Wie wir wissen, gehen die Meinungen bei Quotenregelungen ja häufig auseinander. Aber es wäre tatsächlich mal eine Überlegung wert, das Feindbild ein wenig von den alten weißen Männern abrücken zu lassen - allein deswegen, damit diejenigen, die sich so gerne in der Opferrolle suhlen, dazu weniger Möglichkeiten haben. Ihr seht es, ich spalte schon wieder die Gesellschaft - auch wenn ich nur die Betreiberin eines kleinen, unbedeutenden Blogs bin, der in den unendlichen Weiten des Internets eine höchst untergeordnete Rolle spielt. Aber augenscheinlich sind all diejenigen, die auf gewisse Problematiken aufmerksam machen, und dazu gehöre ich auch, schuld daran, dass die Gesellschaft sich spaltet - zumindest, wenn es nach denjenigen geht, die Rechtsextremen hinterherlaufen, auf Telegram ihre Gewaltphantasien ausleben und es für "Diktatur" halten, nicht allen anderen ihren Willen aufzwingen zu können. Und das, obwohl wir Geimpften ja eigentlich schon seit September 2021 über den Jordan gegangen sein sollten.
Obwohl es ja jetzt wieder heißt, dass wir binnen fünf Jahren alle tot sein werden. Eine Behauptung, die mich, ehrlich gesagt, ziemlich ratlos zurücklässt - denn warum bringt die böse Elite ausgerechnet die braven, gehorsamen, obrigkeitshörigen Schlafschafe um und lässt die erwachten, selber denkenden, kritischen Rebellen am Leben? Wenn doch abzusehen ist, dass diese mit Sicherheit nicht das tun werden, was die Eliten von ihnen verlangen? Andererseits würde ich, um ehrlich zu sein, eh nicht so gern erleben wollen, dass diese Leute dann übrig bleiben und unsere Welt gestalten sollen. Denn selbst wenn wir "Schlafschafe" es ja angeblich sind, die den Hass auf "Andersdenkende" befeuern, so erkenne ich doch weitaus mehr Hass in einschlägigen Telegram-Gruppen - es war ein Maskenverweigerer und selbst ernannter Freiheitskämpfer, der den jungen Mann an der Tankstelle in Idar-Oberstein erschossen hat, und es war ein Impfverweigerer, der in Königs Wusterhausen sich und seine gesamte Familie ausgelöscht hat, weil er sich der Verantwortung nicht stellen wollte, einen Impfpass gefälscht zu haben. Ehrlich gesagt verstehe ich immer noch nicht, warum so viele das nicht sehen wollen - und ich habe auch schon lange genug von jenen, die allen, die nicht ihre Meinung wiedergeben, Spaltung vorwerfen, dabei aber ihre eigene soziale Verantwortung nicht wahrnehmen wollen; die jenen hinterherlaufen, deren Interesse die Destabilisierung der Demokratie ist, ohne dies erkennen zu wollen; die glauben, man müsse jeden Blödsinn akzeptieren und mit denen man nicht mehr normal reden kann; die anscheinend nicht wissen, was sie wollen, Hauptsache dagegen, und die sofort ausfällig werden, sobald sie keine Argumente mehr haben. Letztendlich sind es doch diejenigen, die sich freiwillig aus dem gesellschaftlichen Konsens zurückgezogen haben, die am lautesten "Spaltung" schreien.
In meinen letzten beiden Artikeln habe ich mich mit rechter Esoterik beschäftigt - mit ihren Ursprüngen sowie mit esoterischen Strömungen während der Zeit des Nationalsozialismus. Ich habe das auch gemacht, um zu zeigen, warum es so wichtig ist, antidemokratischen Ideologien keinen Raum zu lassen: Weil sie jede Gelegenheit nutzen, um anschlussfähig zu werden und sich ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft zu bahnen. Deswegen möchte ich auch an diesem Thema anknüpfen und zeigen, auf welche Weise Rechtsesoterik bis heute in unserer Kultur verankert ist.
