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Halt, halt, halt, nicht weglaufen, war nur ein Witz! Eine Freundin (die mit den Amerikaner-Witzen) hat mir übrigens erzählt, dass eine Brieffreundin ihr immer auf diese Weise schrieb: "Liebe E, wie geht es dir, mir geht es gut. Oh, ich muss jetzt Schluss machen, meine Mama kocht gerade das Essen und ich muss ihr helfen. Bis zum nächsten Mal!" Wie ihr ja wisst, bin ich schon
Andererseits sind die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten heutzutage in Zeiten wie diesen natürlich ein Segen. Hätte es vor 20 oder gar 30 Jahren einen vergleichbaren Lockdown gegeben, dann würden wir heute ganz schön blöd aus der Wäsche schauen - wobei das viele gedankenlose Herumreisen wohl auch ein wenig zu einer Situation wie heute beigetragen hat, aber das ist eine andere Geschichte. Ich persönlich halte es normalerweise so: Zu Hause bin ich vergleichsweise viel im Internet, aber dafür bleibt es auch zu Hause - draußen nutze ich es fast nicht. In der gegenwärtigen Situation bin ich allerdings ziemlich viel zu Hause, was natürlich heißt, dass ich auch weitaus mehr online bin als sonst. Das hat seine Vorteile, denn ich habe hier nicht nur Kontakt mit Leuten, die ich aktuell nicht sehen kann, sondern auch neue Freundschaften geschlossen. Der Nachteil ist jedoch, dass mir hier weitaus mehr Leute begegnen, die mich wahnsinnig anzipfen, wie wir in Österreich sagen, auf Deutsch, die mir auf die Nerven gehen. Und deswegen möchte ich heute mal genau über diese Eierer (Nervensägen) sprechen! Wahrscheinlich war es auch nicht das letzte Mal. Im übrigen möchte ich anmerken, dass ich vieles absichtlich überspitzt formuliert wurde - das nur, damit sich niemand von euch, liebe Leser und Innen, auf den Schlips getreten fühlt.
Top-Eierer Numero 1: Früher war alles besser
Oh ja, wer kennt sie nicht! Der natürliche Lebensraum dieser Spezies sind zwar die Nostalgie-Gruppen, aber mittlerweile breiten sie sich überall in den sozialen Netzwerken aus. Ihre Message ist einfach: Die heutige Zeit ist blöd, die frühere war viel besser, es gab keine psychischen Krankheiten, keine Allergien und Unverträglichkeiten, Masern und Röteln waren vollkommen harmlos, die Kinder haben den ganzen Tag draußen gespielt und überhaupt gar nie ferngesehen oder mit der Spielkonsole gespielt, außerdem waren sie besser erzogen, weil sie jeden Tag ihre wohlverdienten Prügel mit Kochlöffel, Teppichklopfer oder Gürtel bekommen haben, und das hat auch nicht geschadet, ebenso wenig, wie es geschadet hat, dass Babys zeitweise mit Alkohol ruhig gestellt wurden, die Jugend hatte noch Respekt vor Älteren und hat ihre Lebensmodelle nicht in Frage gestellt, die Mode war schöner, die Musik besser, die Fernsehsendungen intelligenter, die Ausländer waren im Ausland, die Väter konnten mit ihrem Gehalt als einfacher Arbeiter eine Luxusvilla und Urlaub in der Karibik finanzieren, während die Mutter ihre Erfüllung noch darin sah, zu kochen, zu putzen und die Kinder zu hüten, wie es sich gehört, mit zehn Euro konnte man einen ganzen Einkaufswagen füllen und überhaupt gab es damals den bösen Euro noch gar nicht, sondern nur die liebe D-Mark und den braven Schilling. Vor allem aber hatten wir damals keine Smartphones! Denn das Smartphone ist selbstverständlich die Wurzel allen Übels, wie Top-Eierer Numero 1 mittels seines neuen iPhone, Samsung Galaxy oder Sony Xperia ganz aufgeregt auf Facebook postet. Auf den Hinweis, dass nicht die Kinder, sondern deren Eltern die Smartphones kaufen, wird gern lamentiert, dass man gezwungen sei, seinem Fünfjährigen