Mittwoch, 16. Dezember 2020

Zum Hofer geht man nur einkaufen

(c) vousvoyez
Und dass wir bereits bei dieser Weisheit angekommen sind, zeigt, dass das Jahr 2020 zumindest schreibtechnisch eine äußerst produktive Zeit für mich war - klar, was soll man auch sonst tun, wenn man alle paar Wochen gezwungen ist, die Füße stillzuhalten. Die vorliegende Weisheit war eine der vielen, vielen Sätze, die mir im Zuge des Ibiza-Skandals vor gut anderthalb Jahren untergekommen sind. In diesen seligen Tagen gab es so viele großartige Sätze und Weisheiten, dass ich mit dem Mitschreiben gar nicht mehr hinterherkam. Der Titel dieses Artikels bezieht sich auf Norbert Hofer, Bundesparteiobmann der FPÖ, der bereits kurz nach Veröffentlichung des Videos als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Heinz-Christian Strache gehandelt wurde - eine Überlegung, die eine Facebook- oder Twitter-Userin (so genau weiß ich es nicht mehr) zu der Bemerkung veranlasste, dass der Hofer lediglich zum Einkaufen da sei. Gemeint war hier natürlich die Supermarktkette Hofer, die Teil der deutschen Unternehmensgruppe Aldi Süd ist. Als Kind fand ich es übrigens tatsächlich irritierend, dass das Hofer-Logo eher einem A als einem H gleicht - bis ich mitbekam, dass Aldi dasselbe Logo hat. Übrigens gibt es den Hofer mit Aldi-Logo auch in Slowenien.

Nun, ich bleibe dabei, dass ich froh bin, dass wir die FPÖ-Kasperln los sind - auch wenn ich die Art und Weise, wie aktuell bei uns mit der Corona-Pandemie umgegangen wird, als hoch problematisch ansehe. Allerdings kann ich auch nichts anderes tun als einen kühlen Kopf zu bewahren und meine sozialen Kontakte auf ein Minimum zu beschränken - und mich mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen. Deshalb möchte ich heute meine Recherchen zu den Disney-Filmen fortsetzen.

The Many Adventures of Winnie The Pooh (dt. Die vielen Abenteuer von Winnie Puuh) von Wolfgang Reithermann und John Lounsbery erschien im Jahre 1977 und ist der letzte, an dem Walt Disney persönlich indirekt noch beteiligt war. Im Wesentlichen ist er eine Zusammenstellung dreier Kurzfilme, die früher im Kino erschienen waren - Winnie Pooh And The Honey Tree von 1966, Winnie Pooh And The Blustery Day von 1968 und Winnie Pooh And Tigger, Too! von 1974 - und basiert auf den Winnie-The-Pooh-Büchern des englischen Schriftstellers Alan Alexander Milne: Winnie-the-Pooh (Pu der Bär) aus dem Jahr 1926 und The House at Pooh Corner von 1928. Die Markenrechte wurden 1961 an die Walt Disney Company verkauft, die mit ihrer Adaption ein Frenchise aufbaute.

