Das Ausländerthema ist ja gerade wieder sehr aktuell - in allen Medien stößt man auf Schlagworte wie "Flüchtlingskrise" und "Willkommenskultur". Aber im Großen und Ganzen beschäftigen wir uns mit der Frage der Fremdheit doch schon seit der Steinzeit. Eines meiner Lieblingszitate zu diesem Thema ist Karl Valentins Satz "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde". Was natürlich bedeutet, dass man nur außerhalb der Heimat fremd ist. Sofern er eine Heimat hat - und nicht wie mein Partner gleich drei, wobei er in der aktuellen Heimat manchmal wie ein Fremder behandelt wird - und sich in seinen beiden anderen Heimatländern wohl mehr oder weniger fremd fühlen würde. Er ist einer, der gerne sagt, was er sich denkt, und das ist nicht in jedem Land möglich. Seien wir also froh und dankbar, dass wir das hier in Österreich noch dürfen. Auch wenn im Großen und Ganzen nur die Gedanken frei sind.
Zu unserer Weisheit: Ja, sie hat mit Fremdsein zu tun. Mit gegenseitigem Fremdsein. Und so aus dem Zusammenhang gerissen ist sie wohl auch nicht sehr ergiebig. Aber die Geschichte dahinter spricht eine andere Sprache.
Die Generation meiner Eltern befreite sich einst von fremdenfeindlichem Gedankengut, vom Mief der alten Nazis und von der Vorstellung, dass die einen besser sind als die anderen - auch wenn sie nicht frei von rassistischen Denkstrukturen war. Und so wuchs unsere Generation mit dem Gedanken auf, dass jeder Mensch, egal aus welchem Land, egal mit welcher Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung etc. etc. gleich viel wert und wichtig ist. Natürlich waren auch nicht alle in meiner Großelterngeneration gleich - meine Großeltern hatten beispielsweise Kontakt zu einem Studenten aus Ghana und einem aus Trinidad. Ich kenne sie nur von Fotos - die mein Vater gemacht hat, mit der Bildunterschrift "Die Schwarzen". Nicht "Die Neger" - obwohl das damals noch gängig war.
In meiner Kindheit hatte ich praktisch keinen Kontakt zu Menschen anderer Hautfarbe. Ich wusste, dass die Menschen in Afrika dunkler sind als wir - und ich kannte die Zehn kleinen Negerlein. Dieses Lied ist heute verpönt, wurde aber damals selbstverständlich in allen Kindergärten noch gesungen. Für mich persönlich hatte das jedoch nichts mit der Realität zu tun. Und ich kannte auch Pippi Langstrumpfs Vater noch als "Negerkönig". Ich verstand das aber nie rassistisch. Für mich war das gleichbedeutend mit "Südseekönig". Einfach ein König auf einer exotischen Insel. Aber ich verstehe, dass das heute anders gesehen wird.
In der Schule lernte ich dann, dass "Neger" eine abwertende Bedeutung hat. Von da an habe ich auch immer meine Eltern korrigiert, wenn sie von "Negern" gesprochen haben. Für mich war mit elf Jahren selbstverständlich, dass ich Menschen so bezeichne, wie sie sich bezeichnet sehen wollen. Und ich hatte keinen Grund, Menschen anderer Hautfarbe als etwas anderes zu sein, als sie sind - als Menschen.
In meiner Kindheit waren dunkelhäutige Menschen in Österreich ein seltener Anblick - auf dem Land sowieso, aber auch in den Städten. Dann, als ich etwa zehn, elf Jahre alt war, sah man überall in der Stadt junge Afrikaner - sie verkauften eine Straßenzeitung namens
Megaphon, die es immer noch gibt. Der Gedanke hinter dieser Initiative war und ist, Asylwerbern einen kleinen Zuverdienst zu ermöglichen. Der Inhalt ist nicht immer nach meinem Geschmack, aber ohne solche Projekte gäbe es vielleicht noch mehr junge Leute mit dummen Ideen, die denjenigen, die uns entzweien wollen, Munition liefern.
Jedenfalls, als das damals anfing, war ich einmal mit meiner Mutter in einer Trafik (für eventuelle deutsche Leser: Tabakladen) in der Innenstadt. Da meine Eltern in der Nähe ihr Geschäft hatten, kannte uns die Verkäuferin respektive Trafikantin. An besagtem Tag stand ein junger Schwarzer - wahrscheinlich aus Nigeria, würde ich heute sagen - bei den Zeitungsregalen (in österreichischen Trafiken werden neben Tabakwaren auch Zeitungen, Zeitschriften und Lottoscheine verkauft) und blätterte im Playboy. Die Trafikantin - eine schon etwas ältere Dame - schimpfte dann darüber, dass die "Neger" immer zu ihr kämen, um "Sexheftln" zu lesen, die sie dann nicht kaufen würden. Dann rückte sie ihre Brille zurecht und sagte streng zu dem jungen Mann: "You can no look sex." Für die Korrekten unter uns: Es hätte heißen sollen "You aren't allowed to read the Playboy without buying it." Aber die Dame gehörte einer Generation an, in der die meisten des Englischen noch nicht mächtig waren - oder nur sehr sporadisch. Der Angesprochene fragte nach einer bestimmten Ausgabe und verließ dann das Geschäft. Und ich versteckte mein Gesicht hinter der aktuellen Ausgabe von Bravo und kicherte in mich hinein.
Die Trafik gibt es heute nicht mehr. Aber das Megaphon erfreut sich heutzutage immer noch großer Beliebtheit - mittlerweile verlegt es auch Kochbücher, CDs und Terminkalender. Manche der Verkäufer können etwas lästig sein. Aber im Großen und Ganzen sind sie voll akzeptiert.
Heute diskutieren wir darüber, wie viele Flüchtlinge wir noch aufnehmen können. Wir ernten, was wir gesät haben - wir haben zu lange weggeschaut, und jetzt können wir es nicht mehr. Und ich habe gelernt, meine Sympathien und Antipathien nicht von Nationalität und Hautfarbe abhängig zu machen. Denn Idioten gibt es überall - und nette Menschen genauso.
In diesem Sinne, öffnet eure Augen und betrachtet die Welt aus mehreren Perspektiven!
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