Ich habe glückliche und traurige Erinnerungen, aber ich bin auch niemand, der - abgesehen von Büchern - allzu viele materielle Erinnerungen an die Vergangenheit braucht. Ich freue mich heute darüber, wenn ich Fotos sehe von Dingen, die ich früher kannte und die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Und um mich an geliebte Menschen zu erinnern, brauche ich nicht unbedingt viele Fotos. Trotzdem freue ich mich, ab und zu alte Fotos zu sehen. Mittlerweile machen mich aber viele auch traurig. Manchmal ist das auch notwendig, aber eben nicht immer.
Zurück zum Herrn Feng Shui. Ich muss ganz ehrlich sagen, was diese Bewegung an Windspielen, bunten Steinen und Duftkerzen in unsere Wohnbereiche gebracht hat, war nicht immer ganz nach meinem Geschmack. Ich hatte als junges Mädchen einen Freund, der in einer Wohngemeinschaft lebte, und das Windspiel auf dem Balkon raubte mir nachts oft den Schlaf. Da gab es ja auch noch diese Stein-Kulte, die hatten nicht alle mit Feng Shui zu tun, waren aber manchmal etwas kryptisch.
Als Kind und Jugendliche verbrachte ich einige schöne Sommer am Weißensee in Kärnten; in den ersten Jahren wohnte ich mit meinen Eltern und einer befreundeten Familie in einem großen Hotel auf einer Anhöhe, das einen malerischen Blick auf den See bot. Der Besitzer hatte jedes Jahr neue Ideen, wie er seine Gäste unterhalten konnte, und griff dabei verschiedene Trends auf. So war einmal eine Dame dort, die irgend einer esoterischen Bewegung angehörte und über die heilende Wirkung verschiedener Mineralien referierte. Mein Vater als erfahrener Juwelier warf nur einen Blick auf ihre Steine und sagte mit stoischer Ruhe: "Alle falsch!" Trotzdem schienen viele von dem Fachwissen der Dame (die passenderweise Hermine hieß) beeindruckt zu sein, jedenfalls lief ihr Geschäft gut. Wir Kinder gingen oft in jenen Raum, in dem ihre Steine aufbewahrt wurden, und bestaunten sie. Sie regten unsere Phantasie an; von dem Gerede der Dame verstanden wir sowieso noch weniger als die Erwachsenen. Jahre später hat mir eine Freundin, die damals auch mit ihren Eltern dort war, erzählt, dass ihre Mutter zwei Ketten aus diesen Steinen gekauft hat - eine für sich und eine für ihre Tochter. Die eine riss nach kurzer Zeit, die zweite verlor ihre Farbe.
Diese kleine Anekdote ist ein Beispiel dafür, dass ich bestimmten Lehren skeptisch gegenüberstehe - zumindest in ihrer westlichen Ausrichtung. Hier bei uns besitzen die meisten Vertreter dieser Lehren ein solides Halbwissen, mit dem sie weniger Informierte zu beeindrucken versuchen, um an ihr Geld zu kommen. Aber nur selten ist es möglich, das Wissen von Philosophien und Lehren so zu verinnerlichen, wie es vor Ort geschieht; immerhin haben wir gänzlich andere Traditionen. Dies zeigt auch schon der Titel dieses Artikels - es ist eine Reaktion auf dieses Halbwissen, das Regeln stur befolgt, auch wenn sie in einem bestimmten Zusammenhang völlig sinnlos erscheinen. Und es ist gut, dass es auch Leute gibt, die ab und zu widersprechen.
In diesem Sinne, gebraucht euren Verstand!
vousvoyez
Toll! Hat mich an die verschiedenen Etappen meines Lebens erinnert... Damals habe ich das fast 1:1 mitgemacht - besonders die Feng Shui und Heilstein Phase. Warum nur - vermisse ich das jetzt nicht? Warum nur - geht es mir jetzt besser als zu dieser Zeit?
AntwortenLöschenAch ja....! *zwinker* Heute benutze ich den Verstand *smile*