Montag, 29. November 2021

Bill Gates ist schlimmer als Hitler, denn wegen Adolf ist mein Computer noch nie abgestürzt

https://unsplash.com/@ckollias
Ein Kommentar aus jener Zeit, als die Forschungen an dem Impfstoff gegen Covid-19 bereits auf Hochtouren liefen - und Bill Gates durch seine Stiftung  in Schwurbelkreisen Teil der großen Verschwörung wurde. Ich persönlich erinnere mich an ihn noch als denjenigen, der durch sein Unternehmen Microsoft zu einem der reichsten Menschen der Welt wurde - in meiner frühen Jugend war nicht Apple Inc. der große heiße Scheiß, sondern tatsächlich Microsoft. Was Bill Gates betrifft, so wurde ihm zumindest im letzten Jahr gern unterstellt, er wolle uns mit der Impfung einen Überwachungschip implantieren - mal ganz abgesehen davon, dass so ein Chip wohl eher kaum in eine Injektionsnadel passen würde, wäre das ja eigentlich völlig unnötig, da eh jeder ganz freiwillig sein Handy mit sich in der Tasche transportiert. Ein weiterer Verschwörungsmythos ist, dass die Impfung unfruchtbar mache und Gates damit die Bevölkerung in der Dritten Welt reduzieren wolle - was auch sehr viel Sinn ergibt, wenn man bedenkt, dass in der Dritten Welt die wenigsten Menschen in den Genuss einer Impfung kommen. Aber komm du mal einem Schwurbelfritzen mit Logik!

Aber Schluss jetzt mit Corona - ich habe euch ja versprochen, dass ich diesmal was anderes machen werde. Und das mache ich auch: Ich werde mich nämlich zum ersten Mal seit langem wieder zwei Disney-Filmen zuwenden - und zwar jenen, die auf Erzählungen aus der griechischen Antike basieren. Ich hatte als Jugendliche eine Phase, in der ich mich sehr mit griechischer Mythologie beschäftigt habe, deswegen sind mir die meisten dieser Geschichten und Figuren nicht fremd. Als ich ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt war, entdeckte ich die freien Nacherzählungen des österreichischen Schriftstellers Michael Köhlmeier über die griechischen Sagen, die damals in dem Radiosender Ö1 ausgestrahlt wurden. Und so saß ich ganze Nachmittage neben dem Radio auf dem Boden meines Zimmers und lauschte diesen überaus spannenden Geschichten. In der Folge kaufte ich mir auch die Bücher und kannte mich schon bald selbst recht gut aus, was in der Schule keineswegs ein Nachteil war. Und genau in dieser Zeit kam Disneys Hercules in die Kinos.

Der im Jahre 1997 erschienene Zeichentrickfilm unter der Regie von John Musker und Ron Clements war für mich eine herbe Enttäuschung - auch wenn ich schon alt genug war, um zu wissen, dass Disney adaptierte Geschichten oft sehr frei interpretiert. Und obwohl die Figuren von dem genialen britischen Karikaturisten Gerald Scarfe entworfen worden waren, der beispielsweise auch die Zeichentricksequenzen von Pink Floyds legendärem Film The Wall gestaltet hatte, was Hercules einen ganz speziellen Stil verlieh. Das Problem ist halt, dass die mythologische Geschichte sehr nach amerikanischen Sehgewohnheiten aufbereitet und auf das zurechtgestutzt wurde, was bei Disney als "familienfreundlich" verstanden wird. Was das zu bedeuten hat, werden wir noch sehen.

