Sonntag, 28. Juli 2019

Wir machen eh fast nix schwarz

Mit diesen Worten hat meine Großmutter der Polizei einst versichert, dass ihre geschäftlichen Transaktionen immer komplett legal ablaufen. Mein Vater hat es jedoch geschafft, zu versichern, dass seine alte Mutter nicht mehr alle Tassen im Schrank hat - mit etwa fünfzig Jahren galt man in den sechziger Jahren eben noch als "alt". Ganz im Gegensatz zu heute, wo man in diesem Alter so aussieht wie damals die Dreißigjährigen.

Viele alte Leute suchen die Gesellschaft ja bei Haustieren, wobei Hunde da zu den beliebtesten gehören. Was mich zu dem Thema bringt, dem ich mich heute widmen will. Vor ein paar Tagen bin ich wieder mal auf einen Artikel gestoßen, der für einen kollektiven Aufreger gesorgt hat - der Artikel einer gewissen Katharina Schwirkus im der Zeitung Neues Deutschland mit dem Titel Lasst uns die Köter abschaffen. Ja, ich gebe zu - schon der Titel ist ziemlich provokant. Und im ersten Moment ist es auch der Artikel selbst - darin geht es darum, dass Hunde und auch Katzen in der Großstadt nichts verloren hätten; zum einen verschmutzen besonders Hunde die Gehwege, zum anderen sind sie schlecht für das Klima: weil sie Fleisch fressen (besonders die Vierbeiner wohlhabender Halter, die natürlich nicht mit Fleischresten abgespeist werden und dementsprechend auch eine höhere Lebenserwartung haben); weil der Hundekot mit klimaschädlichen "Gackerl-Sackerln" aus Plastik entfernt wird, deren Spender in jedem Park zu finden sind; weil der Kot von Hunden und Katzen nur schlecht abbaubar ist; weil Katzen durch ihren natürlichen Jagdtrieb einen Gefahr für Kleintiere darstellen.

Ja, ich weiß - auch ich habe mich im ersten Moment von der allgemeinen Empörung mitreißen lassen und mir direkt einmal gedacht, warum lastet man die Klimaprobleme den Haustieren an, wenn doch der Mensch - was ja auch keiner bestreitet, der noch alle Tassen im Schrank ist - schuld an der ganzen Misere ist? Erschwerend kommt dabei hinzu, dass auf Facebook und WhatsApp nicht der ganze Artikel geteilt wird, sondern ein Sharepic mit einigen Absätzen daraus sowie einem Foto und dem Namen der Autorin, mit der Überschrift "Unglaublich" - Quelle des Sharepics unbekannt. Zudem gehört Neues Deutschland zu 50 % der deutschen Partei "Die Linke" - und da ist natürlich klar, in welche Richtung der Shitstorm dann geht. Wie jeder sich wohl auch denken kann, der meinen Artikel über tierliebe Rechtsgestrickte gelesen hat.

Gerade in den westlichen Industrienationen - namentlich Deutschland, aber auch Österreich - wird Tierliebe großgeschrieben. Man braucht eigentlich nur den Fernseher einzuschalten - Tiere in Hülle und Fülle, wobei natürlich die Hunderln und Katzerln ganz vorn dabei sind. Und wenn man sich das deutschsprachige Internet zu Gemüte führt, sind Fotos und Videos von süßen Katzenbabys in der Rankingliste ganz weit vorn. Ich gebe zu - auch mir schmilzt das Herz beim Anblick niedlicher Tierbabys. Aber man sollte halt auch ein bisschen klaren Kopf bewahren.

Vielleicht mache ich mich jetzt ein wenig unbeliebt, wenn ich das so sage, aber ich finde, wenn der Artikel auch stark überzogen ist - und das sicher mit voller Absicht -, so enthält er vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit. Wartet, nicht weglaufen, lasst es mich erst mal erklären, bevor ihr mich mit Tomaten und Hundekot bewerft!
Ich finde nicht, dass Tierhaltung - speziell in der Großstadt - immer so sinnvoll ist. Und ich finde auch nicht, dass jeder Tierhalter tatsächlich auch ein Tier haben sollte. Und wer nur ein kleines bisschen über den Satz "Tiere sind süß" hinausdenken kann, sollte diese Seite jetzt nicht schießen und denken, "die Wahnsinnige hat sie doch nicht alle beieinander, ich geh lieber Katzenvideos anschauen".

