Samstag, 28. März 2020

Habt's ihr Spar-Lampen? - Na, wir san a BILLA!

Normalerweise sind meine Weisheiten ja immer nur einen Satz lang. Diese hier ist eine Ausnahme und beschreibt eine Situation, die so etwa vor zwanzig Jahren passiert ist. Ich war Teenager und nahm Nachhilfestunden in Mathematik - das war immer mein schwächstes Fach, weshalb ich auch nicht sofort ins Gymnasium gekommen bin, sondern erst ein Jahr lang die Hauptschule besucht habe. Eigentlich hätte ich im Gymnasium die erste Klasse wiederholen sollen - ich bin dann aber doch gleich in die zweite gekommen. Jedenfalls war meine Nachhilfelehrerin die beliebteste in der Stadt - und das nicht zu Unrecht, denn erstens hatte sie auch außerhalb mathematischer Nöte immer ein offenes Ohr für Menschen, die gerade die Irrungen und Wirrungen der Pubertät durchliefen, zweitens konnte sie Mathematik so erklären, dass man es auch verstand, im Gegensatz zu manchen Lehrern in der Schule. Vor allem aber konnte man auch bei ihr lernen, wenn man keine Stunde ausgemacht hatte. Wir dankten es ihr, indem wir für sie einkauften; ich glaube, manche kochten sogar für sie. Jedenfalls bat sie mich einmal, für sie zum Supermarkt in ihrer Straße zu gehen, der der Kette BILLA angehörte - unter anderem sollte ich Energiesparlampen besorgen, die damals noch neu waren und parallel zu den alten Glühbirnen mit Glühfaden verkauft wurden. Als ich diese dann nicht fand, fragte ich eine Mitarbeiterin, ob es Spar-Lampen gäbe - sie erklärte mir von oben herab, dass hier ein BILLA sei. Sie assoziierte mit "Spar-Lampen" nicht die neuen Glühbirnen, sondern Lampen, die wohl bei der anderen Supermarktkette SPAR erhältlich waren. Im übrigen hat der österreichische SPAR nichts mit den SPAR-Märkten in anderen Ländern zu tun - auch wenn das Logo gleich ist. Ich weiß noch, dass ich ganz irritiert war, als ich in England tatsächlich einen SPAR entdeckte.

Mitarbeiter von BILLA, SPAR und Co. sind ja dieser Tage die Helden und Innen der Nation - da sie zu den wenigen gehören, die immer noch arbeiten, während die meisten anderen zu Hause bleiben müssen. So wie ich zum Beispiel. Eigentlich wollte ich zu dem Thema, das uns alle beschäftigt, auch noch was schreiben, aber ich habe so das Gefühl, dass es uns momentan allen ein bisschen reicht. Mir jedenfalls schon. Und da wir ohnehin schon von allen Seiten damit zugetextet werden, denke ich, besinnen wir uns lieber auf die Dinge, die uns Freude machen und derer wir momentan in aller Ausgiebigkeit frönen können. Zum Beispiel - genau, Filme schauen!

Mein Medium sind ja generell zuallererst die Bücher - aber wer mich kennt, weiß, dass ich auch einen guten Film nicht verschmähe. Und wer diesen Blog schon länger verfolgt, dem müsste inzwischen auch klar sein, dass der Film sozusagen meine zweite Passion ist. Und ja - auch ich gehöre zu denen, die Filmadaptionen von Büchern in der Regel eher unbefriedigend finden. In meinem allerersten Blog-Eintrag hab ich schon mal erwähnt, dass das daran liegt, dass diese an ein anderes Medium angepasst sind und auch, dass sie die Interpretation der Filmemacher sind, die mit den Vorstellungen des Rezipienten eher selten übereinstimmt. Und doch gibt es auch gute Adaptionen von Büchern, ganz selten gibt es sogar welche, die die Literaturvorlage sogar übertreffen. Klar - auch ich habe Verfilmungen von Büchern, die mich begeistert haben, gesehen, die mich bitter enttäuscht haben. Als Beispiel sei hier etwa Das Geisterhaus von Isabel Allende zu nennen oder Garp und wie er die Welt sah von John Irving. Ich habe beide Romane geliebt und liebe sie immer noch - die Filme finde ich leider schrecklich, obwohl ich sowohl das schauspielerische Talent von Meryl Streep als auch das von Robin Williams eigentlich sehr zu schätzen weiß. Aber ich muss zugeben, dass es ein paar Rollen gab, wo mich Robin Williams nicht ganz so begeistert hat - ich kann zum Beispiel mit diesem übertrieben witzigen Humor von Filmen wie Flubber überhaupt nichts anfangen. Aber das liegt wohl eher an den Filmen als am Schauspieler - Williams ist ein Teil meiner Kindheit und Jugend, und dämlichen Filmen wie Flubber stehen zahlreiche großartige wie Good Morning VietnamGood Will Hunting oder Der Club der toten Dichter gegenüber. Neben den Filmadaptionen, die mich enttäuscht haben, gibt es andererseits aber auch welche, die der Buchvorlage durchaus gerecht werden - beispielsweise die Verfilmung von Max Frischs Roman Homo Faber, die beweist, dass man eine Geschichte auch auf unterschiedliche Art erzählen kann, ohne dass sie an Qualität verliert. Und ich finde, dass auch die Harry-Potter-Romane verhältnismäßig gut verfilmt wurden, auch wenn es gerade bei Fantasy-Geschichten schwierig ist, die Qualität zu halten. Als Beispiel fällt mir da Die Unendliche Geschichte ein, deren Problem auch darin besteht, dass die Handlung des Buches zeitversetzt und mit verschiedenen Schauspielern umgesetzt wurde - während der dritte Teil schon gar nichts mehr mit Michael Endes Roman zu tun hat. Bestes Beispiel für einen Film, der tatsächlich besser ist als die Buchvorlage, ist A Clockwork Orange, Stanley Kubricks geniale Adaption des ebenfalls großartigen Romans von Anthony Burgess, die durch das Weglassen des letzten Kapitels eine neue Dimension gewinnt. Aber Regisseure wie Kubrick, die so etwas wirklich können - und tatsächlich schafft er das mit jedem Film -, sind nun mal selten.

