Dienstag, 22. Januar 2019

Es wäre viel besser, wenn der Jakominiplatz am Griesplatz und der Griesplatz am Jakominiplatz wäre

Nun ja, warum das so sein soll, ist mir selbst ein Rätsel. Aber das ist wohl meist so bei Kiffer-Weisheiten. In Filmen fallen Kiffer ja meist durch selten dämliche Aktionen auf. Aber über die Gesundheit und Sinnhaftigkeit des Cannabis-Konsums wird ja schon seit Ewigkeiten gestritten, da ist das nicht weiter verwunderlich.

Wobei man sagen muss, dass Körperfunktionen bzw. Gesundheit in Filmen ja bekanntlich anderen Regeln folgen als im wirklichen Leben. Was ich in einem anderen Artikel schon ausführlich erklärt habe. Und da ich in letzter Zeit ja eher ernsthaftere Themen angesprochen habe, habe ich mir gedacht, ich lockere das alles wieder mal ein bisschen auf und setze meine Liste von Logikfehlern und Klischees fort. Das freut mich, und ich glaube, es freut euch genauso.

Filme folgen eigenen Gesetzen

1. Ich weiß nicht, ob es an der Prüderie des amerikanischen Erziehungssystems liegt, aber ist euch auch schon aufgefallen, dass Frauen seit geraumer Zeit beim Sex immer den BH anbehalten? Im wirklichen Leben ist dies doch eines der Kleidungsstücke, die zuallererst ausgezogen werden, oder habe ich etwa was anderes erlebt als ihr?

2. Wenn die Filme in Amerika spielen, sprechen alle immer perfekt Deutsch, bis auf den Mexikaner; der spricht dann gebrochenes Deutsch. In alten deutschsprachigen Filmen spricht man in Amerika auch Deutsch, allerdings mit aufgesetztem amerikanischem Akzent. In diesen Filmen sind in New York von allen Seiten immer das Empire State Building, die Freiheitsstatue und die Brooklyn Bridge zu sehen, während man in Paris von allen Fenstern aus den Eiffelturm sehen kann.

3. Frauen haben prinzipiell nie ihre Periode, selbst wenn sie monatelang im Urwald oder in der Wüste herumirren, ja sogar, wenn sie auf einem Schiffswrack treiben und nichts bei sich haben bis auf die Kleider, die sie am Leib tragen. In älteren Filmen tragen sie dann auch nach Wochen immer noch eine blütenweiße Bluse und sind perfekt geschminkt und frisiert. Im neuen King-Kong-Film steht die Heldin in Stilettos und luftigem Kleidchen auf dem winterlichen Empire-State-Building und hat hinterher nicht einmal einen Schnupfen! Was ich mich auch immer frage - wie kriegen es diese Frauen immer hin, dass ihre Unterwäsche zusammenpasst? Und dass sie nicht, wie unsereins, morgens aussehen wie ein explodierter Wellensittich?

4. Aus irgendeinem Grund gelten auch die üblichen Kommunikationsregeln im Film nicht. Ich habe beispielsweise schon oft beobachtet, dass Leute zwar Ja sagen, dazu aber den Kopf schütteln. Ansonsten folgen Dialoge sehr oft festen Regeln. Bei Verhören muss man beispielsweise immer sagen: "Das müssen Sie mir glauben!" (wenn Sie so insistieren, bleibt uns ja nichts anderes übrig), und wenn jemand stirbt, schreit immer jemand: "Du darfst nicht sterben!" (Ja, ok, ist gut, wenn du es mir verbietest, lebe ich halt noch weiter.) Geiselnehmer sagen gerne: "Wir machen jetzt einen kleinen Ausflug!" (yippieh, das hab ich mir immer schon gewünscht, meine Freizeit mit einem Psychopathen zu verbringen!), und das Übermenschliche, was der Actionheld gleich leisten wird, wird meist durch den ängstlichen Kommentar des Begleiters angekündigt: "Aber das ist Wahnsinn!" Ich werde noch öfter auf intellektuell anspruchsvolle Dialoge wie diese zurückkommen.

5. In den alten James-Bond-Filmen saß der Anzug von 007 auch nach den heftigsten Action-Szenen noch perfekt, und selbst in Extremsituationen, wo ein normaler Mann bereits an Männergrippe verendet wäre, hat er immer noch die Frauen verführt.

6. In Filmen halten Frauen auch selten viel aus. Wenn man eine Leiche entdeckt, wird immer wie am Spieß geschrien - obwohl einem ein Toter ja ohnehin nichts mehr tun kann. Auch bei Gefahr wird immer laut gekreischt - auch oder gerade, wenn dies der eigenen Sicherheit eher abträglich ist. In älteren Filmen fällt man als weibliches Wesen prinzipiell gern in Ohnmacht und hält sich dabei den Handrücken an die Stirn. Wenn man dann aus der Ohnmacht aufwacht, muss man immer fragen: "Wo bin ich?" Außerdem neigen Frauen beim Flüchten immer dazu, oft hinzufallen.

7. In Restaurants muss nie bezahlt werden, oder man sagt "Stimmt so." Wenn man Essen bestellt, haut man auch oft ab, ohne einen Bissen genommen zu haben. Überhaupt wird bei Szenen, in denen gegessen wird, meist eher gestochert, und der Teller bleibt immer voll. Sparsam ist man auch nicht - es wird mehr Essen bestellt als selbst gekocht.

8. Als Ausgleich zu all den Heulsusen und Kreischweibern scheinen intelligente Frauen weitaus schneller zu lernen als Männer, jedenfalls sind etwa Nuklearwissenschaftlerinnen oder Astrophysikerinnen immer blutjung.

9. Neugeborene sind meistens schon so groß, dass man unwillkürlich Mitleid mit der Frau bekommt, die diesen Riesenbrocken auf die Welt bringen musste. Auch scheinen Krankenschwestern und -pfleger eher mit den privaten als mit den gesundheitlichen Problemen der Patienten beschäftigt zu sein - und diese beschränken sich auch nicht unbedingt aufs Krankenhaus.

10. Überhaupt spielen in Krankenhäusern auch die privaten Probleme des Personals eine größere Rolle als ihre Arbeit - obwohl auch hier oft gejammert wird, wie stressig der Job ist. Klar, Kaffee trinken und durch die Gänge laufen ist ja auch nicht einfach!

