Sonntag, 22. Oktober 2017

"Golden Eye" heißt auf Englisch "Golden Egg"

Interessant, dass man englische Phrasen noch einmal ins Englische übersetzen kann. Ich weiß nicht mehr, wer das in die Welt gesetzt hat, aber derjenige wollte wohl damit ausdrücken, dass die Engländer eine eigene Auffassung von Sprache haben: Zum Auge sagen sie Eye, zum Ei sagen sie Egg, zum Eck sagen sie Corner. Wer in der Schule Englisch gelernt hat, weiß, dass man gewisse Worte sofort zu verstehen glaubt, da sie ähnlich oder gar gleich klingen wie im Deutschen, sie heißen aber etwas ganz anderes. So wie tv programme für Fernsehsendung (Fernsehprogramm heißt tv guide), menu für Speisekarte (Menü heißt set meal) und become für werden (bekommen heißt get). Und wir ärgern uns, dass die bösen Engländer uns so viele Steine in den Weg gelegt haben, ohne darüber nachzudenken, wie seltsam die unsere Sprache mitunter finden. Ein Erasmusstudent aus London hat sich mal darüber beschwert, dass es für das Wort "Warum" im Deutschen so viele Synonyme gibt, während den Engländern why schon genügt.

Die Welt der Sprache ist im Großen und Ganzen ja äußerst spannend, auch wenn es ziemlich mühsam ist, wenn man sich mit Vokabeln, Grammatik und hunderttausend Ausnahmen herumschlagen muss. Mein Bruder kritisiert beispielsweise bei den meisten Sprachen deren Mangel an Logik. Vielleicht liegt das daran, dass Sprachen - sieht man jetzt mal von künstlich entstandenen wie Esperanto ab - nicht irgendwann einmal entstanden und dann so geblieben sind, sondern einem zeitlichen Wandel unterworfen sind. Auch heute wandelt sich die Sprache - besonders durch das, was wir als "digitale Revolution" bezeichnen, die Worte wie "googeln", "chatten", "twittern" und "tindern" hervorgebracht hat. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass man auf so rasante Art und Weise Zeuge des Sprachwandels wurde.

In diesem Zusammenhang verstehe ich auch so verquere Vereine wie den zur Reinerhaltung der deutschen Sprache nicht - die deutsche Sprache ist bereits dermaßen lange nicht mehr rein, dass sie ohne Fremd- und Lehnwörter nicht existieren könnte. Das Verschwinden von Dialekten und Minderheitensprachen ist ebenfalls höchst bedauerlich, jedoch auf Grund der anhaltenden Globalisierung wohl unvermeidlich. Die meisten afrikanischen Sprachen sind ja beispielsweise gar nicht mehr "rein", sondern haben sich mit den früheren Kolonialsprachen vermischt, die in den jeweiligen Ländern ja häufig Amtssprache sind. Übrigens habe ich neulich herausgefunden, dass Afrika insgesamt etwa über 2.000 Sprachen in sich vereint - das nur nebenbei bemerkt, auch für jene, die Afrika immer noch als einzelnen Staat und nicht als Kontinent mit ganzen 53 Staaten begreifen. Und das, obwohl Europa nur 47 Länder hat und im Vergleich zum "Schwarzen Kontinent" winzig ist.

Auch ich spreche den Dialekt meiner Heimatstadt kaum. Da im Rahmen meiner Erziehung die so genannte "Hochsprache" als "schön" und Dialekt als "schiach" (hässlich) begriffen wurde, wurde ich meine ganze Kindheit und Jugend hindurch dazu angehalten, Erstere zu sprechen. Allerdings nicht zu "deutsch" - denn wir sind immer noch Österreicher, und die Deutschen nachmachen müssen wir nicht. Wenn mein Vater meine Aufsätze las, regte er sich manchmal darüber auf, dass ich zu viele "deutsche" Begriffe verwendete. Das war jedoch unumgänglich, denn ich las nicht nur österreichische Bücher, sondern auch Bücher aus Deutschland und solche, die in Deutschland übersetzt worden waren. Und selbst die österreichischen Bücher werden nach deutschem Standard korrekturgelesen, nicht nach österreichischem - seltene Ausnahmen sind in der Kinderliteratur beispielsweise Christine Nöstlinger und in der Erwachsenenliteratur Thomas Bernhard. Bei diesen ist das österreichische Deutsch als Stilmittel akzeptiert.

Diese Einstellung, den Deutschen nicht alles nachmachen zu müssen, bezog sich übrigens nicht nur auf die Sprache. Ich erinnere mich beispielsweise, wie die meisten anderen auch, noch lebhaft an meinen ersten Schultag. Ich besuchte eine private katholische Volksschule, in die damals nur Mädchen aufgenommen wurden - trotz heftiger Gegenwehr, denn eigentlich wollte ich das überhaupt nicht. Dementsprechend begriff ich die Schule wohl bereits früher als die meisten anderen als eine Verschlechterung meiner Lebensbedingungen von der freien, unbeschwerten Kindergartenzeit, in der das Geschlecht noch völlig egal war, hin zu einer geordneten und eingeschränkten Schulzeit. Am ersten Tag war ich die einzige, die weder einen Rock noch ein Kleid anhatte - ich trug eine Hose, wie immer, wenn es mir gelang, nicht in ein Kleid gezwungen zu werden. Ein Umstand, der mir hinterher auch - mit lächelndem Gesicht - lange vorgeworfen wurde. Vor allem aber beneidete ich die anderen um ihre riesigen Schultüten - ich bekam nämlich keine. Die Schultüte war ein Brauch aus Nachkriegs-Deutschland, und meine Eltern waren der Meinung, wer seinem Kind eine Schultüte kaufte, würde "die Deutschen nachmachen". Mir war das ehrlich gesagt herzlich egal - ich sah nur, dass alle etwas bekamen, nur ich nicht. Meine Geschwister haben übrigens dasselbe erlebt. Zwei von ihnen haben heute auch Schulkinder - und auch bei ihnen war die Schultüte obligatorisch.

So, jetzt habe ich euch auch noch mit meinem einschneidenden Kindheitstrauma belästigt. Und dabei gibt es noch so viel über Sprache zu wissen - beispielsweise, dass fast alle Sprachen vom westlichsten Zipfel Europas bis hinüber nach Indien vermutlich die gleichen Wurzeln haben - nämlich das Indogermanische. Und dass die deutsche Sprache, wie wir sie heute kennen, aus einer vielfältigen Mischung von Dialekten entstanden ist. Allerdings würde das wohl auch wieder einmal den Rahmen sprengen. Und übrigens auch meine Möglichkeiten. Weiterführende Literatur gibt es ja zu Hauf! Im Großen und Ganzen ist es in einer globalisierten Welt auch nicht verkehrt, nicht nur eine einzige Sprache zu beherrschen. Denn die Welt ist groß, und ein Menschenleben reicht nicht aus, um sie in ihrer Gänze zu begreifen. In diesem Sinne, bon voyage! Arrivederci! Ciao Ciao! Goodbye! Adieu! Adios Amigos! Sayonara!

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