Bestimmte Romane, aber auch Sagen, Legenden oder historische Ereignisse wurden in der langen Tradition des Films ja auch durchaus öfter verfilmt - weshalb spätere Adaptionen gern als "Remakes" bezeichnet werden, auch wenn sie es eigentlich nicht sind, wenn man davon ausgeht, dass Remakes sich an einem oder mehreren Vorgängerfilmen orientieren. Wir leben ja in einer Zeit, in der besonders in den USA ein Remake nach dem anderen rausgehauen wird - was mich, offen gestanden, schon langsam ein bisschen nervt. Aber Remakes haben halt rein finanziell einige Vorteile - ihre Vorbilder sind bereits etabliert, so dass das Risiko kleiner ist, auf Altbewährtes zurückzugreifen, als etwas Neues auszuprobieren, und da bereits eine Vorlage existiert, spart man bei der Ausarbeitung eines Remakes mehr Geld, als wenn man etwas Neues beginnt. Abgesehen davon neigt sich die Zeit der großen Erfolgsregisseure New Hollywoods, deren Namen allein schon einen Kassenschlager versprechen, unmissverständlich dem Ende zu. Ich muss gestehen, mich hat im letzten Jahrzehnt kaum ein Hollywoodfilm ins Kino gelockt - außer er kam von Quentin Tarantino oder vielleicht noch Woody Allen. Und dabei war ich in jungen Jahren eine begeisterte Kinogängerin. In meiner Kindheit musste man einen Disney-Film, sobald er ins Kino kam, unbedingt gesehen haben - sowohl die neuen, die damals gedreht wurden, als auch die alten, die in den Neunzigern in restaurierter Fassung neu veröffentlicht wurden. Als wir älter wurden, war es dann extrem wichtig, Filme anzusehen, die noch nicht für unser Alter geeignet waren - wer mit zehn von sich behaupten konnte, einen Film ab 16 oder gar ab 18 schon gesehen zu haben, der war der Boss. Und dabei wurden auch die alten Edgar-Wallace-Filme, die man sich heutzutage eher zur Belustigung reinzieht, einst als nicht jugendfrei eingestuft. Heute gehöre ich auch außerhalb der Quarantäne nicht zu denjenigen, die wegen jeder Neuverfilmung alter Disney-Klassiker ins Kino rennen - wobei wir hier wieder bei den Remakes wären, von denen ich eigentlich genug habe. Um es richtigzustellen - ich habe kein Problem damit, wenn andere Leute ihre Freude mit diesen Filmen haben. Und ich weiß, dass ich nicht gezwungen bin, sie zu sehen. Man kommt halt trotzdem nicht an der Diskussion vorbei - und ja, ich nehme mir das Recht heraus, meine Meinung nicht für mich zu behalten, wie mir vor allem auf Social Media oft nicht geraten, sondern geradezu befohlen wird. Genau wie es anderen zusteht, sie nicht zu teilen. Und warum rechtfertige ich mich eigentlich? Egal - ich lass es jetzt trotzdem stehen. Stellt euch einfach vor, wie ich unschuldig pfeifend zur Seite schaue.

