibt? Andererseits sind gerade die Filmanalyse-Videos von Wolfgang M. Schmitt ein schönes Beispiel dafür, dass Äußerlichkeiten oft über Inhalte hinwegtäuschen, denn Schmitt ist bei seinem oberflächlich gesehen doch eher konservativen Auftreten häufig erstaunlich provokant in seinen Ansichten. Deswegen sind seine Kritiken von Kinderfilmen für nostalgische Gemüter auch eher mit Vorsicht zu genießen.

Wie gesagt, sind wir heute wieder weit weniger freizügig als noch vor etwa 20 Jahren. In meiner Jugend war es praktisch normal, dass an Stränden oder in Schwimmbädern vor allem jüngere Frauen gern mal die Brüste entblößt hatten (hihihi, ein Busen!). Auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gehörte es zum guten Ton, dass man es mindestens einmal im Leben ausprobiert hat. Heute findet man das fast gar nicht mehr. Andererseits ist Sex medial so präsent wie noch nie, ohne dass man sich in die mit einem Vorhang abgetrennte Abteilung der Videotheken stehlen muss - neben dem Vulgär-Humor ist auch Pornographie überall und jederzeit für jeden abrufbar, eventuelle Altersbegrenzungen sind leicht umgehbar, und obgleich die Jugend sich schamhafter zeigt als noch vor zehn Jahren, kommt sie doch schon weitaus früher mit Sex in Berührung, als es bei uns der Fall war. Aber vielleicht ist gerade das der Grund für diese Schamhaftigkeit - als ich ein Schulkind war, war Sexualität etwas Geheimnisvolles, das ich als unheimlich und faszinierend zugleich empfand. Damals begann der Sexualkundeunterricht erst mit der weiterführenden Schule - also 1. Klasse Hauptschule oder Gymnasium. Heute wird bereits in den Volksschulen aufgeklärt - was ich an sich auch für richtig halte, besonders in einer Welt, in der praktisch niemand diesem Thema ausweichen kann. Und gerade dieses Überangebot nimmt dem Sex das Geheimnis - weshalb junge Leute wohl weitaus weniger das Bedürfnis nach der direkten Konfrontation haben. Wenn man Fernsehsendern wie RTL glauben darf, knattert die Jugend sich vom 12. Lebensjahr aufwärts ununterbrochen durch alle Betten. Sowohl aus meinem Umfeld als auch im Austausch mit Lehrern oder Eltern von Teenagern kann ich allerdings versichern, dass Jugendliche heutzutage im Schnitt gar nicht so viel früher Sex hat als unsere Generation, auch wenn die Pubertät durchaus früher beginnt. Natürlich gibt es sie, die frühreifen Mädels, die mit zwölf aussehen wie achtzehn und schon mit dreizehn mehr Verflossene haben als andere mit dreißig. Aber die gab's doch auch schon in früherer Zeit - das sollten wir spätestens seit Peter Cornelius' Du entschuldige, i kenn di kapiert haben.

Insgesamt kann man sagen, dass die Verschmelzung des öffentlichen und privaten Lebens aktuell bisweilen eine eher bedenkliche Richtung einschlägt, wie ich finde. Und dies bekommen wir Supernormalos genauso zu spüren wie auch Personen des öffentlichen Lebens. Früher musste man InTouch und Die Bunte lesen, um über das aufregende Privatleben Prominenter Bescheid zu wissen. Heute weiß man es auch, wenn man es nicht will. Während ich das schreibe, diskutiert das halbe Internet über ein Foto, das Greta Thunberg ins Netz gestellt hat und auf dem sie im Zug auf dem Boden sitzt. Eine Momentaufnahme, die weit mehr Staub aufwirbelt, als sie es eigentlich müsste. Und ich habe auch nicht darum gebeten, über das Privatleben von Heidi Klum und Pietro Lombardi (den ich vor seiner Scheidung gar nicht kannte) informiert zu werden - trotzdem weiß ich über diese Gestalten weit mehr, als mir lieb ist. Auch mir fällt es, offen gestanden, nicht immer leicht, mich abzugrenzen - trotzdem tue ich mein Bestes und achte darauf, dass ich zumindest so sensible Themen wie gesundheitliche Probleme nicht wahllos in den Äther blase, und es würde mir beispielsweise nie einfallen, mein Liebesleben im Internet breitzutreten. Und ich stelle keine Fotos meines Essens ins Internet - aus Prinzip! Und weil ich der Ansicht bin, dass es weitaus spannendere Themen gibt als einen heutigen Speiseplan. In diesem Moment höre ich beispielsweise gerade ein Klavierkonzert von George Gershwin - das ist doch schon mal ein Anfang, oder nicht?

vousvoyez

"Sharenting": https://www.youtube.com/watch?v=pkbm102QX6k
Vulgär-Humor in Filmen: https://www.youtube.com/watch?v=St7FB9pR4z

Freitag, 22. November 2019

Du hast eine Stimme wie ein alter Kupferkessel

Ich kann nicht sagen, ob ich eine Stimme wie ein alter Kupferkessel habe - wie ein Kollege behauptete. Übrigens derselbe, der mich auch fragte, was "Coco Jambo" bedeutet. Wie wir alle wissen, war Coco Jambo dereinst ein sehr beliebter Sommerhit der Eurodance-Gruppe Mr. President, eines der vielen, vielen One-Hit-Wonder, die uns immer wieder begegnen. (Edit: Inzwischen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass Mr. President mehr als nur einen Hit hatte - das hatte ich wieder vergessen. Asche über mein Haupt!) Als der Song ein Hit war, war ich zwölf - ich verband das Lied immer mit Sonne, Strand und Meer. Und das tue ich im Prinzip bis heute, auch wenn ich nicht gerade behaupten kann, das ich ein besonders großer Fan von Eurodance bin. Der ja zurzeit, wo das Monster des 90er-Revivals mit Riesenschritten im Anmarsch ist, plötzlich wieder total in ist. Umso mehr, als ein 20 Jahre alter Song von den Vengaboys im Zuge der Ibiza-Affäre im Mai tatsächlich zum "Protestsong" avancierte. Was ich ehrlich gesagt doch sehr lustig finde. Oder sagte ich das schon? Egal.

Aufmerksamen Lesern und Innen wird auch früher nicht entgangen sein, dass ich meine Teenagerzeit in den späten 90ern und frühen 2000ern verlebte. Ich kann nicht behaupten, dass es die beste Zeit meines Lebens war. Und auch im Nachhinein muss ich gestehen, dass die 90er für mich eher eine stilistische Katastrophe waren - und das meine ich nicht mal böse. Aber sind wir uns doch ehrlich - es gab damals sehr viel schreckliche Musik, allen voran der Euro-Müll auf den Bravo-Hits-CDs, und potthässliche Mode - denken wir nur an die unförmigen Jeans und T-Shirts, diese scheußlichen Buffalos, die heute schon wieder meine Augen beleidigen, riesige Markenlogos, die man vorläufig größtenteils bei den "Sapeurs" im Kongo sieht und die man haben musste, um nicht gemobbt zu werden, Jogginghosen sogar außerhalb des Fitnessstudios, Kleidung aus purer Synthetik, wo man schon beim Anblick Schweißflecken kriegt. Nicht zu vergessen all die rein synthetischen Süßigkeiten, nach denen heute so manch einer lange Zähne kriegt, obwohl die, wenn man ehrlich ist, überhaupt nicht geschmeckt haben. So gibt es ein Riesen-Gejammer um so ein Topfenerzeugnis namens Frufoo, von dem ich als Österreicherin verschont blieb, dem aber ganz offensichtlich viele Deutsche noch nachweinen - obwohl mir einer neulich erzählt hat, dass es nicht lange auf dem Markt war, weil es eigentlich keiner fressen wollte. Heute betrachtet man das Ganze wenigstens mit einer gehörigen Portion Ironie, aber damals war das alles für uns blutiger Ernst. Cool geht anders - aber das wissen die Teenies heutzutage natürlich nicht. Denn sie waren nicht dabei, und das ist auch gut so.

Natürlich gab es in den 90ern auch andere Seiten - Grunge, Brit Pop, die Blütezeit des Rap, die ersten Filme von Quentin Tarantino, der Beginn der Karriere einiger phantastischer Schauspieler wie Johnny Depp und Leonardo DiCaprio, die Love-Parade, die die Weichen für Toleranz jenseits der Heterosexualität stellte, um nur ein paar wenige zu nennen. Ich gehörte leider nicht zu den coolen Früh-90er-Teenies, die Nirvana oder Pearl Jam bewusst miterlebt oder Pulp Fiction im Kino gesehen haben. In den frühen 90ern war ich noch im Volksschulalter und durfte Jurassic Park nicht im Kino sehen, im Gegensatz zu einigen Freunden, die zu meiner Schande auch noch jünger waren als ich. Und ich besuchte noch dazu eine reine Mädchenschule - was bedeutet, während die Jugendlichen in zerrissenen Jeans herumliefen und ihre Partys zu Smells Like Teen Spirit feierten (was allerdings in meiner Studentenzeit ebenfalls zur Passion wurde), hatten meine Mitschülerinnen in ihren portablen CD-Playern, auch bekannt als "Discman", die Kelly Family laufen. Und zwar dermaßen häufig, dass ich einen regelrechten Hass gegen diese seltsamen Post-Hippie-Gestalten mit ihren sanftmütigen Songs und ihren blonden Haaren, die so lang waren, dass man Jungs und Mädchen praktisch nicht unterscheiden konnte - ich dachte anfangs tatsächlich, Angelo sei ein Mädchen - entwickelte. Eine Zeitlang sahen die typischen Mädchenschwärme ja größtenteils wie Mädchen aus - ich denke da nur an Hanson ("Wie süß, der große Bruder macht Musik mit seinen kleinen Schwestern!") oder den deutschen Popstar Gil. Heute finde ich die Musik der Kelly Family okay im Sinne von "Ich würde mir keine CD kaufen, schalte im Radio aber auch nicht weg". Und die Kelly-Phase wurde in meinen frühen Teenager-Jahren auch noch von der Boygroup-Phase abgelöst - von der vor allem das Jugendmagazin Bravo profitierte, sozusagen das wöchentliche Manifest aller deutschsprachigen Teenager der damaligen Zeit. Und die allwissende Müllhalde, wenn es um sexuelle Fragen geht - aber auch das sagte ich bereits woanders. Und das weiß ich deshalb, weil ich mir bei dieser Formulierung damals wahnsinnig genial vorgekommen bin. Aber auch ein blindes Huhn findet halt ab und zu mal ein Korn. Die heutige Bravo ist mit der damaligen natürlich nicht zu vergleichen - auch wenn man schon in der Anfangszeit dieses Magazins nicht unbedingt als "intelligente Unterhaltung für die Jugend" sprechen konnte. Aber anscheinend hat die Bravo - wie so viele andere Ausdrucksformen der "alten Medien" - Schwierigkeiten, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, in der die Unterhaltung für die Jugend nicht mehr lediglich auf Radio, Fernsehen und Printmedien beschränkt ist. Und heute sind Teenager ja nicht mehr nur, so wie wir, auf Musiker und Schauspieler angewiesen, sondern bewundern Influencer. Von denen ich sagen muss, dass ich nicht alle schlecht finde - klar gibt es diese Instagram-Tussis, die mit zentimeterdick geschminktem Gesicht "ganz spontan" hundert Spiegel-Selfies raushauen, bis ihnen endlich mal eines gut genug ist, das sie dann bis zur Unkenntlichkeit photoshoppen und mit einem schönen Text darunter posten, der dir erklärt, dass du dich so akzeptieren sollst, wie du bist. Aber vor allem auf YouTube habe ich tatsächlich auch junge Leute entdeckt, die die neuen Medien nutzen, um selbst kreativ zu werden, und wo man sieht, dass hinter dem, was sie machen, auch einiges an Arbeit und Leidenschaft steckt. Und denen zuzusehen macht auch Spaß, wenn man "alt" ist.