Ich denke nicht, dass jeder automatisch ein Tierfreund ist, nur weil er ein Tier zu Hause hat. Schauen wir uns nur einmal die überfüllten Tierheime an. Wieso sind die denn so voll? Nun ja - ich würde mal behaupten, viele Tiere, die hier landen, tun es deshalb, weil sich jemand ein süßes Hunderl oder Katzerl angeschafft hat, mit dem er dann letztendlich überfordert war. Speziell zu Weihnachten will man seinen Sprösslingen eine Freude machen, und für viele steht ein Haustier ganz oben auf der Wunschliste. Ich gebe zu - für mich war das als Kind genauso. Mir wurde immer gesagt, es wäre nicht möglich, mir ein Haustier zu schenken, weil mein Vater und meine Schwester allergisch auf Tierhaare waren. Klar ist das ein Argument - ich weiß aber inzwischen, dass das nicht der einzige Grund war. Zum einen leben Hunde und Katzen nun mal nicht so lang wie Menschen, und der Verlust des geliebten Vierbeiners ist natürlich schmerzhaft. Zum anderen aber - und das ist ja ein entscheidender Punkt - bringt so ein Tier natürlich nicht nur Spaß und Freude, sondern auch Arbeit und Verantwortung. Und das ist halt gerade bei kleineren Kindern so ein Ding - man wünscht sich ein Tier, weil es süß ist und weil andere Kinder im Fernsehen mit ihren Tieren immer so tolle Abenteuer erleben. Dann aber stellt man fest, dass man mit einem Hund bei jedem Wetter aus dem Haus gehen muss, dass man regelmäßig das Katzenklo reinigen muss, dass süße Tierbabys nicht immer klein bleiben, dass man als Tierhalter nicht ganz so sorglos in den Urlaub fahren kann. Und irgendwann verliert man das Interesse - und wenn man dann keine Eltern hat, die einem ins Gewissen reden oder die Pflege des Tieres selbst übernehmen, landen diese im Tierheim, werden an Straßenrändern ausgesetzt, im schlimmsten Fall landen sie im Müll oder werden getötet. Das ist ein Problem, von dem bestimmt jeder schon gehört hat. Ich habe in Amerika eine Familie erlebt, die sich einen Cockerspaniel-Welpen geholt hat - als sich dann herausstellte, dass dieser sich mit dem anderen Hund, der schon dort lebte, nicht vertrug, wurde er einfach in den Wintergarten gesperrt und dort sich selbst überlassen.

Darüber hinaus geht auch die Anschaffung des Tieres nicht immer ganz korrekt vonstatten - ich spreche jetzt nicht nur von Jungtieren aus Osteuropa, die natürlich auch erwähnt werden müssen, oder illegal eingeführten Exoten. Jeder, der sich ernsthaft mit dem Tierschutz auseinandersetzt, spricht sich ganz klar gegen die Zucht von Rassehunden und -katzen aus. Ich habe bei der Debatte um Rassismus ernsthaft schon das Argument gehört, die "Mischung" verschiedener menschlicher Ethnien sei deshalb unzulässig, weil Tierzüchter ja auch darauf achten, dass ihre Tiere reinrassig bleiben.
Ernsthaft? Das soll ein Argument dafür sein, alle Grenzen bis auf den letzten Spalt dichtzumachen und ausländisch aussehende Personen möglichst rauszuschmeißen? So, und was, denkt man jetzt, hat es zu bedeuten, wenn Hunde nicht mehr richtig atmen können, weil man ihnen die Nasen so flach gezüchtet hat; wenn Perserkatzen taub werden, weil man sie unbedingt weiß und blauäugig haben will; wenn gerade reinrassige Tiere anfälliger für Krankheiten sind als Mischlinge? Ist das tatsächlich ein Indiz dafür, dass die Reinerhaltung der Rasse ach so "natürlich", "gottgewollt" oder "normal" ist? Echt jetzt?

Es gibt leider immer noch zu viele Leute, die sich ein Tier anschaffen, weil sie es süß oder auch cool finden, oder weil es gerade Mode ist. Ich habe schon viele gesehen, die sich so genannte "Listenhunde", im Volksmund auch Kampfhunde genannt, angeschafft haben, weil sie ganz offensichtlich ein gewisses Image verkörpern wollen - aber nicht, weil sie im Umgang mit diesen Tieren so besonders erfahren wären. Und das ist das eigentliche Problem - nicht der Kampfhund an sich. Ebenso, wie es bei Tieren geschieht, die man aus einer Mode heraus zu sich geholt hat.