Ich muss hier trotzdem mal eines klar stellen - ich finde Remakes keineswegs immer schlecht oder sinnlos. Ganz abgesehen davon, dass Remakes keine ganz neue Erfindung sind, die erst in den letzten Jahren aufgekommen ist - sie sind schon lange ein fester Bestandteil der Filmgeschichte. Sehr wenige wissen zum Beispiel, dass der Kassenschlager Ben Hur mit Charlton Heston aus dem Jahr 1959, der im Jahr 2016 neu verfilmt worden ist, bereits ein Remake war - denn der Stoff schaffte es schon im Jahr 1925 als Stummfilm auf die Leinwand, und das auch als Remake, denn eine weitere Verfilmung der Ben-Hur-Geschichte entstand bereits im Jahr 1907. Trotzdem haben Remakes besonders in den letzten Jahren keinen besonders guten Ruf, und das liegt nicht nur daran, dass diese momentan etwas zu oft entstehen - es hat vor allem auch damit zu tun, dass besonders Neuverfilmungen altbekannter Klassiker, die in ihrer "Urform" bestens funktionieren, häufig auf ganzer Linie versagen, sowohl qualitativ als auch quantitativ: Man erinnere sich an Alfred Hitchcocks zu Recht unvergessenen Film Psycho, der 1998 neu verfilmt wurde, und das auch noch in Farbe. Dass dieser weitgehend in Vergessenheit geriet, zeigt, dass Remakes häufig eben kein Garant für den Erfolg sind - auf ein paar Kinohits kommt eine hohe Zahl an Neuverfilmungen, die sang- und klanglos untergehen. Das Problem sehe ich allerdings nicht ausschließlich in der mangelnden Qualität - es ist auch oftmals der Eindruck, dass man das schon gesehen hat. Warum soll ich mir etwas ansehen, was ich ohnehin schon kenne und das in der älteren Fassung bereits funktioniert hat? Dann gibt es wieder Filme, die ein Kind der jeweiligen Zeit sind, in der sie entstanden - beispielsweise Conan, der Barbar von 1982 oder Total Recall von 1990. Solche Filme sind halt einfach nicht das, was in der heutigen Zeit funktioniert - und ich fürchte, dass dasselbe Problem bei einer eventuellen Neuverfilmung von Rambo auftreten wird. Ich habe ja schon einmal von den großen Action-Helden der achtziger und neunziger Jahre erzählt - diese Art von Helden sind heutzutage einfach aus der Mode. Ähnlich verhält es sich auch mit den Filmmonstern vergangener Tage wie King Kong oder Godzilla - trotz der hypermodernen CGI-Technik machen sie heute auf der Leinwand nicht denselben Eindruck wie während der Zwischenkriegszeit, als der Film als Massenmedium noch verhältnismäßig neu war und man so begeistert von den Möglichkeiten des Bewegtbilds war, dass auch Kostüme und Techniken, die heute vergleichsweise lächerlich wirken, die Leute scharenweise ins Kino lockten. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier - aber halt auch nur dann, wenn die alten Filme nicht eins zu eins nachgedreht werden. Und es gibt natürlich die amerikanischen Remakes europäischer Filme, die hauptsächlich deshalb entstehen, weil ausländische Filme in den USA nicht synchronisiert werden und nicht jeder Lust auf Untertitel hat. Was mich an amerikanischen Remakes französischer Filme bisweilen ärgert, ist, dass häufig nur noch diese im Fernsehen gezeigt werden und nicht das Original, das ich viel lieber gesehen hätte - wie es beispielsweise bei Mein Vater, der Held von 1991 der Fall ist.

 Demgegenüber gibt es allerdings auch Remakes, die, wie gesagt, durchaus ihre Berechtigung haben. Dazu zählen beispielsweise Horrorfilme, von denen manche mit dem Älterwerden ihren Gruselfaktor verlieren. Wobei man auch hier den Nutzen ab und zu abwägen muss - das Problem bei der CGI-Technik ist, dass diese immer besser wird und daher nicht so gut altert. Den Unterschied habe ich gemerkt, als ich mir letztens Das fünfte Element angesehen habe, der zwar nicht Horror, sondern Science-Fiction ist, aber auch ein Paradebeispiel für einen gut gealterten Film, auch wenn manche Merkmale typisch für die Zeit sind, in der er entstand - gut gealtert aber vor allem deshalb, weil man auf phantasievolle Kostüme setzte und nicht auf ausufernde Computertechnik. Und gewiss auch, weil die Tatsache, dass die Kostüme von Jean-Paul Gaultier entworfen wurden, eine Besonderheit ist. Prinzipiell können Remakes aber eine Möglichkeit sein, bestimmte Inhalte auch einem jüngeren Publikum näher zu bringen.