Die Diskrepanz zwischen dem Erscheinungsbild und dem, was man aussagen will, sticht in den sozialen Netzwerken natürlich deutlich hervor - in Wirklichkeit gab es die aber doch schon viel länger. Genauso wie die kreischenden Fans - das fing schon bei Frank Sinatra an, und jeder kennt die Bilder der Massen an Teenager, die beim Anblick der Beatles in Ekstase verfielen. Und schon die Mitglieder der Boygroups aus den 90ern, die meist in Castings nach dem Aussehen ausgewählt wurden, erklärten in Interviews, dass für sie bei einer Partnerin nur die inneren Werte zählen, damit jedes Fangirl sich als potenzielle Partnerin begreifen konnte. Fans sind häufig lästig, in der Masse unerträglich, meistens aber harmlos - wenn auch nicht immer, wie der Mord an John Lennon und die Messer-Attacke auf dessen ehemaligen Band-Kollegen George Harrison neunzehn Jahre später gezeigt haben. Für die meisten ist das "Fan-Sein" so etwas wie die Vorstufe zum ersten Freund - solange noch kein realer Junge greifbar ist, projiziert man seine Sehnsüchte eben auf eine Person aus den Medien. Entsprechend distanzieren sich die meisten später auch wieder von dieser Phase und blicken mit Scham oder vielleicht auch Belustigung darauf zurück. Und dann gibt es ein paar wenige, bei denen das "Fan-Sein" eine Lebensentscheidung ist - und mitunter auch krankhafte Züge annimmt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Trennung von Take That. Ich verfolgte ihren letzten Auftritt in der Sendung Wetten, dass...? Damals war ich zwölf und kam zum ersten Mal richtig mit sowas in Berührung. Und ich konnte es schon zu dieser Zeit nicht verstehen - wobei ich anmerken muss, dass solche, wie soll ich sagen, "Gruppenaktionen" mich nie besonders begeistert haben. Auch Gruppentänze wie der zu Macarena oder besonders dem Las Ketchup Song fand ich eher lächerlich. Nach der vollzogenen Trennung gab es dann die wildesten Gerüchte von verzweifelten Mädchen, die sich umgebracht haben sollen - selbst ein Lehrer an meiner Schule wusste von einer Schülerin zu berichten, die sich angeblich aus dem Fenster zu Tode gestürzt hätte, weil Take That sich getrennt hätte. Tatsächlich gab es Hotlines, wo verzweifelte Fans anrufen konnten, die sonst kein offenes Ohr fanden - und es ist sicher nicht leicht, wenn man in so einer Situation auch noch Hohn und Spott entgegennehmen muss, gerade wenn man jung und in seiner Persönlichkeit noch nicht gefestigt ist. Beweise für die vielen Selbstmorde, die damals stattgefunden haben sollen, gibt es allerdings bis heute nicht.  Ganz abgesehen davon, dass, sollte wenn es einen Selbstmord gegeben haben, sicher nicht ausschließlich die Trennung einer Boygroup daran schuld war. Ich glaube, das ist so ein Ding wie bei den Horrorfilmen, wo die Leute angeblich reihenweise in Ohnmacht gefallen sind, obwohl diese Geschichten im Nachhinein gesehen eher lächerlich wirken. Vielleicht schreibe ich mal was dazu. Wir werden sehen.

Jedenfalls habe ich mit den extremen Auswüchsen der Fankultur schon als Jugendliche so meine Probleme gehabt. Klar ist es völlig normal, dass man als Teenager in irgendeinen Star verschossen ist - aber ich kann, ehrlich gesagt, bis heute nicht verstehen, warum man, wenn dieser Star mal eine Freundin hat, diese beleidigen, bedrohen oder gar tätlich angreifen muss. Mir will ohnehin nicht in den Kopf, wie man sich reelle Chancen auf einen unerreichbaren Musiker, Schauspieler oder Influencer ausrechnen kann - bei dieser gewaltigen Konkurrenz und wo doch ohnehin kaum ein "Normalo" noch an diesen herankommt. Das einzige Jugendidol, von dem ich je gehört habe, dass es einen Fan geheiratet hat, war Ringo Starr, und der lernte dieses Mädchen in einer Zeit kennen, als der Ruhm der Beatles hauptsächlich auf die Musikclubs in Liverpool beschränkt war. Und als die Musikszene ohnehin etwas, sagen wir mal, "familiärer" war als heute. Klar muss man auch bei dieser Art von Fans zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen unterscheiden. Ich sage mal, in einem Alter unter vierzehn bis sechzehn ist ein Mensch noch nicht so gut in der Lage, zwischen einer öffentlichen Kunstfigur und einer Privatperson zu unterscheiden. Deswegen haben Meinungsblogger auf YouTube, die Kritik an einem YouTube-Star mit einem sehr jungen Publikum üben, auch immer mit einem wütenden Shitstorm an Kinderfans zu rechnen, die glauben, ihr Idol buchstäblich bis an die Zähne verteidigen zu müssen. Das Alter dieser "Hater" erkennt man sehr leicht an der miserablen Orthographie, den kindlichen Formulierungen ("Er/Sie ist nicht blöd, du bist blöd!") und den heftigen Beschimpfungen, die darauf schließen lassen, dass hier Kinder ohne Aufsicht unterwegs sind. So was gab es durchaus früher auch schon - beispielsweise in Leserbriefen an die Bravo, in denen junge Boygroup-Fans ihr Herz ausschütteten, wenn auch mit weniger Kraftausdrücken. Heute ist das alles halt noch wesentlich greifbarer, da das Internet es erlaubt, in Echtzeit zu kommunizieren. Aber die Kinder, die hier so leidenschaftlich shitstormen, wachsen da irgendwann mal raus. Schwierig wird es, wenn man diese Phase nicht überwinden kann - wie die Betreiberinnen des Internet-Blogs "Never Forget", die sich für einen offiziellen Gedenktag für die "Opfer" der Trennung von Take That organisiert haben. An und für sich spricht ja nichts dagegen, sich gemeinsam zu erinnern und die Zeit aufzuarbeiten. Aber es liegt eben in der Natur der Sache, dass Bands sich irgendwann trennen - außer vielleicht, es sind die Rolling Stones. Und es gehört nun einmal zum Erwachsenwerden dazu, mit Enttäuschungen fertig zu werden. Soweit ich sehe, gibt es jedoch seit 2013 keinen neuen Blog-Eintrag mehr. Hoffen wir, dass die Damen endlich in der Gegenwart angekommen sind.

Im Jahr 2015 löste Zayn Malik auch wieder so einen hirnverbrannten Hype aus, als er die Boygroup One Direction verließ - unter #cutting4zayn ritzten sich Jugendliche die Haut, um ihn am Gehen zu hindern. Also eine dieser bescheuerten Challenges, über die ich schon berichtet habe. Ganz abgesehen davon, dass ich diese Ritz-Trends sehr kritisch sehe, da diese ungesunde Angewohnheit tatsächlich krankhaft werden kann und man im schlimmsten Fall diejenigen, die wirklich Probleme haben, möglicherweise nicht mehr ernst nimmt - wie kommt ein Mensch dazu, dass er sich von irgendwelchen ihm unbekannten Teenagern erpressen lassen soll? Sowohl für diese Aktion als auch für so Sachen wie einem Star nachzustellen oder dessen Partnerin zu schikanieren gilt: Dazu hat keiner das Recht. Wer einen Nicht-Prominenten stalkt, wird bestraft. Warum soll das bei einem Star moralisch weniger fragwürdig sein?

Im besten Fall ist die Schwärmerei für einen Star jedoch eine schöne Erinnerung - etwas, wovon man später auch noch zehren kann. Normalerweise lernt man irgendwann dann doch mal die erste Liebe kennen. Und setzt am Ende die rosarote Brille der Nostalgie auf. Was an und für sich auch okay ist. Nur sollte man darüber die Gegenwart nicht vergessen - und, dass mittlerweile eine neue Generation heranwächst, deren Lebenswelt eine andere ist. Erinnert euch an all die alten Leute, die euch in eurer Jugend auf die Nerven gegangen sind. Und macht um Himmels willen nicht den Fehler, irgendwann genauso zu werden.

vousvoyez

Freitag, 18. Oktober 2019

Die Schönheit einer Frau zeigt sich morgens nach dem Aufstehen

(c) vousvoyez
Dies ist einer der ersten Sätze, die mir von meinem Freund in Erinnerung geblieben sind, als wir uns kennen lernten. Denn er erklärte, dass es leicht ist, an einer Frau Gefallen zu finden, die einem gut angezogen, perfekt frisiert und mit dem Gesicht voller Make-up an Orten für Nachtschwärmer begegnet, dass er jedoch eine Frau bevorzuge, die ihm auch dann gefällt, wenn sie, wie ich in einem meiner Film-Artikel schon geschrieben habe, wie ein explodierter Wellensittich aussieht. Man könnte es auch so umschreiben: Nachts sind alle Katzen grau.

Was mich zu einem Problem bringt, das ich schon lange mal behandeln wollte. Kürzlich habe ich nämlich in einer Facebook-Debatte zugegeben, dass ich nie ein Fan der 90er-Kultserie Eine schrecklich nette Familie war. Wohlgemerkt ohne anderen vorzuschreiben, dass sie die Serie deshalb auch nicht mögen dürfen. Die ersten Antworten waren relativ moderat, aber dann meldete sich eine bestimmte Unterart der menschlichen Spezies männlichen Geschlechts - und zwar diejenigen, die sich für die männlichsten aller männlichen Männer halten. Und diese männlichsten aller männlichen Männer haben mitunter ein Verhalten, das eigentlich an vor- bis frühpubertierende Schulmädchen erinnert - sie halten es nicht aus, wenn man nicht ihrer Meinung ist. In diesem Fall besonders dann nicht, wenn man obendrein auch noch weiblich ist. So wurde aus einer eigentlich ganz normalen Debatte ein ziemlich lächerlicher Schlagabtausch.