11. Ein Patient, der jahrelang im Koma lag, ist nach dem Erwachen sofort in der Lage, problemlos zu sprechen und aufzustehen. Nach einem Erste-Hilfe-Kurs war mir übrigens auch klar, dass die Patientin nach Wiederbelebungsmaßnahmen wie Herz-Rhythmus-Massage und Mund-zu-Mund-Beatmung nicht sofort die Augen aufschlägt und "Wo bin ich?" (sic) fragt

12. Überhaupt scheint der Defibrillator ein Wundergerät zu sein, jedenfalls kann man offenbar selbst Opfer eines schweren Verkehrsunfalls damit heilen, wobei auch dies nach festen Regeln abläuft: So muss immer dreimal die Spannung erhöht werden, während man dazwischen immer "Komm schon! Verdammt, komm schon!" sagen muss. Außerdem muss der Defibrillator immer fürchterlich knallen. Wenn die Reanimation erfolgreich war, ist der Patient sofort wieder pumperlg'sund; ansonsten muss man verzweifelt "Wir verlieren ihn!", rufen. Meist wacht er Patient noch ein mal für ein paar bedeutungsschwere letzte Worte auf, ehe unter dramatischer Musik der Tod erklärt wurde.

13. Der Action-Hero verletzt sich natürlich nur noch selten, und wenn, dann erklärt er angesichts einer Fleischwunde wegwerfend: "Ach, das ist nur ein Kratzer!" Blutungen werden prinzipiell nur durch Abbinden des entsprechenden Körperteils gestillt; besonders beliebt ist ein Stück vom Hemd des Helden, natürlich um effektiv seine muskulöse Brust freilegen zu können.

So, dies war schon der dritte Streich. Ich hoffe, es macht euch weiterhin so viel Spaß wie mir. Falls wem noch was einfällt, kann er bzw. sie mir das mitteilen, ansonsten werde ich bei Gelegenheit vielleicht noch ein bisschen gehirnstürmen - wobei meine Liste immer noch ziemlich lang ist, also war's das noch lange nicht. Also macht's gut und bon voyage!

vousvoyez

Montag, 21. Januar 2019

Ihr müsst euch dran gewöhnen, dass ich der Boss hier bin

Als ich 21 Jahre alt war, war ich das letzte Mal am Weißensee - erst acht Jahre später sollte ich wieder mal zurückkehren. Aber so wie früher wurde es natürlich nie wieder.
Ich habe in dieser Zeit viele tolle Freunde kennen gelernt. Mit manchen von ihnen habe ich bis heute noch Kontakt. Viele habe ich regelmäßig dort getroffen. Manche von ihnen haben dort gearbeitet, hauptsächlich natürlich in der Gastronomie.
Damals, als ich 21 war, verbrachten wir eine Nacht in Villach, wo gerade der alljährliche Kirchtag stattfand. Wir waren bis Mitternacht auf dem Stadtfest, dann schlugen wir uns den Rest der Nacht in einer Havanna-Bar um die Ohren und gingen anschließend in ein Wettcafé am Bahnhof. Anschließend wollten wir mit dem Zug weiterfahren. In einem Korridor auf dem Bahnhof trafen wir einen uralten, schrullig aussehenden Mann; seine spiegelnde Glatze war von einem schneeweißen, wirr vom Kopf abstehenden Haarkranz umgeben, er trug ein viel zu großes Hemd, und seine Hose wurde von Hosenträgern an ihrem Platz knapp unter der Brust gehalten. Als er uns bemerkte, sah er uns an und sagte nur einen Satz: "Ihr müsst euch dran gewöhnen, dass ich der Boss hier bin." Überflüssig zu erwähnen, dass dies bei der Zugfahrt Thema Nummer eins war.

Das ist jetzt schon fast vierzehn Jahre her; mein Leben ist anders geworden, und diese Welt ebenfalls. Was natürlich nicht verwunderlich ist. Selbstverständlich habe ich inzwischen auch andere Leute um mich herum, auch wenn ich meine alten Freunde von damals immer noch regelmäßig sehe. Als ich 21 war, hatte mein Bruder zwei kleine Kinder, die inzwischen schon Teenager sind; für meinen Neffen beginnt schon bald ein neuer Lebensabschnitt, denn seine Schulzeit ist in diesem Sommer zu Ende. Und da auch meine Schwester inzwischen Mutter von Zwillingen ist, deren Volksschulzeit bald vorbei ist, nehme ich dies zum Anlass, um einmal über die Schule zu sprechen.

Zumindest aus der Schülerperspektive ist natürlich jeder dazu in der Lage, sich eine Meinung über dieses Thema zu bilden. Ich bekomme aus der Eltern-Perspektive auch so einiges mit, und ich habe auch ehemalige Klassenkameraden, die inzwischen ebenfalls Lehrer sind. Eine von ihnen unterrichtet sogar an der Schule, an der wir alle unseren Abschluss gemacht haben. In unserem Maturajahr hat man uns davor gewarnt, Lehrer zu werden, da es damals in diesem Beruf nicht leicht war, einen Job zu finden. Heute sind Lehrer sehr gefragt, und keiner, der sich entgegen der Empfehlungen doch zu diesem Beruf entschieden hat, steht ohne Job da. Aber unsere Schule war ohnehin nicht immer sehr zukunftsorientiert. Ich habe allerdings gehört, dass sie sich seit damals enorm verbessert hat. Was mich allerdings bis heute stört, ist diese Tendenz, junge Menschen erst einmal zu demotivieren - egal zu welcher Generation man gehört, immer bekommt man zu hören, dass man nach dem Abschluss ohnehin keinen Job finden wird. Und gerade in den Berufen, von denen einem in der Vergangenheit abgeraten wurde, fehlen einem jetzt die Leute.

Seit ich denken kann, versucht man schon, unser Schulsystem zu reformieren - ist aber bisher nicht wirklich weggekommen vom preußischen Schulmodell des 19. Jahrhunderts, das weniger auf Verstehen und Hinterfragen setzt als darauf, Inhalte auswendig runterzubeten (mit dem Resultat, dass das Gelernte oft nicht verstanden und ziemlich bald wieder vergessen wird).