Das Problem des fehlenden Verständnisses bei jüngerem Kinopublikum erkenne ich gerade in einem Alter, in dem man sich eher nicht mehr zur Jugend zählt, immer mehr. Trotz der Begeisterung für Vintage, die aktuell vorherrscht, ist es halt zeitweise schwierig, jungen Menschen bestimmte Filme näher zu bringen, auch wenn sie noch so gut sind. Mir erging es selbst bei den ersten Filmen von Rainer Werner Fassbinder so - mir wollte es nicht in den Kopf, warum ich mir eineinhalb Stunden lang irgendwelche Leute anschauen soll, die herumstehen und rauchen. Bei jüngeren Leuten merke ich das beispielsweise, wenn ich mich mit anderen Horrorfilm-Fans über Blair Witch Project unterhalte - Personen unter 30 finden den zumeist blöd, und obwohl ich das nach wie vor nicht denke, kann ich das auch verstehen. Da ist zum einen die Wackelkamera, die in der Tat ein wenig anstrengend sein kann, und zum anderen das Fehlen jeglicher Effekte, die in der heutigen Zeit nun mal oft für wichtig erachtet werden. Es ist verständlich, dass jemand, der die späten Neunziger nicht oder nicht bewusst erlebt hat, mit Found-Footage-Filmen nichts anfangen kann. Zur damaligen Zeit wurden die technischen Möglichkeiten des Mediums Film immer besser, was dazu führte, dass sehr viele Filme nahezu mit Technik überladen waren, oft so sehr, dass eine unterhaltsame Handlung oder gute schauspielerische Leistung keine so große Rolle mehr spielten - ein Trend, den ich leider auch heute noch beobachte. Der Hype der Handkameraästhetik war sozusagen eine Gegenbewegung dazu - ein Beispiel ist da das Manifest Dogma 95 von Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Wobei vor allem die frühen Dogma-Filme die Grenze des Erträglichen oft deutlich überschritten. Was Blair Witch Project selbst betrifft, war es 1999 nicht nur der Film selbst, der die Leute scharenweise in die Kinos lockte, sondern auch die Tatsache, dass die Regisseure via Internet das Gerücht in die Welt setzten, was man hier zu sehen bekam, sei alles echt. Sie konstruierten mit viel Phantasie eine Legende um den Film und schufen so den richtigen Anreiz, ehe sie irgendwann zugaben, dass alles nur erfunden war. Mir persönlich hat dieser Film auch mit dem Wissen, dass es eine erfundene Geschichte ist, sehr viel Spannung beschert - und ehrlich gesagt gefallen mir Filme, die das ohne großen technischen Aufwand schaffen, in der Regel sowieso besser, als wenn sie mit Effekten überladen sind.

Die Idee, Legenden via Internet zu verbreiten, war damals noch relativ neu, weil das Internet neu war - und mir fällt ad hoc auch kein früheres Beispiel ein, wo mittels einer so akribisch konstruierten Geschichte Werbung gemacht wurde. Die Idee selbst wurde damals natürlich noch häufig kopiert - wie es halt so oft der Fall ist. Es gab aber auch zuvor schon, besonders bei Horrorfilmen, bestimmte Aufhänger, die die Leute in die Kinos locken sollten. Als Beispiel fällt mir da Der Exorzist von 1973  ein, ein Film, der durchaus in die Kategorie "gut gealtert" gepackt werden kann, denn er erzielt immer noch seine Wirkung, was vor allem an den überhöhten Sound-Effekten liegt, die auch heute noch unter die Haut gehen. Damals wurde behauptet, dass die Zuschauer bei der Europapremiere in London reihenweise in Ohnmacht gefallen seien und dass viele vorzeitig den Kinosaal verlassen hätten müssen. Es gab sogar Gerüchte über Fehlgeburten bei schwangeren Zuschauerinnen. Irgendwann hab ich mal gehört, dass all diese Geschichten auf dem Ohnmachtsanfall einer einzigen Person bei der Premiere in London beruhen - leider ist es mir jedoch aktuell nicht möglich, hierzu eine Quelle zu finden. Nichtsdestotrotz ist dieser Film auch heute nichts für zartbesaitete Gemüter, auch wenn es kein Zufall ist, dass er ausgerechnet in den frühen Siebzigern entstand - in einer Zeit, in der die Generationen sich voneinander entfernt hatten, spielt er mit der Ur-Angst von Eltern, deren süßes, verschmustes Kind sich zu einem rebellierenden Teenager entwickelt. Irgendwie muss ich dabei immer an die Doku-Soap Die strengsten Eltern der Welt aus den späten 2000ern und frühen 2010ern denken, die ich ab und zu schaute, wo die Eltern der Problem-Jugendlichen, die zur Läuterung in ein afrikanisches Dorf oder in die sibirische Pampa geschickt werden sollen, am Anfang jeder Folge immer das Familienalbum aufschlagen und darüber klagen, was für ein süßes und braves Kind ihr Terror-Teenie doch einst gewesen sei. Außerdem denke ich in diesem Zusammenhang auch an den weitaus weniger bekannten Film Macabre von William Castle aus dem Jahr 1958, den ich, offen gestanden, nie gesehen habe, auch wenn die Handlung, soweit mir bekannt, durchaus Potenzial für einen soliden Psychothriller hätte - ein kleines Mädchen, das entführt und lebendig begraben wird, und ein Vater, der seine Tochter finden und befreien muss, ehe sie erstickt. Um die Zuschauer ins Kino zu locken, verkaufte Castle zusätzlich zu den Kinokarten eine Lebensversicherung über tausend Dollar, sollte jemand beim Konsum dieses Films vor Angst sterben. Hämische Kritiker meinten daraufhin, der Zuschauer liefe eher Gefahr, vor Langeweile zu sterben.