Der Anstoß dieser Debatte war ein Video mit ziemlich frauenfeindlichen Kommentaren seitens der Hauptfigur der Serie, Al Bundy. Nun muss ich dazu sagen, dass ich die Intention der Serie sehr wohl verstehe - Eine schrecklich nette Familie war in den 1990ern die Antithese zu den damals üblichen Familienserien, die eine heile Welt propagierten. Sie spielt im Milieu der unteren Mittelschicht, die Figuren sind stark überzeichnet, und entsprechend ist auch der Humor. Was wohl auch der Grund ist, warum ich die Serie nicht lustig finden kann - es ist einfach nicht mein Humor. Im Gegensatz zu den Simpsons, die eine ähnliche Intention hatten, deren Humor aber zumindest in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren weitaus cleverer war. Was aber nicht bedeutet, dass Eine schrecklich nette Familie nicht ihre Berechtigung hat - die meisten Fans, die wohl hauptsächlich aus Männern bestehen, verstehen, dass Al Bundy kein Vorbild, sondern eine Art Antiheld ist. Sie lachen über ihn, weil er chauvinistisch und misantrop ist. Weil er seiner Frau und seinen Kindern die Schuld für sein gescheitertes Leben zuschiebt, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen. Weil er eine tussige Ehefrau und eine dumme Tochter hat sowie einen Sohn, der keine Frau abkriegt. Weil er Stammtischparolen zum Besten gibt, wie man sie von Typen kennt, die sich bei ihren Kumpels über ihre "Alte" auslassen, während diese mit den "Mädelz" darüber diskutiert, wo sie die Schlüppis für ihr süßes Männlein kauft und ob sie ihn zum Urologen begleiten soll. Aber dann gibt es halt auch die anderen im Serienpublikum - diejenigen, die genauso sind wie Al Bundy. Diejenigen, die überhaupt nichts kapieren. Und das sind die männlichsten aller männlichen Männer. Die, die Al Bundy anbeten - die ihn sich zum Vorbild nehmen und so sein wollen wie er. Weil sie in Wirklichkeit die Dummen sind.

Und so waren auch die Kommentare, die mir entgegengeschleudert wurden - dass Al Bundy absolut recht habe und ein Vorbild für alle Männer sei. Ich habe darauf eher verhalten reagiert, da ich eigentlich keine Lust hatte, mit solch einer geballten Ladung an männlicher Männlichkeit zu diskutieren. Bis dann einer mir unterstellte, zickig zu sein und mich fragte, ob ich gerade meine Menstruation bekommen hätte. Ein Verhalten, das mich in meiner Ansicht nur bestätigte - für so männliche Exemplare ist das Nichtteilen ihrer Meinung seitens einer Frau zickiges Verhalten. Und der Grund dafür kann nur sein, dass man menstruiert oder alternativ auch frustriert oder untervögelt ist. Ein Blick auf das öffentliche Profil dieses Herrn präsentierte den Abgrund in seiner ganzen Tiefe - AfD-Fan, Greta-Basher, Wutbürger, homophob. Einer, der sich darüber wundert, warum er für Frauen unattraktiv ist - und dies wohl auf die Ausländer zurückführt, die Prachtexemplaren wie ihm das gottgegebene Recht auf Paarung verwehren. Und möglicherweise auch noch zu jenen gehört, die Angst davor haben, dass plötzlich alle Männer schwul werden, wenn diejenigen, die es sind, ein erfülltes Leben führen dürfen. Und dass ihre großartige "Rasse" ausstirbt - weil solche Prachtexemplare natürlich niemals den Gedanken aufkommen lassen, dass das Aussterben der "Herrenrasse" vielleicht doch kein so großer Verlust wäre.

Die Haltung dieser Typen ist schon seit geraumer Zeit zu beobachten. Im Großen und Ganzen können wir ja sagen, dass es der beste Schutz vor Diskriminierung immer noch ist, männlich, weiß, heterosexuell, konservativ und nicht behindert oder psychisch krank zu sein. Aber diese seit Jahrtausenden in den meisten Teilen der Welt zementierte Hierarchie scheint langsam aufzubrechen - Frauen bevölkern die Politik, den Kulturbereich, Bildungseinrichtungen, Sportplätze und alle Berufsgruppen, Menschen anderer Hautfarbe beginnen sich zu emanzipieren und Personen mit anderer sexueller Orientierung als der heterosexuellen und Geschlechtern jenseits des Mann/Frau-Prinzips fordern immer vehementer ihre Rechte ein. Noch ist die Vorherrschaft des "weißen Mannes" nicht gebrochen, doch sie wird immer mehr in Frage gestellt. Und viele der besonders männlichen Männer scheinen damit nicht zurechtzukommen - und inszenieren sich selbst als Opfer. Wie der selbsternannte "Volks-Rock'n'Roller" Andreas Gabalier, der vor wenigen Jahren bemängelte, dass man heutzutage zu einer Minderheit gehöre, wenn man als Mandl noch auf Weiberl stehe. Oder diejenigen, die sich für "fremd im eigenen Land" halten, weil sich nicht nur die kaukasische Ethnie als deutsch oder österreichisch begreifen darf.

Eine Community, die aktuell von sich reden macht, die auch sehr mit den jüngsten rechtsradikalen Anschlägen in Verbindung steht, ist INCEL, kurz für involuntary celibacy, zu Deutsch "unfreiwilliges Zölibat". Das sind im Prinzip nur frustrierte Männer, die Sex als ein gottgegebenes Recht ansehen und bereit sind, sich dieses auch mit Gewalt zu sichern - so ist der Frauenhass in dieser Community sehr essentiell, und viele halten Feminismus auch für Teil einer Verschwörung, die "die Juden" angezettelt haben, damit weniger "weiße" Kinder geboren werden und die "weiße Rasse" ausstirbt. Dabei war INCEL ursprünglich nichts anderes als eine Online-Selbsthilfegruppe für schüchterne Menschen jeglicher sexueller Orientierung. Nachdem die Initiatorin, eine kanadische Studentin, diese jedoch verlassen hatte, entwickelte es sich zu einer Plattform, auf der Männer ihre Gewaltphantasien gegen Frauen ausleben können. Ein bekannter Vertreter der INCEL-Szene ist der Amokfahrer, der 2018 mit einem Kleintransporter in Toronto zehn Menschen tötete und fünfzehn verletzte, und auch der Attentäter von Halle an der Saale scheint mit INCEL zu sympathisieren. Auch der Massenmörder Anders Breivik handelte nicht nur aus antimuslimischen, sondern auch aus frauenfeindlichen Motiven.

In diesem Zusammenhang bin ich auf eine Bewegung gestoßen, die sich MGTOW nennt - Men Go Their Own Way. Es geht im Großen und Ganzen darum, dass alle Frauen böse und Feminismus immer total kacke ist, weshalb die Männer, die dieser Bewegung anhängen, nichts mehr mit Frauen zu tun haben wollen. Darüber bin ich persönlich natürlich total bestürzt, denn selbstverständlich bin ich brennend an dem Gejammer irgendwelcher ewiggestriger Heulsusen extrem männlicher Männer interessiert, weswegen ich völlig geknickt darüber bin, dass die nichts mehr mit mir und meinem Geschlecht zu tun haben wollen. Und ich hab auch ein total schlechtes Gewissen, weil ich und natürlich auch alle anderen Frauen auf der ganzen Welt so hässlich und gemein zu diesen armen Männern gewesen sind. Nun ja - um Sex zu haben, braucht man nicht zwingend eine Beziehung. Und wenn man was gegen Prostitution hat, gibt es ja immer noch die Masturbation. Das Ding ist halt - beides ersetzt keine richtige Beziehung. Und die Frage ist halt auch, ob es tatsächlich so viele Männer gibt, die komplett darauf verzichten können oder wollen. Die Anhänger dieser Bewegung beschweren sich ja hauptsächlich darüber, dass Frauen ständig auf Händen getragen werden sollen, dass der Mann auf seine Versorgerrolle reduziert wird, um dann weniger Rechte auf die Kinder zu haben, und dass Frauen nach der Heirat und der Geburt der Kinder angeblich alle keinen Sex mehr wollen. Also das übliche Abwälzen der Verantwortung auf andere - anstatt dass man sich fragt, ob man selbst nicht auch dazu beigetragen hat, dass eine Beziehung nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt, wird die Schuld auf die Frau geschoben. Ich muss dazu sagen, ich kenne etliche Typen, die einer Frau, sobald sie sie kennengelernt haben, das Blaue vom Himmel herunter lügen - und sich hinterher beschweren, wenn die Frau draufkommt und nichts mehr mit ihnen zu tun haben will. Und ihre Kumpels schlagen dann oft in dieselbe Kerbe - wenn eine Beziehung in die Brüche geht, ist immer und ausschließlich die Frau schuld. Und das Tollste ist ja, dass viele andere Frauen das Spiel auch noch mitspielen.

Für mich ist diese Haltung, ehrlich gesagt, mehr mit der eines trotzigen Kindes vergleichbar - wenn du garstig zu mir bist, spiel ich nicht mehr mit. Es ist halt nur so - selbst wenn ich nicht das Glück hätte, in einer erfüllenden Beziehung zu sein, bin ich nicht unbedingt auf Typen angewiesen, die einen auf schmollendes Kleinkind machen. Es gibt genügend Männer auf dieser Welt, die wissen, was Verantwortung heißt. Ich will keine Prinzessin sein, die 24 Stunden lang von einem starken Mann auf Händen getragen wird - das wäre mir ohnehin zu langweilig. Aber wenn ich so unbedingt auf meine Rolle als Hausfrau und Mutter reduziert werden wollte, dann würde ich das machen - zum Glück hat man da ja die Wahl. Es kommt halt auch drauf an, ob der Mann das nötige Kleingeld hat, aber ich habe kein Interesse daran, mich in eine Zeit zurückversetzen zu lassen, wo man als Frau nichts anderes tun konnte als das. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich nicht alle Strömungen des Feminismus für gut befinde, aber das ist eine andere Geschichte.

vousvoyez

Donnerstag, 26. September 2019

Wenn du ein Strich in der Landschaft bist, ist der mit einem sehr dicken Filzstift gemalt worden

(c) vousvoyez
Auch, wenn - wie schon so oft angemerkt - zu viel Schlankheit ohnehin überbewertet ist. Und ich persönlich dicke Stifte ohnehin lieber mag als dünne - die Schrift sieht damit meist besser aus. Ja, ich gehöre zu den alten Schachteln, die immer noch mit der Hand schreiben, auch wenn das anscheinend nicht die Zukunft ist. Aber ich hatte in meiner Jugend genug damit zu tun, cool zu sein - jetzt bestehe ich auf mein Recht, uncool zu sein. Und sind wir uns ehrlich: Handschrift ist über kurz oder lang doch klimafreundlicher.

Eigentlich wollte ich nichts mehr über Greta Thunberg und Fridays For Future schreiben, da das Thema ohnehin schon in aller Munde ist und ich meinen Standpunkt im Wesentlichen dargelegt habe. Aber die Jugend lässt nicht locker, und das ist im Wesentlichen auch das beste, was sie tun kann - denn wir werden das Thema nicht bis in alle Ewigkeit ignorieren können, und irgendwann ist es dann zu spät. Und je lauter die Jugend wird, desto lauter sind auch diejenigen, die gegen die Jugend im Allgemeinen und Greta im Besonderen hetzen.