das neueste iPhone zu kaufen, weil er sonst von den anderen Kindern gemobbt wird. Beliebte Memes von Top-Eierer Numero 1 sind etwa spielende Kinder mit Bildunterschriften wie "Kindheit ohne Elektronik - ich war dabei!" oder "Kinder von heute kennen das nicht mehr". Oder auch das Bild, das erklärte, früher hätte es keine Lactose- und Fructose-Intoleranz gegeben und es sei gegessen worden, was auf den Tisch kommt. Gerne geilen sie sich auch gegenseitig auf mit Berichten darüber, wie schlimm und mit welchen Gegenständen sie verprügelt worden seien, dass ihnen das überhaupt nicht geschadet hätte und dass das der heutigen Jugend auch ganz gut tun würde. Lustig dabei: Ein paar Posts unter dem Meme mit den spielenden Kindern wird dann meist davon geschwärmt, wie viel besser die Videospiele und Fernsehsendungen früher doch waren - ich dachte, wir hätten damals nur draußen gespielt? Und dieselben, die schreiben, dass ihnen ihre gewaltsame Erziehung ja überhaupt nicht geschadet hätte und dass die heutige Jugend keinen Respekt mehr habe, sind oft auch die, die am lautesten pöbeln, wenn es um "diese Jugend" geht, und das meist auch auf auffallend unterirdische Art und Weise. Das Problem ist, dass viele "Respekt" mit Unterwürfigkeit und bedingungslosem Gehorsam verwechseln und deswegen nicht damit zurechtkommen, dass junge Leute die alten Wertigkeiten in Frage zu stellen. Abgesehen davon möchte ich anmerken, dass Menschen, die immer nur tun, was man ihnen sagt, leichter zu kontrollieren und zu manipulieren sind. Liebe Top-Eierer Numero 1, kann es möglicherweise sein, dass das Problem nicht die Jugend ist, sondern ihr selbst?
Top-Eierer Numero 2: Supermamis
Mütter eines hochbegabten Indigo-Wunderkindes müssen der Welt rund um die Uhr beweisen, dass ihr zukünftiger Messias etwas ganz Besonderes ist und viel besser als alle anderen. Sie betteln auf Social Media laufend darum, dass andere die Hochbegabung des Schneeflöckchens bestätigen; IQ-Tests müssen so oft wiederholt werden, bis das Ergebnis stimmt, und wenn das nicht zustande kommt, ist derjenige schuld, der den Test durchgeführt hat; schon vor dem Schuleintritt wird sichergestellt, dass Klein-Jerome und Klein-Elsa auf Drittklässer-Niveau Lesen, Schreiben und Rechnen lernt und wenn das Kind mal aufbegehrt, Verhaltensauffälligkeiten zeigt, die Teilnahme am Unterricht verweigert oder die Noten unterdurchschnittlich sind, liegt es selbstverständlich nur daran, dass der zukünftige Einstein angesichts des profanen Unterricht und der Gewöhnlichkeit seiner gleichaltrigen Klassenkameraden völlig unterfordert ist. Und dass die Lehrer ganz einfach zu dumm sind, als dass sie ihr Universalgenie adäquat darauf vorbereiten könnten, die Welt zu retten. Auffallend ist, dass solche Mütter in Sachen Intelligenz selbst eher selten der große Wurf sind - und dass sie ihren süßen Wonneproppen meist für den ultimativen Beweis ihrer Daseinsberechtigung halten. Die großen Verlierer einer solchen virtuellen Nabelschau sind allerdings die Kinder selbst - denn diese sind ständig dem Druck ausgesetzt, der Welt zu beweisen, wie besonders sie doch sind. Vor allem aber will mir nicht in den Kopf, warum man nicht einfach das Kind lieben kann, das man hat anstatt das, das man gern hätte. Kinder sind nun mal bereits von Geburt an eigenständige Menschen und kein Klumpen Knetmasse, den man nach Belieben zu etwas formen kann, das einem gefällt. Liebe Eierer Numero 2: Nehmt doch euer Kind um Gottes willen als den Menschen an, der es ist, anstatt es mit Gewalt in eine Schablone pressen zu wollen, in die es nicht passt!