Im Film ist Hercules der Sohn des Göttervaters Zeus und seiner Gattin Hera; seine Geburt ist Hades, dem Gott der Unterwelt, Bruder und gleichzeitig auch mächtiger Widersacher von Zeus, jedoch ein Dorn im Auge, da er die Macht über die Götterwelt an sich reißen will und ihm geweissagt wurde, dass Hercules ihm das einst vereiteln würde. Er beauftragt seine Gehilfen Pech und Schwefel, das Baby auf die Erde zu entführen und ihm durch ein magisches Elixier der Unsterblichkeit zu berauben, damit er ihn töten kann. Der Plan misslingt, das Kind trinkt die Flasche nicht ganz aus und wächst in der Folge als Pflegekind des kinderlosen Menschenpaares Amphitryon und Alkmene zu einem sterblichen Menschen heran, ohne jedoch seine göttliche Kraft verloren zu haben. Als Jugendlicher erfährt er, dass er möglicherweise von den Göttern abstammt, doch er muss sich erst als würdig erweisen, dorthin wieder aufgenommen zu werden. So wird der von dem Satyr Philoktetes, genannt Phil, unterrichtet, der schon andere große Helden unter seine Fittiche genommen hat. Erwachsen geworden, lernt Hercules bei einem Kampf gegen einen Flussgott die schöne Megara, genannt Meg, kennen und verliebt sich in sie, ohne zu ahnen, dass sie zu Hades' Gefolgsleuten gehört. Nachdem er gegen eine Reihe von Ungeheuern gekämpft hat und sein Ruhm immer größer geworden ist, erklärt er sich bereit, Meg zuliebe eine Weile auf seine Kräfte zu verzichten. So kann Hades mit den befreiten Titanen den Olymp stürmen; indessen gelingt es Meg zusammen mit dem fliegenden Pferd Pegasus, Phil auf den Plan zu rufen und opfert ihr Leben, damit Hercules seine Kräfte wieder zurückerlangen kann. So gelingt es ihm, die Schlacht gegen Hades und sein Gefolge siegreich zu schlagen; anschließend will er Meg aus der Unterwelt zurückholen und ist bereit, dafür sein eigenes Leben zu geben. Diese selbstlose Tat gibt ihm seine Göttlichkeit wieder, und so kehrt er zusammen mit Meg auf den Olymp zurück, verzichtet jedoch auf ein Leben als Gott und entscheidet sich stattdessen, zusammen mit Meg auf der Erde zu leben.

Wie wir wissen, ist Hercules einer der berühmtesten, wenn nicht gar der berühmteste Held der griechischen Antike. Zu dem strahlenden Helden, der er heute ist, machten ihn allerdings erst die Römer, die ihm einen Charakter verliehen, der mehr oder weniger an die Actionhelden der 1980er Jahre erinnert. Auch der Name Hercules ist römischen Ursprungs - in der griechischen Sagenwelt lautet sein Name Herakles. Ein weiterer Unterschied zwischen Film und Mythologie ist, dass es die Gut-Böse-Dualität, die in Hollywood und speziell bei Disney so beliebt ist, in der griechischen Sagenwelt so gar nicht gibt - beispielsweise ist das griechische Paradies, das Elysium, eigentlich nur für besonders gute Menschen gedacht, aber manchmal kommen dort Leute hin, die das nach unseren Moralvorstellungen gar nicht verdient hätten (so ist Helena nur wegen ihrer Schönheit dort). Entsprechend ist Hades eigentlich auch gar nicht "der Böse" und Zeus nicht "der Gute" - aber ein Zeus, der alles bespringt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist (hihihihihi, sie hat "bespringen" gesagt), passt halt nicht in ein Disney-Märchen. Deshalb wird im Film auch streng nach Hollywood-Ideologie Zeus' rechtmäßig angetraute Ehefrau Hera zur Mutter des Helden gemacht - und nicht Alkmene, wie in der eigentlichen Sage. Und auch der leidenschaftliche Hass, den Hera in der mythologischen Vorlage für Herakles empfindet, passt hier nicht hinein - zumal dieser darin begründet ist, dass Zeus sie wieder einmal betrogen, ihr dies aber als seinen göttlichen Auftrag verkauft hat. Darüber hinaus ist die Sterbliche Alkmene ebenfalls verheiratet, und zwar mit Amphitryon, der ihr den Seitensprung jedoch verzeiht, da er schnell begreift, dass er gegen einen Gott nichts ausrichten kann. Stattdessen zeugt er mit ihr ebenfalls einen Sohn, und so bringt Alkmene Zwillinge zur Welt - der eine ist Herakles, Sohn des Zeus, der andere Iphikles, Sohn des Amphitryon. Von Anfang an sinnt Hera auf Rache und schickt den Kindern eine giftige Schlange in deren Bettchen - die Herakles mit bloßen Händen erwürgt.