Greta hat vor ein paar Tagen beim Klimagipfel in New York ihre jetzt bereits berühmte "How-dare-you?"-Rede gehalten, die viele so tief bewegt - und andere in Wut versetzt hat. Kalt gelassen hat sie aber, soweit ich das beurteilen kann, tatsächlich keinen. Auch wenn viele inzwischen in den sozialen Netzwerken ihr hässlichstes Gesicht zeigen - das reicht bis zu Vergewaltigungsphantasien und konkreten Mordplänen gegen eine Jugendliche. Und Facebook & Co. sind wieder mal heillos überfordert. Viele regen sich auch auf, dass Greta nervt, weil sie so wahnsinnig viel Aufmerksamkeit bekommt. Und ich frage mich zum wiederholten Male, warum man jemanden thematisiert, von dem man nicht will, dass er bzw. sie Aufmerksamkeit bekommt - denn auch die Hater tragen dazu bei, dass über Greta gesprochen wird.

All die Erwachsenen, die sich über die heutige Jugend auslassen, die ihrer Ansicht nach ohnehin nichts Besseres zu tun hat, als die Schule zu schwänzen und die gefälligst wie in der Steinzeit leben soll, wenn sie schon eine bessere Klimapolitik verlangt, die sich darüber aufregen, dass junge YouTuber wie Rezo eine große Reichweite generieren, indem sie für eine Jugend sprechen, die in der Politik und den etablierten Medien keine richtige Stimme hat, rühren etwas an meinem Gedächtnis. Etwas, das mich zutiefst abschreckt. Ich erinnere mich dabei nämlich an alte Dokumentationen aus den 60er und 70er Jahren, vereinzelt auch aus späterer Zeit. In vielen dieser Dokus sind Interviews mit Vertretern der damaligen älteren Generation zu sehen - die zutiefst empört sind über die Jugend, ihre Mode, ihre Musik, ihre Ideen, und sich über den allmählichen Sittenverfall beklagen. Schon als ich selbst Jugendliche war, wusste ich, dass ich so niemals sein wollte. Und jetzt muss ich beobachten, dass viele schon in meinem Alter genauso werden - auch wenn sie selbstverständlich keine Trachtenhüte und -mäntel mehr tragen. Ich werde bald 36 - unter den heutigen Jugendlichen könnten auch meine Kinder sein. Ich habe keine eigenen Kinder, aber mein Freund hat Kinder, zwei meiner Geschwister und viele meiner Freunde haben Kinder - und die sind mir nicht egal. Im Gegenteil - ich wünsche ihnen die bestmögliche Zukunft, so wie ich sie auch meinen eigenen Kindern wünschen würde. Und gerade deshalb finde ich es gut, wenn die nächste Generation darum kämpft.

Auffällig an der "Generation scheißegal" ist, dass echte Argumente meist fehlen - deswegen werden entweder Falschbehauptungen aufgestellt, oder man greift die Jugend, insbesondere Greta Thunberg, persönlich an. Besonders beliebt ist es in letzter Zeit jedoch auch, die Vorwürfe der jüngeren Generation empört von sich zu weisen und zu erklären, dass man früher viel nachhaltiger gelebt habe und deswegen gar nicht schuld an der Katastrophe sei, ganz im Gegensatz zur Jugend, die Smartphones und Spielkonsolen besitzt, billig produzierte Kleidung trägt, mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt und mit dem SUV zur Schule gebracht wird.

In einem Kettenbrief, der zurzeit auf Facebook die Runde macht, wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass Kleidung früher lange getragen, oft repariert und als "Ersatzteillager" für Reißverschlüsse und Knöpfe verwendet wurde. Nun, die Frage ist aber doch - ab wann haben wir angefangen, billig produzierte Kleidung aus Niedriglohnländern der haltbaren Ware vorzuziehen? Ich hätte sehr, sehr gerne wieder Klamotten in der Qualität, wie ich sie noch in den Neunzigern kannte. Ich wäre, auch wenn ich nicht reich bin, sogar bereit, mehr Geld dafür auszugeben - denn über kurz oder lang lebt man auf diese Weise tatsächlich billiger, weil man seltener Kleidung wegwerfen und neue kaufen muss. In meiner Jugend trug ich die alten Polohemden meiner Brüder, die unverwüstlich waren. Heute halten solche Hemden maximal ein Jahr. Als ich jung war, waren Schuhe von Dr. Martens sehr beliebt - die bis zu einem Jahrzehnt überdauern konnten. Heute sind Schuhe derselben Marke nach zwei Jahren kaputt. Diejenigen, die entschieden haben, dass möglichst billig und mit maximalem Profit produziert werden soll, sind aber - und das wird wohl einige überraschen - keine Angehörigen der jungen Generation, sondern der der Babyboomer, die in den 50ern und 60ern geboren wurden. Abgesehen davon - wenn man doch ohnehin weiß, wie man nachhaltig lebt, warum gibt man das nicht an die nächste Generation weiter? Wann hat man denn angefangen, nicht mehr zum kleinen Greißler am Eck oder auf den Wochenmarkt zu gehen, sondern in die tollen Supermärkte, wo alles einzeln in Plastik verpackt erhältlich ist? Wann hat man das hoch gelobte Einkaufsnetz oder den Einkaufskorb gegen Einwegsackerln aus Plastik eingetauscht? Wer hat denn die Stoffwindeln gegen Pampers aus Plastik ausgetauscht, die man nach Gebrauch einfach wegwirft? Wer hat sich denn Gedanken gemacht über den wachsenden Berg an Plastikmüll, als die Plastikdosen mit den Feuchttüchern aufkamen? Und wer hat sich Gedanken darüber gemacht, dass wir es weit entfernten Ländern zu verdanken haben, dass wir Erdbeeren im Winter und Äpfel im Frühjahr genießen dürfen? Dass wir ohne Massentierhaltung wohl kaum in der Lage wären, täglich Fleisch zu essen?

Die Welt, in der wir heute leben, hat nicht die Jugend geschaffen, sondern diejenigen, die heute in meinem Alter oder älter sind. Nein, die Generation der in den 50ern und 60ern Geborenen wurde nicht täglich mit dem SUV in die Schule kutschiert - aber sie hat dies in den 80ern und 90ern teilweise schon mit ihren Kindern gemacht, und die wiederum machen dies noch häufiger mit ihren Kindern. Ja, wir waren schon ältere Teenager, als wir unser erstes Handy bekamen - weil damals das Mobiltelefon von einem Luxusgut zu einem für jeden erschwinglichen Alltagsgegenstand geworden war. Und es war unsere Generation, die daran beteiligt war - genau wie es unsere Generation ist, der es viele schlaflose Nächte bereitet, wenn ihr sechsjähriges Kind nicht 24 Stunden am Tag per Telefon erreichbar ist. Ja, von uns sind nur die wenigsten jeden Sommer mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen - aber wir sind auch diejenigen, die das heutzutage unbedingt brauchen. Und überdies sind von denjenigen, die ich da draußen auf ihren Smartphones herumtippen sehe, sehr viele in meinem Alter - und viele, die so alt sind wie ich, reden mit Leidenschaft über das neue iPhone, obwohl sie bereits ein sehr gut funktionierendes Smartphone besitzen. Es war der Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg, der uns Waschmaschine und Fernseher bescherte, und noch heute denken alle noch nostalgisch verklärt an die tolle HiFi-Anlage von damals, an die VHS-Kassetten und die ersten Spielkonsolen. Schon damals galt - sobald es etwas Neues gibt, muss es jeder haben. Viele tun heute so, als wären wir in bitterer Armut aufgewachsen - dabei hatten wir doch alles!

Ja, wir geben gerne damit an, dass wir nicht so "verwöhnt" wurden wie die heutige Jugend und dass früher alles besser war. Übersehen damit aber gerne, dass auch wir schon vor Jahrzehnten für eine klimafreundlichere Zukunft hätten kämpfen können. Schon in meiner Volksschulzeit in den frühen 90ern war der Umweltschutz in aller Munde - passiert ist allerdings nichts, und die meisten von uns hatten auch kein Interesse daran, ihre Komfortzone zu verlassen und auf ein paar unnotwendige Annehmlichkeiten zu verzichten, um das Leben auch für zukünftige Generationen lebenswerter zu gestalten. Stattdessen hielten wir es für eine gute Idee, die Nachfrage für immer größere Dreckschleudern, die wir Autos nennen, in die Höhe zu treiben und Lebensmittel zu kaufen, die gefühlt hundertfach in Plastik verpackt sind. Und lasten genau das jetzt der Generation an, die wir in diese Welt gesetzt haben.

Nein, ich bin auch nicht perfekt, wenn es um Klimaschutz geht - im Gegenteil. Aber ich zeige auch nicht mit dem Finger auf andere. Und ich tue mein Möglichstes, um mein Verhalten zu ändern. Denn was die anderen machen oder angeblich machen, ist für mich keine Ausrede, mich zurückzulehnen und die Augen zu schließen. Deswegen werde ich auch nicht aufhören, gegen das anzuschreiben, was mir unter den Nägeln brennt. Auch wenn es mitunter recht anstrengend ist. Und ja, ich begrüße es sehr, dass Greta und die FFF-Bewegung ernsthafte Diskussionen zum Thema Klima- und Umweltschutz angestoßen haben, so dass dies nun in aller Munde ist - auch wenn ich dem Personenkult um sie, offen gestanden, zeitweise skeptisch gegenüber stehe. Aber ich bin nicht allein auf der Welt.

vousvoyez

https://volkerkoenig.de/2019/07/24/babyboomer-verlogene/?

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klimadebatte-ab-hier-ad-hominem-a-1287995.html

https://krautreporter.de/3067-das-klimapaket-der-bundesregierung-oder-soll-man-es-lassen?

https://www.volksverpetzer.de/social-media/fridays-for-hubraum/

Freitag, 30. August 2019

Ich kann immer noch einer gefesselten Maus in den Bauch treten

Die Antwort eines Kollegen auf die Frage, wie es um seine körperliche Fitness steht. Ich muss zugeben, dass ich selbst auch nicht so viel leistungsfähiger bin. Für mich war vor allem der Schulsport immer der Horror. Trotzdem versuche ich mittlerweile, körperlich wieder fitter zu werden. Man wird ja nicht jünger. Und man kann nicht den ganzen Tag nur Filme schauen.

Ja, richtig, ich möchte meine Serie von Klischees und Filmfehlern endlich wieder fortsetzen! Ich habe mich inzwischen lange genug darüber ausgelassen, was mir so unter den Nägeln brennt. Allmählich sollte der Spaß wieder mehr im Vordergrund stehen. Deswegen hier weitere Beobachtungen, die ich im Laufe der Zeit so gesammelt habe.

Weitere wichtige Punkte, die bei Filmen nicht zu kurz kommen dürfen

1. Ich habe ja schon einmal dargelegt, dass Leute, die vor dem Bösen fliehen, meist noch vorher die Katze retten müssen. Manche wiederum suchen noch schnell was, bevor sie loslaufen - sonst haben sie ja einen viel zu großen Vorsprung! Offenbar haben diese Personen niemals die obligatorische Brandschutzübung hinter sich gebracht, wo einem genau davon abgeraten wird.