Wie ich ja schon erläutert habe, wurden esoterische Tendenzen in den Jahren vor der Pandemie von vielen nicht mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht. Das liegt vor allem daran, dass vieles, was wir heutzutage unter Esoterik verstehen, lange Zeit mit Hippies und New Age in Verbindung gebracht haben. Dies in Kombination mit den ganzen Blumerln und Engerln gab dem Ganzen so ein nettes, verspieltes, kuscheliges Image, machte es jedoch gleichzeitig auch perfide - und damit gefährlich. Und ich wiederhole es noch einmal: Nicht jeder, der an Glücksbringer oder Pendel glaubt, ist deswegen gleich ein Nazi, und darum soll es auch nicht gehen - ich möchte nur aufzeigen, wie leicht es sein kann, die Grenzen zu einem Weltbild zu überschreiten, das jenem aus dem dunkelsten Kapitel der Geschichte gar nicht mehr so unähnlich ist. So sollte man beispielsweise hellhörig werden, sobald jemand anfängt, von "Lichtwesen" zu schwafeln - denn natürlich wird heutzutage kaum noch jemand von "Rassen" fabulieren, aber dieses Denkschema ist da leider sehr ähnlich, weshalb es an alte Ideologien anschlussfähig ist.
Warum viele Hippies sich damals Alternativreligionen wie der Esoterik zuwandten, ist leicht zu beantworten: Da sie alte Werte in Frage stellten, galt das natürlich auch für die eigene religiöse Erziehung, und da es eben nicht jeder schafft, sich von jeglichem Glauben loszusagen, suchten viele von ihnen ihr Heil in alternativen Glaubensrichtungen. Vor allem fernöstliche Religionen und Philosophien waren für viele von ihnen äußerst attraktiv - was selbsternannte Gurus ausnutzten, um sich in Europa eine goldene Nase zu verdienen. Zu nennen wären hierbei etwa die Spirituelle Erneuerungsbewegung (Transzendentale Meditation) des Maharishi Mahesh Yogi, die vor allem viele prominente Anhänger hatte - junge Berühmtheiten aus Film und Popmusik wie etwa die Beatles, die Beach Boys, Donovan, Clint Eastwood und Mia Farrow strömten zu seinen Meditationskursen nach Indien -, oder auch die Neo-Sannyas-Bewegung eines Bhagwan Shree Rajneesh, welche in den 1980er Jahren jedoch in Ungnade fiel, nachdem einige ihrer Anhänger in Indien wegen diverser Drogen- und Prostitutionsdelikte im Gefängnis landeten, während in den USA einige aus der Kommunenleitung ebenfalls in die Kriminalität abglitten. Außerdem gab es auch Vorwürfe von jenen, die im Umfeld der Neo-Sannyas-Bewegung aufgewachsen waren - es war die Rede von Ausbeutung, der Verabreichung von Psychopharmaka, Gewalt und sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. Laut einiger Quellen passten auch einige Aussagen von Bhagwan selbst nicht zu dem friedlichen Happy-Hippie-Image - so soll er genetische Verbesserungen des Menschen, die Tötung von Kindern mit Behinderung und den Ausschluss Homosexueller aus der Gesellschaft befürwortet sowie den Juden eine indirekte Mitschuld am Aufstieg Adolf Hitlers gegeben haben. Ganz allgemein haben bestimmte Kommunen, die im Zuge der Hippie-Zeit gegründet wurden, die Unschuld der Blumenkinder besonders nachhaltig zerstört. Dazu gehört beispielsweise auch die AA-Kommune, die zuerst in der Wiener Praterstraße und dann im südlichen Burgenland residierte und deren Gründer, der Aktionskünstler Otto Muehl, 1991 wegen Kindesmissbrauchs und Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt wurde. Noch prominenter ist natürlich die Manson-Familie, die sich Ende der 1960er Jahre um den Möchtegern-Musiker Charles Manson gründete. Dieser scharte im Sommer 1967 eine Gruppe junger Leute um sich, meist Ausreißer mit labiler Persönlichkeit, zum größten Teil Frauen mit oft problematischem familiärem Hintergrund. Diese wurden manipuliert und mit Drogen gefügig gemacht, mit den Morden an der hochschwangeren Schauspielerin Sharon Tate und dem Ehepaar LaBianca machten sie weltweit Schlagzeilen, einige von ihnen sitzen bis heute in Haft, und Manson selbst hatte bis zu seinem Tod immer noch Anhänger. Aber auch ganz allgemein währte der Traum von immerwährendem Frieden und Liebe nicht lang, und das zeigte sich vor allem in der Hippie-Hochburg, Haight-Ashbury in San Francisco, schon sehr früh - schon bald waren dort nicht nur Marihuana und LSD im Umlauf, sondern auch härtere, gefährlichere Drogen, auch die Vermüllung und Verwahrlosung wurden zunehmend zum Problem, und bald griffen Raub und Vergewaltigung um sich. Und obwohl die meisten Geschichtsbücher das Rolling-Stones-Konzert auf dem Altamont Speedway im Dezember 1969, als ein junger Afro-Amerikaner direkt vor der Bühne von Sicherheitskräften erstochen wurde, als das Ende der unschuldigen Hippie-Seligkeit markieren, wurde die Hippie-Kultur bereits zwei Jahre zuvor symbolisch zu Grabe getragen, während die Jugendkultur zunehmend politischer und umstürzlerischer wurde. Trotz alledem hat sich durch Hippies und New Age bei vielen ein falsches Bild von Esoterik etabliert - nämlich das einer versponnen, entrückten, aber harmlosen Weltanschauung. Noch einmal: Das bedeutet nicht, dass alle, die an Esoterik glauben, Nazis sind, aber man sollte doch genau hinsehen, wo Leute sich von den Naturgesetzen und einer evidenzbasierten Sicht auf die Welt entfernen.