Was mich betrifft - ich bin eigentlich schon wieder reif für etwas Neues, das ich noch nicht kenne. Und da hege ich, offen gestanden, momentan nicht mehr allzu viel Hoffnung, was die US-Filmindustrie betrifft. Aber wer weiß, vielleicht entsteht auch hier etwas, das wir jetzt noch nicht erahnen können. Einstweilen greife ich eher auf Filme jenseits des Mainstreams zurück - auch wenn die aktuelle Situation mich um ein Filmfestival gebracht hat, auf das ich mich schon sehr gefreut hatte. Mal sehen, was die Zukunft bringt. Macht's gut und leckt keine Toilettensitze ab - das gilt auch für die Zeit nach dem Ende der aktuellen Krise! Zum Glück ist unser Geist immer noch frei, sich an jeden Ort zu begeben, den er wünscht, also bon voyage!

vousvoyez

Montag, 16. März 2020

Wieso braucht Gott immer Geld?

Neben dieser Frage ist die wichtigste in Zeiten wie diesen, was man nach dem Ausbruch des Corona-Virus alles anstellen kann. Und natürlich ist die Antwort für mich ganz einfach - zumal ich in letzter Zeit ohnehin relativ viel um die Ohren hatte und daher meine Schreibwut auf die lange Bank schieben musste.

Nun, das obige Zitat stammt von den Simpsons, eine der Fernsehserien, die meine Jugend geprägt haben - ich kann allerdings nicht mehr genau sagen, aus welcher Folge. Es ging auf jeden Fall um eine Spendenveranstaltung für die Kirche in Springfield, und Bart äußerte mit dieser Frage an seine Eltern seine unbewusste Kritik am religiösen Kapitalismus. Insofern bietet dieses Zitat für mich natürlich auch eine Steilvorlage, um mich endlich einmal mit meinem persönlichen Verhältnis zu Religion und Glauben auseinanderzusetzen.

Wie die meisten Österreicher, die im vorletzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geboren wurden, und damals auch alle Mitglieder meiner Familie, so wurde auch ich katholisch getauft, und die Religion spielte auch eine nicht unerhebliche Rolle in meiner Kindheit. Ich habe Erstkommunion und Firmung empfangen, besuchte einen Kindergarten, der zu einem Nonnenkloster gehörte, und ging fünf Jahre lang in eine Mädchenschule, die von eben diesem Kloster geleitet wird - wie schon meine Mutter, die allerdings aus dem Gymnasium dort genommen wurde, nachdem ihre Mitschülerinnen sie wegen ihrer nicht sehr modischen Erscheinung verspotteten. Eigentlich war die Koedukation in Österreich schon 1972 eingeführt worden, doch die Volksschule, die ich besuchte, war das letzte Relikt einer Zeit, in der Unterricht für Jungen und Mädchen getrennt stattfand - und die erste Bildungseinrichtung für Mädchen in meiner Stadt. Für mich, die ich, wie ich schon in früheren Artikeln erwähnte, mit "Mädchenkram" nicht so viel anfangen konnte, war der Besuch einer reinen Mädchenschule eine Strafe, und ich war erleichtert, dass ich nach der ersten Hauptschulklasse endlich in ein koedukatives Gymnasium wechseln durfte. Da hatte ich zwar andere Probleme, aber das interessiert jetzt nicht.