2. Wenn es draußen dunkel und windig ist, müssen sofort alle Fenster aufgerissen werden. Wenn es regnet, muss es gleichzeitig immer blitzen und donnern. Außerdem ist der Regen immer stark und schwer - und wenn eine Person aus dem Regen ins Haus kommt, ist sie in Sekundenschnelle wieder trocken. Überhaupt ist Regen ein wichtiges dramaturgisches Element - bei Beerdigungen muss es auch immer regnen, und nachts sind die Straßen prinzipiell immer nass, besonders, wenn eine Verfolgungsjagd mit dem Auto ansteht. Wäre sonst ja auch langweilig. Besonders in Horrorfilmen und ihren Untergenres ist nachts immer Vollmond, und bei Familienfilmen ist zu Weihnachten immer dichtes Schneegestöber - obwohl ich persönlich auch als kleines Kind nur höchst selten weiße Weihnachten erlebt habe.

3. Apropos Verfolgungsjagden mit dem Auto: Autoreifen müssen immer quietschen, auch auf Schotter oder Sand. Ein Auto, das ein Hindernis rammt, muss sich überschlagen, außerdem überstehen Autos unbeschadet erstaunlich weite Sprünge. Erwischt man einen Hydranten, entsteht immer eine Wasserfontäne. Außerdem haben die Fahrer wohl nie gelernt, dass man sich anschnallen muss, trotzdem bleiben sie immer fest im Fahrersitz und überstehen auch Unfälle ohne gröbere Verletzungen. Wenn ein Auto brennend liegenbleibt, explodiert es immer - häufig sogar, nachdem es ins Wasser gefallen ist. Auch von Rückspiegeln scheinen diese Leute nie etwas gehört zu haben - oder warum müssen sie sich immer umdrehen, um zu sehen, ob der Verfolger noch hinter ihnen ist? Dieser kann übrigens die letzte Rostschüssel haben - er bleibt dem Verfolgten stets dicht auf den Fersen, selbst wenn dieser einen neuwertigen Sportwagen fährt.

4. Die Bösen im Film sind immer genau erkennbar: Seit Rauchen als Coolness-Faktor allmählich aus der Mode gekommen ist, rauchen fast ausschließlich die Bösewichte. Von den Guten unterscheiden sie sich außerdem meist dadurch, dass die schwarze Kleidung bevorzugen, in amerikanischen Filmen oft auch schwarze Hüte. Charakterlich sind sie immer das genaue Gegenteil des Helden. Außerdem neigen sie dazu, alle Brandschutzvorschriften zu ignorieren. Gerne tragen sie auch dunkle Sonnenbrillen, wobei sie dazu neigen, die Brillen ihrer Opfer absichtlich zu zertreten. Wenn ein Böser sein Opfer am Ende gestellt hat, muss er ewig lang reden, damit der Gute ihn am Ende doch noch zur Strecke bringen kann. Da der Böse am Ende sowieso stirbt, wird er auch nie für seine Taten zur Verantwortung gezogen.

5. Der beliebte österreichische Schauspieler Otto Schenk hat in seinem Bühnenmonolog Die Sternstunde des Josef Bieder die Bemerkung fallen lassen, dass, wenn ein Akteur im ersten Akt hustet, man ihn spätestens im dritten Akt los ist. Ähnlich verhält es sich auch in Filmen - Husten ist immer der Vorbote einer tödlichen Krankheit.

6. Untypisch für eine Frau, bin ich übrigens eine große Western-Liebhaberin. Am liebsten mag ich die 70er-Jahre-Italo-Western von Sergio Leone - nicht zuletzt wegen der tollen Soundtracks von Ennio Morricone. Auffällig in vielen Western ist, dass es nur in den Hüten Einschusslöcher gibt. Trommelrevolver scheinen nie nachgeladen werden zu müssen, nur für den entscheidenden Schuss ist keine Patrone da. Der Westernheld trifft prinzipiell immer, selbst von einem galoppierenden Pferd.

7. Nicht nur in Western, sondern vor allem in Krimis und Actionfilmen muss immer kräftig geknallt werden. Dabei gilt: Für die Guten sind Treppengeländer immer ein passendes Versteck, da die Kugeln einfach daran abprallen. Die Bösen allerdings werden immer getroffen. Diese schießen ständig, treffen aber nie, während die Guten mit nur wenigen Schüssen mehrere Böse erwischen - und das, obwohl sie meist weitaus weniger gut ausgestattet sind als die Bösen. Auffallend ist, dass Schusswaffen nach Gebrauch oft einfach weggeworfen werden. Komisch, wenn man bedenkt, was so ein Ding kostet. Wenn ein Guter tödlich getroffen wird, muss er erst ein paar Schritte taumeln, möglicherweise noch einmal schießen und ein paar bedeutungsschwangere letzte Worte sagen, bevor er umfällt. Der Held wird natürlich nie getroffen - und wenn er einmal einen Schuss ins Herz erleidet, rettet ihn meist ein Anhänger mit dem Bildnis seiner Geliebten, den die Kugel trifft.

8. Zeitbomben müssen bei ihrer Aktivierung immer ein tickendes Geräusch von sich geben. Außerdem haben sie stets eine Digitalanzeige, die zeigt, wie viele Sekunden noch bleiben, nicht zu vergessen die Drähte in verschiedenen Farben und die blinkenden Lichter. Natürlich darf so eine Bombe erst eine Sekunde vor ihrer Explosion entschärft werden. Selbstverständlich holt der Held keine Spezialeinheit, sondern entschärft die Bombe selbst - zwar weiß er selten, welchem Draht er zuerst durchtrennen muss, entscheidet sich aber intuitiv für den richtigen. Countdowns - natürlich auch die von Zeitbomben - dauern immer länger, als die Anzeige behauptet, und natürlich genauso lange, wie der Held braucht, um die Bombe zu entschärfen. Sollte trotz allem eine Bombe mal explodieren, schafft er es natürlich immer, sich mit einem gewagten Sprung zu retten. Und die männlichsten aller männlichen Männer, von denen ich schon berichtet habe, sind viel zu cool, um sich umzudrehen, nachdem sie ein Haus zur Explosion gebracht haben; sie halten höchstens die Fernbedienung lässig in die Luft.

9. Frauen tragen immer High Heels, in denen sie selbstverständlich problemlos laufen können, ohne jemals mit den dünnen Absätzen zu stolpern oder hängen zu bleiben, beispielsweise in einem Kanalgitter. In Hollywood stöhnen auch nur sie beim Sex, und ihr Lippenstift verwischt nie - nur beim Küssen hinterlässt er verräterische Spuren. Im übrigen sind in Filmen, die in den Bergen spielen, kletternde Frauen immer in Lebensgefahr - normalerweise müssen sie in der Berghütte sitzen und mit bangem Blick Wetterverschlechterungen beobachten.

10. Da ich neulich über Empathie geschrieben habe: Viele Horrorfilm-Fans bleiben ungerührt, wenn in einem Film Menschen sterben, bangen aber darum, dass der Hund überlebt. In Katastrophenfilmen überleben Hunde und Kinder immer - Kinder bringen sich stets selbst in brenzlige Situationen und werden dann vom Helden gerettet.

11. In Slasher-Filmen, einer Unterkategorie des Horrorfilms, dadurch gekennzeichnet, dass die Protagonisten Teenager sind, gibt es immer einen sympathischen Sonny-Boy, einen möchtegern-coolen Checker, eine Streberin, eine Schlampe, einen Kiffer und einen Schwarzen. Die Streberin steht auf den Checker, ohne zu bemerken, dass der Sonny-Boy auf sie steht. Der Checker ist mit der Schlampe zusammen, erwischt sie aber mit dem Schwarzen. Als der Killer oder das Monster da ist, stirbt zuerst der Schwarze. Dann stirbt die Schlampe, nachdem sie sich mit dem Checker versöhnt hat und die beiden gerade beim Bumsen sind; natürlich ist sie dabei leicht oder auch gar nicht bekleidet. Dazwischen entdeckt die Streberin ganz plötzlich ihre ausgeflippte Seite und raucht zusammen mit dem Kiffer einen Joint. Dann stirbt der Kiffer, während er gerade etwas selten Dämliches macht. Der Checker entdeckt plötzlich seine altruistische Seite und stirbt, rettet aber dabei das Leben des Sonny-Boys und der Streberin. Sonny-Boy und Streberin überleben und sind am Ende ein glückliches Paar.

12. Wenn Eltern mit den Zukunftsplänen des Nachwuchses nicht einverstanden sind, muss dieser dem Erziehungsberechtigten immer den bedeutungsschwangeren Satz "Du hattest nie Träume, oder?" vor den Latz knallen. Zu Beginn eines Films, in dem Zombies, Monster oder gefährliche Tiere vorkommen, muss das erste Opfer immer sagen: "Das Viech hat mich gebissen!" Häufig beginnt eine Actionszene mit den panischen Worten "Ich weiß nicht, was es ist, aber es kommt direkt auf uns zu!" Wenn der extrem coole Held eine blutende Fleischwunde hat, sagt er selbstverständlich "Ach, das ist nur ein Kratzer!"

So. liebe Leute, ich hoffe, ihr lest dieses bescheuerte Zeug mit genauso viel Spaß, wie es mir gemacht hat, es zu schreiben! Sicherlich werdet ihr das eine oder andere auch schon beobachtet haben. Ich verfüge immer noch über einige Themen, die ich mal bearbeiten möchte - lustige und auch ernste. Vielleicht kommt auch wieder spontan was Neues, wie meist, wenn ich wieder mal das Bedürfnis habe, in die Tasten zu hauen. Bon voyage!

vousvoyez

Mittwoch, 28. August 2019

Ich glaube an Thor, denn er hat versprochen, alle Riesen zu töten; siehst du irgendwelche Riesen?

Zugegeben, ich habe gehört, dass dieser Satz angeblich aus einem Buch stammen soll. Konnte aber bisher nichts dazu finden. Wenn ich weiß, wer diesen Satz wirklich geschrieben hat, werde ich seinen/ihren Namen dazuschreiben. Ich will ja keinen Stress haben wegen Copyright und so.

Ich habe diesen Satz von einem ehemaligen Arbeitskollegen aufgeschnappt, der auf ironische Art und Weise darlegen wollte, warum es gescheiter ist, an Thor zu glauben als an den christlichen Gott. Mir fällt da nur der Witz ein mit den zwei Männern im Zug, wo der eine eine Banane aus der Tasche holt, sie schält, salzt und aus dem Fenster wirft. Das wiederholt er mehrere Male, bis sein Gegenüber ihn fragt, warum er das tut. Daraufhin er: "Um die Löwen zu vertreiben!" Worauf der andere einwendet, dass es hier doch überhaupt keine Löwen gäbe. Die Antwort: "Sehen Sie? Es wirkt schon!"

