Donnerstag, 2. Juli 2020

Schauspieler ist die eigentliche Berufung aller italienischen Fußballer

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Was wohl jeder bestätigen kann, der sich einmal die Schwalbenkönige auf dem Fußballfeld angesehen hat. Wobei ich gestehen muss, dass ich kein besonders großer Fußballfan bin. Das überlasse ich meinem Liebsten - auch wenn dieser mitunter kaum ansprechbar ist, wenn die falsche Mannschaft gewonnen hat.

Was für ihn der Fußball, sind für mich bekanntlich Bücher und Filme. Sofern ihr euch erinnern könnt, habe ich mich ja kürzlich den Märchen-Vorlagen von Disney-Filmen gewidmet und mich dabei auf die Grimm-Märchen fokussiert. Wie ihr vielleicht noch wisst, sind es im Ganzen vier Filme, die auf der Vorlage der Märchen der Gebrüder Grimm basieren. Andere Disney-Filme haben ihren Ursprung in der Kinderliteratur, manche von ihnen basieren aber auch auf Mythen und Legenden. Der dänische Märchen-Autor Hans-Christian Andersen hingegen stand insgesamt nur zweimal Pate für Filme von Disney. Und unter anderem möchte ich auch auf diese eingehen.

Zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen gehören die Andersen-Märchen, die mir meine Großmutter aus einem alten Buch vorlas, das bereits aus ihrer eigenen Kindheit stammte und keinen Einband mehr hatte. Es tut mir heute noch leid, dass ich dieses Buch verloren habe. Gedruckt war es in der alten Fraktur-Schrift, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch üblich war - mit diesem Buch lernte ich sie zu lesen. Andersens bekannteste literarische Werke sind den Kunstmärchen des Biedermeier zuzurechnen - der übrige Teil seines schriftstellerischen Œuvre ist eher unbekannt. Ich liebte Das Feuerzeug, Der standhafte Zinnsoldat und Die Stopfnadel, aber auch Das hässliche Entlein. Eines der längsten und ausgefeiltesten Märchen von Andersen aber ist Die Schneekönigin - jenes las mir meine Großmutter über mehrere Tage verteilt vor.

Der erste Disney-Film, der auf einem Andersen-Märchen basiert, ist Arielle, die Meerjungfrau von John Musker und Ron Clements aus dem Jahr 1989. Die literarische Vorlage heißt Die kleine Seejungfrau und hat seine Wurzeln in der Sage der Undine. Das mythische Wesen der Undine ist ein weiblicher, jungfräulicher Wassergeist und taucht als solches erstmals in einem Gedicht aus dem 14. Jahrhundert auf. Laut Paracelsus handelt es sich um ein Elementarwesen, also ein Wesen, das einem der vier Elemente zugeordnet wird, in diesem Fall eben dem Wasser. Undinen sollen größtenteils in Waldseen und Wasserfällen zu finden sein, ihr Gesang ist manchmal über dem Wasser zu hören. Eine Seele bekommt sie erst, wenn sie sich mit einem Menschen vermählt; untreuen Ehemännern bringt sie den Tod. Vergleichbare Wasserwesen gibt es auch in der griechischen Mythologie, aber auch in anderen Sagenkreisen und literarischen Texten - ich denke da beispielsweise an die Loreley aus Clemens Brentanos Ballade. In der slawischen Mythologie gibt es außerdem die Figur der Rusalka.