Jetzt wird ja darüber diskutiert, gewisse Änderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, wieder rückgängig zu machen; die Rede ist von Leistungsgruppen, Sitzenbleiben und Noten von der ersten Volksschulklasse an. Das hatten wir ja eigentlich schon - und gerade mit diesem System waren viele nicht zufrieden. Ähnlich läuft es mit der Diskussion über separate Deutschklassen für Migrantenkinder - und Kürzungen beim Unterricht in Muttersprachen. Ich muss sagen, diejenigen, die irgendwann einmal nach Österreich immigriert sind und sehr gut Deutsch sprechen, sind die, die von Anfang an viel Kontakt mit Österreichern hatten. Die, die sich hauptsächlich in den Kreisen bewegten, in denen ihre Muttersprache gesprochen wurde, tun sich bis heute schwer. Parallel dazu ist es wissenschaftlich nachgewiesen, dass Kinder eine Fremdsprache leichter lernen, wenn sie die eigene Muttersprache gut beherrschen. Es wird ja auch immer gepredigt, dass Kinder möglichst früh mehrere Sprachen lernen sollen - aber offenbar gilt das nur für Englisch, Französisch, Spanisch und eben Deutsch - nicht aber für Türkisch, Kurdisch und Arabisch. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass man solche Erschwernisse absichtlich herbeiführt, um dann sagen zu können, dass die Ausländer eh alle kriminell sind - anders kann ich mir einfach nicht erklären, warum es besser sein soll, Asylwerber wegzusperren und ihnen jegliche Möglichkeit zu nehmen, sich nur irgendwie sinnvoll zu betätigen und wenn, dann nur unter erschwerten Bedingungen.

Natürlich will man endlich mit der "Kuschelpädagogik" aufräumen und unsere Kinder möglichst früh zu leistungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft machen. Ähnlich, wie man früher Babys das natürliche Bedürfnis nach Nähe verwehrt hat, weil Schreien ja so gut für die Lungen ist - und sie so zu traumatisierten Erwachsenen herangezogen hat. Weil es ja so viel effektiver ist, Kindern möglichst früh die Freude am Lernen auszutreiben, ihre Talente zu missachten und sie mit Angst in die Schule gehen zu lassen. Aber ich bin halt leider einer dieser unverbesserlichen, linksgrünversifften Gutmenschen, die behaupten, dass es in einer Schule eigentlich in erster Linie um die Schüler gehen sollte und  nicht um die Politiker, und dass sie dementsprechend nicht Zweiteren, sondern Ersteren nützen sollte. Und die denkt, dass es wichtiger sein sollte, Inhalte zu lernen, weil man sie verstehen will, und nicht, damit man einen Zettel bekommt, auf dem steht, dass man gelernt hat. Aber so denken natürlich nur linksfaschistische Bahnhofsklatscher, die überhaupt kein Interesse an den eigenen Leuten haben. Aber gut, da ist vielleicht auch ein bisschen der Sarkasmus mit mir durchgegangen.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich ging tatsächlich nicht besonders gern in die Schule - wie bei vielen, so gab es auch bei mir Fächer, in denen ich gut war, und Fächer, in denen ich Probleme hatte. Und es gab halt auch Fächer, die mich eigentlich interessierten, was sich jedoch änderte durch die Art und Weise, wie mir deren Inhalte vermittelt wurden. Ich kann verstehen, dass man damit zurechtkommen muss, dass man nicht immer nur das machen kann, was einem Spaß macht - aber man kann das Lernen auch erleichtern und in Schülern möglicherweise das Interesse wecken für Inhalte, die ihnen bis dato ziemlich egal waren. Ich habe einmal gehört, dass Einstein bei aller Genialität kein besonders guter Lehrer war - das kann ich nachvollziehen, zumal es nicht er war, der dazu imstande war, mein früher eher geringes Interesse für Physik zu wecken, sondern Bill Bryson und Stephen Hawking. (Und weil ich natürlich fleißig The Big Bang Theory geschaut habe.) Ich denke, das liegt vor allem daran: In einem Fach besonders gut zu sein, heißt nicht, dass man auch ein guter Lehrer ist - denn für den Beruf des Lehrers braucht man ganz andere Kompetenzen. Ich habe das besonders im Gymnasium oft erlebt - da gab es viele Lehrer, die eigentlich etwas ganz anderes machen wollten, dies aus irgendeinem Grund nicht geschafft hatten und dann in den Lehrberuf gewechselt sind, zumal dies damals noch ein sicherer Beamtenposten auf Lebenszeit war. Viele von ihnen waren in ihren jeweiligen Disziplinen ganz gut, als Pädagogen aber denkbar ungeeignet. Vor diesem Hintergrund finde ich es ganz gut, dass man heutzutage ein eigenes Lehramtsstudium absolvieren muss. Ich glaube, dass das auch mit ein Grund ist, warum sich viele Schulen so verbessert haben.

Der britische Pädagoge Dylan Willam erklärt, dass der Lehrende selbst immer weiterlernen soll, um die Perspektive des Lernenden nicht zu verlassen. Das finde ich insofern sinnvoll, da man ja sein ganzes Leben lang dazulernt und gerade heute auf Weiterbildung so viel Wert gelegt wird. Darüber hinaus habe ich ja auch angesprochen, dass in unserem Schulsystem Auswendiglernen immer noch weitaus wichtiger ist als Verstehen - und im Prinzip ist auch in der Pisa-Studie eher das Auswendiglernen gefragt. Das ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass an vielen Koranschulen oft bemängelt wird, dass die Schüler die Suren des Korans oft auf Arabisch auswendig lernen, ohne sie zu verstehen und ohne überhaupt die Sprache zu können - aber so viel besser sind wir ja auch nicht. So haben zum Beispiel chemische und mathematische Formeln auch nicht allzu viel mit der deutschen Sprache zu tun - trotzdem ist es wichtiger, dass man die auswendig kann, als dass man sie versteht. Methoden, die ja eigentlich schon beinahe diktatorisch sind, wenn man so drüber nachdenkt - wobei ich dem Schulsystem jetzt nicht unterstelle, diktatorisch sein zu wollen. Das kommt wohl eher daher, dass es in einem eher autokratischen Kontext entstanden ist - und ich glaube, es wird auch viel zu wenig darüber nachgedacht, zumal sich ja bisher kaum jemand einig war. Und es gibt ja auch tatsächlich engagierte Lehrer, die versuchen, davon wegzukommen. Nur hängt das eben noch immer viel zu viel vom Lehrer ab und viel zu wenig davon, wie ein Lehrplan tatsächlich aufgebaut ist.

