Diese Weisheit stammt aus einer Anekdote der Beatles Anthology: Im Jahr 1964, als die Band das erste Mal Gastspiele in Paris hatte, behauptete jemand aus ihrer Entourage, fließend Französisch zu sprechen. Als seine Sprachkenntnisse dann aber gefordert waren, stellte sich heraus, dass diese nur rudimentär waren - beispielsweise, als einer der Beatles Halsschmerzen bekam und er an der Rezeption des Hotels nach Honig fragen sollte.
Popkultur war ja schon öfter Teil dieses Blogs - und ich muss auch zugeben, ich habe, auch wenn mein Blick inzwischen durchaus kritischer geworden ist, immer noch eine gewisse Affinität dazu. Inzwischen sind ja auch schon die Symbole von Disney, von dem ich hier schon häufig berichtet habe, Teil der Popkultur. Und da es die letzten beiden Male schon so viel Spaß gemacht hat, werde ich an dieser Stelle auch wieder auf die Hintergründe jener Disney-Filme eingehen, die als "Meisterwerke" gekennzeichnet sind. Speziell werde ich mich hier auf einzelne Bücher beziehen, die mehr oder weniger in den Kanon der Kinderliteratur eingegangen sind.
Schon der zweite abendfüllende Disney-Film, Pinocchio aus dem Jahr 1940 unter der Regie von Hamilton Luske und Ben Sharpsteen, ist eine Kinderbuchverfilmung. Die überaus bekannte und vielfach adaptierte Geschichte wurde von dem italienischen Schriftsteller Carlo Collodi verfasst und erschien erstmals 1881 als Fortsetzungsgeschichte in einer italienischen Wochenzeitung unter dem Titel Le Avventure Di Pinocchio: Storia Di Un Burattino (dt.: Die Abenteuer des Pinocchio: Die Geschichte eines Hampelmanns). Die Serie um die Holzpuppe Pinocchio wurde so populär, dass Collodi 1883 ein Buch daraus machte, das unter dem Titel Le Avventure Di Pinocchio veröffentlicht wurde. Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 1905 unter dem Titel Hippelitsch's Abenteuer (und nein, der "Deppenapostroph" stammt nicht von mir). Natürlich gibt es noch viele andere Adaptionen der Geschichte, in Erinnerung geblieben ist den Kindern meiner Generation bestimmt die Anime-Version von 1976/77, deren Titelsong Kleines Püppchen, freches Püppchen ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist und die von Nippon Animation stammt, ein japanisches Zeichentrickfilmstudio, das viele Kinderbuchklassiker adaptierte, wobei deren Version häufig bekannter ist als das literarische Original. Vielleicht schreibe ich auch einmal was dazu - wäre bestimmt lustig.
Die Geschichte von Pinocchio ist bekannt; man kann sie als Schelmen- oder Entwicklungsroman interpretieren, und die Grundgeschichte ist im Disney-Film im Wesentlichen gleich: Ein armer Holzschnitzer fertigt eine Holzpuppe an, die lebendig wird. Anfangs ist der hölzerne Pinocchio unartig, leichtgläubig und stolpert von einem Unglück ins andere, im Laufe der Geschichte beginnt er jedoch, einen Reifungsprozess zu durchleben, bis er am Ende schließlich zu einem richtigen Jungen aus Fleisch und Blut wird. Im Laufe des Romans wird er von allerlei Figuren begleitet: dem älteren Holzschnitzer Geppetto, der sozusagen als "Vater" fungiert, zumal er Pinocchio aus Kiefernholz selbst hergestellt hat; die Fee, im Roman "die Fee mit den dunkelblauen Haaren", im Film "die blaue Fee" genannt, die als guter Geist über die Hauptfigur wacht und sie am Ende in einen richtigen Menschen verwandelt, kann als Mutterfigur gesehen werden; die Sprechende Grille, im Film Jiminy genannt, begleitet Pinocchio sozusagen als Gewissen; der Kater und der Fuchs, zwei zwielichtige Gesellen, die mehrmals versuchen, den Protagonisten vom rechten Weg abzubringen, stehen für List und Falschheit; der Riesenhai, im Film als Wal dargestellt, ist wie im biblischen Buch Jona als Symbol der Läuterung zu verstehen. Die Intention des Buches ist mit Sicherheit eine erzieherische: Der "unfertige" Mensch Pinocchio wird nur dann ein richtiger Junge, wenn er fleißig, hilfsbereit und folgsam ist. Fehltritte werden stets erbarmungslos bestraft, und durch das Wachsen seiner Nase werden auch Pinocchios Lügen schnell entlarvt. Immer wieder wird der Protagonist durch Figuren wie den Fuchs und den Kater oder auch den Jungen Kerzendocht (im Film Lampwick genannt) zum Bösen verführt, schafft es aber letztendlich doch, all dem zu widerstehen und zu einem verantwortungsbewussten Jungen heranzureifen. In den 1970er Jahren regte der italienische Schriftsteller und Literaturkritiker Giorgio Manganelli dazu an, Pinocchio aus der Sicht des Erwachsenen zu deuten, wodurch Parallelen zur Jesus-Legende, spätantiken Satire und Renaissance-Literatur gezogen werden können.
