Samstag, 18. April 2020

Rennt a Sau um die Ecken und ist weg

(c) vousvoyez
Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber mir fällt auf, dass ein Teil meiner Kindheit und Jugend von verschiedenen Witz-Phasen geprägt war - wenn ich ihn kategorisieren müsste, würde ich sagen, er begann in der Grundschule und zog sich bis hinein ins Unterstufengymnasium. Anfangs waren es ganz harmlose Witze, bevorzugt von Tieren oder sowas wie den Bananen-Witz, über den ich in einem anderen Artikel schon geschrieben habe. Dieser Phase folgten Zeiten, wo wir uns Witze über Blondinen, Leprakranke, Kärntner, Burgenländer oder Ostfriesen erzählten. Und natürlich gab es immer auch Witze mit aktuellem Bezug - beispielsweise über Franz Fuchs, Prinzessin Diana oder auch das Grubenunglück von Lassing, über das es damals unfassbar viele Witze gab. Natürlich gibt es auch etliche Witze, die sehr gut recyclebar sind - die Witze, die man sich zur Zeit von George W. Bush erzählte, sind beispielsweise noch weitaus besser auf Donald Trump anwendbar, andere Witze tauchen sowohl bei den Ostfriesen als auch bei den Kärntnern oder Blondinen wieder auf, und vor nicht allzu langer Zeit habe ich entdeckt, dass die alten Äthiopier-Witze, die vor allem auf die Magerkeit des Großteils der Bewohner dieses afrikanischen Landes anspielen, auch von vielen Anorektikern angewendet werden, um sich über sich selbst lustig zu machen. Die vorliegende Weisheit stammt aus der Anti-Witz-Phase, die bei mir altersmäßig in die Zeit zwischen Kindheit und Pubertät fällt - jene Witze, die zwar mit den bekannten Mustern spielen, diese aber meist ad absurdum führen. Ich schätze die Anti-Witze im Prinzip bis heute, aber es liegt in der Natur des Witzes, dass er, zu oft erzählt, irgendwann einmal ausgereizt ist. Besonders nervig sind ja beispielsweise die Leute, die sich ewig und drei Tage über ein und denselben Witz amüsieren können - und ich hatte einen Lehrer, der ein ganzes Schuljahr lang nur über diesen einen Witz gelacht hat.

Ich persönlich habe immer gern Witze gehört, gesammelt und weitererzählt - da ich ein einigermaßen gutes Gedächtnis habe und recht gut erzählen kann, war das jahrelang eine bevorzugte Strategie, um bei anderen Anerkennung zu finden, etwas, das mir besonders in jungen Jahren nicht sehr leicht fiel. Vor allem aber auch, weil mich Humor immer schon interessiert hat - ich lache gern, ich habe einen Partner, der auch so ist und ich finde es spannend, worüber einzelne Menschen zu bestimmten Zeiten und auch in bestimmten Kulturen so lachen. Bei uns in Österreich behauptet man ja ab und an sehr gern, dass unsere geliebten Nachbarn, die Deutschen, keinen Humor besäßen - damit täte man jedoch vielen großartigen Humoristen, die unser "großer Bruder" hervorgebracht hat, gewaltig Unrecht. Und dieser Meinung bin nicht nur ich allein. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mit einer gewissen Art des deutschen Humors nicht viel anfangen kann - viele Deutsche allerdings auch nicht. So gehöre ich beispielsweise zu all jenen, die nicht verstehen können, wie Mario Barth ein so großes Publikum haben kann, obgleich ich ihn überhaupt nicht witzig finde. Aber das kann man jetzt nicht unbedingt nur daran festmachen, dass er Deutscher ist - Werner Schneyder war Österreicher, und seine Kabarett-Auftritte lösten bei mir lediglich ein gewaltiges Gähnen aus. Trotzdem gab es Leute, die sich diese angeschaut haben. Ich habe auch erfahren, dass er privat ein ganz netter Typ gewesen sein soll - das mag ja auch sein, was ich an ihm nicht leiden konnte, war lediglich die Kunstfigur. Vielleicht ist ja auch der Herr Mario Barth privat weitaus verträglicher als auf der Bühne.

Es ist wohl bezeichnend, dass meine erste Lieblingsband oftmals als reine Klamauk-Gruppe verschrien war, auch wenn ihre Texte durchaus gesellschaftskritisch waren und deshalb auch häufig von Radiosendern boykottiert wurden - mit fünf Jahren konnte ich praktisch jedes Lied des Albums Nepomuks Rache der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV) auswendig mitsingen. Erst Jahre später wurde mir mit Schrecken bewusst, was ich unschuldiges kleines Mädchen da eigentlich gesungen hatte, als ich den Song Samurai wieder hörte, der sich humoristisch-kritisch mit dem Sextourismus in Südostasien auseinandersetzt, oder die Single Burli, in der es um die möglichen Missbildungen eines Kindes nach dem GAU eines Kernkraftwerks geht. Ein paar Jahre später erzählte mir ein befreundetes Ehepaar, dass sie aufgehört hätten, zu Hause Reggae-Songs zu spielen, nachdem ihr kleiner Sohn im Kindergarten angefangen hatte, Ganja Farmer zu singen.