Ein prominentes Beispiel ist momentan das Anti-Impf-Thema, welches zur Zeit aus naheliegenden Gründen sehr im Vordergrund steht, das jedoch praktisch schon existiert, seit es Impfungen gibt. Bereits im 19. Jahrhundert, als die ersten Impfungen - gegen Pocken - verabreicht wurden, gab es Leute, die diese ablehnten - häufig aus ähnlichen Gründen wie heute: weil die Erwartungen an die Wirkung zu hoch geschraubt wurden; weil die Angst vor den Nebenwirkungen größer war als die Angst vor den Krankheiten, gegen die geimpft wurde; weil es den religiösen Überzeugungen widersprach; weil "Zwangsimpfen" die Persönlichkeitsrechte einschränken würde ... kommt euch das nicht bekannt vor? Und wie heute, so waren des auch damals hauptsächlich medizinische Laien, die gegen Impfungen wetterten, und ebenso wurde der kausale Zusammenhang mit dem Rückgang der Pockenfälle bestritten, obwohl dieser nach der Einführung der Impfung einsetzte. Die erste gesetzliche Impfpflicht 1874 rief gleichzeitig auch die erste Impfgegnerschaft auf den Plan - die damals stärkste Vereinigung war die sogenannte "Lebensreformbewegung", die eine Rückkehr zur Natur propagierte und Impfungen als Vergiftung des gesunden Körpers betrachtete. Gleichzeitig war auch dieses Thema schon früh antisemitisch aufgeladen, und die Panikmache der Impfung glich ebenso der heutigen - sie war emotional gefärbt, größtenteils irrational und wissenschaftsfeindlich. Im Dritten Reich war die Einstellung zu Impfungen sehr ambivalent: Einerseits wurden sie als Dienst an der "Volksgemeinschaft" propagiert und im Konzentrationslager Buchenwald mit einem Fleckfieberimpfstoff experimentiert, andererseits gab es unter nationalsozialistischen Führungspersönlichkeiten auch Anhänger der Germanischen Medizin, die erklärte Impfgegner waren, so wie Himmler und Heß, die wir ja in meinem vorigen Artikel schon kennengelernt haben. Im Rahmen dessen fiel damals auch häufig der Kampfbegriff "Schulmedizin", der im 19. Jahrhundert von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, geprägt wurde, der damit abfällig Ärzte bezeichnete, die seinen Hypothesen nicht folgen wollten. Medizinische Fortschritte standen nicht im Einklang mit der Blut-und-Boden-Ideologie der Germanischen Medizin - Heilkunde sollte dem "Volkskörper" dienen, aber Viren und Bakterien, genauso wie die Heilmittel dagegen, kennen weder Nation noch "Rasse". Kein Wunder, dass so viele Nationalsozialisten ein Faible für "Alternativmedizin" hatten - sie wollten der "verjudeten" bzw. "marxistischen" Wissenschaft eine "arische" entgegensetzen, welche auf dem "unverbildeten deutschen Volksgeist" beruhen sollte.