Das Argument gegen den christlichen Gott ist ja sehr oft, dass dieser auf der Erde unermessliches Leid zulässt. Durchaus etwas, das es wert ist, zu diskutieren. Zu Beginn dieses Monats gab es ja wieder mal zwei Amokläufe in den USA - einen in El Paso, Texas und einen in Dayton, Ohio. Und natürlich ist klar, dass dies zum Teil auch daran liegt, dass Amerika ein massives Problem mit Schusswaffen hat; andererseits haben diese Ereignisse jedoch wohl auch mit dem politischen Hass zu tun, der vor allem im Internet wütet und überall auf der Welt die Gesellschaft spaltet. Und daran hat der amerikanische Präsident, der ja seine Weisheiten gerne auf Twitter verbreitet, sicher einen nicht unwesentlichen Anteil.
Aber all das war nach den Attentaten erstmal nicht so relevant wie die Frage, ob Videospiele schuld an den Amokläufen gewesen seien. Eine uralte Diskussion, in der die Meinungen weit auseinander gehen. Deswegen will ich sie heute einmal anreißen - und mit einem Thema verknüpfen, dem ich mich schon lange mal widmen wollte, nämlich der ideologischen Interpretation.

Nun, die Frage, ob Videospiele schuld an Amokläufen sind, ist, wie zuvor schon erwähnt, schon lange nicht mehr neu. Und wenn nicht die Videospiele schuld sind, sind es die Horrorfilme oder Heavy Metal. Natürlich nicht das extrem lockere Waffengesetz, das es Privatpersonen erlaubt, automatische Schusswaffen zu besitzen. Deswegen ist der Lösungsansatz gegen Amokläufe an Schulen ja auch äußerst bescheuert vernünftig: Waffen müssen natürlich mit noch mehr Waffen bekämpft werden! Das heißt, statt den Schülern die Waffen wegzunehmen, sollte man besser die Lehrer bewaffnen! Halleluja, wie schön muss doch so ein Leben sein, wenn man mit einem gewaltigen Brett vorm Kopf außergewöhnlicher Intelligenz gesegnet ist! Und natürlich ist diese Debatte absolut keine Strategie, um von wirklich wichtigen Problemen abzulenken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Nun, ich kenne keine Amokläufer. Aber ich kenne etliche Leute, die in ihrer Jugend Videospiele gespielt haben - und oft auch Gewaltspiele. Meist auch noch in einem Alter, in dem diese Spiele für sie nicht geeignet waren. Trotzdem sind all diese Kinder von damals verantwortungsbewusste, friedliche Erwachsene geworden. Einzelfälle? Oder liegt es vielleicht nicht doch eher daran, dass all diese Kinder von damals ein liebevolles Elternhaus, ganz allgemein ein stabiles soziales Umfeld sowie eine relativ gute Schulbildung genossen haben? Die wissenschaftliche Debatte über den Zusammenhang von Amokläufen und Videospielen ist zwar durchaus gegeben, es gibt da aber einige Widersprüche und Unklarheiten, wenn es um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit geht. Sehr aufschlussreich ist hierzu das Video des YouTube-Kanals mailab. Vieles auf YouTube ist Mist, aber deswegen auch nicht alles.

Wer diesen Blog kennt, weiß auch, dass ich ein Faible für Horrorfilme habe und dass ich diese schon konsumiert habe, als ich eigentlich noch nicht alt genug dafür war. Trotzdem würde mich jemand, der mich persönlich kennt, wohl kaum als gewalttätigen oder auch nur aggressiven Menschen beschreiben. Und wer einmal auf einem Metal-Konzert war, kann bestätigen, dass diese oft weitaus friedlicher ablaufen als so manche Schlagerparty und dass Metal-Fans in der Regel sehr liebenswerte und aufgeschlossene Menschen sind, wenn man es selbst ist und Menschen nicht nur nach Äußerlichkeiten beurteilt. Zumal, man mag es nicht glauben, auch ich Gefallen an Songs von Bands wie AC/DC, Black Sabbath und Judas Priest finden kann. Wer behauptet, Videospiele sind schuld an Amokläufen, der behauptet auch, wer Super Mario spielt, wird Installateur, wer Autorennspiele spielt, ist ein Raser auf der Straße und wer Tetris spielt, wird viereckig.

Ideologische Interpretation ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Aber in heutigen Zeiten müssen nicht nur die vergleichsweise noch jungen Medien Videospiel, Fernsehen und Film daran glauben; die ideologische Debatte macht auch nicht davor halt, auch klassische Künstler der früheren Vergangenheit mit Schmutz zu bewerfen. Vor einer Woche machte das junge feministische Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule mit einer Aktion auf sich aufmerksam, die wieder mal eine altbekannte Debatte auslöste: Was darf Kunst?

Prinzipiell finde ich es auch als großer Fan von Goethes Dichtkunst keineswegs verwerflich, auch vermeintlich unantastbare große Geister der Kunst- und Literaturgeschichte wie ihn zu hinterfragen. Mir fällt da die Autobiographie des deutschen Graphikers und Bassisten Klaus Voormann, Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John?, ein, der darin die lange geltende Hierarchie innerhalb der Musikgenres anprangerte, die sich erst heute etwas aufweicht und bei der am unteren Ende Schlager und Unterhaltungsmusik, am oberen Ende wiederum die unantastbare Ernste Musik oder Klassik steht. Aber mit dem Wechsel der Generationen ist diese Sichtweise tatsächlich nicht mehr ganz so verbreitet wie früher, hat es doch Bob Dylan, der Jahrzehnte in der Schublade der Unterhaltungs- und Popmusik verweilen musste, durch den Literaturnobelpreis in die oberste Riege der ernst zu nehmenden Künstler geschafft.

Das Ding mit der Aktion der Frankfurter Hauptschule ist halt: Wenn man Goethe kritisieren will, sollte man zunächst mehr liefern können als persönliche Interpretation, die so gedreht wurde, dass sie einem wunderbar in den Kram passt - nicht jeder sieht in Heidenröslein die Verharmlosung einer Vergewaltigung. Und man sollte seine Aktion wenigstens so gestalten, dass diese betreffend des Niveaus dem großen Dichter einigermaßen gerecht wird. Sprich, ein wenig mehr Originalität zeigen, anstatt zu einer Vertonung von Heidenröslein Klopapier auf Goethes Gartenhaus zu werfen. Aber nun ja, im Prinzip haben die jungen Leute das, was sie wollten, nämlich Aufmerksamkeit. Hoffen wir, dass sie mit der Zeit ein wenig intelligenter und auch origineller werden. Ich habe bis Mitte Zwanzig auch hin und wieder seltsame, nicht sehr intelligente Aktionen geliefert.

Besonders beliebt ist ideologische Interpretation ja vor allem bei Medien für Kinder. So verführt Harry Potter angeblich zum Satanismus, während Dornröschen, wie in einem anderen Artikel schon erwähnt, sexuelle Belästigung darstellt. Ganz allgemein geraten besonders Kinderfilme und -serien häufig ob ihres angeblich schädlichen Einflusses auf ihre jungen Rezipienten gerne unter Beschuss. Und daran sind meine speziellen Freunde, die Schwurbler, oft nicht unbeteiligt. So läuft schon seit längerer Zeit die Debatte, dass Disney-Zeichentrickfilme angeblich durch unterschwellige Sex-Botschaften zu unzüchtigem Verhalten aufrufen sollen. Botschaften, die keiner sieht, der nicht mit der Nase drauf gestoßen wird - und einen gewaltigen Dachschaden hat. Nun wissen wir ja, dass Sexualität laut christlichen Fundamentalisten und Aktivisten für Kinder noch weitaus schädlicher ist als explizite Gewalt. Aber nicht nur das - auch die alten Kinderserien, die wir so liebten, haben angeblich einen negativen Einfluss auf Kinder. So zeichne die beliebte Zeichentrickserie Lucky Luke ein sexistisches Frauenbild. Nun ja, wer die Comicserie Lucky Luke kennt, könnte nun auch einwenden, dass diese alte Western-Serien parodiert - die bekanntermaßen kein sehr modernes Frauenbild transportieren. Auch wenn sich nicht leugnen lässt, dass weibliche Darsteller in Kinderfilmen und -serien oft nur Nebenrollen besetzen. Ich habe dazu schon einmal etwas geschrieben. Und als wäre das noch nicht genug, wird auch darüber diskutiert, ob man Kinder Filme wie Die Unendliche Geschichte, die wir früher ganz selbstverständlich konsumierten, die aber den Tod von Figuren zeigten, überhaupt noch sehen lassen dürfte.

Nun, ich bin kein großer Fan der "Früher-war-alles-besser"-Ideologie. Dennoch muss ich zugeben, dass mir die alten Kinderserien und -filme in der Regel besser gefallen als die neuen. Das liegt möglicherweise auch daran, dass ich die alten Filme und Serien mehr mit meiner Kindheit verbinde und dass ich heute nicht mehr zur Zielgruppe gehöre. Schon als Kind hörte ich oft von den Erwachsenen, dass die neuen Kinderfilme und -serien alle "Dreck" seien und die alten angeblich viel besser. Gefallen hat mir der "Dreck" trotzdem - als Kind hat man noch keine so hohe Affinität zur Vergangenheit. Dennoch muss ich gestehen, dass ich die Tendenz, alte Serien und Filme als 3D-Remakes wieder auszustrahlen, eher erschreckend finde - so wie ganz allgemein den Hang zu Remakes in der heutigen Zeit, auch wenn ich mir bewusst bin, dass Remakes kein neues Phänomen sind. Aber zurzeit finde ich halt, dass hier massiv übertrieben wird.

Generell beobachte ich, dass dem Rezipienten - besonders im Kindesalter - weitaus weniger zugetraut wird, als er zu leisten imstande ist. Und dass wir in unserem ewachsenen Hang zur Interpretation, gerade wenn es um Medien für Kinder geht, mitunter übertreiben. Aber nicht zuletzt auch, dass Zusammenhänge - wie im Fall der Videospiele - allzu oft zu sehr vereinfacht werden. In Erinnerung an meine eigene Kindheit und Jugend bin ich der Ansicht, dass es für einen jungen Menschen im Prinzip hauptsächlich zwei Faktoren gibt, die seine Entwicklung prägen und entscheidend dafür sind, wie er die Welt später betrachtet: Das Elternhaus und das soziale Umfeld. Alles andere ist mehr oder weniger Auslegungssache.

vousvoyez

Dienstag, 27. August 2019

Wenn Jambo "Hallo" heißt, heißt dann Coco Jambo "Hallo, ihr Nüsse"?

(c) vousvoyez
Eine schwierige, aber durchaus nicht uninteressante Frage - zumindest bietet sich diese an, wenn man das Swahili-Wort "Jambo" in anderer Form nicht kennt. Ich habe mal gehört, dass Swahili einmal als Amtssprache der Afrikanischen Union hätte eingeführt werden sollen - ähnlich, wie man Esperanto als übergeordnete Weltsprache etablieren wollte. Der Unterschied ist halt, dass Esperanto eine Plansprache ist, also eine, die sich nicht evolutionär entwickelte, sondern aufgrund der Ghetto-Strukturen in der polnischen Stadt Bjelostock im späten 19. Jahrhundert von einer Einzelperson entwickelt wurde, während Kiswahili die Muttersprache einer ethnischen Gruppe in Ostafrika, eben dem Bantuvolk der Swahili, ist und bis heute die dort am weitesten verbreitete Verkehrssprache.