Die Winnie-the-Pooh-Geschichten sind alle von den Stofftieren von Milnes 1920 geborenem Sohn Christopher Robin inspiriert - der als einzige menschliche Figur ebenfalls in den Büchern vorkommt. Milnes Frau Daphne de Sélincourt hatte sich eigentlich eine Tochter gewünscht, und tatsächlich wurde Christopher Robin als kleines Kind auch häufig mädchenhaft gekleidet und frisiert. Milne selbst wiederum, schwer traumatisiert von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg, hatte eigentlich gar keine Kinder gewollt. Den Großteil seiner Kindheit verbrachte der Junge daher in der Obhut seiner Nanny, die Eltern bekam er kaum zu Gesicht. Wie viele Kinder, die an Einsamkeit gewöhnt sind, flüchtete sich Christopher Robin häufig in eine Phantasiewelt, in der vor allem seine Stofftiere eine Rolle spielten, allen voran ein bei Harrods erstandener Teddybär der Marke Alpha Farnell, den er zu seinem ersten Geburtstag bekommen hatte und der zunächst den Namen "Edward Bear" trug, später dann aber nach dem Vorbild der Schwarzbärin Winniepeg aus dem Londoner Zoo in "Winnie-the-Pooh" umbenannt wurde. Als Christopher Robin fünf Jahre alt war, kaufte sein Vater ein Landhaus bei Hartfield in Sussex; das nahe gelegene Naturschutzgebiet Ashdown Forest inspirierte den Jungen zum Hundert-Morgen-Wald, dem Wohnort von Pu dem Bären. Die Geschichten erregten die Aufmerksamkeit seines Vaters, der anfing, sie aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen. Dieses machte den kleinen Christopher Robin über Nacht berühmt, was dessen Vater eine Heidenangst einjagte. Christopher Robin war anfangs noch erfreut über so viel Aufmerksamkeit - dies änderte sich jedoch, als er mit zehn Jahren in ein Jungeninternat geschickt wurde, wo seine Klassenkameraden ihn verspotteten und demütigten. Auch die Beziehung zu seinem Vater litt unter seinem Status als Kinderbuchfigur - später warf er ihm vor, seinen Wunsch nach Ruhm auf seinem Rücken ausgetragen zu haben. Nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Abschluss in Englischer Literatur auf dem College in Cambridge distanzierte er sich von seinen Eltern, heiratete und zog in den Südwesten Englands. Aber auch sein Vater verlor mehr als nur seinen Sohn: Nach dem Erfolg von Winnie-the-Pooh schaffte er es nicht mehr, mit anderen literarischen Formen von der Öffentlichkeit akzeptiert zu werden. Erst im fortgeschrittenen Alter schaffte es Christopher Robin, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen.

Die Figur des Bären erschien erstmals 1924 in dem Gedicht Teddy Bear, in dem der Bär noch seinen alten Namen Edward trägt. Außerdem wurde durch das zweite Buch das Spiel "Pooh Sticks" populär - die Spieler werfen Stöcke von einer Brücke und beobachten, wessen Stock früher auf der anderen Seite der Brücke wieder herauskommt. Im Gegensatz zur Disney-Version gibt es in Pu baut ein Haus außerdem immer wieder Hinweise darauf, dass Christopher Robin älter wird - im letzten Kapitel verabschiedet er sich von den Bewohnern des Hundert-Morgen-Waldes, und sein Eintritt ins Internat wird angedeutet. Neben den beiden Romanen gibt es außerdem zwei Gedichtbände, die seit 1999 gemeinsam veröffentlicht werden. Ich persönlich lernte die Geschichte als Hörspiel kennen, das heutige Bild der Winnie-Pooh-Geschichte ist allerdings tatsächlich eher von der Disney-Adaption geprägt. Die originalen Stofftiere Christopher Robin Milnes sind in der New York Public Library ausgestellt. In den letzten ein, zwei Jahrzehnten ist Winnie-the-Pooh außerdem eine beliebte Projektionsfläche für Hobbypsychologen. Man behauptet nämlich, Christopher Robin habe mit den Figuren unterschiedliche Aspekte einer gestörten Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht. Wahlweise behauptet man auch gern, jeder einzelne Charakter stehe für eine Droge, aber das ist wohl eher scherzhaft gemeint. Es gibt sogar schon einen eigenen Namen für das Phänomen der Ferndiagnose anhand des Vergleichs mit Winnie-Pooh-Charakteren: Die Pooh-Pathologie. Ich persönlich halte diese eher für problematisch, da sie ein kompliziertes Themenfeld vereinfacht und verniedlicht - und ernsthafte Erkrankungen verharmlost. 