Heute kommt der Begriff "Schulmedizin" ohne das Adjektiv "verjudet" aus - dennoch wird er meist abwertend verwendet, und bis heute trägt die sogenannte "Alternativmedizin" häufig antisemitische Züge, auch wenn ihre eher grün angehauchten, veganen Anhänger solche Unterstellungen natürlich gar nicht gern hören. Dennoch haben ihre eugenische Züge, die man bei den meisten ihrer Ausrichtugen erkennt, unbequem viel mit der damaligen Ideologie gemeinsam: Krankheiten unterstützen Kinder bei der Entwicklung, die Schwachen werden durch die Natur aussortiert - Vulgärdarwinismus in seiner Reinform. Eine Gruppierung, die verhältnismäßig offen antisemitisch argumentiert, sind die Anhänger der Germanischen Neuen Medizin bzw. Germanischen Heilkunde nach Ryke Geerd Hamer, der tatsächlich für insgesamt mehr als 140 unnötige Todesfälle verantwortlich war. Schlagzeilen machte hierzulande der Fall der damals sechsjährigen Olivia Pilhar, die an Nierenkrebs erkrankte und deren Eltern Anhänger Hamers waren. Sie verweigerten eine konventionelle Krebstherapie, woraufhin ihnen das Sorgerecht entzogen wurde, und flohen mit ihrer Tochter nach Spanien; mehrere Wochen später kehrten sie auf Druck der Behörden hin nach Österreich zurück, Olivia wurde mit einer Operation und Chemotherapie behandelt und auch geheilt. Natürlich freut es mich, dass die Kleine erwachsen werden durfte und es ihr anscheinend auch gut geht - was ich allerdings gar nicht verstehen kann, ist, warum ihr Vater immer noch an Hamers Ideologie festhält und sie im Netz propagiert. Tatsächlich behauptet er, dass seine Tochter bereits vor der Operation schon fast geheilt gewesen sei und ist darüber hinaus auch noch Anhänger des "Staatenbundes", sozusagen dem österreichischen Pendant der Reichsbürger. Hamer starb im Jahre 2017 - seine Anhänger behaupten bis heute, Impfungen und Chemotherapien seien ein von Juden initiierter "Holocaust am deutschen Volk" und alle Onkologen seien Juden.
Schon in den Jahren vor Corona war die Impfgegnerschaft wieder im Aufschwung - doch obwohl die Argumentation der aus dem 19. Jahrhundert frappierend ähnlich ist, gibt es doch einen Unterschied: Damals war die Impfung eine neue Entwicklung - heute allerdings sind die meisten schweren Infektionskrankheiten durch den Erfolg der Impfungen nicht mehr so präsent wie noch vor einem halben Jahrhundert. Schon vor 2020 gab es immer mehr übertriebene Panik besonders vor der MMR-Impfung (Mumps, Masern und Röteln), die vor allem Mütter betraf. Erklärte Impfgegner-Mütter sind der Ansicht, es sei nicht nur unnötig, gegen "harmlose Kinderkrankheiten" zu impfen, sondern es sei sogar wichtig für die Entwicklung eines Kindes, diese zu durchleben - immerhin hätte man früher auch nicht geimpft und habe so ein gutes Immunsystem entwickelt, und überdies sei es besser, die Kinder im Dreck spielen zu lassen, um das Immunsystem zu stärken. Was dabei außer Acht gelassen wird, ist allerdings, dass man früher schlicht keine andere Wahl hatte, weil es noch keine Impfungen gab; dass bei jeder zehnten Masern-Erkrankung Komplikationen auftreten; dass Masern das Immunsystem keineswegs stärken, sondern eher schwächen; dass noch Jahre nach der Genesung eine tödliche Gehirnentzündung auftreten kann; und dass unsere Eltern uns zwar im Dreck spielen ließen, uns aber trotzdem beibrachten, auf welche Gefahrenquellen wir achten müssen. Der Grund ist, dass viele dieser Mütter der längst widerlegten Studie von Dr. Andrew Wakefield glauben, der behauptete, die MMR-Impfung löse Autismus aus. Häufig werden auch andere Beschwerden, die damit in keinem Zusammenhang stehen, für Impfschäden erklärt - ich habe sogar schon mitbekommen, dass Eltern versucht haben, Folgen von Kindesmisshandlung als Impfschäden zu verkaufen. Das Problem an der Sache ist, dass es sogar in Gesundheitsberufen, etwa in der Pflege oder Geburtshilfe, Impfskeptiker gibt, die dann gerne die Eltern verunsichern. Und natürlich sind da auch Anhänger von Alternativmedizin, Anthroposophie oder Esoterik an vorderster Front dabei. Auch der "Ungeimpft"-Judenstern war schon vor der Corona-Pandemie in Verwendung, ebenso wie "normale" Impfgegner schon damals Gruppierungen mit faschistischen Tendenzen widerspruchslos in ihren Reihen geduldet haben.