Top-Eierer Numero 3: Mimimimimi, ich bin ja so arm!
Diese Unterart unserer Spezies ist felsenfest davon überzeugt, dass nur ihresgleichen Mitleid verdient hat. Meist ist sie männlich, kaukasischer Abstammung (also "weiß"), deutschsprachig (also aus Deutschland oder Österreich), übergewichtig und nicht mehr ganz jung. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, auf dem Sofa zu sitzen, RTL oder ATV zu schauen, Boulevard-Zeitungen zu lesen und sich über alles aufzuregen, was nicht ihrer Lebenswelt entspricht: Flüchtlinge bzw. Minderheiten, Klimaschutz-Demonstranten, Obdachlose, berufstätige Frauen, Politiker, die nicht rechts sind - all diese Leute sind Quell der Angst, ihre Vormachtstellung zu verlieren, die ihrer Meinung nach gottgegeben ist und also auch nicht in Frage gestellt werden darf. Geschieht das doch, ziehen sie sich mangels besserer Möglichkeiten in den Schmollwinkel zurück und beschweren sich unablässig darüber, dass die Ausländer durch die linksgrünversiffte Regierung doch so viel mehr kriegen als sie, dass die Jugend ihnen ihre Annehmlichkeiten streitig machen will, dass man sich für die faulen Schmarotzer krumm machen müsste, die von Steuergeldern leben, dass die Menschheit ausstirbt, weil alle schwul bzw. lesbisch werden und dass die Frau ihre Lebensaufgabe nicht mehr ausschließlich als Haussklavin und Gebärmaschine begreift. Und als ob das nicht schon schlimm genug, sind es auch noch immer die anderen, die von der Allgemeinheit bedauert werden! Das ist ungerecht! Liebe Top-Eierer Numero 3, bitte fragt euch mal, warum ihr mit eurem Leben so unzufrieden seid und ob tatsächlich immer nur die anderen daran schuld sind.
Top-Eierer Numero 4: Die selber denkenden Kritiker
Sie bilden ja bekanntlich mit die Essenz meines Blogs: Die Aufgewachten jenseits des Mainstreams, die nichts glauben, außer ein anonymer Typ im Internet erzählt es ihnen. Sie denken, dass sie im Gegensatz zu allen anderen, die blind der Herde hinterherlaufen und vor "denen da oben" den Kotau machen, aufgewacht sind und als einzige die absolute Wahrheit kennen. Sie verschließen sich jeder Vernunft und sehen jede Kritik als Beweis dafür, dass ihr Gegenüber in Wirklichkeit "der Feind" ist, den es zu bekämpfen gilt. Sie haben sich mittels ein paar dubioser Videos weitergebildet, wissen mittels ein paar Büchern vom Kopp-Verlag besser Bescheid als all diejenigen, die ihr Fachgebiet jahrelang studiert und sich über Jahrzehnte mit der Materie beschäftigt haben und müssen durch ihr Verhalten überall preisgeben, dass sie Absolventen der Universität zu Youtubingen sind. Auf Gegenargumente, die ihre steilen Thesen widerlegen, wird gar nicht eingegangen. Stattdessen beten sie immer wieder dasselbe runter, oder sie fangen an, ihr Gegenüber persönlich zu beleidigen - hast du kein Profilbild, bist du zu feige, dein Gesicht zu zeigen; hast du ein Profilbild, bist du hässlich; gibst du nicht dein halbes Leben preis, bist du untervögelt; oder du bist sowieso Fake oder ein Troll oder wirst von "denen" bezahlt. So oft, wie mir das schon vorgeworfen wurde, bin ich schwerst empört darüber, dass ich von dem vielen Geld, das ich angeblich bekommen soll, noch nie etwas gesehen habe. Ich muss auch zugeben, es ist zeitweise recht witzig, mal den einen oder anderen Aluhut-Träger herauszufordern, aber irgendwann ist es dann halt auch genug, und man muss sich zurückziehen, um seine persönlichen Grenzen nicht überzustrapazieren. Liebe Top-Eierer Numero 4: Man ist nichts Besonderes, nur weil man es am lautesten schreit!