Wie die meisten Kinder meiner Generation, so wuchs auch ich mit Otto Waalkes auf. Wir hatten zu Hause Videos, Schallplatten, Kassetten und CDs, und das meiste konnte ich auswendig und plapperte es bei jeder Gelegenheit vor mich hin. Eine beliebte Nummer in meiner Schule war meine Interpretation von "Susi Sorglos", mit elf Jahren war ich sogar mal bei einer seiner Live-Shows. Eine Zeit lang habe ich das Interesse an ihm verloren, weil er allmählich begann, sich zu wiederholen, aber seit ich sein Buch gelesen habe und weiß, dass er sich mit diesen Auftritten körperlich und geistig fit hält und immer noch Freude daran hat, kann ich auch das akzeptieren. Zumindest war er der erste, bei dem mir auffiel, dass er wie kein anderer sein Publikum vollkommen in der Hand hatte - Jahre später besuchte ich einen Live-Abend von Alf Poier, von dem ich ebenfalls ein großer Fan war und der auch in einem ausverkauften Saal spielte, aber ich musste feststellen, dass er sein Publikum nicht so leicht wie Otto dazu bewegen konnte, praktisch jeden Scheiß mitzumachen. Neben Otto mochte ich auch Loriot, der natürlich mit weitaus feinerer Klinge operierte, dessen Humor jedoch dadurch, dass man ihn mit einem gewissen Maß an Aufmerksamkeit in den alltäglichsten Situationen wiederfindet, vollkommen zeitlos ist. Zu meinem Bedauern muss ich jedoch gestehen, dass ich den großen Hape Kerkeling erst viel zu spät richtig für mich entdeckte. Womit ich nie was anfangen konnte, waren diese typischen Zirkusclowns - das ist mir nach wie vor viel zu übertrieben. Ich habe ja schon einmal angemerkt, dass es einen Grund hat, warum gerade große Humoristen wie eben Loriot meist ein eher seriöses Auftreten haben - weil Humor dieser äußere Korrektheit natürlich noch mehr ad absurdum führt. Und natürlich wissen die Aufmerksameren unter meinen Lesern, dass Fasching und Karneval für mich eine Zeit des Grauens sind.

Die 1980er und 1990er Jahre waren in Sachen österreichischen Humor eine sehr fruchtbare Zeit - in den 80ern kämpften sich viele junge, talentierte Kabarettisten auf die Bühnen dieses Landes und wurden im Laufe der 90er auch über die Grenzen unseres Landes hinaus berühmt. Die einen erlangten ihren Ruhm als Teil einer Gruppe, beispielsweise Alfred Dorfer, Roland Düringer und Andrea Händler durch "Schlabbarett", die anderen als Einzelkämpfer, etwa Josef Hader oder Andreas Vitásek. Viele von ihnen waren und sind auch sehr erfolgreich als Autoren, Regisseure und Schauspieler, und das völlig zu Recht - Düringer behauptete immer, er habe in Filmen und Serien nur sich selbst gespielt, aber wenn ich mir ansehe, welche Rollen er bereits verkörpert hat, dann erkenne ich eine große Wandlungsfähigkeit, die weitaus mehr ist als nur "sich selbst spielen", wie es beispielsweise ein Klaus Kinski größtenteils praktiziert hat, der ja in erster Linie als Schauspieler bekannt ist. In den 90ern war ich auch sehr empfänglich für den minimalistischen Humor von Fernsehsendungen wie Monte Video oder Projekt X, der jedoch weitaus nicht jedermanns Sache ist, und ich muss sagen, ja, ich kann das schon irgendwie verstehen, denn besonders Projekt X ist teilweise schon ziemlich langweilig, da das meiste improvisiert ist. Heutzutage würde man solche Aufnahmen wohl effektiv zusammenschneiden, um aus diesen langatmigen Sketches das Beste herauszuholen, aber ich glaube, damals war das so ein Ding wie diese Found-Footage-Filme, über die ich an anderer Stelle schon gesprochen habe. Sehr ähnlich waren auch die frühen Sachen von Stermann und Grissemann, die ich damals einfach nur extrem nervig fand, während ich ihre aktuelle Sendung Willkommen Österreich richtig cool finde und unheimlich gern sehe. Vor allem auch, weil ich immer auf den Auftritt der Gruppe maschek warte.

Eine Phase, die wohl jeder Teenager, der heute so alt ist wie ich, einst durchlebte, war die, wo man nahezu süchtig war nach dem subversiven Humor der Monty Pythons. Mittlerweile kann ich The Life of Brian zumindest in der deutschen Version praktisch einwandfrei auswendig mitsprechen, und wenn ich was zu lachen brauche, schaue ich nach wie vor gerne Sketches aus Monty Python's Flying Circus, allen voran natürlich den Restaurant-Sketch mit der schmutzigen Gabel, aber auch die Trottel-Olympiade und die von John Cleese einst so perfektionierten "Silly Walks". Auf diese Weise habe ich auch Zugang zu den Beatles gefunden - durch ihre ersten beiden sehr lustigen Filme, die in bester englischer Slapstick-Manier auch nach über einem halben Jahrhundert noch Spaß machen, selbst wenn man kein Fan von Sixties-Musik ist. Obwohl mein Lieblings-Beatles-Film natürlich Yellow Submarine ist, weil ich die Zeichnungen und Ideen einfach großartig finde und der Stil mich an den Monty-Pythons-Zeichner Terry Gilliam erinnert. Bei den beiden Stiefkindern der Beatles-Filmographie, Magical Mystery Tour und Let It Be, braucht man allerdings sehr gute Nerven - ich würde sie mir wohl nicht noch einmal anschauen.