Die Pandemie hat die Impfgegner aktuell noch weiter radikalisiert - auch wenn es aktuell hauptsächlich speziell um die Impfung gegen Covid-19 geht. Hier kommen Wissenschaftsfeindlichkeit, übertriebene Panik vor Impfschäden, Misstrauen gegen Pharmaunternehmen, Medizin und staatliche Einrichtungen zusammen, meistens in Kombination mit Unwissenheit und den irreführenden Medienberichten. Durch ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken hat man oft den Eindruck, dass es sich bei dieser kleinen Minderheit um eine Menge handle, die der großen Zahl an Impfbefürwortern gleichrangig gegenüberstehe - vor allem auch, weil die Anti-Impf-Kampagnen häufig viel aufdringlicher sind als die Aufrufe zum Impfen. Generell erfahren wir durch diese Pandemie aber vor allem zwei Dinge: Dass staatliche Grenzen reine Illusion sind, denn ein Virus interessiert das nicht, und dass wir diese Krise wohl nur schwer in den Griff bekommen können, solange es Länder gibt, in denen ein Großteil der Einwohner nicht geimpft ist und das Virus munter weiter mutieren kann.
All diesen Ideologien gemein ist häufig eine Abkehr vom Fortschritt und der "Zurück-zur-Natur"-Gedanke, auch wenn dieser keineswegs nur auf rechter Seite vertreten ist - in ihrer Anfangszeit war das auch eine Intention der Partei Die Grünen, und selbst Leute wie ich, die versuchen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten möglichst klima- und menschenfreundlich zu konsumieren, betreten da oft ein Minenfeld. So habe ich kürzlich entdeckt, dass der Beruhigungstee, den ich im Reformhaus gekauft habe, einen "entstörten" Barcode hat. Seit geraumer Zeit glauben viele Esoterikgläubige, dass Strichcodes eine ungesunde Strahlung beinhalten, die durch das Einscannen an der Kassa "Gift" freisetzen und den menschlichen Organismus schwächen. Um dem entgegenzuwirken, waren die Codes in Bio-Läden früher häufig durchgestrichen, inzwischen wurden die aufgedruckten Querbalken aber aufgrund von Kritik durch liegende Achten oder Muster in Form eines Yogis ersetzt. Alternativ kann man in Esoterik-Shops jedoch auch spezielle, viel zu teure Filzstifte zum "Entstören" kaufen, oder man legt die eingekauften Sachen auf einen "Hildegard Orgonakkumulator", ein Brett mit eingeprägten Symbolen, das im Wesentlichen nur aus Glas und mehreren Schichten Eisenblech und Filz besteht, dafür aber mehr als tausend Euro kostet. In Wirklichkeit besteht das Muster eines Barcodes aus ganz banaler Tinte, die auf ganz langweiliges Papier gedruckt ist - durch die Hell-Dunkel-Abfolge kann der Scanner, der aus einem ganz normalen Laserstrahl besteht, Informationen über das Produkt herauslesen. Also absolut nichts Spektakuläres - aber erkläre das mal jemanden, der an diesen Unfug glaubt!
Auch Bioresonanz-Geräte waren in Bioläden eine Zeitlang der letzte Schrei - Bioresonanz ist ebenfalls Teil der Alternativmedizin und soll zur Behandlung diverser Krankheiten dienen, auch solcher, die es gar nicht gibt. Ähnlich wie bei der Homöopathie und anderen Schwurbeleien, so ist auch die Wirksamkeit dieser Methode über den Placebo-Effekt hinaus nicht nachgewiesen. Auch die Biodynamik und die Reformbewegung sind in Bio-Läden oft allgegenwärtig, und sogar der Kopp-Verlag, welcher auf Rechtsesoterik und Pseudowissenschaft spezialisiert ist, hat eine eigene Bio-Produktreihe mit Naturkosmetik, Nahrungsergänzungsmitteln und Pseudo-Medizinprodukten. Aber auch hier sollte man differenzieren - nicht alle Bioladen-Besitzer sind Anhänger rechter Esoterik, viele bedienen einfach nur die vorhandene Nachfrage und wissen möglicherweise selbst nicht genau, welche Ideologie hinter dem steckt, was sie anbieten.