Natürlich gibt es auch einige Abweichungen des Films von der Literaturvorlage; So war Walt Disney der Meinung, dass die Geschichte mehr Wärme, Liebe und Freundschaft brauche. Und so machte er aus der namenlosen Grille, die im Buch von Pinocchio mit einem Hammer erschlagen wird und später als Geist wieder auftaucht, um ihn als Gewissen zu begleiten, Jiminy Grille, die als Träger der Geschichte fungiert. Im Buch kommt außerdem der Tischler Meister Kirsche vor, der Geppetto ein sprechendes Holzscheit schenkt; dieser fehlt im Film ganz, ebenso wie das sprechende Holz - Pinocchio ist nach seiner Fertigung vollkommen reglos, ehe eine Fee in blauem Kleid ihm mit ihrem Zauberstab das Leben schenkt. Wie im Buch, so kommt Pinocchio auch in einem Film zu einem Puppentheater; im Gegensatz zu dem Theaterdirektor Feuerfresser aus dem Roman, der, obwohl er Pinocchio anfangs zu Brennholz hacken will, doch zu Mitgefühl fähig ist und ihm sogar Geld für Geppetto schenkt, ist sein filmisches Pendant Stromboli durch und durch böse. Er ist lediglich daran interessiert, durch die lebendige Holzpuppe Pinocchio zu möglichst viel Geld zu kommen und sperrt ihn in einen Käfig, aus dem dieser sich nur mit Hilfe der Fee wieder befreien kann. Auch das Land der Spielereien kommt als "Vergnügungsinsel" im Film vor - jener Ort, an dem Jungen nur tun, wozu sie Lust haben, ehe sie sich in Esel verwandeln und verkauft werden. Während Pinocchio im Buch jedoch ebenfalls zum Esel wird und seine wahre Gestalt erst wieder erlangt, als er ins Meer gestoßen wird, belässt es Disney dabei, ihm die Ohren und den Schwanz eines Esels wachsen zu lassen, ehe er sich mit Jiminys Hilfe retten kann. Und natürlich fehlt auch der Haifisch nicht, der im Film ein Wal ist und in dem Pinocchio und Geppetto wieder vereint werden. Wie die Grille, so taucht auch die Fee im Film schon am Anfang auf, während sie im Roman erst im Laufe der Geschichte eingeführt wird - aber hier wie da ist sie es, die die Holzpuppe am Ende in einen richtigen Jungen verwandelt. Erwähnenswert an diesem Film ist im übrigen auch die erstmals umfangreich eingesetzte Multiplan-Kamera, deren gestaffelte Anordnung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund dem Werk eine zuvor noch nie dagewesene räumliche Tiefe verleiht. Da der Film jedoch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in die Kinos kam, erzielte er nicht die gewünschte Aufmerksamkeit und erreichte erst Jahre nach seiner Veröffentlichung ein breites Publikum.
Eine weitere Kinderbuchverfilmung ist auch der fünfte abendfüllende Disney-Zeichentrickfilm Bambi aus dem Jahr 1942 unter der Regie von David Hand. Vorlage dafür war der 1923 erschienene Roman Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde des österreichisch-ungarischen Schriftstellers, Journalisten und Jägers Felix Salten, Mitglied der Autorengruppe Jung-Wien, der angeblich auch Autor des umstrittenen erotischen Romans Josefine Mutzenbacher gewesen sein soll.
