Viele, die am Reitsport Gefallen finden, fangen ja schon im Kindesalter damit an. Manche behaupten sogar, wer nicht mit spätestens zehn Jahren damit beginnt, lernt es nicht mehr. Was allerdings Unsinn ist - wer die richtigen Lehrer und geeignete Pferde zur Verfügung hat, kann auch später durchaus noch damit anfangen. Es ist halt so wie in vielen anderen Fällen auch: Je früher man anfängt, desto schneller lernt man. Und prinzipiell ist es ja auch nicht falsch, Kinder mit Tieren in Berührung zu bringen - im Gegenteil. Es kommt halt immer darauf an, auf welche Weise.
Ein neuer Trend, der aus Großbritannien in den deutschsprachigen Raum gefunden hat, nennt sich "Pony Painting Party" und sorgt schon seit mittlerweile zwei Jahren immer wieder für Kontroverse. Bei diesen Partys dürfen Kinder ein Pferd mit Fingerfarben bemalen - natürlich werden dafür Pferde ausgewählt, die das geeignete Temperament haben, und die Farben sind selbstverständlich ungiftig, werden für diesen Zweck sogar speziell hergestellt.
Nun sind Kinderpartys, wie sie noch in meiner Kindheit üblich sind, schon längst aus der Mode. Ein schlichtes Fest mit bunten Girlanden, lustigen Spielen, Kasperltheater, Himbeerwasser, Frankfurter Würstel und einer schmucklosen Schokoladentorte reicht selbstverständlich nicht mehr aus, auch wenn das die bösen Rabeneltern von damals überhaupt nicht eingesehen haben. Heute müssen es schon ab der Vollendung des ersten Lebensjahrs aufwändige "Events" und mit Fondant verzierte Torten-Kunstwerke sein - und um die Eltern des Freundes bzw. der Freundin aus dem Kindergarten des Sprösslings auszustechen, darf es auch schon mal ein echtes Pferd zum Bemalen sein, das die Party zu einem richtigen Event zum Angeben macht!
Die Meinungen, ob diese Partys erlaubt sein dürfen, gehen sowohl bei Laien als auch bei Experten auseinander. Und ich habe dasselbe in einer Facebook-Gruppe erlebt. Die einen finden es völlig in Ordnung - ihr Argument ist, dass es ja durchaus kinderliebe Ponys gibt, die alles mit sich machen lassen, denen so etwas vielleicht sogar Spaß macht, besonders an heißen Tagen, wenn die Farbe hinterher auch noch mit Wasser abgespritzt wird. Viele erinnern sich auch noch wehmütig an ihr erstes Pony, das stehengeblieben ist, wenn ein Kind herunterfiel, und von dem man stehend ins Wasser springen konnte. Und überhaupt gäbe es doch viel effektivere Methoden, Tiere zu quälen, als sie mit ungiftiger Farbe zu beschmieren, man solle sich doch lieber über Massentierhaltung und den unverhältnismäßigen Fleischkonsum aufregen als über so ein bisschen Farbe. Die anderen wiederum meinen, das sei Tierquälerei und einem Pferd nicht zuzumuten, da es seinen natürlichen Fluchtinstinkt nicht ausleben könne und gestresst sei, wenn so viele schreiende Kinder um es herumtanzen würden, und zudem vermittle es den Kindern das völlig falsche Bild, dass Tiere Spielzeug seien, mit dem man machen könne, was man wolle.
Nun, grundsätzlich kann man natürlich nicht davon ausgehen, dass das Bemalen von Pferden immer Tierquälerei ist. Damit würde man ja all diejenigen, die ihre Pferde mit Zebrastreifen bemalen, um lästige Insekten abzuhalten, als Tierquäler bezeichnen, obwohl sie ja gerade das Gegenteil bezwecken wollen - oder auch die Veterinäre und Zoologen, die durch Bemalen die Anatomie des Pferdes erklären, sowie diejenigen, die das Bemalen von Pferden zu therapeutischen Zwecken anbieten. Klar kann man darüber streiten, ob sowas überhaupt sein muss - allerdings könnte man genauso gut darüber diskutieren, ob man ein Pferd überhaupt im Stall halten, reiten oder Lasten ziehen lassen muss. Wie die meisten Haustiere, so sind auch Pferde schon seit Jahrtausenden domestiziert, sprich, man kann sie nicht einfach so sich selbst überlassen - weshalb Pferdehaltung auch immer sehr kostspielig und zeitaufwändig ist. Natürlich kann man einem Pferd auch nicht unterstellen, dass es prinzipiell etwas dagegen hat, bemalt zu werden - möglicherweise ist es für das Tier auch so etwas wie eine Streicheleinheit. Auf Turnieren werden Pferde ebenfalls gern mal dekoriert - und ich habe eher den Eindruck, dass es ihnen vollkommen egal ist. Anders gesagt: Das Bemalen von Pferden ist generell keine Tierquälerei. Das Problem liegt für mich woanders. Und darüber möchte ich kurz mal sprechen.