Sowohl der Disney-Film als auch das Märchen erzählen von der jüngsten Tochter des Meerkönigs, die Sehnsucht nach der Welt der Menschen hat - während sie im Märchen keinen Namen hat, wird sie im Film Arielle genannt. Und natürlich kommen die musikalische Krabbe Sebastian und der Doktorfisch Fabius in Andersens Märchen auch nicht vor. Im Buch erfährt die Meerjungfrau nicht über ihre Sammlung menschlicher Artefakte von deren Welt, sondern von Erzählungen ihrer Großmutter. Das Märchen folgt der Undinen-Legende insofern, als Meerjungfrauen nur durch die Liebe eines Menschen eine Seele erhalten. Und so erhält sie auch im Buch Beine von der Meerhexe - wenn der Prinz, den sie vor dem Ertrinken gerettet hat, sich jedoch bis zum nächsten Sonnenaufgang nicht in sie verliebt, wird sie zu Schaum auf dem Meer werden. Doch der Prinz wird im Märchen unmittelbar nach seiner Rettung durch die Meerjungfrau von einem Mädchen gefunden, das er für seine Retterin hält und in die er also verliebt ist, so dass er keine Gefühle für die wahre Retterin entwickelt, die, genau wie im Film, ihre Stimme gegen ein Paar Beine ausgetauscht hat. Das andere Mädchen stellt sich als die Prinzessin des benachbarten Königreichs heraus; der Prinz heiratet sie, und der Meerjungfrau wird von ihren Schwestern geraten, ihn in der Hochzeitsnacht zu töten, um ihr Leben zu retten. Sie kann es jedoch nicht tun - stattdessen stürzt sie sich ins Meer und löst sich in Schaum auf, stirbt jedoch nicht, sondern wird eine der Töchter der Luft, die wie die Meerjungfrauen keine Seele haben, diese aber durch gute Taten erlangen können. Dagegen steht das Ende des Disney-Filmes natürlich ganz in der Tradition seiner Vorgänger - Arielles Vater sieht ein, dass seine Tochter den Prinzen liebt, verwandelt sie in einen Menschen, und sie heiratet ihn.

Der zweite Disney-Film, der, wenn auch sehr lose, auf Motiven eines Andersen-Märchens basiert, ist Die Eiskönigin - Völlig unverfroren von Chris Buck und Jennifer Lee aus dem Jahr 2013. Vorlage dafür liefert das zuvor angesprochene Märchen Die Schneekönigin - der Film hat mit dem ursprünglichen Märchen jedoch nicht allzu viel zu tun. Für die Computeranimation wurden die gleichen Mitarbeiter wie bei Rapunzel eingesetzt, so dass der Stil ebenfalls an die Rokoko-Malerei erinnern soll. Aus der kalten, herzlosen Schneekönigin des Märchens wird jedoch eine missverstandene, verletzliche junge Frau, und auch die restliche Geschichte ist komplett anders als die Vorlage. Das Märchen beginnt mit einem Spiegel, den der Teufel erzeugt hat und der alles Schöne hässlich macht. Eines Tages zerbricht er, und seine Splitter bringen viel Leid unter die Menschen. Eine dieser Scherben dringt ins Herz des Waisenjungen Kay, das daraufhin zu Eis gefriert, eine andere ins Auge, woraufhin er alles Schöne hässlich sieht. Daraufhin verändert sich seine Persönlichkeit und ändert sein Verhalten ins Destruktive, bis er eines Tages im Winter mit seinem Schlitten von der Kutsche der Schneekönigin in deren Eispalast entführt wird. Gerda, seine Freundin aus der Nachbarschaft, zieht aus, um ihn zu suchen; nachdem sie im prächtigen Sommergarten einer guten Zauberfee gelandet ist und ihre Absicht vorübergehend vergisst, kommt sie in ein königliches Schloss, wo der Prinz und die Prinzessin von ihrer Geschichte so berührt sind, dass sie sie mit Winterkleidung ausstatten und ihr eine Kutsche mit Bediensteten zur Verfügung stellen. Diese wird jedoch von Räubern überfallen, und nachdem sie als einzige überlebt hat, will die Räubermutter sie braten und verspeisen. Ihre wilde Tochter findet jedoch Gefallen an dem Mädchen und rettet ihr das Leben; auch sie ist berührt von ihrer Geschichte und schenkt ihr ihr liebstes Rentier. Mit Hilfe zweier weiser Frauen schafft es Gerda in den Palast der Schneekönigin, in dessen Thronsaal Kay versucht, aus Eisplatten das Wort "Ewigkeit" zu bilden, da die Schneekönigin ihm die Freiheit versprochen hat, sollte er es schaffen - aber der Splitter in seinem Auge hindert ihn daran. Als Gerda ihn so auffindet und er sie nicht erkennt, beginnt sie zu weinen; ihre Tränen schmelzen das zu Eis gefrorene Herz und bringen ihn ebenfalls zum Weinen, woraufhin der zweite Splitter aus seinem Auge gespült wird. Die Eisplatten bilden von selbst das Wort "Ewigkeit", so dass sie nach Hause zurückkehren können; dort angekommen, sind sie beide erwachsen.