Die Verfilmung von Bambi sorgt unter europäischen Kindern immer wieder für Verwirrung - dass ein Rehkitz einen Hirsch als Vater hat und später ebenfalls zu einem Hirsch heranwächst, bewirkte, dass viele (auch ich) glaubten, Rehe seien weibliche Hirsche, obwohl es sich bei Hirsch und Reh, auch wenn sie beide zum wiederkäuenden Schalenwild gehören, um unterschiedliche Tierarten handelt. Der Grund dafür ist, dass Bambi im Roman zwar tatsächlich ein Rehbock ist, die Zeichner aus dem Disney-Studio jedoch mit dieser in Europa heimischen Tierart nicht vertraut waren; so transferierte Disney die Handlung nach Nordeuropa, und aus dem Reh wurde ein Weißwedelhirsch. Da die englische Bezeichnung deer jedoch sowohl "Hirsch" als auch "Reh" bedeuten kann (obwohl man zum Hirsch auch stag sagt), wurde bei der Übersetzung des Films aus dem Hirschkalb wieder ein Rehkitz. Nun ist es ja wirklich so, dass die Jungtiere von Rehen und Weißwedelhirschen Ähnlichkeiten aufweisen - vor allem sind für beide die weißen Flecken charakteristisch. Allerdings weist der braun-weiße Schwanz Film-Bambi eindeutig als Weißwedelhirsch aus - Rehe haben nämlich praktisch gar keinen. Selbst mein Vater, der einen Jagdschein hatte, fand die Reh-Hirsch-Mischung verwirrend, da er natürlich wusste, dass das zwei verschiedene Tiere sind. Außerdem sind Hirsche und Rehböcke keine so fürsorglichen Väter, wie sie in der Geschichte gezeigt werden - diese Tiere leben nach Geschlechtern getrennt in Rudeln und treffen lediglich zur Paarungszeit (Brunft) aufeinander. Aber es ist ja auch ganz normal, dass Tiere sprechen können und ein Hirschkalb als "Prinz" bezeichnet wird. Also genug der zoologischen Lehrstunde!
Die Geschichte von Bambi ist natürlich bekannt, und der Film ist vergleichsweise stark an das Buch angelehnt, auch wenn es natürlich Unterschiede gibt - so ist Bambi zwar als der düsterste und ernsteste Disney-Film bekannt, aber der Roman ist noch düsterer und teilweise auch brutaler. Bambi wird im Wald geboren und von seiner Mutter in dessen Geheimnisse und Gefahren eingewiesen, ehe sie ihn mit auf die Wiese nimmt. Sowohl im Buch als auch im Film erlebt Bambi den Frühling und Sommer über eine relativ unbeschwerte Kindheit - seine Freunde Klopfer und Freund Eule sind im Roman unter Herr Hase und Herr Waldkauz angeführt, das Stinktier Blume und die Opossumfamilie gibt es aber natürlich nur im Film, da es sich hier ja um in Amerika heimische Tierarten handelt. Dafür fehlt im Film Gobo, der schwächliche Bruder von Bambis Freundin Faline, der vom Jäger, von den Tieren furchtsam Er genannt, gesundgepflegt und wieder freigelassen wird, woraufhin er ihn für einen Gott hält und unvorsichtig wird, was er mit dem Leben bezahlt. Sowohl im Roman als auch im Film erscheint Bambis Vater, im Buch Rehbock und im Film Hirsch, zunächst übermächtig und unnahbar, steht seinem Sohn aber in entscheidenden Situationen stets zuverlässig zur Seite. Auch der für viele Kinder traumatischste Teil, der Tod von Bambis Mutter durch eine Treibjagd, kommt in Buch und Film vor, und auch die Liebe zwischen Bambi und Feline wird in den Film aufgenommen. Viele Details des Buches kommen ebenfalls im Film vor, allerdings enthält die Literaturvorlage wesentlich mehr Figuren und kleine Abenteuer sowie Gespräche der Tiere untereinander. Der Film hingegen arbeitet mit weitaus weniger Worten und viel mehr Bildern, kombiniert mit Musik, beispielsweise der Kampf Bambis mit einem Rivalen, im Buch Ronno genannt, der im Film wortlos stattfindet. Auch wird im Buch über den Jäger viel gesprochen, während er im Film eine nie gezeigte tödliche Gefahr ist - entsprechend fehlt auch die Sequenz aus dem Roman, in dem Bambi und sein Vater am Ende vor der Leiche eines Jägers stehen und Bambi begreift, dass auch der Mensch sterblich und somit kein Gott ist. Der von den Jägern ausgelöste Waldbrand aus dem Film kommt dafür im Buch nicht vor - aber sowohl im Roman als auch im Film wird Bambi angeschossen und von seinem Vater ermutigt, wieder auf die Beine zu kommen. Auch das Ende ist in Buch und Film sehr ähnlich - Bambi und Faline werden Eltern zweier Kitze, und Bambi nimmt den Platz seines Vaters ein.