Ich muss ganz ehrlich sagen, an vielen Fächern habe ich tatsächlich das Interesse verloren, weil es viel zu viel darum ging, irgendetwas auswendig zu lernen, beispielsweise in Geschichte, wo es nur um irgendwelche Namen und Jahreszahlen ging. Das lernte man halt zweimal pro Halbjahr auswendig, wurde dann abgefragt und vergaß es hinterher wieder. In der Oberstufe war ich schon so weit, dass ich mich trotzdem dafür interessieren konnte, weil ich schon reifer war und mir selbst etwas aus den Inhalten raushalten konnte, aber in der Unterstufe war das schon ziemlich entmutigend. Zumal man, wenn man jünger ist, ja tatsächlich nicht begreift, dass einem das Lernen etwas nützt, auch wenn man vielleicht nicht alles auf das spätere Leben anwenden kann.
Ich habe letztens etwas recht Aufschlussreiches gehört - nämlich, dass man die Qualität eines Lehrers nicht an den stärkeren, sondern an den schwächeren Schülern messen sollte. Und dass es in diesem Lichte eigentlich paradox ist, dass man die besseren Schüler in Schulen schickt, in denen man auch die besseren Lehrer erwartet, und dann im Umkehrschluss niedrige bis überhaupt keine Erwartungen an Lehrer hat, die beispielsweise in einer Hauptschule oder einer Polytechnischen Schule unterrichten. Eine weitere Möglichkeit, um junge Menschen so früh wie möglich zu selektieren und diejenigen, die es "nur" in die Hauptschule geschafft haben, von vorn herein als den letzten Dreck abzustempeln. Dann kann man demjenigen eigentlich auch gleich ins Gesicht sagen, dass er sich vom Leben am besten gar nichts mehr erwarten soll - und das, obwohl es sehr wohl Leute gibt, die etwas erreicht haben, obwohl sie nie im Gymnasium waren, während es gleichzeitig auch Obdachlose mit Doktortitel gibt. Wobei diese Geringschätzung von Hauptschülern in der Stadt mit Sicherheit ausgeprägter ist als auf dem Land. Generell sollte das Ziel aber doch sein, so vielen Leuten wie möglich etwas beizubringen und nicht, denjenigen etwas beizubringen, die das sowieso schon können, oder?

Zum Schluss möchte ich noch etwas loswerden, das häufig zu kurz kommt, wenn man die Mängel unseres Schulsystems aufzählt: Ich habe inzwischen Leute aus vielen verschiedenen Ländern und mit komplett unterschiedlichen Hintergründen kennen gelernt. Deswegen habe ich allmählich begriffen, was für ein Glück es für mich war, in die Schule gehen und lernen zu dürfen - weil das immer noch viel zu vielen Menschen auf dieser Welt nicht vergönnt ist. Und dass ich durchaus auch viele gute Lehrer hatte, die mir auch wirklich was beibringen konnten. Ich denke, daran sollten wir alle ab und zu denken, wenn wir dabei sind, über die Schule und/oder die Lehrer herzuziehen - egal, ob wir recht haben oder nicht.

vousvoyez

Mittwoch, 16. Januar 2019

Du sollst kein Universum betreten, in dem du nicht vierteln kannst

Dies ist ebenfalls eines der Zehn Gebote aus der Spaßreligion, die ich vor drei Jahren mit einem Arbeitskollegen gegründet habe. Damals war er 21 Jahre alt - und weckte entsprechend auch die Mutterinstinkte einiger älterer Kolleginnen. Zumal wir in der Nähwerkstatt natürlich einen Frauenüberschuss hatten. Wie viele sehr junge Leute, so war auch er, was die Aufmerksamkeit betrifft, nicht leicht bei der Stange zu halten; als er einmal während der Arbeit über irgendein Universum quatschte, fragte ihn eine Kollegin, ob man in diesem Universum auch vierteln könne. Gemeint war das Vierteln des Saumes einer Pumphose für Babys, ein Vorgang, der das Annähen eines Bündchens erleichtert. Deswegen ist es, wenn man den Nähgott anbetet, natürlich von Vorteil, wenn man sich nur in Universen aufhält, in denen man so etwas tun kann. Ich denke, dieses Gebot könnte man auch für andere Berufe anwenden - beispielsweise, wenn man den Küchengott anbetet.

Da ich diese Tätigkeit zurzeit nicht ausübe, ist der Glaube daran natürlich obsolet geworden - dabei hätte ich es interessant gefunden, hierfür eine Heilige Schrift zu verfassen, in der all die schrägen Gedanken verzeichnet sind, die wir damals so ausbrüteten.
Es dürfte euch inzwischen nicht entgangen sein, dass ich nicht nur gerne schreibe, sondern auch gerne lese. Die Liebe zum geschriebenen Wort teile ich mit meiner ganzen Familie - und das, obwohl nicht alle so leicht Zugang zu Büchern fanden. Mein Vater beispielsweise las bis in die Vierziger hinein fast nur Comics. Einer seiner ersten Lieblingsautoren aber war Umberto Eco, von dem er fast alle Bücher gelesen hat, die zu seinen Lebzeiten herauskamen. Auch ich habe einige davon gelesen - nicht nur die Romane, sondern auch die Artikel, die er in der italienischen Zeitschrift L'Espresso veröffentlichte und die ebenfalls übersetzt und in Büchern gesammelt wurden. Ich besitze bis heute noch etliche davon.

In einem dieser Artikel geht es um den Wert eines gesunden Misstrauens. Eco berichtet darin über Presseausschnitte, in denen es um ihn selbst ging und die nicht nur nicht immer der Wahrheit ent-, sondern die sich auch oft widersprachen, und über das Dilemma dessen, inwieweit man den Medien glauben darf. Als Beispiel erzählte er, wie er versucht hatte, seiner Tochter, als diese noch klein war, Medienkompetenz beizubringen. Er erklärte ihr, dass sie einen bestimmten Werbespot nicht glauben dürfe, weil das Fernsehen lüge. Als die Nachrichten daraufhin meldeten, dass es in Turin geschneit hatte, glaubte sie, dass auch dies nicht stimme, was sowohl bei ihr als auch bei ihrem Vater ein Dilemma auslöste - denn wie soll man einem kleinen Kind erklären, wie Medien funktionieren?

Heutzutage, wo wir ständig mit Nachrichten bombardiert werden, ist das natürlich ungleich schwieriger. Ich bin ja auch noch sozusagen mit den "alten" Medien aufgewachsen, also Fernsehen, Printmedien und Radio. Vor dem Hauptabendprogramm gab es im Fernsehen die Nachrichten, morgens beim Frühstück die Zeitung und zwischendurch das Radio. Auch mir wurde schon damals erklärt, dass ich nicht alles glauben soll, was die Medien behaupten, und auch ich habe eine Zeit gebraucht, bis ich überhaupt nur irgendwie dahinter gestiegen bin, was ich jetzt glauben kann und was nicht. Heute ist die Herausforderung weitaus größer.