Ebenso sind, wie schon gesagt, auch nicht alle Menschen, die irgendwelche Schrullen haben, automatisch Nazis - im Grunde genommen haben wir das ja alle, und wir alle glauben mitunter an Sachen, die nachweislich falsch sind. Allerdings ist der Schritt, an dem es gefährlich wird, schnell gemacht - etwa, wenn ein nett aussehender Hippie auf YouTube dich, ohne dass du es merkst, in den Kaninchenbau der antisemitischen Narrative führt. Häufig sind es Menschen in Lebenskrisen, die auf diese Weise dorthin gelockt werden - etwa Krebskranke oder deren Angehörige, mit deren Ängsten Geschäfte gemacht werden, häufig sogar von promovierten Ärzten. Generell geschieht die Hinwendung zu Esoterik oder Verschwörungsideologien häufig in Zeiten, in denen Menschen den Kontrollverlust fürchten - sei es in persönlichen oder, so wie jetzt, in gesellschaftlichen Krisen. Einerseits kann man so alles auf eine ominöse höhere Macht projizieren, gleichzeitig wertet man sich selbst auf, indem man sich einbildet, über ein spezielles "Geheimwissen" zu verfügen. Zudem ist es, wenn man einmal an einen Verschwörungsmythos glaubt, viel leichter, an den nächsten zu glauben - aktuell verbindet alle die Impfgegnerschaft, weshalb die Distanzierung von Rechtsextremismus überhaupt nicht mehr stattfindet. Der harte Kern glaubt generell sowieso alles, während antisemitische Narrative oft nicht erkennbar sind - statt dessen wird das Gefühl bestätigt, dass "irgendwas nicht stimmt", und so kommt man neben dem Antisemitismus auch schnell zu anderen Dingen, etwa zur Einwanderung als Waffe, ein besonders ekliges Werkzeug, wie ich finde, weil dies sicher einen großen Teil dazu beiträgt, dass ein nicht unerheblicher Teil der westlichen Bevölkerung es mittlerweile ganz in Ordnung findet, Flüchtlinge an den Grenzen zu verprügeln, Kinder im Dreck schlafen und Menschen im Meer ertrinken zu lassen.
Nun müssen wir uns vor Augen halten, dass Anteile an nationalsozialistischem Gedankengut auch nach 1945 immer noch in der deutschsprachigen Gesellschaft verankert waren und sind. Und angesichts dessen, was ich schon erörtert habe, ist es nicht verwunderlich, dass sich diese früher oder später wieder mit der Szene der Alternativmedizin-Befürworter verbunden hat. Interessant ist ja auch, dass Homöopathie in Indien als traditionell-spirituelle Verbindung zu Deutschland verstanden wird sowie als Gegenentwurf zur britischen Kolonialmedizin. Generell ist all diesen Denkstrukturen ein dualistischer Ansatz eigen: Gut gegen böse, künstlich gegen natürlich; die Suche nach Gründen von Dingen, die geschehen, ist allerdings ein menschliches Grundbedürfnis, und auch die Algorithmen auf Facebook und YouTube fördern das Abrutschen in den Verschwörungsglauben. Häufig erkennt man bei jenen, die tendenziell eher an Verschwörungsmythen glauben, einen Mangel an Medienkompetenz, der verhindert, dass Menschen sich mit der Verlässlichkeit ihrer Quellen befassen, außerdem sind diese Vorträge und Demos für viele auch ein Gemeinschaftserlebnis, so dass nicht die Fakten, sondern die Funktion entscheidet. Die Art und Weise, wie Menschen die Welt sehen, hängt oft auch von ihrer Angst vor Kontrollverlust ab - das Gefühl von Fremdbestimmung ab, der Glaube, von fremden Mächten gesteuert zu werden, ist ein Indiz dafür, dass so ein Kontrollverlust mit der Suche nach Verantwortlichen einhergeht. Prinzipiell gehört Kontrolle zu den Grundbedürfnissen des Menschen - das ist auch der Grund, warum es für uns beispielsweise weniger schlimm ist, uns selbst Schmerzen zuzufügen, als wenn ein anderer das tut. Das Perfide bei Schwurbelmedizinern ist, dass sie einerseits schwer erkrankten Menschen einreden, dass sie selbst schuld an ihrer Erkrankung sind, während sie gleichzeitig Menschen, die zufällig eine schwere Erkrankung überlebt haben, als Marketingstrategie benutzen, obwohl sei sie selbst nichts dazu beigetragen haben: Jeder "Erfolg" der Alternativmedizin wird als Beweis gewertet, jeder Misserfolg nennt sich "Erstverschlimmerung". Zu Anhängern von Hamers Lehre gehört etwa auch Ruediger Dahlke, der einerseits behauptet, der antisemitische Teil fehle in seiner eigenen Lehre, andererseits aber auch auf Corona-Demos Reden hält.