Ebenfalls im Jahre 1977 erschien The Rescuers (dt.: Bernard und Bianca - Die Mäusepolizei) unter Wolfgang Reithermans Regie; 1990 folgte die Fortsetzung The Rescuers Down Under (dt.: Bernard und Bianca im Känguruland) unter der Regie von Hendel Butoy und Mike Gabriel. Der erste Bernard-und-Bianca-Film erhielt 1978 einen Oscar in der Kategorie "Bester Song" für Someone's Waiting For You und war vor allem im deutschsprachigen Raum einer der erfolgreichsten Disney-Kinofilme. Der zweite Film hingegen, obwohl technisch aufwändig gemacht, blieb an den Kinokassen weit unter den Erwartungen. Die Filme basieren auf der Miss-Bianca-Kinderbuchserie der englischen Schriftstellerin Margery Sharp, Geschichten über eine abenteuerlustige Mäusedame - speziell auf dem ersten Band The Rescurers (dt.: Miss Bianca und ihre Freunde) aus dem Jahr 1959, der sich in dem ersten Film wiederfindet. Der zweite übernimmt allerdings nur noch die beiden Hauptcharaktere aus den Büchern.

In beiden Filmen geht es um die Rettung eines Kindes durch die humorvolle, abenteuerlustige Bianca und den abergläubischen, aber in brenzligen Situationen zuverlässigen Bernard, der in Miss Bianca verliebt ist. Bianca ist ungarische Botschafterin der Rettungshilfsvereinigung, die im Keller der Vereinten Nationen in New York untergebracht ist und von dort aus gute Taten vollbringt; der schüchterne New Yorker Bernard arbeitet dort als Hausmeister. Im ersten Film werden sie beauftragt, das Waisenmädchen Penny zu retten, das von der habgierigen Madame Medusa in die Teufelssümpfe in Louisiana entführt worden ist und dort in einem auf Grund gelaufenen Raddampfer festgehalten wird, um in einer Piratenhöhle nach einem riesigen Diamanten zu suchen. Unterstützt werden sie dabei vom Albatros Orville sowie von den Sumpfbewohnern, die Madame Medusa ebenfalls loswerden wollen. Beim Lesen einer Filmkritik vor ein paar Jahren fiel mir auf, wie sehr sich die Zeiten und das Bewusstsein inzwischen geändert haben, denn darin wurde sich so sehr darüber aufgeregt, dass Libellchen, der "Motor" des Blattes, das als Boot für die Mäuse fungiert, mit Alkohol "gestärkt" wird, dass der Rest des Films daneben praktisch unterging. Am Ende des Films werden Bernard und Bianca ein Paar - und sind es im zweiten Film immer noch, wo es darum geht, Cody zu retten, der im australischen Outback von dem Wilderer Percival C. McLeach entführt worden ist, der von dem Jungen die Information über den Ort erpressen will, wo das goldgefiederte Adlerweibchen Marahute, mit dem Cody befreundet ist, ihre Eier versteckt hat. Dabei erhalten sie Hilfe von Wilbur, dem Bruder Orvilles aus dem ersten Film, sowie der Springmaus Jake, die unverhohlenes Interesse an Bianca zeigt und sicher nicht zufällig eine gewisse Ähnlichkeit mit Mick aus Crocodile Dundee hat. In beiden Filmen können die Kinder natürlich gerettet werden - und am Ende des zweiten Films hält Bernard um Biancas Hand an. Bernard und Bianca - Die Mäusepolizei wartet mit einer verfeinerten Kopiertechnik auf, die die Konturen weicher erscheinen lässt - ich persönlich finde ihn ein kleines bisschen besser als den zweiten Film, vor allem aber habe ich immer das Bild der sich abschminkenden Madame Medusa vor Augen, wenn ich künstliche Wimpern sehe. Außerdem wurden 1999 3,4 Millionen Exemplare der VHS-Version des Films zurückgerufen, weil sich in zwei Hintergrundbildern bei der Postproduktion das Bild einer nackten Frau eingeschlichen hat - was man allerdings nur erkennen kann, wenn man sehr, sehr, sehr aufmerksam ist und den Film in Zeitlupe abspielt. Trotzdem wird es bis heute häufig als Beispiel für die moralische Verkommenheit dieser in ihrer Gesamtheit vollkommen asexuellen Filme angeführt.

