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Meine Tante hat vor Jahren übrigens erzählt, dass sie schon im September Weihnachtsgeschenke kauft, um dem Ansturm im Dezember zu entkommen ... und wohl auch, um die Dauerberieselung von Weihnachtsliedern ein wenig einzuschränken. Übrigens habe ich im letzten Jahr verdächtig selten Last Christmas gehört. Vielleicht haben die Radio-DJs selbst schon genug davon. Mein erster Gedanke zum plötzlichen Tod von George Michael war, offen gestanden, ein bisschen böse: Vielleicht wollte er vermeiden, dass er nächste Weihnachten schon wieder sein Lied hören musste?
Sehr schön finde ich auch das Recyceln von Festtagssüßigkeiten. Eine ehemalige Studienkollegin bekam beispielsweise zu Silvester ein Schokoladenschwein geschenkt - das sich beim Auswickeln als Osterküken entpuppte, das einfach in ein anderes Stanniolpapier gepackt worden war. Ich habe auch schon tatsächlich beim Billa "Weihnachtshasen" entdeckt - Schoko-Osterhasen, denen man Weihnachtsmannmützen aufgesetzt hatte.
Geben wir es doch offen zu - Feste wie Weihnachten sind heute nicht mehr religiös motiviert. Sie sind lediglich ein Anreiz, um die eigenen Kinder unter möglichst viel Spielzeug zu vergraben - "Sondermüll", wie mein Bruder früher ironisch bemerkte. Weihnachten ist Teil unserer Tradition, aber wir feiern nicht mehr die Geburt Christi. Nun gut, das muss auch nicht unbedingt sein. Sowohl Weihnachtsbaum als auch Osterhase sind Relikte heidnischer Traditionen - so wie auch beispielsweise das persische Nourouz-Fest, das auf zoroastrische - also vor-islamische - Zeiten zurückgeht. Selbst in dem von der Islamischen Revolution 1979 geprägten Land scheint es auch heute noch einen hohen Stellenwert zu haben.
Es ist ja auch nichts Schlechtes daran, Traditionen zu bewahren, auch wenn man nicht immer um ihre genaue Herkunft und Geschichte Bescheid weiß. Ich finde es aber auch total in Ordnung, dass in öffentlichen Gebäuden keine Kreuze mehr hängen dürfen - schon in meiner Schulzeit war ich der Meinung, dass ein Kreuz in einer öffentlichen, laizistisch ausgelegten Schule, in der Kinder und Jugendliche unterschiedlicher religiöser Prägung unterrichtet werden, nichts zu suchen hat. Demzufolge finde ich auch die Debatte um ein Kopftuch-Verbot in Schulen und bestimmten Berufen nicht falsch - nicht wir müssen uns den Zuwanderern anpassen, sondern umgekehrt. Und wir müssen uns auch an unsere eigenen Gesetze halten - und sie nicht importierten Kulturen unterordnen. Das heißt nicht, dass Angehörige anderer Kulturen diese verleugnen müssen - aber wir müssen auch eine Basis finden, wie wir miteinander leben können. Denn ob es uns gefällt oder nicht: Wir werden damit fertig werden müssen, dass die Zukunft nicht nur von uns "Ursprungs-Österreichern" gestaltet wird, sondern auch von Zuwanderern und ihren Nachkommen. Und wir dürfen uns nicht ewig von unserem schlechten Gewissen leiten lassen, das auf den Verbrechen einer Generation basiert, die langsam aber sicher ausstirbt. Genozid, Rassismus, Ausgrenzung, Hass, Mord und Totschlag, Bürgerkriege und Invasionen sind auch in anderen Ländern passiert. Und sie passieren immer noch. Auch bei uns. Jeden Tag.
Wertvorstellungen und Traditionen sind keine statische Sache - die guten sollen bewahrt, die schlechten verbannt werden, sowohl bei uns als auch in anderen Ländern. Leider passiert das nicht immer. Und leider wird schädigendes Gedankengut aus anderen Ländern auch in unseres importiert - gerade jetzt, wo unsere Gesellschaft im Umbruch begriffen ist. Dem ist entgegenzuwirken, indem wir die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, Jahrhunderte bewahren und ausbauen und uns von denjenigen distanzieren, die ihnen schaden, indem wir voneinander lernen und auf dem Grundsatz des gegenseitigen Geben und Nehmen beharren. Nur so können wir unsere Ideale auch leben.
In diesem Sinne - Toleranz darf keine Einbahnstraße sein!
vousvoyez
*Update 2021: ich bin entsetzt, welch vereinfachtes Weltbild ich vor ein paar Jahren noch hatte
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