Es gibt jedoch auch andere Märchen, die als Vorlage für die Disney-Filme gedient haben. Eines davon ist Die Schöne und das Biest von Gary Trousdale und Kirk Wise aus dem Jahr 1991. Ursprünglich ein französisches Volksmärchen, erschien die erste schriftliche Fassung, aufbereitet von Gabrielle-Suzanne de Villneuve, unter dem Titel La Belle et la Bête im La jeune américaine, et les contes marines im Jahre 1740. Diese wiederum griff auf Motive aus den Märchensammlungen des Italieners Giovanni Francesco Straparola zurück. Bekannter ist jedoch die gekürzte Version von Jeanne-Marie Leprice de Beaumont, die 1756 im Magasin des enfants, ou dialogues entre une sage gouvernante et plusieurs de ses élèves veröffentlicht wurde. Dieses wurde im selben Jahr unter dem Titel Magazin für Kinder zu richtiger Bildung ihres Verstandes und Herzens für die deutsche Jugend übersetzt; die Geschichte erschien unter dem Titel Die Schöne, und das Thier. Ein Mährchen. Auch ich kenne das Märchen aus Beaumonts Fassung und besitze die Übersetzung davon als Buch. Das Märchen enthält Motive aus Apuleius' Erzählung Amor und Psyche aus dem 2. Jahrhundert - der Liebesgott Amor verliebt sich in die schöne Psyche und macht sie zu seiner Braut, will sich ihr jedoch nicht zeigen, woraufhin ihre eifersüchtigen Schwestern Zweifel säen. Diese Geschichte geht jedoch nicht gut aus - nachdem Psyche ihren Bräutigam entgegen seinem Wunsch doch angesehen hat, verlässt er sie für immer. Auch das Motiv der Tochter, die sich an Stelle ihres Vaters opfert, kommt in älteren Geschichten vor, beispielsweise im Alten Testament in der Geschichte von Jephtha, der Gott seine Tochter opfern muss, oder in dem Grimm-Märchen Das singende, springende Löweneckerchen. In der griechischen Sage von Idomeneus ist es dessen Sohn Idamantes, der dem Meeresgott Poseidon geopfert werden soll als Gegenleistung für eine sichere Heimkehr. Auch das Motiv des Prinzen, der in eine wenig ansehnliche Gestalt verwandelt und von einem Mädchen erlöst wird, begegnet uns öfter, denken wir nur beispielsweise an den Froschkönig, ebenso wie der Kontrast zwischen der schönen, fleißigen, gutherzigen Jüngsten und den hässlichen, neidischen, bösen Schwestern, etwa in Aschenputtel.

Diese Schwestern kommen jedoch im Disney-Film bekanntlich gar nicht vor. In Villneuves Version hingegen hat die Schöne (im Disney-Film Belle genannt) sechs ältere Brüder und fünf ältere Schwestern - bei Beaumont sind es allerdings nur noch drei Brüder und zwei Schwestern. Wie schon erwähnt, ist die Schöne freundlich und bescheiden, während ihre Schwestern weitaus selbstsüchtiger sind. So wünschen sie sich, als ihr Vater auf Reisen geht, Schmuck und schöne Kleider, während die Schöne lediglich eine Rose möchte. Auf dem Rückweg verirrt sich der Vater in einem Wald und gelangt in ein prächtiges Schloss, das menschenleer ist - dennoch wird er reichlich bewirtet, wenn auch nicht, wie im Film, von lebenden Alltagsgegenständen. Er bleibt über Nacht, und als er am nächsten Morgen aufbrechen will, entdeckt er einen schönen Rosengarten. Er erinnert sich an den Wunsch der Schönen und pflückt eine der Rosen, doch dann erscheint ein abscheuliches Biest, das ihn beschuldigt, ihn bestohlen zu haben, weshalb er sterben müsse. Der Vater, der im Märchen nicht Erfinder, sondern Kaufmann ist, bittet um sein Leben und erzählt, dass er die Rose seiner Tochter mitbringen wollte. Daraufhin lässt das Biest ihn ziehen, trägt ihm jedoch auf, entweder selbst zurückzukehren oder eine seiner Töchter zu schicken. Zu Hause angekommen, erklärt sich die Schöne bereit, ihn zu dem Schloss zu begleiten, das der Vater jedoch ohne sie wieder verlassen muss. Die Schöne glaubt, dass sie sterben muss, doch stattdessen führt sie im Schloss ein angenehmes Leben und freundet sich auch mit dem Biest an, erwidert seine Liebe aber zunächst nicht. In ihren Träumen erscheint ihr das Biest in Gestalt eines schönen Prinzen, doch sie glaubt, dass das Biest den Prinzen gefangen halte. Als sie Heimweh bekommt, erlaubt ihr das Biest, ihre Familie für zwei Monate zu besuchen; wenn sie aber nicht rechtzeitig zu ihm zurückkehre, müsste es sterben. Aber die Schwestern sind eifersüchtig auf das luxuriöse Leben der Schönen und halten sie extra lange auf, so dass sie erst zurückkehrt, als sie träumt, dass das Biest im Sterben liegt. Sie kann es retten, wird sich dabei ihrer Liebe bewusst und willigt ein, das Biest zu heiraten, das sich nach der Hochzeitsnacht in den Prinzen aus ihrem Traum verwandelt. In Beaumonts Version ist das das glückliche Ende, während in Villeneuves Version noch die Mutter des Prinzen vorkommt, die mit der Heirat nicht einverstanden ist, da die Schöne nur eine Kaufmannstochter ist. Eine gute Fee erklärt ihr jedoch, dass die Schöne in Wirklichkeit die Tochter eines Königs und einer Fee sei - außerdem wird noch die Vorgeschichte erzählt, die unter anderem erklärt, wie der Prinz in ein Biest verwandelt wird.