Wie gesagt: Generell finde ich es toll, wenn man Kinder mit Tieren vertraut macht und ihnen ein wenig die Angst nimmt - meinetwegen auch mit unorthodoxen Methoden. Ich denke nur, dass solche "Bemal-Partys" nicht der richtige Rahmen dafür sind, und ich hab so das Gefühl, dass auch dem einen oder anderen Experten das Verständnis dafür fehlt. In einem meiner vorigen Artikel habe ich ja kurz über diese Kulikitaka-Challenge berichtet, in der es darum geht, Tiere durch ruckartige Tanzbewegungen zu erschrecken und deren Akteure dazu übergegangen sind, Kühe auf der Weide zu erschrecken. Das zeigt doch schon mal, dass es anscheinend genügend Menschen gibt, die überhaupt keine Ahnung von Tieren haben - denn wer auch nur ein bisschen was von Kühen versteht, würde so etwas Bescheuertes niemals tun. Ich möchte auch daran erinnern, dass es häufig genug Berichte über Kinder gibt, die von Hunden gebissen und dabei verletzt werden. Und dass ein Pferd durchaus das Potenzial hat, einen Erwachsenen, noch viel mehr ein Kind, schwer zu verletzen, im blödesten Fall sogar zu töten. Nicht, weil es böse ist, sondern weil es ein Lebewesen ist, das seinen eigenen Willen und seine eigenen Launen hat - und wenn es sich in irgendeiner Weise bedroht oder überstrapaziert fühlt, kann es sich schon mal durch Tritte und Bisse zur Wehr setzen.
Natürlich sind die Ponys, die bei Bemal-Partys eingesetzt werden, Tiere mit ruhigem Temperament, die wahrscheinlich auch mit Kindern umgehen können. Und ich kann mir auch vorstellen, dass auch solche "Events" zu einem besseren Verständnis der Kinder für Tiere beitragen können. Ich glaube jedoch nicht, dass dies bei diesen Partys immer der Fall ist - ich habe leider nicht viele Videos dazu gefunden, aber die wenigen, die ich ausfindig machen konnte, waren bezeichnend: Das Pferd steht still, wirkt aber angespannt, während die Kinder einfach nur Farbe auf das Tier klatschen wie auf eine leblose Figur. Für mich macht das Szenario nicht den Eindruck, als würden sie einen angemessenen Umgang mit diesen Tieren lernen. Und eben das sehe ich als Problem: Was, wenn diese kleinen Kinder den Eindruck gewinnen, dass jedes Tier eine Art Spielzeug ist, mit dem man machen kann, was man will? Wenn sie glauben, dass man jedes Pferd nach Herzenslust bemalen kann? Ich erinnere mich daran, dass ich als mal einen Kleiderschrank mit Kugelschreiber beschmierte, nachdem ich beobachtet habe, wie meine Mutter ihn zusammen mit meinem älteren Bruder bemalte - wenn die das dürfen, warum ich dann nicht auch? Zu demselben Schluss könnte ein kleines Kind kommen, das mal ein Pferd mit Fingerfarben bemalt habt - und dasselbe mit Filzstift am Nachbarhund ausprobiert. Ich habe so den Eindruck, die Eltern, die so ein "Event" buchen, sind auch dieselben, die ihren Kindern zum Geburtstag ein Kätzchen schenken, um es bei der nächsten Urlaubsfahrt am Straßenrand auszusetzen. Die ihren Kindern vermitteln, dass man jedes Tier ungefragt antatschen darf und dass man in Gegenwart eines jeden Tieres herumrennen und kreischen darf, wie es einem beliebt - und wenn sich ein Tier mal zur Wehr setzt, wird ihm die Schuld zugeschoben. Auch in besagter Facebook-Gruppe schrieben Leute, die beruflich mit Pferden zu tun haben, dass eine solche Handhabe für die erste Kontaktaufnahme mit einem Pferd gar nicht geeignet ist, weil man ein gewisses Basiswissen braucht, um mit diesen Tieren adäquat umzugehen.
Mein Fazit ist: Egal ob es für das Tier jetzt eine Qual ist oder nicht, ich finde diese Art und Weise, Kinder zu bespaßen, eher unpassend - auch wenn es natürlich auf die Rahmenbedingungen ankommt. Aber der Eindruck, den ich durch die zweifellos eher dürftige Auswahl an Quellen gewonnen habe, vermittelt mir nun mal nicht, dass Kindern hier der angemessene Umgang mit Tieren beigebracht wird, sondern dass es ausschließlich um Spaß geht - und den kann man doch auch mit einem Holz- oder Papppferd haben. Warum muss man denn immer aus allem ein "Event" machen, wenn man sich hinterher doch immer beschwert, dass Kinder heutzutage nicht mehr selbst kreativ werden können? Wäre es nicht angemessen, ab und zu ein wenig bescheidener zu sein? Aber ja, da ich weder Mutter bin noch ein Tier halte, ist meine Meinung natürlich nichts wert - wenn ihr so denkt, dann vergesst das Ganze am besten gleich wieder. Wenn nicht, dann betrachtet es als einfachen Denkanstoß von einer Person, die weiß, dass ihre Meinung nur eine von vielen ist, was aber nicht heißt, dass sie generell unter Verschluss gehalten werden muss. In diesem Sinne passend zur Urlaubszeit: Bon voyage!
vousvoyez
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