Jedenfalls spielte die Religion, wie schon gesagt, eine nicht unerhebliche Rolle in meiner Entwicklung. Von klein auf musste ich so manchen Sonntagvormittag in einer Kirche verbringen, in der es auch im Hochsommer noch eiskalt war, man sich nur flüsternd unterhalten durfte und ganz still sitzen musste und ich eintönigen Liedern und langweiligen Predigten lauschen musste, von denen ich kaum etwas verstand. Beispielsweise dachte ich jahrelang, es hieße: "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter MEINEM Dach" - da jedoch die Bibel bekanntlich voller Grausamkeiten ist und die Passionsgeschichte auch nicht gerade ein nettes Kindermärchen ist, habe ich das nie hinterfragt. Übrigens frage ich mich, warum man vielerorts Zeter und Mordio schreit, wenn Kinder mal einen nackten Menschen zu sehen kriegen und Leute die Verfilmung des Romans Die Unendliche Geschichte als für Kinder ungeeignet einstufen, weil da ein Pferd stirbt, man aber ganz offensichtlich nichts dabei findet, in christlichen Kindergärten Geschichten über die Folterung und Hinrichtung eines Menschen zu erzählen, den man sozusagen als Identifikationsfigur aufbaut. Als uns die Betreuerin im Kindergarten, die wir damals noch "Tante" genannt haben, die Geschichte von Passion und Auferstehung erzählt hat, haben ein Freund und ich bei ihm zu Hause oft "Kreuzigung" gespielt - mit Playmobil-Männchen und einem Kruzifix, das in seinem Zimmer normalerweise als Wandschmuck diente. Was Pädagogen heute wohl dazu sagen würden? Wozu das stundenlange Sitzen in einer eiskalten Kirche und langweilige Predigten gut sein sollen, konnte mir übrigens nie jemand erklären.

Für mich war die Existenz Gottes und die Wahrhaftigkeit der Bibel als kleines Kind ganz selbstverständlich und wurde nicht hinterfragt. Hinter Zweifeln und Witzen steckte immer etwas Anrüchiges, das anfangs abschreckend, mit der Zeit aber auch reizvoll wurde. Als ich erfuhr, dass es das Christkind und den Osterhasen gar nicht gibt und die Geschenke von den Eltern gebracht werden, begann ich mich zu fragen, ob die Geschichte vom lieben Gott nicht auch geschwindelt sein könnte. Das war die Zeit, als ich beim üblichen Nachtgebet mit einem Elternteil beim apostolischen Glaubensbekenntnis, wenn es hieß "den Schöpfer des Himmels und der Erde", oft fragte: "Den Suppenschöpfer?" Woraufhin meine Eltern das Beten mit mir aufgaben - es hat ja keinen Sinn, wenn das Kind immer alles ins Lächerliche zieht. Ich kann mich erinnern, dass wir, nachdem der Krieg in Jugoslawien begonnen hatte, neben dem engeren Familienkreis auch die kroatischen Verwandten meiner Mutter einschlossen - das war die Zeit, als ich erfuhr, dass es Kriege gibt. Ebenso beteten wir auch für den älteren Bruder meines Vaters, der in seinen frühen Vierzigern an Krebs starb - damals erfuhr ich, dass jeder irgendwann einmal stirbt. Man erzählte mir, dass die Seele, die ich mir so ähnlich wie eine Sehne vorstellte, dann in den Himmel fliegt, wo der liebe Gott wohnt, und dass man dort dann als Engerl herumfliegt. Als meine Großmutter mütterlicherseits starb - ich war damals zehn Jahre alt - erzählte mir die Mutter meines Vaters viel vom Himmel, auch wenn ich schon damals Zweifel hatte, ob es den überhaupt gibt. Trotzdem stellte ich mir manchmal vor, wie die "große" Großmama, wie wir sie nannten, mit dem Klapprad, auf dem sie sich immer fortbewegt hatte, im Himmel herumfliegt.