Wir wissen ja, dass die Zukunft unserer Erde im Moment mehr als ungewiss ist - und das bekommen besonders tropische Regionen, eben auch Afrika, vermehrt zu spüren. Wobei wir Afrika ja schon ziemlich lange sozusagen als Müllhalde benutzen - ich will hier jetzt nicht über die Kollektivschuld aller Europäer sprechen, Verantwortung tragen beide Seiten. Das Problem ist halt, dass besonders wir hier in Europa die Konsequenzen nicht sehen wollen. Ich habe in Isabel Allendes historischem Roman Geisterhaus gelesen, dass nach dem Militärputsch in Santiago, der Hauptstadt Chiles, die Bettler hinter Werbeplakaten versteckt wurden, damit die besser betuchte Bevölkerung die Illusion bekam, alles sei in bester Ordnung. So ähnlich kommt es mir auch heute manchmal vor - man kehrt den Schmutz unter den Teppich, um nicht zu zeigen, dass wir uns einem Abgrund nähern. Und Besorgnis erregend ist in diesem Rahmen natürlich auch, dass der Amazonas-Regenwald in Brand steht. Und deswegen möchte ich heute einmal über Empathie sprechen.

Empathie - die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle nachzuvollziehen - wird ja als eine der großen Tugenden der Menschheit begriffen. Was ja an sich auch nicht falsch ist. Das Problem dabei ist halt, dass Empathie nichts Rationales ist. Wir kennen das ja aus dem Alltag - wenn ein Prominenter stirbt, trauern auch Menschen, die diese Person als solche gar nicht kannten. Auf der Welt sterben täglich viele Menschen unter oftmals sehr grausamen Bedingungen. Das meiste wird aber im Alltag gar nicht erst erwähnt. Was natürlich auch verständlich ist - ich kann deswegen auch nicht tagaus, tagein im Bett liegen und weinen, weil es nichts ändert und weil ich meine eigene Situation dadurch nur sinnlos verschlimmern würde. Trotzdem bin ich mir dessen bewusst, dass unsere Welt mitunter auch ein Ort der Trauer und des Schreckens ist. Ich würde es gerne ändern und kann es nicht. Und ja, oft geht es mir deswegen auch nicht gut. Und um nicht an all dem zugrunde zu gehen, blende ich vieles aus. Das ist nicht schön, aber notwendig, weil ich nur so überlebe. Und viele von uns sind sich auch dessen bewusst, dass persönliches Leid nicht dadurch gelindert wird, indem man den Leidenden darauf hinweist, dass es anderen Menschen noch schlechter geht. Nun gut.

Die absurde Seite von Empathie wurde mir in letzter Zeit wieder vor Augen geführt, als die ersten Nachrichten über den Brand im Amazonas-Regenwald eintrafen. Das geschah ziemlich spät, weil ja zuvor Heidi Klum geheiratet hat, was ja so extrem wichtig ist, dass man rund um die Uhr darüber informiert werden muss. Und es hat anfangs auch irgendwie niemanden so richtig interessiert. Und die ersten Meldungen waren natürlich wieder der übliche mediale Dünnpfiff - der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro wetterte, dass angeblich irgendwelche Umwelt-NGOs den Regenwald angezündet haben sollen, während in den sozialen Netzwerken wieder mal Greta Thunberg als Sündenbock herhalten durfte. Den größten Aufschrei riefen aber die Photoshop-Bilder angeblich brennender Tiere hervor, die aktuell überall geteilt werden. Ein höchst erstaunliches Phänomen selektiver Wahrnehmung ist für mich ja auch, dass gerade Leute, die Seiten wie mimikama abonniert haben und sich kollektiv über rechtspopulistische Fake-Bilder empören, die dazu dienen, Linke, Ausländer und die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung in den Dreck zu ziehen, plötzlich überhaupt kein Problem mehr damit haben, wenn überall im Netz ungekennzeichnete Fake-Bilder auftauchen, die angeblich aktuell im Amazonas-Regenwald aufgenommen wurden, weil der Zweck ja die Mittel heiligt. Obwohl man sich also moralisch über eine gewisse Menschengruppe stellt, ist man bereit, deren Methoden für seine eigenen Zwecke anzuwenden. Wem das nicht zu denken gibt, der sollte meiner Ansicht nach seine moralischen Prinzipien nochmals überdenken.

Was ich aber ebenfalls bemerkenswert finde: Solange nur die Luftbilder brennender Bäume zu sehen sind, berührt uns das nicht wirklich - Waldbrände sind ja per se nichts Ungewöhnliches, vor allem in den Sommermonaten. Sobald aber niedliche Tiere zu sehen sind, die vermeintlich zu Schaden kommen, sind alle auf einmal ganz erschrocken. Klar - natürlich kommen bei diesem Waldbrand auch sehr viele Menschen und Tiere zu Schaden und nein, dass diese Bilder Fake sind, ändert nichts daran. Diese Geschichte zeigt jedoch meiner Beobachtung nach, wie selektiv unsere Empathie eigentlich ist - Einzelschicksale berühren weit mehr als eine kollektive Katastrophe, kleine Kinder und süße Tiere rühren unser Herz viel mehr als erwachsene Personen, Pflanzen oder Tiere, die vielleicht nicht so süß sind. Bezeichnend finde ich in diesem Lichte auch der Umgang mit den Katastrophen, die sich schon seit längerer Zeit im Mittelmeer abspielen - zwischen 2014 und 2019 ertranken bisher schätzungsweise 17.900 Menschen im Mittelmeer. Empathische Reaktionen gab es jedoch erst, als im Netz das Foto eines ertrunkenen Kindes am Strand von Lampedusa auftauchte. Und mittlerweile scheint ja selbst das vergessen. Aber das ist eine andere Geschichte. Andererseits wird Empathie auch häufig dafür benutzt, um unlautere Verhaltensweisen zu rechtfertigen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Pfandflaschen sammelnden Rentner in Deutschland, die früher niemanden interessiert haben, die aber jetzt häufig als Argument benutzt werden, warum man Ausländern nicht helfen und sich nicht um die Umwelt sorgen soll. Kürzlich bekam ich einen Artikel zu Gesicht, in dem klimafreundliche Energie kritisiert wurde mit dem Argument, dass für die für Elektroautos so wichtigen Lithium-Batterien Bergarbeiter im Kongo sterben. Nun ja - einer der besten Freunde meines Partners ist Kongolese, mein Partner selbst ist dort geboren, und auch wenn das nicht so wäre, wie könnte mir das egal sein? Das Ding ist halt - auch für weitaus weniger klimafreundliche Produkte werden Menschen ausgebeutet, nicht nur im Kongo, aber auch dort. Das weiß man schon seit Jahrzehnten - interessiert hat es nur keinen. Erst jetzt, wo es um Klimafreundlichkeit geht, wird das angeprangert.

Nicht, dass wir uns jetzt falsch verstehen: Ich bin sicherlich keine von denen, die einem Menschen, der sich für Tiere einsetzt, Sätze wie "Und was ist mit den Menschen?" vor den Latz knallt. Falls ich das noch nicht erwähnt habe. Im Grunde genommen nützt ein weniger exzessiver Konsum von Tierfleisch den Menschen genauso viel wie den Tieren selbst, zumal das Futter für Massenbetriebe ja hauptsächlich aus Ländern kommt, wo Menschen verhungern. Vor sehr vielen Jahren, als es langsam zu den Menschen durchdrang, dass auch Personen, die nicht in der unmittelbaren Umgebung wohnen, möglicherweise Empathie verdient haben, kam man auf die Idee, dass auch Wesen einer anderen Spezies Gefühle haben, die man berücksichtigen sollte. Außer, man war ein Fan von René Descartes, der dereinst behauptete, Tiere seien Maschinen - früher hat mich diese These sauer gemacht, aber allmählich komme ich auf die Idee, dass dies mit der Industrialisierung zu tun haben könnte, wo Menschen ja teilweise auch schon als "Maschinen" begriffen wurden, die mit Hilfe medizinischer Versorgung "repariert" werden könnten und die durch Erziehung zum "Funktionieren" gebracht werden müssten. Es gibt nur zwei Dinge, die ich dabei echt scheiße finde: Erstens, dass so manche Tierfreunde einen regelrechten Hass gegen die gesamte Menschheit zu hegen beginnen - zugegeben, es ist nicht schwer, Menschen zu hassen, wenn wir sehen, was wir uns gegenseitig und anderen Lebewesen antun, aber was können hungernde Kinder dafür, dass viele von uns sich augenscheinlich Hunde züchten müssen, die nicht richtig atmen können? Und warum fällt man auf Wahlversprechen rein, die so augenscheinlich nicht dem Wohl der Tiere, sondern zum Schaden von Menschen, die zufällig anders aussehen als wir, gereichen? Zweitens, dass man seine Empathie so sehr an den Niedlichkeitsfaktor hängt.

Klar, Kinder sind in der Regel süßer als Erwachsene. Aber soll ein Teenager aus dem Sudan weniger Rechte haben als der Adoptivsohn von Madonna, nur weil er nicht so süß ist? Und ist der Brand des Amazonas-Regenwaldes tatsächlich weniger Besorgnis erregend, wenn dabei keine süßen Tiere zu Schaden kommen? Ernsthaft?

Tatsache ist, es brennt nicht nur der Regenwald - wir alle sind gefordert, unsere Denk- und Lebensweise gründlich zu hinterfragen. Und zwar jetzt!

vousvoyez

Sonntag, 28. Juli 2019

Wir machen eh fast nix schwarz

Mit diesen Worten hat meine Großmutter der Polizei einst versichert, dass ihre geschäftlichen Transaktionen immer komplett legal ablaufen. Mein Vater hat es jedoch geschafft, zu versichern, dass seine alte Mutter nicht mehr alle Tassen im Schrank hat - mit etwa fünfzig Jahren galt man in den sechziger Jahren eben noch als "alt". Ganz im Gegensatz zu heute, wo man in diesem Alter so aussieht wie damals die Dreißigjährigen.

Viele alte Leute suchen die Gesellschaft ja bei Haustieren, wobei Hunde da zu den beliebtesten gehören. Was mich zu dem Thema bringt, dem ich mich heute widmen will. Vor ein paar Tagen bin ich wieder mal auf einen Artikel gestoßen, der für einen kollektiven Aufreger gesorgt hat - der Artikel einer gewissen Katharina Schwirkus im der Zeitung Neues Deutschland mit dem Titel Lasst uns die Köter abschaffen. Ja, ich gebe zu - schon der Titel ist ziemlich provokant. Und im ersten Moment ist es auch der Artikel selbst - darin geht es darum, dass Hunde und auch Katzen in der Großstadt nichts verloren hätten; zum einen verschmutzen besonders Hunde die Gehwege, zum anderen sind sie schlecht für das Klima: weil sie Fleisch fressen (besonders die Vierbeiner wohlhabender Halter, die natürlich nicht mit Fleischresten abgespeist werden und dementsprechend auch eine höhere Lebenserwartung haben); weil der Hundekot mit klimaschädlichen "Gackerl-Sackerln" aus Plastik entfernt wird, deren Spender in jedem Park zu finden sind; weil der Kot von Hunden und Katzen nur schlecht abbaubar ist; weil Katzen durch ihren natürlichen Jagdtrieb einen Gefahr für Kleintiere darstellen.