Die Rechtspopulisten in Europa machen es sich da natürlich einfach - sie lösen es wie Donald Trump und erklären alles, was kritisch gegen sie ist, zu "Fake News". Diese Strategie scheint auch bei so manchem auf fruchtbaren Boden zu fallen - es gibt genügend Leute, die irgendwelchen haarsträubenden Äußerungen dubioser Internetseiten mehr Glauben schenken als dem seriösen Journalismus. Das hab ich ja in meinen Artikeln über Verschwörungsideologien auch schon angesprochen. Immer mehr ist man nur noch bereit, zu diskutieren, wenn die Äußerungen der eigenen zementierten Meinung entsprechen. Immer mehr schenkt man denen Gehör, die uns erzählen, schuld daran, dass wir dieses und jenes nicht haben, seien andere - und das betrifft durchaus nicht nur die Rechten, diese schreien halt nur oft am lautesten. Es ist halt heute so, dass du dir oft nicht mehr aktiv selbst aussuchst, mit welcher Meinung du konfrontiert werden willst, zumindest dann nicht, wenn es um digitale Medien geht - meist schreibt dir das heute irgendein Algorithmus vor. In Marc-Uwe Klings Roman QualityLand wird dieser Sachverhalt herrlich auf die Spitze getrieben - in dieser Zukunftsvision wird man medial nur noch mit der eigenen Meinung gefüttert und hat gar nicht mehr die Möglichkeit, sich mit anderen Ansichten zu konfrontieren. Und dabei ist das so ungeheuer wichtig - hätte ich mein Leben lang nur gehört und gelesen, was mit meiner Meinung konform geht, hätte ich nie Kritik einstecken müssen, dann würde ich heute wahrscheinlich in einer Seifenblase leben, die mir eine Schwarz-Weiß-Welt vorgaukelt.

Das soll nach wie vor nicht bedeuten, dass die etablierten Medien ausschließlich die Wahrheit erzählen. Die Presseausschnitte über Umberto Eco sollten uns ein Beispiel sein, dass dem eben auch nicht immer so ist. Auch seriöse Journalisten werden von einer Meinung geprägt, auch seriöse Medien folgen einer bestimmten Richtung. Aber für mich ist das kein Grund, irgendwelchen populistischen und/oder schwurbeligen Websites mehr zu glauben, wo man die Quelle oftmals gar nicht mehr ermitteln kann und die häufig sogar die offensichtlichsten Fakten ignorieren. Das wichtigste ist - wie Eco schon bemerkt hat -, ein gesundes Misstrauen zu bewahren. Die Presse- und Meinungsfreiheit sind nun mal auch Grundpfeiler einer modernen Demokratie - wobei man diese beiden Dinge natürlich richtig verstehen sollte. Diese Art von Freiheit bedeutet, dass man sagen darf, was man will, ohne vom Staat dafür bestraft zu werden. Sie bedeutet aber auch, dass man für das, was man sagt oder schreibt, auch kritisiert und in Frage gestellt werden darf - denn Meinungsfreiheit gilt nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere, die eben auch eine andere Meinung haben. Und die dürfen diese Meinung genauso haben wie du deine. Unter diesem Gesichtspunkt verwundert auch die Empörung gegen unseren Innenminister nicht, der forderte, dass regierungskritische Medien nur noch eingeschränkte Informationen erhalten sollen.

Klar - für die Abschaffung einer gefestigten Demokratie bedarf es weitaus mehr als solcher glorreichen Ideen. Man soll wachsam sein, aber keineswegs panisch - dies führt zu nichts. Man tut lediglich gut daran, die Zeichen zu erkennen - und im Rahmen seiner Möglichkeiten gegenzusteuern. Aber den Untergang zu prophezeien, hilft niemandem - denn dann sind wir auch nicht besser als diejenigen, die heute das Ende unseres Abendlandes voraussagen - nur um morgen festzustellen, dass alles doch nicht so schlimm ist.

vousvoyez

Sonntag, 13. Januar 2019

Warum ist bei euch in Europa alles Schlechte schwarz?

(c) vousvoyez
Diese Frage stellte mir vor vielen Jahren mal ein junger Mann aus Gambia, dem aufgefallen war, dass die Farbe Schwarz in unserem Sprachschatz sehr oft verwendet wird, um Negatives zu beschreiben. Wer ohne Fahrschein unterwegs ist, fährt schwarz. Wer ohne Genehmigung einer Erwerbstätigkeit nachgeht, arbeitet schwarz. Wer alles nur negativ sieht, ist ein Schwarzseher, wer alles schlecht macht, ein Schwarzmaler. Wer Witze macht oder gut findet, die sich an der Grenze des guten Geschmacks (oder auch darüber) befindet, hat einen schwarzen Humor. Und so weiter.

Nun, die Farbe Schwarz als Synonym für das Negative zu verwenden, ist tief in unserem kulturellen Sprachschatz verankert. Und das gilt nicht nur für die deutsche Sprache - in meiner Schulzeit haben wir beispielsweise im Englischunterricht auch schon darüber gesprochen, woraufhin eine Mitschülerin zum Spaß das Wort "negativ" einbrachte - obwohl dieses, wie man schon an der Schreibweise erkennen kann, nichts mit dem N-Wort zu tun hat, sondern eher mit "negieren" für "verneinen".

Das Thema, das mich heute umtreibt, hat im weitesten Sinne wohl auch mit "negativ" und "Schwarzmalerei" zu tun. Es geht wieder mal um ein Video, das ich zugeschickt bekam und das eine sehr kontroverse Diskussion auslöste. Ich habe zu diesem Thema vor Jahren mal einen Artikel in einem Magazin zu einem ähnlichen Thema publiziert; leider finde ich den aktuell nicht, aber ich möchte trotzdem mal darüber sprechen.

Zunächst zu dem Video: Es handelte sich hierbei um Auszüge einer Lesung. Gelesen wurde aus Was vom Menschen übrig bleibt: Die Wahrheit über Prostitution, dem Erfahrungsbericht der ehemaligen Prostituierten Rachel Moran. Gelesen wird die übersetzte Version, und zwar von Anja Röhl, deren Vater einst mit der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof zusammen war; auch sie erzählt ihre Geschichte in einem Buch. Ich möchte jetzt nicht auf Frau Moran oder Frau Röhl eingehen, auch nicht explizit auf den Inhalt ihrer Bücher. Mir geht es eher um das Thema, das dieser Lesung zugrunde liegt.