Ein besonders perfides Beispiel für Rechtsesoterik ist die Familienlandsitzbewegung bzw. Anastasia-Bewegung. Sie bezieht sich auf eine Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre und propagiert die Aussteiger-Kultur bzw. die Rückkehr zur Natur. Protagonistin dieser furchtbar kitschigen Romane ist eine junge Frau, die auf den Covers nach "arischem" Schönheitsideal auch immer mit langen blonden Haaren dargestellt wird und die allein auf einer Waldlichtung in der sibirischen Taiga lebt. Ihre Darstellung offenbart ein extrem patriarchalisches Bild von Weiblichkeit mit Idealen wie Sanftmütigkeit und Reinheit - die Bücher sind voll von antisemitischen Verweisen und rechten Idealen, die Rede ist von einer jüdischen Weltverschwörung, propagiert wird eine Abkehr von der modernen Welt, insgesamt handelt es sich um eine in esoterischem Kitsch verpackte Blut-und-Boden-Ideologie in Verbindung des Vedisch-Indischen mit dem Russisch-Nordischen ("Wedrussisch"). Die Familienlandsitzbewegung ist derzeit die größte Sekte in Russland, hat sich aber auch schon in den deutschsprachigen Raum ausgebreitet. Ihre Anhänger spielen die Szenerien in dem Buch nach, betreiben Stadtflucht und lassen sich in dünn besiedelten Gebieten nieder. Dort werden die rechtsradikalen Tendenzen meist nich tsofort erkannt, denn die Leute sind meistens jung und wirken wie freundliche Hippies, die auch sehr engagiert sind - sie initiieren soziale Projekte und tun praktisch alles, um ihre wahre Gesinnung zu verbergen. dies bewirkt, dass sie in diesen Gegenden allmählich immer präsenter werden; sie leben autark, sind aber knallharte Antisemiten und Rassisten, die Umsturzphantasien frönen. Dass ihre Ideologie so anschlussfähig ist, macht sie gefährlich, da vor allem Reichsbürger und andere Verschwörungsgläubige sehr anfällig für sie sind.
Auch andere rechtsextreme und rechtsesoterische Bewegungen haben sich in den letzten Jahrzehnten alle Mühe gegeben, anschlussfähig zu werden - und das leider nicht ohne Erfolg. Ich habe ja in meinem letzten Artikel die Schwarze Sonne erwähnt, die gerne anstelle des Hakenkreuzes verwendet und von vielen bis heute nicht als rechtsradikales Symbol erkannt wird. Aber auch andere Erkennungszeichen sind für Außenstehende oft nicht sofort zu entschlüsseln, zumal sie nicht ausschließlich von Rechten verwendet werden. Dazu gehört beispielsweise der Thorshammer oder Mjölnir aus der germanischen Mythologie; der ebenfalls germanische Wotansknoten oder Valknut; das Keltenkreuz, welches auch in der White-Power-Bewegung in den USA verwendet wird; die Triskele, die auch im Ku-Klux-Klan genutzt wird und das Erkennungszeichen der "Afrikaaner Weerstandsbeweging" war, welche für die Apartheid in Südafrika kämpfte; die stilisierte Darstellung es Reichsadlers, wenn auch ohne das in den Fängen gehaltene Hakenkreuz; das Eiserne Kreuz, das schon vor seiner Verwendung im Dritten Reich eine lange Tradition im Preußischen Militär hatte; Hammer und Schwert als Symbol von Soldaten und Arbeitern; einige Runen, deren Bedeutung im rechtsextremen Kontext reine Interpretation ist, wie etwa die Tiwaz-Rune, die Odal-Rune, die Lebens- bzw. Todesrune oder auch die Siegrune, die dem lateinischen S ähnelt. Daneben wurden aber auch neue Symbole etabliert, etwa der griechische Buchstabe Lambda in Gelb auf schwarzem Grund im gelben Kreis, welcher als Erkennungszeichen der Identitären Bewegung dient, oder aber auch das von Heiko Schrang so genannte "Zeichen der Wahrheit", ein Punkt in einem Kreis. Im Zuge der US-Präsidentschaftswahl wurde aber auch die von Matt Furie gezeichnete Comicfigur Pepe der Frosch häufig von der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung als Meme verwendet, obwohl sich der Zeichner klar von deren Ideologie distanziert.