Vor allem aber ist der mythologische Herakles nicht der strahlende Held, zu dem ihm die Römer später gemacht haben, sondern ein zutiefst widersprüchlicher Charakter mit einer tragischen Geschichte - einerseits bringen ihm seine Heldentaten viel Ruhm und Ehre, andererseits wächst er aber nicht daran, sondern wird immer mehr zu dem, was er eigentlich bekämpft. Sein Leben lang wird er von einem unbändigen Jähzorn angetrieben, der häufig mit Wahnvorstellungen einhergeht und zusammen mit seiner unbändigen Körperkraft zu einer tödlichen Gefahr werden kann, die auch so manchem Unschuldigen das Leben kostet. So erschlägt er als Jugendlicher aus einem Wutanfall heraus seinen Musiklehrer, und als Erwachsener tötet er unter Wahnvorstellungen seine geliebte Frau Megara und die vier gemeinsamen Kinder. Auch ansonsten entspricht Herakles so gar nicht dem modernen Bild eines Helden: Er tötet die, die nicht nach seinem Willen handeln, und ist durch sein unbedachtes Handeln auch für den ein oder anderen Krieg verantwortlich. Frauen gegenüber ist er keineswegs so schüchtern und unsicher wie im Film - er nimmt sich, was er begehrt, ohne Rücksicht auf die Frauen selbst oder auf deren Väter, die er auch schon mal aus dem Weg räumt. Die berühmteste Geschichte um Herakles aber ist die der zwölf Aufgaben, die er für seinen Vetter Eurystheus, König von Mykene, erledigen soll, um den Mord an seiner Frau und seinen Kindern zu sühnen - ihr immenser Umfang hat sich sogar in unserem Sprachschatz unter dem Namen "Herkulesaufgabe" niedergeschlagen. Nebenbei hatte Herakles, während er die zwölf Aufgaben erledigte, noch einige andere Hindernisse zu überwinden, die in andere Sagenkreise hineinspielten - etwa der um Iason und die Argonauten oder auch um den Trojanischen Krieg. Möglicherweise ist es allerdings auch seiner Popularität zu verdanken, dass er quasi in jeder bekannten griechischen Sage irgendeine Rolle gespielt haben soll.

Auch die Geschichte um Herakles' Tod zeigt, dass sein Charakter im Gegensatz zu der glatt gebügelten Disney-Variante von hoher Ambivalenz ist: Durch einen Kampf mit dem Flussgott Acheloos, der sich in abgewandelter Form auch bei Disney wiederfindet, erlangt er die Gunst der schönen Königstochter Deïaneira, die seine zweite Frau wird. Diese wird beinahe von dem Zentauren Nessos entführt, der jedoch von Herkules' Pfeil niedergestreckt wird, welcher mit dem tödlichen Gift der Hydra von Lernos getränkt ist. Der sterbende Zentaur rät ihr, etwas von seinem Blut aufzufangen und aufzubewahren für den Fall, dass sie sich Herakles' Liebe nicht sicher sein kann - sie ahnt jedoch nicht, dass das Blut eines Zentauren kein Liebeselixier ist. Herakles beginnt das geregelte Familienleben bald zu langweilen, weshalb er sich aufmacht, um neue Abenteuer zu erleben - bei seiner Rückkehr erfährt Deïaneira jedoch, dass er eine Gefangene, die schöne Iole, mitbringen wird. Von Eifersucht geplagt, bestreicht sie seine Tunika mit dem Blut des Nessos in dem Glauben, dadurch seine Liebe zurückzugewinnen - doch stattdessen beschert das Gewand dem Helden unerträgliche Schmerzen, weshalb er einen Scheiterhaufen errichtet und sich von seinem Jugendfreund Philoktetes (der in der Sage kein Satyr ist) bei lebendigem Leib verbrennen lässt. Das Feuer verbrennt seinen sterblichen Leib; der unsterbliche Teil darf jedoch in den Olymp, wo er sich mit Hera versöhnt und deren Tochter Hebe, der Göttin der Jugend, heiratet - deren Vater Zeus ist, aber Inzestverhältnisse sind in der griechischen Götterwelt keineswegs eine Seltenheit. Beispielsweise sind Zeus und Hera nicht nur Eheleute, sondern auch Geschwister - beide sind direkte Nachkommen des Titanenpaares Kronos und Rhea, die wiederum die Kinder von Gaia und Uranos, dem Himmel und der Erde, sind. Und Uranos wiederum ist nicht nur der Ehemann, sondern auch der Sohn von Gaia.