In dem Buch ist davon die Rede, dass Prostitution immer schlecht ist und dass sie in Wirklichkeit von keiner Frau freiwillig betrieben wird, sondern dass immer eine Notsituation zugrunde liegt. Der Diskussion selbst lag die Intention zugrunde, Prostitution ausnahmslos zu verbieten. Ich muss sagen, ich bin mit diesem Thema, wenn überhaupt, nur sehr peripher in Berührung gekommen; ich bin diesem Gewerbe nie nachgegangen, und ich kann auch nicht von mir behaupten, dass ich irgendjemanden gut kenne, der diesem Job schon irgendwann einmal nachgegangen ist. Aber natürlich hat jeder dazu eine Meinung, warum also nicht ich auch?
Vor etwas mehr als drei Jahren hat Amnesty International sich dafür eingesetzt, Prostitution weltweit zu legalisieren. Da war der Aufschrei natürlich groß - interessanterweise auch seitens der Frauenrechtlerinnen, die ja immer der Meinung sind, eine Frau dürfe mit ihrem Körper machen, was sie wolle. Die Befürchtung war, dass man damit Menschenhändlern und Sextouristen Tür und Tor öffne - was an sich nicht falsch ist. Aber ich denke, mit einer Illegalisierung löst man das Problem nicht - im Gegenteil.

Erinnern wir uns doch nur an die Drogenpolitik. Im Laufe der sechziger und siebziger Jahre fanden allerlei berauschende Substanzen Eingang in die westliche Jugendkultur - und kosteten nicht wenigen das Leben. Darauf wurde reagiert, indem nahezu alle Drogen außer Alkohol und Nikotin verboten wurden. Deswegen verschwanden die Drogen jedoch nicht - stattdessen wurden nicht nur diejenigen, die mit ihnen handelten, sondern auch die Konsumenten kriminalisiert. Das Resultat: Menschen, die von Drogen abhängig waren, konsumierten diese heimlich weiter und wurden so an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Sie finanzierten ihre Sucht mit Eigentumsdelikten oder illegaler Prostitution, und diejenigen, die sich die Suchtmittel intravenös zuführten, verwendeten oftmals verunreinigte Spritzen. Das Resultat: Menschen, die statt im Krankenhaus im Gefängnis landeten; Menschen, die in die Illegalität getrieben wurden; Menschen, die über ihre Sucht hinaus auch noch auf andere Art und Weise kriminell wurden; Menschen, die nicht nur durch die Drogen, sondern auch durch sexuellen Kontakt mit Fremden oder durch das Verwenden verunreinigter Spritzbestecke krank wurden; Substanzen, die in gestrecktem Zustand noch gefährlicher wurden, als sie ohnehin schon waren. Ein heißer Tipp dazu ist natürlich das Buch "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", das alle Aspekte schildert.
Diesen Teufelskreis zu durchbrechen war nur möglich, wenn man sich von Drogen fernhielt. Was dabei aber außer acht gelassen wird, ist, dass Sucht eine Krankheit ist, die man nicht heilen kann, und dass nur die wenigsten es schaffen, für den Rest ihres Lebens clean zu bleiben. Und so hatten natürlich nur wenige die Chance, auf ein Leben ohne Kriminalisierung hoffen zu dürfen.
Unter diesem Aspekt ist der heutige Umgang mit Drogensucht natürlich ein Fortschritt. Heute können auch Drogenabhängige ein normales Leben führen, mit Wohnung, Beziehung und Job, Spritzen können legal entsorgt und in Kontaktläden getauscht werden, was das Risiko übertragbarer Krankheiten minimiert. Dass Drogen nicht gut sind, weiß jeder, aber was bringt es, jemanden, der schon süchtig ist, aus der Gesellschaft auszuschließen, weil er es nicht schafft, seine Sucht endgültig zu besiegen?

Ich denke, ähnlich verhält es sich mit der Prostitution - Prostitution wird nicht aufhören, zu existieren, wenn sie illegalisiert wird. Stattdessen erschwert es die Möglichkeiten, Prostituierte rechtlich und medizinisch zu schützen. Wenn Prostitution verboten wird, sind auch sämtliche Schutzvorschriften obsolet, und wir haben mehr Menschen, die in den Untergrund gedrängt werden und in der Folge völlig ohne Sinn in Gefängnissen sitzen. Darüber hinaus erschwert es auch den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten, wenn Prostituierte nicht mehr zur medizinischen Untersuchung verpflichtet werden. Ist es tatsächlich das, was wir wollen?

Ich kann nicht explizit sagen, wie viele Prostituierte ihr Gewerbe tatsächlich vollkommen auf freiwilliger Basis ausüben; dies steht mir auch, denke ich, gar nicht zu, da ich, wie gesagt, nicht wirklich was damit zu tun habe. Natürlich können wir uns auch darüber streiten, wo die Prostitution eigentlich anfängt - in unserer heutigen Zeit könnten wir auch die Öffentlichmachung unseres Privatlebens ein Stück weit auch als Prostitution bezeichnen. Ich bin auch nicht dafür, dass Frauen gezwungen werden, ihren Körper zu verkaufen - aber ich denke, es wäre sinnvoller, gegen die Ursache dieser Form von Ausbeutung vorzugehen, anstatt die Opfer zu kriminalisieren.

Abgesehen davon: Wer will denn einsame Menschen verurteilen, die aus Sehnsucht nach körperlicher Nähe zu Prostituierten gehen? Wenn man Männern, die zu Prostituierten gehen, vorwerfen will, Frauen auszubeuten, könnte man auch Frauen, die südliche Länder aufsuchen und sich dort die körperliche Liebe von Männern erkaufen, die oftmals jung genug sind, um ihre Söhne zu sein, dasselbe vorwerfen. Ja, ich weiß, da steigen möglicherweise ein paar Damen auf die Barrikaden, die sich als "Bezness-Opfer" begreifen - aber ich habe auch nicht vor, alle in einen Topf zu werfen, die mal von einem Afrikaner oder Südamerikaner abgezockt wurden. Jedes Schicksal ist anders - es soll lediglich ein Denkanstoß sein.