Top-Eierer Numero 5: Social-Media-Tourette in der untersten Schublade
Diese Spezies kann mit Widerspruch und Kritik, wenn überhaupt, nur extrem schwer umgehen. Sie ist maßgeblich beteiligt an der zunehmenden sprachlichen Verrohung in der virtuellen Kommunikation. Die meisten von ihnen sind natürlich dem rechtsradikalen Sektor und/oder den Verschwörungsgläubigen zuzuordnen, aber es gibt auch immer mehr Neutrale oder gar Gegner, die sich dieser bisweilen menschenverachtenden Sprache bedienen - egal, wo man ist, fast überall wird man mit sprachlichen Entgleisungen konfrontiert, und das Schlimme daran ist, dass viele Jugendliche das bereits nachmachen und dabei häufig noch weitaus mehr aufdrehen. Während Frauen schnell mal zickig werden, wenn man ihnen nicht recht gibt und in diesem Zustand auch extrem leicht zu triggern sind, müssen Männer meist ihren Alpha-Status beweisen und plustern sich auf wie Kampfhähne; sind sie mit einer Frau konfrontiert, neigen sie meist dazu, ihr jegliche Kompetenz abzusprechen und untegriffig zu werden.Für viele Top-Eierer Numero 5 reicht ein Blick in dein (auf "Privat" gestelltes) Social-Media-Profil, um dir ganz genau deine Intelligenz, dein Leben und deinen Charakter erklären zu können. Wenn's ganz blöd kommt, werden Männern Schläge angedroht und Frauen Vergewaltigungen gewünscht, im schlimmsten Fall gibt es Aufrufe zum Suizid oder gar Morddrohungen - sowohl öffentlich oder via privater Nachricht. Wobei ich betonen muss, das Morddrohungen und dergleichen bereits strafrechtlich relevant sind - vor allem aber möchte ich anmerken, dass man nicht abschätzen kann, ob Worten nicht möglicherweise Taten folgen. Der Grund für diese überbordende Feindseligkeit ist sicher vielfältig - ich bin mir aber sicher, es hat in erster Linie damit zu tun, dass es etwas anderes ist, ein Social-Media-Profil vor sich zu haben, als dem Menschen, der dahinter steckt, gegenüberzustehen. Darüber hinaus werde ich das Gefühl nicht los, dass sich viele im Internet immer noch für "anonym" und unantastbar halten, obwohl wir in Wirklichkeit doch alle wissen, dass das nicht so ist. Liebe Top-Eierer Numero 5: Seid ihr in eurem privaten Umfeld eigentlich auch so bemerkenswert unsympathisch, oder nutzt ihr euer Social-Media-Ich vielleicht dazu, um eure aufgestauten Frustrationen endlich ausleben zu können, da ihr im realen Leben den Mund nicht aufbekommt?
Mir ist natürlich bewusst, dass die Liste nerviger Personen, sowohl online als auch in der Welt da draußen, weitaus länger ist als das, was ich hier vorstelle. Deswegen spiele ich mit dem Gedanken, sie bei Gelegenheit noch mal zu erweitern - wenn das Bedürfnis irgendwann mal wieder da ist. Bisweilen hoffe ich, dass ihr an dieser meiner großen Empörung auch noch ein wenig Spaß habt und wünsche euch, dass ihr die restliche Selbstisolations-Zeit einigermaßen gut übersteht - und natürlich auch, dass ihr gesund bleibt und wir eines Tages wieder Gruppenkuscheln veranstalten können! Bis zum nächsten Mal!
vousvoyez
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