Die andere, die "kleine" Großmama, war sehr katholisch und hatte wohl den meisten Einfluss auf unsere religiöse Erziehung. Obwohl sie ansonsten eine überraschend moderne Frau war, die schon in den fünfziger und sechziger Jahren zum Lebensunterhalt der Familie beitrug, und in einer verhältnismäßig unkonventionellen Familie aufwuchs, in der die Eltern sich scheiden ließen, als die Liebe vorbei war - im Gegensatz zur "großen" Großmama, die nach dem frühen Tod ihrer großen Liebe ihr Leben mit einem Mann verbrachte, den sie nicht liebte -, hielt sie doch zeit ihres Lebens am Katholizismus fest. In Kombination mit ihrer blühenden Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Inszenierung war das für uns als kleine Kinder irgendwo schon faszinierend. Ich erinnere mich beispielsweise, dass sie mich und meine Cousins - ich wohnte mit meinen Eltern und Geschwistern damals im selben Haus wie ein Onkel von mir mit seiner Frau und seinen Kindern sowie der "kleinen" Großmama - häufig vor dem Schlafengehen zu sich holte, damit wir miteinander den Rosenkranz beten konnten. Sie hatte in ihrem Schlafzimmer einen richtigen kleinen Hausaltar mit Kerzen und Heiligenbildchen stehen, an dem wir immer im Schlafanzug knieten und zusammen beteten, ehe wir Kinder ins Bett gingen. Nach ihrem Tod vererbte sie meiner Schwester ihren Betschemel, woraufhin diese erklärte, nur Großmama würde es schaffen, ihr noch über ihr Lebensende hinaus eins auszuwischen, weil sie ihre Kinder nicht hat taufen lassen.

Wie gesagt, habe ich auch einige der vorgeschriebenen Sakramente empfangen - neben der Taufe auch Firmung und Erstkommunion, von allen drei Ereignissen gibt es Fotos: Ich bei der Taufe in den Armen meiner Patin in einem Kleid, das schon meine Geschwister getragen hatten und das mir bereits zu kurz war, weil ich doch ein recht großes Baby war; als Achtjährige bei der Erstkommunion in einem weißen Kleidchen mit einem Blumenkränzchen auf dem kurzen Haar, das ich meiner Mutter nie verzeihen werde - ich fühle heute noch das Stechen des Drahts auf der Kopfhaut, und ihr Hinweis "Das müssen alle tragen" war gelogen -, wie ich gähnend in der Reihe meiner Schulkolleginnen stehe, die Kommunionskerze vor mir; als Vierzehnjährige neben meiner Firmpatin in blauem Blazer, weißer Bluse und weißer Jeans, der Pfarrer legt mir die Hand in die Stirn, während ich aus irgendeinem Grund ein ziemlich böses Gesicht mache. Ich bin ehrlich - die vielen tollen Geschenke, die man als Firmling so bekam, waren für uns alle ein guter Grund, uns firmen zu lassen. Ich bekam damals zum Beispiel meine erste Stereoanlage, die mich tatsächlich lange Zeit begleitete. Es gab mal eine Zeit, da bekam man als katholischer Firmling lediglich eine Uhr geschenkt - ich weiß nicht, ob dieser Anreiz so groß gewesen wäre. Für den Musiker, Autor und Schauspieler Rocko Schamoni war das jedenfalls ein Grund, in den Siebzigern zum Protestantismus zu wechseln, wo man wenigstens Geld bekam.

Die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des katholischen Glaubens, ja überhaupt des Glaubens, zogen sich jedoch durch meine gesamte Jugend und einen Teil meiner Kindheit. Der erste Anlass war eben der Wegfall der wichtigsten Mythen meiner Kindheit - Christkind und Osterhase -, der zweite waren die Widersprüche, die sich zwischen dem, was die Kindergärtnerin und später die Religionslehrerin erzählte, und dem, was die Bibelgeschichten erzählten, auftaten. Warum sagt die Bibel, dass man nicht töten soll, warum wird uns erzählt, dass Gott uns alle gleichermaßen liebt, und dieser ist dann im Alten Testament so rachsüchtig? Und warum müssen schon in der Bibel Unschuldige - Frauen und Kinder - unter dieser Rachsucht leiden? Warum ist die Welt so ungerecht, wenn uns doch ständig versichert wird, dass Gott uns über alles liebt? Und letztendlich - warum gibt es so extrem viele Geschichten über Leute, die wirklich mit Gott gesprochen haben, aber in Wirklichkeit hat keiner je etwas erlebt, das die Existenz von diesem je bewiesen hat? Und schließlich erfuhr ich noch, dass nicht alle Menschen auf der Welt an den gleichen Gott glaubten. All das war für mich extrem verwirrend.

Wenn man erwachsen wird, entmystifiziert sich die Welt dadurch, dass man an Lebenserfahrung gewinnt, nach und nach. Und so kam mir mit etwa fünfzehn Jahren zum ersten Mal der Gedanke, dass der Katholizismus möglicherweise nicht das ist, woran ich glaube. Daraus folgte etwa zwei bis drei Jahre danach die Erkenntnis, dass Glaube ganz allgemein nicht mein Weg ist.
Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Artikel in der Zeit entdeckt, von denen einer von einer Gläubigen, der andere hingegen von einer Atheistin stammt. Als Nicht-Gläubige kann ich natürlich Letzteren doch ein bisschen besser nachvollziehen, aber gerade deswegen war es der andere, der mich ein bisschen mehr geärgert hat, weil hier die starrsinnige Haltung wieder eingenommen wurde, die so oft jenen entgegenschlägt, die sich nun mal gegen den Glauben entschieden zu haben.