Ja, wenn es um Humor geht, ist ab und an auch Subversion oder gar Provokation erlaubt. Zu den Witz-Phasen in meinem Leben gehörten natürlich auch sexuelle Witze, besonders beliebt in der Zeit, nachdem man aufgeklärt war. Ich habe, glaube ich, bereits erwähnt, dass man in meiner Kindheit im ersten Jahr der weiterführenden Schule, also Hauptschule oder Gymnasium, offiziell aufgeklärt wurde, dass man im Prinzip aber alles schon vorher wusste. Ich wurde im Grundschulalter in meinem Freundeskreis aufgeklärt - genauer gesagt von einem zwei Jahre jüngeren Freund, wie ich zu meiner unendlichen Schande gestehen muss. Natürlich war, bevor die Pubertät voll zuschlug, das Thema Sex für uns alle noch ziemlich abstrakt und auch etwas unheimlich, und um mit diesem Gefühl der Scham und auch Angst umgehen zu können, haben wir uns gegenseitig Sex-Witze erzählt, auch wenn wir nicht alles sofort verstanden haben, aber das war egal, Hauptsache sie waren schön eklig. Überhaupt waren Ekel-Witze eine Zeit lang natürlich DAS große Ding, allen voran die "Gusch-Bua"-Witze: "Papa, i mag keine blauen Spaghetti!" - "Gusch, Bua, die Krampfadern von der Oma müssen g'essen werden!"Auf diese Weise kam ich auch von den Simpsons, deren frühe Folgen ja noch weitaus bösartiger waren als die heutigen, über South Park bis zu Happy Tree Friends, Serien, an denen ich sanftmütiges Wesen immer noch meinen Spaß habe, wenn ich in der richtigen Stimmung bin.

Und jetzt muss ich etwas gestehen: Ich habe in einem anderen Artikel geschrieben, dass ich als Mittdreißigerin mit Influencern nichts anfangen kann - das stimmt allerdings nicht so ganz. Klar, diese tollen Instagram-Models mit ihren gephotoshoppten und gestellten Bildern, die klickgeilen Trash-YouTuber und die Let's-Plays gehen mir allesamt am Allerwertesten vorbei, aber ich denke nicht, dass das anders wäre, wäre ich zehn oder zwanzig Jahre jünger. Ich habe schließlich auch nie davon geträumt, Model zu werden, und das einzige Supermodel, das ich je als Vorbild betrachtet habe, war Waris Dirie, und das bestimmt nicht wegen ihrer tollen Von-der-Wüste-auf-die-Laufstege-Karriere. Und ja, ich habe einen Instagram-Account, aber ich werde euch ganz bestimmt nicht anbetteln, mir zu folgen, zumal dieser für all die coolen Insta-Stars wohl der langweiligste Account aller Zeiten ist - zu den Höhepunkten gehörte, dass ich bei meinem letzten Urlaub quasi im Minutentakt kryptische Fotos hochgeladen habe, einfach nur, weil mir das weitaus mehr Spaß gemacht hat, als auf Likes zu warten, und dass ich letzte Woche aus lauter Langeweile Fotos von meiner Plüsch-Spinne gemacht habe, als ich sie gerade wusch. Ich liebe aber Parodien und humoristische Videos auf YouTube, beispielsweise die von Florian Heider oder auch Michael Buchinger. Ich entdecke immer mehr, dass in dieser etwas neueren Form der medialen Unterhaltung (als "ganz neu" kann man eine fast 20 Jahre alte Plattform nun wirklich nicht mehr bezeichnen), obwohl sie leider auch immer mehr von Trash-Formaten entdeckt wird und YouTube in seiner Art des Löschens und Demonetarisierens schon fast so undurchsichtig ist wie Facebook, für viele junge oder auch nicht mehr ganz so junge Leute eine verhältnismäßig unkomplizierte Chance bietet, ihre Ideen mit anderen zu teilen. Vor allem aber freue ich mich immer wieder darüber, Leute mit Potenzial zu entdecken. Seit das Fernsehen nicht mehr so experimentierfreudig ist wie beispielsweise in den 1970ern, brauchen talentierte Menschen andere Plattformen, auf denen sie sich ausdrücken können, damit wir alte Muster durchbrechen und neue Talente entdecken können. Und ich persönlich hoffe, dass es in Zukunft noch viele, viele mir bis dato noch unbekannte Personen geben wird, die mir den Tag versüßen - besonders an Tagen wie diesen, wo einem die Zeit bisweilen etwas lang wird.

vousvoyez

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