Ganz allgemein ist dieses Thema ein weites Feld mit sehr vielen unterschiedlichen Meinungen. Ich könnte extrem viel dazu schreiben, nur fürchte ich, dass dies der Lesbarkeit des Artikels abträglich wäre - und auch der Geduld des Lesers. Abschließend muss ich sagen, dass die Auszüge aus dem Buch, die in diesem Video vorkommen, meiner Ansicht nach nicht besonders gut geschrieben sind. Klar ist Rachel Moran wohl keine professionelle Autorin - aber in diesem Fall werden ja immer Co-Autoren bereitgestellt, die so etwas beruflich machen. Vielleicht sind meine Ansprüche auch etwas zu hoch, aber ich habe andere Erfahrungsberichte gelesen, die jetzt auch keinen extrem intellektuellen Anspruch hatten, aber zumindest gut geschrieben waren.

Vielleicht nähere ich mich dem Thema wieder an - inzwischen habe ich aber so einiges andere, was ich bearbeiten kann. Haltet euch also bereit!

vousvoyez

Man soll nicht immer jammern, was alles nicht möglich ist, sondern ausloten, was möglich ist

(c) vousvoyez
Ja, so ist es. Ein neues Jahr hat begonnen, und ich bin auch wieder ein Jahr älter geworden. Und das heißt, vor uns liegen ein Haufen Möglichkeiten. Da wir Österreicher sind, raunzen wir natürlich gerne, aber wir sollten darüber nicht vergessen, dass ein Stück weit auch jeder selbst seines Glückes Schmied ist. Sicherlich sind nicht nur die Österreicher Weltmeister im Raunzen - da gibt es viele andere auch. Und wer sich der eigenen Verantwortung nicht stellen will, wälzt sie eben auf andere ab - und glaubt an die Verschwörung der Eliten.

Jaja, ich weiß, ich beiße mich mal wieder an den Schwurbels fest. Heute möchte ich mich aber nur auf ein Thema beschränken - nämlich die tollen Geschichten, die es um Hitler und die Nazis gibt. Dazu passt ganz gut, dass ich mir kürzlich den - nach wie vor eindrucksvollen - Film Schindlers Liste angesehen habe. Ganz allgemein habe ich mich seit meiner Gymnasienzeit mit dem Thema Holocaust eigentlich schon zur Genüge auseinandergesetzt - aber anscheinend ist das ja heutzutage bereits wieder notwendig, zumal die politische Stimmung ganz allgemein wieder heißer wird und die Zeitzeugen von damals nach und nach aussterben. Es gibt ja auch wieder einige Schwurbelgeschichten zur Weltverschwörung des Judentums. Ob ich mich damit nochmal explizit auseinandersetzen werde, weiß ich nicht. Heute jedenfalls nicht.

Natürlich wissen wir alle über das Ende von Nazi-Deutschland und den Freitod Hitlers Bescheid - das haben wir alles schon in der Schule gelernt. Aber wie so oft, gibt es auch hier Menschen, die sich mit der offiziellen Erklärung nicht zufriedengeben. Und um die phantastischen Geschichten unumstößlichen Wahrheiten dieser Personen soll es hier jetzt gehen.

Einer dieser Theorien liegt tatsächlich eine wahre Geschichte zugrunde - nämlich die Geschichte von Neuschwabenland. Am 17. 12. 1938 brach ein deutsches Schiff namens Schwabenland auf eine geheime Expedition zu einem unerschlossenen Landstrich in der Antarktis auf. Dieses Stück Land wurde kartographiert und unter dem Namen Neuschwabenland in Besitz genommen. Heute ist es unter dem Namen Königin-Maud-Land bekannt. Vermutlich plante man, dort eine deutsche Basis für den Walfang zu errichten, da Wal-Tran einen wichtigen Bestandteil des Sprengstoffs Nitroglycerin darstellt, aber auch für Öl, Schmierstoffe oder Margarine benötigt wurde. Da damals weite Teile des Atlantiks von den Engländern kontrolliert wurden, suchten sich die Deutschen wohl dieses entlegene Gebiet aus, um jenen Rohstoff zu gewinnen.
Zwischen Dezember 1946 und Jänner 1947 fand dann die so genannte "Operation Highjump" der USA statt, ein Einsatz der US-Navy in der Antarktis, eine Mission, die offiziell Forschungszwecken diente, zumal die antarktische Küste und Teile des Landesinneren kartographiert wurden.

Beide Missionen legten den Grundstein für die großartigsten Verschwörungstheorien alternativen Fakten. Natürlich war dieser Stützpunkt nicht für den Walfang gedacht, sondern diente natürlich dem Zweck, sich vor dem Zugriff des Feindes zu verstecken. Und die Operation Highjump diente natürlich nicht Forschungszwecken, sondern war dazu gedacht, um Hitlers Eis-Festung anzugreifen. Kurz nach Kriegsende wurden die Insassen zweier deutscher U-Boote an der argentinischen Küste festgenommen und verhört. Schon damals stellte die Presse die haarsträubende Theorie auf, diese beiden U-Boote seien Teile eines größeren Konvois, der Adolf Hitler, Eva Braun und ihre Nazi-Schergen zu einer geheimen Festung in der Antarktis bringen sollte.

Die Neuschwabenland-Verschwörungstheorie bekam neuen Zündstoff, als die USA im Rahmen der Operation Argus drei Atombomben in der südlichen Hemisphäre hochgehen ließ - für die Schwurbels ein Beweis dafür, dass der letzte Widerstand der Nazis im Ewigen Eis gebrochen werden sollte. Die Sache ist die - besagte Atombomben wurden 1760 km südwestlich von Kapstadt gezündet, mehrere tausend Kilometer von dem vermeintlichen Nazi-Stützpunkt entfernt.

Trotz dieser harten Fakten haben sich bis heute die phantastischsten Theorien über die angebliche Nazi-Festung in der Antarktis gehalten - und wie ich schon erwähnt habe, stehen "alternative Fakten" in Zeiten des World Wide Web hoch im Kurs. Man behauptet, es gäbe an den Polkappen Eingänge ins Erdinnere; auch die Theorie der Nazi-Ufos, genannt "Reichsflugscheiben", ist allgemein bekannt, und auch, dass die Nazis Kontakt mit freundlich gesinnten Außerirdischen pflegen. Jedenfalls sollen bis heute Nazis in der Antarktis leben, die planen, erneut die Welt zu erobern.