Doch nicht nur europäische Märchen finden Eingang ins Disney-Universum - im Jahr 1992 wurde unter dem Titel Aladdin ein orientalisches Märchen unter der Regie von John Muser und Ron Clements verfilmt. Es stammt aus der morgenländischen Märchensammlung Tausendundeine Nacht und trägt im Original den Titel Aladin und die Wunderlampe. Der Ursprung von Tausendundeine Nacht liegt vermutlich in Indien; wahrscheinlich in der Spätantike wurde es ins Mittelpersische übertragen und um persische Erzählungen erweitert, aber auch Motive aus der griechischen Sagenwelt fanden darin Eingang. Etwa im 8. Jahrhundert wurde es ins Arabische übersetzt und um Formeln und Zitate aus dem Islam erweitert. Im Laufe der Zeit kamen noch weitere Erzählungen hinzu, Aladin und die Wunderlampe stammt wahrscheinlich aus China und wurde erst im 18. Jahrhundert durch einen französischen Übersetzer beigefügt und die Handlung nach Syrien verlegt. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der junge Aladin wird von einem Zauberer beauftragt, eine Öllampe in einer magischen Höhle zu finden; da dieser ihn jedoch zu betrügen versucht, behält er die Lampe für sich und findet heraus, dass in ihr ein Dschinn steckt, ein Geist, der dazu verpflichtet ist, dem Besitzer der Lampe jeden Wunsch zu erfüllen. Mit seiner Hilfe wird Aladin reich und mächtig und heiratet die schöne Tochter des Sultan. Der Disney-Film lehnt sich sehr an den Spielfilm The Thief of Bagdad (Der Dieb von Bagdad) aus dem Jahr 1940 an, die Zeichner orientierten sich beim Erscheinungsbild der Hauptfigur an dem damals noch jungen Tom Cruise, während der Dschinni im englischen Original von Robin Williams synchronisiert wird. Obgleich der Bezug zum arabischen Kulturkreis oftmals betont wird, basieren die Motive im Film größtenteils auf der indischen Kultur. Nach Protesten der arabischstämmigen Bevölkerung wurden einige Zeilen des Anfangsliedes Arabische Nächte in Folge umgeschrieben. Obwohl nach wie vor handgezeichnet, wurde der Film um einige Computergrafiken erweitert und ist technisch einer der innovativsten Disney-Filme. Außerdem legte er, wie ich finde, den Grundstein für die weniger romantisch-verklärten, dafür aber dynamisch-witzigen Filme von Pixar.

Ich muss sagen, genauso spannend, wie die ursprünglichen Geschichten zu erörtern, ist es auch, herauszufinden, aus wie viel unterschiedlichen Ecken Disney sich bei der Erschaffung seiner Meisterwerke bedient hat. So stammt Bambi aus Österreich, Pinocchio aus Italien, Das Dschungelbuch aus Indien und Peter Pan aus England. Deswegen habe ich auch weiterhin große Lust, mich mit den Ursprungsgeschichten zu befassen - auch wenn ich nicht alle im Original gelesen habe, aber gerade das macht es auch für mich spannend. Ich werde mich bei nächster Gelegenheit wieder mit dem Thema auseinandersetzen - bis dahin bon voyage und vergesst nicht, euch an die Abstandsregel zu halten!

vousvoyez

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