Wie bei Pinocchio, so wurde auch bei Bambi mit der Multiplan-Kamera gearbeitet, um den Bildern eine dreidimensionale Wirkung zu geben. Auffallend ist auch die im klassischen Stil komponierte Musik von Edward H. Plumb, die ebenso wie die Farben der Bilder ein tragendes dramaturgisches Element ist, da im Film wenig gesprochen wird - sie ist perfekt auf die Bilder abgestimmt und übernimmt zuweilen sogar die Funktion der Toneffekte, beispielsweise in der Szene mit dem Regen. Das Motiv der Sterbeszene von Bambis Mutter sollte den amerikanischen Komponisten John Williams zu seinem berühmten Leitthema zu Jaws (Der Weiße Hai) inspirieren. Bambi diente auch als Vorbild sowohl für die Manga-Serie Kimba, der weiße Löwe als auch für den 1994 erschienen Disney-Film Der König der Löwen - Letzterer wurde von Kritikern tatsächlich auch als "Bambi in Afrika" bezeichnet. Tatsächlich lässt einen vor allem die Szene von Mufasas Tod an den Tod von Bambis Mutter denken, auch wenn Simbas toter Vater noch gezeigt wird. Im Gegensatz zu den meisten Cartoons wird außerdem mit einer vergleichsweise realistischen und gleichzeitig poetischen Darstellung gearbeitet, gewisse Szenen gewinnen auch durch die Abwesenheit eines direkten Bildes an Bedeutung - beispielsweise die Jäger, die nie zu sehen sind und nur durch ihr Wirken dargestellt werden, oder auch die tote Mutter, die nicht gezeigt wird. Außerdem war Bambi auch der erste Disney-Film, in dem Tiere ins Studio geholt wurden, um den Cartoon-Stil mit einer realistischeren Darstellung zu kombinieren. Gleichzeitig verlieh man ihnen, indem man die Gesichtszüge kleiner Kinder studierte, doch eine überraschend menschliche Mimik. Erwähnenswert ist auch die Ölmalerei der Hintergründe, die von dem chinesischen Künstler Tyrus Wong gestaltet wurde und in der er die Technik des Impressionismus mit traditioneller chinesischer Malerei kombinierte.
Häufig wird dieser Film als für Kinder ungeeignet klassifiziert, da er sehr ernst ist und man befürchtet, sie vor allem durch die Sterbeszene der Mutter zu traumatisieren. Disney hingegen hielt nichts davon, Kinder von negativen Gefühlen fernzuhalten, und auch ich finde, dass man Kindern begreiflich machen soll, dass zum Leben nicht nur das Positive dazugehört. Ich sehe heute so viele Erwachsene, die überhaupt nicht mit Problemen umgehen können, weil man ihnen immer eine heile Welt vorgegaukelt hat. Außerdem steigen wegen dieses Films auch immer wieder mal Jäger auf die Barrikaden, weil sie finden, dass ihr Berufsstand darin diskreditiert wird - dabei ging es sowohl Salten als auch Disney nicht darum, Jäger als "böse" darzustellen, sondern um einen achtsameren Umgang mit der Natur.
Nun, wie ihr seht, geben Romanvorlagen weitaus mehr Stoff her als Märchen und Sagen, deshalb habe ich mich in diesem Artikel nur auf zwei Filme beschränkt. Ihr könnt aber beruhigt sein - es kommen selbstverständlich noch weitere! Auch wenn ich in den nächsten Wochen wohl nicht so wenig zu tun haben werde wie in dieser. Bis zum nächsten Mal hoffe ich, dass ihr gesund bleibt und gut auf euch aufpasst. Bon voyage!
vousvoyez
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