Um eines gleich einmal klarzustellen: Ich will hier nicht blöde Worte und Phrasen wie "Religioten" oder "imaginärer Freund" gebrauchen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass auch Atheisten in ihrer Entschlossenheit, alles abzulehnen, was mit Glauben zu tun hat, sehr häufig auch zu weit gehen. Ich war eine Zeit lang in einer Facebook-Gruppe für Atheisten - ich musste sie nach kurzer Zeit wieder verlassen, weil viele dort ihren latenten Rassismus mit ihrem Nicht-Glauben gerechtfertigt haben. Auch wenn viele das vollkommen anders sehen, so möchte ich doch sagen: Ja, auch Atheisten können durchaus "missionierend" auftreten - etwa, indem sie vollkommen respektlos auftreten gegenüber jenen, die glauben, und den Anspruch haben, jeden Menschen von seinem Glauben abzubringen, weil er ihrer Ansicht nach der Grund für alles Böse dieser Welt sei. Ich glaube, ich muss jetzt nicht anfangen zu erklären, dass auch Kommunismus und Nationalsozialismus dezidiert anti-religiöse Strömungen waren - obwohl sich die Nazis auch von der Kirche legitimieren ließen. Aber ganz allgemein kann man sagen: Ja, es gab und gibt Religionskriege, aber es gab und gibt auch Kriege, die keineswegs religiös motiviert sind oder waren. Und die Abwesenheit des Glaubens macht einen genauso wenig wie der Glaube selbst automatisch zu einem besseren Menschen.

Allerdings gilt das, wie schon angeführt, für beide Seiten. Was mich an dem Artikel von Hanna Jacobs, die ihren religiösen Standpunkt vertritt, am meisten gestört hat, war, dass sie die Kritikpunkte gegen die Kirche auf die längst vergangenen Kreuzzüge reduziert hat. Kein Wort von den Missbrauchs-Skandalen, kircheninterner Zensur, durchaus fehlendem Respekt gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen oder der Raffgier, die besonders die katholische Kirche an den Tag legt. Natürlich ist das soziale Engagement der Kirche keineswegs zu vernachlässigen, aber das gilt genauso für das Engagement derer, die sich keinen Glauben auf die Fahnen geschrieben haben. Und ich behaupte: Man kann sich auch ohne Glauben moralisch verhalten - ich versuche es, so gut ich kann, weil ich Mitgefühl für eines der höchsten Tugenden der Menschheit halte (auch wenn ich es sehr oft vermisse) und weil es eines der vielen, vielen Grundlagen ist, die es uns ermöglichen, als Gemeinschaft zu existieren. Der Unterschied zwischen mir und einem redlich handelnden Christen ist lediglich, dass ich mich für meine Moralvorstellungen nicht auf ein höheres Wesen berufe. Höchstens auf den kategorischen Imperativ. ("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.") Ja, ich weiß, dass auch Kant von einer Existenz Gottes ausging - aber bis zu Nietzsche taten das so gut wie alle namhaften Philosophen der westlichen Welt. Schon allein durch diese Bemerkung sollte klar werden - auch der Atheist ist nicht davor gefeit, sich für seinen Nicht-Glauben rechtfertigen zu müssen. Der Unterschied zu früher ist halt - in einem Land, in dem Kirche und Staat getrennt sind, kann er zu seinem Nicht-Glauben genauso stehen wie der Gläubige zu seinem Glauben. Und ich gehöre zu jenen, die den Laizismus befürworten, einfach aus dem Grund, weil er alle Glaubensrichtungen, wenn man so will, mit einbezieht und Gesetze unabhängig davon funktionieren.

Abschließend kann ich nur sagen - es ist völlig in Ordnung, sich für den Weg des Glaubens zu entscheiden. Es ist halt nur nicht meiner. Ich bin trotzdem bemüht, respektvoll mit Leuten umzugehen, die meine Meinung nicht teilen - das gilt nicht nur für die Religion. Ich fahre damit einfach seit langer Zeit am allerbesten. Jeder hat nun mal seine eigene Art, die Welt zu sehen - das muss doch nicht heißen, dass wir keinen Konsens finden können. Bemühen wir uns doch, uns gegenseitig ein bisschen mehr zu respektieren!

Und am Ende will ich euch noch den Gruß mit auf den Weg geben, der momentan in aller Munde ist: Bleibt gesund! Und passt gut auf, dass ihr euch immer brav die Hände wascht und genügend Klopapier zu Hause habt!

vousvoyez