Ja, ich weiß - auch ich habe mich im ersten Moment von der allgemeinen Empörung mitreißen lassen und mir direkt einmal gedacht, warum lastet man die Klimaprobleme den Haustieren an, wenn doch der Mensch - was ja auch keiner bestreitet, der noch alle Tassen im Schrank ist - schuld an der ganzen Misere ist? Erschwerend kommt dabei hinzu, dass auf Facebook und WhatsApp nicht der ganze Artikel geteilt wird, sondern ein Sharepic mit einigen Absätzen daraus sowie einem Foto und dem Namen der Autorin, mit der Überschrift "Unglaublich" - Quelle des Sharepics unbekannt. Zudem gehört Neues Deutschland zu 50 % der deutschen Partei "Die Linke" - und da ist natürlich klar, in welche Richtung der Shitstorm dann geht. Wie jeder sich wohl auch denken kann, der meinen Artikel über tierliebe Rechtsgestrickte gelesen hat.

Gerade in den westlichen Industrienationen - namentlich Deutschland, aber auch Österreich - wird Tierliebe großgeschrieben. Man braucht eigentlich nur den Fernseher einzuschalten - Tiere in Hülle und Fülle, wobei natürlich die Hunderln und Katzerln ganz vorn dabei sind. Und wenn man sich das deutschsprachige Internet zu Gemüte führt, sind Fotos und Videos von süßen Katzenbabys in der Rankingliste ganz weit vorn. Ich gebe zu - auch mir schmilzt das Herz beim Anblick niedlicher Tierbabys. Aber man sollte halt auch ein bisschen klaren Kopf bewahren.

Vielleicht mache ich mich jetzt ein wenig unbeliebt, wenn ich das so sage, aber ich finde, wenn der Artikel auch stark überzogen ist - und das sicher mit voller Absicht -, so enthält er vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit. Wartet, nicht weglaufen, lasst es mich erst mal erklären, bevor ihr mich mit Tomaten und Hundekot bewerft!
Ich finde nicht, dass Tierhaltung - speziell in der Großstadt - immer so sinnvoll ist. Und ich finde auch nicht, dass jeder Tierhalter tatsächlich auch ein Tier haben sollte. Und wer nur ein kleines bisschen über den Satz "Tiere sind süß" hinausdenken kann, sollte diese Seite jetzt nicht schießen und denken, "die Wahnsinnige hat sie doch nicht alle beieinander, ich geh lieber Katzenvideos anschauen".

Ich denke nicht, dass jeder automatisch ein Tierfreund ist, nur weil er ein Tier zu Hause hat. Schauen wir uns nur einmal die überfüllten Tierheime an. Wieso sind die denn so voll? Nun ja - ich würde mal behaupten, viele Tiere, die hier landen, tun es deshalb, weil sich jemand ein süßes Hunderl oder Katzerl angeschafft hat, mit dem er dann letztendlich überfordert war. Speziell zu Weihnachten will man seinen Sprösslingen eine Freude machen, und für viele steht ein Haustier ganz oben auf der Wunschliste. Ich gebe zu - für mich war das als Kind genauso. Mir wurde immer gesagt, es wäre nicht möglich, mir ein Haustier zu schenken, weil mein Vater und meine Schwester allergisch auf Tierhaare waren. Klar ist das ein Argument - ich weiß aber inzwischen, dass das nicht der einzige Grund war. Zum einen leben Hunde und Katzen nun mal nicht so lang wie Menschen, und der Verlust des geliebten Vierbeiners ist natürlich schmerzhaft. Zum anderen aber - und das ist ja ein entscheidender Punkt - bringt so ein Tier natürlich nicht nur Spaß und Freude, sondern auch Arbeit und Verantwortung. Und das ist halt gerade bei kleineren Kindern so ein Ding - man wünscht sich ein Tier, weil es süß ist und weil andere Kinder im Fernsehen mit ihren Tieren immer so tolle Abenteuer erleben. Dann aber stellt man fest, dass man mit einem Hund bei jedem Wetter aus dem Haus gehen muss, dass man regelmäßig das Katzenklo reinigen muss, dass süße Tierbabys nicht immer klein bleiben, dass man als Tierhalter nicht ganz so sorglos in den Urlaub fahren kann. Und irgendwann verliert man das Interesse - und wenn man dann keine Eltern hat, die einem ins Gewissen reden oder die Pflege des Tieres selbst übernehmen, landen diese im Tierheim, werden an Straßenrändern ausgesetzt, im schlimmsten Fall landen sie im Müll oder werden getötet. Das ist ein Problem, von dem bestimmt jeder schon gehört hat. Ich habe in Amerika eine Familie erlebt, die sich einen Cockerspaniel-Welpen geholt hat - als sich dann herausstellte, dass dieser sich mit dem anderen Hund, der schon dort lebte, nicht vertrug, wurde er einfach in den Wintergarten gesperrt und dort sich selbst überlassen.

Darüber hinaus geht auch die Anschaffung des Tieres nicht immer ganz korrekt vonstatten - ich spreche jetzt nicht nur von Jungtieren aus Osteuropa, die natürlich auch erwähnt werden müssen, oder illegal eingeführten Exoten. Jeder, der sich ernsthaft mit dem Tierschutz auseinandersetzt, spricht sich ganz klar gegen die Zucht von Rassehunden und -katzen aus. Ich habe bei der Debatte um Rassismus ernsthaft schon das Argument gehört, die "Mischung" verschiedener menschlicher Ethnien sei deshalb unzulässig, weil Tierzüchter ja auch darauf achten, dass ihre Tiere reinrassig bleiben.
Ernsthaft? Das soll ein Argument dafür sein, alle Grenzen bis auf den letzten Spalt dichtzumachen und ausländisch aussehende Personen möglichst rauszuschmeißen? So, und was, denkt man jetzt, hat es zu bedeuten, wenn Hunde nicht mehr richtig atmen können, weil man ihnen die Nasen so flach gezüchtet hat; wenn Perserkatzen taub werden, weil man sie unbedingt weiß und blauäugig haben will; wenn gerade reinrassige Tiere anfälliger für Krankheiten sind als Mischlinge? Ist das tatsächlich ein Indiz dafür, dass die Reinerhaltung der Rasse ach so "natürlich", "gottgewollt" oder "normal" ist? Echt jetzt?

Es gibt leider immer noch zu viele Leute, die sich ein Tier anschaffen, weil sie es süß oder auch cool finden, oder weil es gerade Mode ist. Ich habe schon viele gesehen, die sich so genannte "Listenhunde", im Volksmund auch Kampfhunde genannt, angeschafft haben, weil sie ganz offensichtlich ein gewisses Image verkörpern wollen - aber nicht, weil sie im Umgang mit diesen Tieren so besonders erfahren wären. Und das ist das eigentliche Problem - nicht der Kampfhund an sich. Ebenso, wie es bei Tieren geschieht, die man aus einer Mode heraus zu sich geholt hat.

Wer kennt es nicht - wenn eine gewisse Tierart gerade in einem beliebten Film oder einer Fernsehserie zu sehen ist, wollen viele gleich einmal so ein Tier haben. Und informieren sich gar nicht, ob dieses Tier überhaupt für sie geeignet ist. Aktuell ist ja die Serie Game of Thrones sehr beliebt. Ich gebe zu, ich kenne mich in der Serie überhaupt nicht aus; ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass mich Fernsehserien momentan überhaupt nicht interessieren. Diese Meinung teilen aber nicht allzu viele.
In dieser Serie spielen die Schattenwölfe eine ganz wichtige Rolle - eine amerikanische Wolfsart, die offenbar seit etwa 300.000 Jahren ausgestorben ist. In der Serie werden sie von Hunden dargestellt, die Wölfen sehr ähnlich sehen, sowie einem Polarwolf. Auf dem Bildschirm werden sie digital bearbeitet, um den Tieren aus der Buchvorlage zu ähneln, und als loyale Begleiter und Beschützer der menschlichen Darsteller gezeigt. Natürlich hegen viele Fans der Serie den Wunsch, selbst so einen Schattenwolf zu besitzen - und holen sich Sibirische Huskys nach Hause, die diesen sehr ähnlich sehen. Doch Huskys sind in ihrer Haltung sehr anspruchsvoll, da sie sehr viel Auslauf und geistige Beschäftigung brauchen. In der Folge verhalten sich die Tiere natürlich nicht so wie vom Halter erwünscht, dieser ist überfordert und hat nur den einen Wunsch, den Hund möglichst schnell wieder loszuwerden.

Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Besonders in britischen Werbespots tauchen oft Hunde mit extrem kurzen Schnauzen wie etwa der Mops oder die Französische Bulldogge auf - die sehr oft an chronischen Atemwegserkrankungen oder auch Augen- und Hautproblemen leiden. Jemand, der schon einmal zugehört hat, wie so ein Mops atmet, kann doch nicht ernsthaft glauben, das sei ganz normal und natürlich. Ich erinnere mich auch noch daran, als die Fernsehserie Kommissar Rex populär wurde - plötzlich wollte jeder einen deutschen Schäferhund haben, eine Rasse, die zuvor nicht allzu viel Beachtung fand, wenn man mal davon absieht, dass sie für viele Deutsche der Gegenstand des Nationalstolzes sind.

Modische Impulskäufe betreffen aber nicht nur Hunde - ich erinnere mich an die Zeit, als die Buchreihe Harry Potter populär wurde und wenig später auch noch die Verfilmungen. Eines der wichtigsten Tiere in diesen Büchern ist natürlich die Eule, die von Zauberern zur Postbeförderung verwendet wird und sich in den Geschichten klarerweise auch nicht so verhält, wie Eulen es normalerweise tun. Die Folge der Popularität dieser Bücher und Filme war natürlich, dass viele Fans sich Eulen als Haustiere wünschten - was keine gute Idee ist, da Eulen alles andere als geeignete Haustiere sind. Und welcher Mensch, der noch alle beieinander hat, kann schon ernsthaft glauben, dass eine Eule sich in einem Käfig in einer Stadtwohnung wohlfühlen könnte?

Natürlich gibt es in der Tierhaltung auch viele positive Beispiele. Auch ich kenne viele, sehr viele Tierhalter, die ihre Tiere gut behandeln, für die ein Haustier nicht nur ein hübsches Accessoire ist und die sich auch aktiv für die verantwortungsvolle Tierhaltung einsetzen. Von diesen Leuten ist in dem Artikel nicht die Rede. Natürlich ist schon allein der Begriff "Köter" eine Provokation - man muss aber dazu sagen, dass es sich bei besagtem Artikel klar gekennzeichnet um einen Kommentar handelt, also lediglich um die Meinung der Autorin. Und ich denke, dass sie bewusst provozieren wollte - damit so mancher sein Verhältnis zu Haustieren noch einmal überdenkt.

vousvoyez

https://www.mimikama.at/allgemein/faktencheck-koeter/

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123036.haustiere-das-klima-geht-nicht-vor-die-hunde.html

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2019/05/schattenwolf-flut-im-tierheim-viele-got-fans-mit-huskys-ueberfordert