The Fox And The Hound (dt.: Cap und Capper) wurde im Jahr 1981 veröffentlicht; Regie führten Ted Berman, Richard Rich und Art Stevens. Er basiert auf dem Jugendroman Fuchsspur: Geschichte einer Feindschaft (dt.: The Fox And The Hound) des amerikanischen Autors Daniel P. Mannix aus dem Jahr 1967, der außerdem als Journalist, Fotograf, Filmemacher, Filmstatist, Bühnenmagier und Tiertrainer arbeitete - er reiste mit seiner Frau um die Welt und zog mit ihr exotische Tiere auf. Aus seinem Roman über die Feindschaft zwischen dem Fuchs Todd (dt. Cap) und dem Hund Copper (dt. Capper) wird im Disney-Film jedoch die Geschichte einer Freundschaft, die sich über äußere Bedingungen hinwegsetzt. Es ist ein eher konventionell gestalteter Film, von der Dynamik her ruhig und natuverbunden, der relativ unaufgeregt die wertvolle Botschaft eines verständnisvollen Miteinanders transportiert. In der Originalfassung werden die beiden erwachsenen Hauptcharaktere von Mickey Rooney und Kurt Russell gesprochen. In der deutschen Videoveröffentlichung von 1995 wurde der Name der Füchsin Vixie in Trixie umgeändert, da man fürchtete, dass es sonst unerwünschte Assoziationen gäbe (ihr dürft gerne raten, welche) - der eigentliche Name ist von vixen, dem englischen Wort für "Füchsin", abgeleitet. Todd ist übrigens das altenglische Wort für Fuchs - ich finde es ein wenig schade, dass die Namen in der deutschen Übersetzung geändert wurden.

Die Aussage der Romanvorlage ist komplett gegensätzlich zu der des Films - aus einem Buch, das einerseits die Entwicklung eines Fuchses und eines "Schweißhundes" (Bluthundes) dokumentiert, andererseits das Eingreifen des Menschen in den Kreislauf der Natur auf dramatische Art und Weise ins Bewusstsein ruft, wird bei Disney ein familienfreundlicher Tierfilm, der dazu ermutigt, die eigenen Grenzen in Frage zu stellen. In beiden Geschichten geht es um einen Fuchs, der von Menschen großgezogen wird und die Gefahr, die von ihnen und den Jagdhunden ausgeht, nie richtig begreifen lernt. Doch während der Werdegang von Todd und Copper im Buch relativ unabhängig voneinander erzählt wird, treffen sie im Film bereits als Jungtiere aufeinander und werden Freunde, nicht ahnend, dass Copper zur Jagd, unter anderem auch auf Füchse, ausgebildet werden soll. Wie im Roman, so wird auch im Film der alte Jagdhund Chief von einem Zug angefahren, doch während dies bei Disney der Punkt ist, in der die freundschaftlichen Gefühle Coppers in wütenden Hass umschlagen, lässt ihn das im Roman relativ unberührt; seine Feindschaft zu Todd rührt eher aus der Loyalität zu seinem Herrchen. Das Original endet offenbar dramatisch - wie, kann ich allerdings leider nicht sagen, da das Buch schwer zu bekommen ist und ich deshalb noch keine Möglichkeit hatte, es zur Gänze zu lesen.

Da über die Miss-Bianca-Bücher nicht viele Informationen zu finden waren (dass ich über Fuchsspur ein wenig genauer berichten konnte, war ein Glücksfall - ein anderer Blog, den ich unten verlinken werde), habe ich mir diesmal wieder drei Filme vorgenommen. Ich hoffe, ich kann damit dazu beitragen, euch die aktuell nicht einfache Zeit ein wenig zu verkürzen. Da uns noch ganze zwei Wochen bleiben, bis dieses schwierige Jahr endlich vorüber ist, bin ich zuversichtlich, dass wir uns noch einmal lesen. Bis dahin bon voyage!

vousvoyez


https://buchperlenblog.com/

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