Freitag, 1. Dezember 2017

Mein Großvater hatte zwei Gebisse: Eins für zu Hause und eins fürs Finanzamt

(c) vousvoyez
Zugegeben, er war nicht wirklich mein Großvater, sondern der zweite Ehemann meiner Großmutter mütterlicherseits. Mein leiblicher Großvater starb bereits im Alter von 26 Jahren im Zweiten Weltkrieg. Der Stiefvater meiner Mutter bekam zwei Pensionen; jedes Jahr ging er in seinem schäbigsten Anzug, mit einem löchrigen Hut und einem lockeren Gebiss zum Finanzamt, um zu beweisen, dass er auf die beiden Pensionen angewiesen war.

Da die Menschen immer älter werden, sind Zähne mitunter ein ernsthaftes Problem. Daran ist unter anderem aber auch schlechte Ernährung schuld. Was mich zum eigentlichen Thema bringt.

Wir leben ja in einer Zeit, in der Essen nicht allein der Ernährung dient, sondern zu einem Lifestyle geworden ist. Jeder kocht, und jeder ist Anhänger einer bestimmten Ernährungsweise, und jeder Zweite fotografiert sein Essen, um es in den Social Medias zu posten. Ich muss zugeben, ich habe noch nie meine Mahlzeiten auf Facebook gepostet. Vielleicht auch, weil mir bei weitem zu viel anderer Blödsinn einfällt. Und weil jeder Simpsons-Fan weiß, dass man mit Salat keine Freunde findet. Aber letztens feierten wir mit meiner Mutter deren Geburtstag in einem heimischen Restaurant, und ich beobachtete, wie am Nachbartisch zwei junge Herren, bevor sie das Essen auch nur anrührten, ihre vollen Teller eine Ewigkeit mit Spiegelreflex-Kameras fotografierten. Ich denke, als Food-Blogger läuft man Gefahr, zu verhungern, bevor man das richtige Foto gemacht hat.

Aber das Leben ist eben einfach nicht fair. So habe ich beispielsweise einen Arbeitskollegen, der zur Mittagsjause vier mit fettigen Aufstrichen belegte Weckerln verdrücken kann, dabei aber spindeldürr bleibt, während ich manchmal das Gefühl habe, dass ich ein Salatblatt nur anschauen muss, und schon nehme ich einen halben Kilo zu. Die Sache ist nur die: Wenn jemand dick ist, traut sich niemand, etwas über sein Gewicht zu sagen. Wenn jemand dünn ist, glauben alle, sie müssen ihren Senf dazugeben. Der beste Ratschlag ist ja, mehr zu essen. Aber helfen tut das niemandem. Wer trotz hoher Kalorienzufuhr nicht zunimmt, kann sowieso nichts machen. Und Magersüchtige können nicht einfach wieder zu essen anfangen, weil der Körper sich an das Hungern gewöhnt hat - und weil die Krankheit ja suggeriert, dass man zu dick ist, obwohl man nur noch ein Strich in der Landschaft ist. Und überdies finde ich auch, niemanden geht es etwas an, ob der andere zu dick oder zu dünn ist.

Andererseits weigere ich mich aber auch, auf der Trendwelle der Ernährungsreligion mitzuschwimmen. Zugegeben, ich versuche, wenig Fleisch und viel Gemüse zu essen. Aber das Wort "Flexitarier" klingt für mich eher wie irgendeine religiöse Sekte - so wie Frutarier. Ernährung als Lifestyle treibt die kuriosesten Blüten. So gibt es Menschen, die ihre Hunde und Katzen vegan ernähren und auch noch behaupten, das sei völlig natürlich. Und das, obwohl ich noch nie eine Wildkatze Blätter oder Früchte fressen gesehen habe - sie fressen nur Gras, um die Verdauung anzuregen und das, was sie nicht verdauen können, wie Haare oder Knochen, wieder herauszuwürgen. Wie ein erwachsener Mensch sich ernährt, ist seine Sache. Aber Fleisch fressende Tiere vegan zu ernähren, ist für mich Tierquälerei. Wer nicht damit fertig wird, dass ein Hund oder eine Katze Fleisch frisst, soll sich so ein Tier nicht anschaffen. Sich Tierfreund zu nennen und so etwas zu tun, ist nichts als Doppelmoral.

So, das war's dann wieder. Ich hoffe, dass ich bald wieder richtig in Stimmung bin, um eine weitere Bombe an Weisheit platzen lassen zu können.

vousvoyez

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