Generell ist Esoterik in unserer Gesellschaft sehr tief verankert und wird oft unterschätzt; in jeder Mädchen- und Frauenzeitschrift findet man Tarotkarten, Pendel und Horoskope, während Jungs sich eher mit Aliens und UFOs befassen. Das wird als "normal" empfunden, wobei seriöse Ufologen sich immer wieder von der rechten Szene distanzieren müssen, die ihren Bereich unterwandern wollen. Häufig wird auf die Verletzlichkeit der Menschen gebaut, neben tödlichen Krankheiten sind das oft Schwangerschaften, wo alles gemacht wird, was nicht unmittelbar zum Schaden gereicht. Es gibt Menschen, denen es leicht fällt, zu glauben und die eher zur Esoterik neigen - viele wollen auch glauben und nicht zweifeln, und natürlich kann Glaube auch eine Ressource sein, die Sicherheit gibt. Manche Leute kommen nicht mit Ungewissheit klar, und wer auf alles eine Antwort haben will, dem wird die Wahrheit nicht genügen. Ersichtlich wird das etwa in der Alternativmedizin, die gespickt ist mit Vorurteilen gegenüber allem, was als "mächtig" wahrgenommen wird, wie etwa die Pharmafirmen. Das bedeutet jedoch nicht, dass gläubige Menschen automatisch der Esoterik zugewandt oder wissenschaftsfeindlich sind. Das Schwierige ist, dass auch hier die Grenzen oft fließend sind - da kann ich, die ich katholisch erzogen wurde, mit Heiligenbildchen, Reliquien und Engelchen, ein Liedchen davon singen.
Abschließend kann man feststellen, dass es mittlerweile mehr ins kollektive Bewusstsein vorgedrungen ist, dass Rechtsextremismus und Esoterik nicht zwangsläufig einen Widerspruch darstellen, sondern dass häufig eher das Gegenteil der Fall ist - etwas, das vor der Pandemie häufig nicht geglaubt wurde. Die aktuelle Tendenz zu Verschwörungsideologien ist eine toxische Kombination aus dem Leidensdruck von Teilen der Bevölkerung sowie Leuten, die diesen ausnutzen, um Macht zu erlangen. Und da rechte Propaganda Geld kostet, wird sie häufig durch den Verkauf von Esoterikprodukten finanziert - wir sehen das beispielsweise bei prominenten Schwurblern wie Attila Hildmann oder Michael Wendler, die ihren Lebensunterhalt inzwischen hauptsächlich mit Prepper- oder Esoterik-Artikeln bestreiten. Die meisten Verschwörungsgläubigen sind auch deswegen so schwer zugänglich, weil es ihnen nicht um Fakten geht, sondern um ihre Identität - viele von ihnen definieren sich bereits über ihren "Aktionismus"; wenn sie diesen also in Frage stellen, müssten sie sich selbst in Frage stellen. Deshalb sollten wir uns auch von den Spaltungs-Vorwürfen nicht irre machen lassen - man muss nicht jedem zuhören, man muss nicht alles verstehen und man muss nicht auf jeden Unsinn eingehen. Ich hoffe, euch hat dieser Exkurs in die Welt der Rechtsesoterik gefallen - wir lesen uns bald wieder, und ich hoffe, dass ihr bis dahin gut auf euch aufpasst. Bon voyage!
vousvoyez