Und als sei das nicht alles schon schwurbelig genug, gibt es bis heute immer noch Leute, die glauben, dass Adolf Hitler noch am Leben sei. Nach eingehender Untersuchung seines in Moskau aufbewahrten Gebisses sowie einiger Schädelfragmente haben französische Wissenschaftler 2017 festgestellt, dass Hitler tatsächlich schon 1945 gestorben ist, und zwar durch einen Kopfschuss, aber bekanntlich hält das einen echten Schwurbler ja nicht auf - denn wer an stichhaltige Fakten glaubt, gehört bekanntlich zum Establishment, und überhaupt und sowieso wollen die uns eh nur manipulieren und so weiter. Und ebenso auch derjenige, der seinen gesunden Menschenverstand einschaltet - Hitler wurde am 20. April 1889 geboren, würde dieses Jahr also bereits seinen 130. Geburtstag feiern. Nun beträgt das höchste bislang verifizierte Alter eines Menschen nur 122 Jahre, während der aktuell älteste Mensch der Welt sich über blutjunge 116 Jahre freuen kann - was die Geschichte wohl doch ein kleines bisschen unglaubwürdig macht. Aber selbst das hält einen echten Verschwörungstheoretiker Wahrheitssuchenden natürlich nicht auf!

Nein, denn es gibt die Theorie, dass die Nazis sich nicht in der Antarktis aufhalten, sondern nach dem Krieg mit ihren Reichsflugscheiben auf den Mond geflogen seien und nun auf der der Erde abgewandten, der so genannten "dunklen" Seite des Mondes leben - und mit ihnen auch Hitler. Wobei sich natürlich die Frage stellt, was er mit annähernd 130 Jahren noch anstellen soll und vor allem, warum er in all der Zeit auf diesem öden Erdtrabanten hocken soll (und vor allem, wie er dort überleben will, denn viel mehr als ein Mensch ist er wohl trotzdem nicht). Die Geschichte der Mond-Nazis wurde kürzlich in der Science-Fiction-Komödie Iron Sky thematisiert - da mich das Genre aber ehrlich gesagt nicht besonders interessiert und der Film auch in keiner Kritik allzu gut wegkommt, werde ich mir den wohl eher sparen. Es ist halt so wie bei vielen anderen Verschwörungstheorien auch - du kannst sie weder beweisen noch widerlegen, was ja zumindest für die Schwurbels ja auch äußerst praktisch ist, denn sonst müsste man ja zugeben, dass man unrecht hat.

Natürlich sind nicht alle diese Geschichten nur lustig. Bedenklich finde ich die Theorie, dass Hitler lediglich als Sündenbock missbraucht worden sei, um die Deutschen klein halten zu können. Ich habe hierzu ein Interview mit dem US-Historiker Hoggan aus dem Jahr 1964 gefunden. Dieser behauptete, dass Hitler in Wirklichkeit gar nichts für den Zweiten Weltkrieg gekonnt hätte, sondern dass im Gegenteil die anderen Nationen sich gegen Deutschland verschworen hätten. Er versucht zwar im Laufe des Interviews, zu revidieren, dass er Hitler als freundlichen Pazifisten darstellen wolle, aber wie soll man das denn sonst verstehen, und außerdem entlarvt er sich im Laufe des Interviews auch mehrmals selbst. Ich habe den Text mal unten angehängt, da kann sich jeder selbst ein Urteil bilden. Nicht alles, was im "Spiegel" steht, ist schlecht - besonders, wenn es um ältere Beiträge geht.
Am schlimmsten aber finde ich die Holocaust-Leugner, die den gezielten Völkermord an sechs Millionen Juden sowie einer unbekannten Zahl an Roma zu einer Lüge erklären und parallel dazu auch noch häufig Hasspropaganda gegen die Opfer und deren Nachfahren betreiben. In allen deutschsprachigen Ländern ist die Holocaust-Leugnung eine strafbare Handlung.

Heutzutage hat der allergrößte Teil der Leute, die Hitler als supernetten Kerl darstellen und den Holocaust leugnet, diese Zeit natürlich überhaupt nicht erlebt. Viele sympathisieren mit der Idee des Nationalsozialismus und/oder verfolgen ähnliche Ziele, was nur durch Antisemitismus und extremen Nationalismus zu erklären ist. Es gibt aber auch andere - der neueste Streich der Aluhutträger und Freunde rechter Parolen ist es, den Nationalsozialismus für "links" zu erklären, weil darin das Wort "Sozialismus" stecke und so das doch relativ paradoxe Wort "Linksfaschismus" zu prägen. Denen kann ich nur sagen:

1. Nein, es ist nicht alles gut, was die Linke macht bzw. gemacht hat und das behauptet auch nicht jeder, der gegen rechts ist

2. Ein hervorstechendes Ziel der Nationalsozialisten war es, die so genannte deutsche "Herrenrasse" zu etablieren und über alle anderen ethnischen Gruppen zu stellen. Parallel dazu sollten alle anderen unterdrückt oder gar ausgerottet werden. Ein hervorstechendes Ziel der Linken ist die soziale Gleichheit ohne Ansehung der Person bezüglich ihrer ethnischen oder geographischen Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihres religiösen Glaubens. Man kann und darf die Linke durchaus kritisieren, aber doch bitte mit Fakten und nicht, indem man einfach Tatsachen verdreht!

3. Und nun zu mir: Nein, ich bin nicht rechts. Das dürfte wohl jedem klar sein. Ich bin nicht rechts, weil ich die Ideologien dieser politischen Richtung nicht vertreten kann und will. Und nein, ich bin auch nicht links, auch wenn meine Ansichten ziemlich links klingen. Ich bin nicht links, weil die Linke unter dem Deckmantel der Toleranz mitunter auch eindeutige Menschenrechtsverletzungen durch andere ethnische Gruppen einfach so unter den Teppich kehrt. Und nein, solange Frauen in Ländern wie dem Iran oder Pakistan bestraft werden, wenn sie sich nicht verhüllen, bin ich nicht bereit, das Kopftuch als "Symbol des Feminismus" zu akzeptieren! Und nein, ich bin auch nicht Mitte - denn die politische Mitte rückt immer mehr nach rechts, und zudem bin ich auch nicht bereit, mich von einer Ideologie, egal in welche Richtung, vereinnahmen zu lassen. Ich will meine Meinung nicht abhängig machen von irgendwelchen Parteien oder Ideologien, nur um dazugehören zu dürfen - ich will denken und sagen dürfen, was ich will, und solange man das hierzulande noch darf, werde ich das auch tun.

So, ich hoffe, ihr könnt meinen Standpunkt ein Stück weit nachvollziehen. Da ich jetzt technisch wieder besser ausgerüstet bin und auch einige Themen bereitliegen habe, werden wir uns jetzt wohl auch öfter sehen.

vousvoyez