Wer kennt es nicht - wenn eine gewisse Tierart gerade in einem beliebten Film oder einer Fernsehserie zu sehen ist, wollen viele gleich einmal so ein Tier haben. Und informieren sich gar nicht, ob dieses Tier überhaupt für sie geeignet ist. Aktuell ist ja die Serie Game of Thrones sehr beliebt. Ich gebe zu, ich kenne mich in der Serie überhaupt nicht aus; ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass mich Fernsehserien momentan überhaupt nicht interessieren. Diese Meinung teilen aber nicht allzu viele.
In dieser Serie spielen die Schattenwölfe eine ganz wichtige Rolle - eine amerikanische Wolfsart, die offenbar seit etwa 300.000 Jahren ausgestorben ist. In der Serie werden sie von Hunden dargestellt, die Wölfen sehr ähnlich sehen, sowie einem Polarwolf. Auf dem Bildschirm werden sie digital bearbeitet, um den Tieren aus der Buchvorlage zu ähneln, und als loyale Begleiter und Beschützer der menschlichen Darsteller gezeigt. Natürlich hegen viele Fans der Serie den Wunsch, selbst so einen Schattenwolf zu besitzen - und holen sich Sibirische Huskys nach Hause, die diesen sehr ähnlich sehen. Doch Huskys sind in ihrer Haltung sehr anspruchsvoll, da sie sehr viel Auslauf und geistige Beschäftigung brauchen. In der Folge verhalten sich die Tiere natürlich nicht so wie vom Halter erwünscht, dieser ist überfordert und hat nur den einen Wunsch, den Hund möglichst schnell wieder loszuwerden.

Und das ist nur eines von vielen Beispielen. Besonders in britischen Werbespots tauchen oft Hunde mit extrem kurzen Schnauzen wie etwa der Mops oder die Französische Bulldogge auf - die sehr oft an chronischen Atemwegserkrankungen oder auch Augen- und Hautproblemen leiden. Jemand, der schon einmal zugehört hat, wie so ein Mops atmet, kann doch nicht ernsthaft glauben, das sei ganz normal und natürlich. Ich erinnere mich auch noch daran, als die Fernsehserie Kommissar Rex populär wurde - plötzlich wollte jeder einen deutschen Schäferhund haben, eine Rasse, die zuvor nicht allzu viel Beachtung fand, wenn man mal davon absieht, dass sie für viele Deutsche der Gegenstand des Nationalstolzes sind.

Modische Impulskäufe betreffen aber nicht nur Hunde - ich erinnere mich an die Zeit, als die Buchreihe Harry Potter populär wurde und wenig später auch noch die Verfilmungen. Eines der wichtigsten Tiere in diesen Büchern ist natürlich die Eule, die von Zauberern zur Postbeförderung verwendet wird und sich in den Geschichten klarerweise auch nicht so verhält, wie Eulen es normalerweise tun. Die Folge der Popularität dieser Bücher und Filme war natürlich, dass viele Fans sich Eulen als Haustiere wünschten - was keine gute Idee ist, da Eulen alles andere als geeignete Haustiere sind. Und welcher Mensch, der noch alle beieinander hat, kann schon ernsthaft glauben, dass eine Eule sich in einem Käfig in einer Stadtwohnung wohlfühlen könnte?

Natürlich gibt es in der Tierhaltung auch viele positive Beispiele. Auch ich kenne viele, sehr viele Tierhalter, die ihre Tiere gut behandeln, für die ein Haustier nicht nur ein hübsches Accessoire ist und die sich auch aktiv für die verantwortungsvolle Tierhaltung einsetzen. Von diesen Leuten ist in dem Artikel nicht die Rede. Natürlich ist schon allein der Begriff "Köter" eine Provokation - man muss aber dazu sagen, dass es sich bei besagtem Artikel klar gekennzeichnet um einen Kommentar handelt, also lediglich um die Meinung der Autorin. Und ich denke, dass sie bewusst provozieren wollte - damit so mancher sein Verhältnis zu Haustieren noch einmal überdenkt.

vousvoyez

https://www.mimikama.at/allgemein/faktencheck-koeter/

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1123036.haustiere-das-klima-geht-nicht-vor-die-hunde.html

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2019/05/schattenwolf-flut-im-tierheim-viele-got-fans-mit-huskys-ueberfordert