Der Disney-Film weicht aber nicht nur bezüglich Hercules' Charakter und Geschichte stark von der mythologischen Vorlage ab - so wurden die neun Musen, die Schutzgöttinnen der Künste, auf fünf reduziert, und insgesamt kann man anmerken, dass verschiedene Elemente der gesamten Mythologe in dem Film wild durcheinandergemischt wurden. So erinnert die Darstellung der Moiren, also der Schicksalsgöttinnen, eher an die der Graien aus der Perseus-Geschichte, die hier keine Göttinnen sind, sondern mit den Gorgonen verwandt, mythologische Schreckgestalten mit Flügeln und Schlangenhaaren. Es handelt sich hierbei um drei alte Frauen, sozusagen um die Personifizierung des Alters, die schon als Greisinnen zur Welt kamen - sie besitzen zusammen nur ein einziges Auge und einen Zahn, die sie allerdings untereinander weiterreichen können, je nach Bedarf. Perseus sucht sie auf, als er nach der Gorgone Medusa sucht, und luchst ihnen Auge und Zahn ab, um von ihnen ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Als er Medusa den Kopf abschlägt, wird aus ihrem Blut übrigens das geflügelte Pferd Pegasos geboren - das eigentlich ebenfalls nicht zur Herkules-Sage gehört, sondern zu der des Helden Bellerophon, welcher auf Pegasos' Rücken die Chimäras und die Amazonen besiegte. Das magische Pferd des mythologischen Herakles hieß Areion - es ging aus einer Verbindung des Meeresgottes Poseidon mit der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter hervor. Diese hatte auf den aufdringlichen Gott keine Lust, also verwandelte sie sich in eine Stute und versteckte sich in der Herde des Königs Onkios - was für Poseidon jedoch kein Hindernis war, denn er verwandelte sich in einen Hengst. Areion konnte sprechen und sehr schnell laufen - er gehörte erst Onkios, dann Herakles und später Adrastos, dem König von Argos.

Ein weiterer Film, dem ich mich heute widmen will, ist Atlantis - Das Geheimnis der verlorenen Stadt aus dem Jahr 2001, bei dem Gary Trousdale und Kirk Wise Regie führten. Es handelt sich hierbei um ein technisch gut gemachtes Werk, der allerdings bei den Kinokassen nicht sehr erfolgreich war - wohl, weil ihm die Possierlichkeit fehlt, die bei den meisten Disney-Filmen das hervorstechendste Merkmal ist, und weil sich der handgezeichnete Film zu diesem Zeitpunkt außerhalb Japans eher auf dem absteigenden Ast befand. Ähnlich wie bei Pocahontas, wollte man wohl auch hier ein Werk kreieren, das auch ein erwachseneres Publikum ansprach, was wohl auch den eher kantigen Zeichenstil und die actionreiche Handlung erklärt. Ein wenig erinnert er an die klassischen Abenteuergeschichten à la Jules Verne - und wie damals üblich, so hat man auch hier auf die Anziehungskraft von Hollywood-Stars gesetzt, beispielsweise wird der Protagonist Milo Thatch im Original von Michael J. Fox synchronisiert, und in der deutschen Version wird der Song im Abspann von der damals bereits sehr populären Girlgroup No Angels zusammen mit Donovan gesungen.

Die Handlung spielt im Jahre 1914; der junge Wissenschaftler Milo Thatch ist einer der wenigen, die an die Existenz der versunkenen Stadt Atlantis glauben, weshalb er nur wenig Unterstützung von seinen Vorgesetzten erhält. Dies ändert sich, als er eines Abends Besuch von Helga Sinclair bekommt, die ihn mit dem milliardenschweren Unternehmer Mr. Whitman, einem alten Freund von Milos Großvater, bekannt macht. Dieser erklärt sich bereit, Milos Expedition nach Atlantis zu finanzieren, der von jenem Expertenteam begleitet wird, das auch schon Milos Großvater zur Seite stand, und übergibt ihm auf Anweisung des Großvaters das Tagebuch eines Hirten, das ihn zu der versunkenen Stadt führen soll. Also macht sich Milo mit seinem Team auf die gefahrvolle Reise in einem hochmodernen U-Boot, die damit endet, dass ihr Gefährt von einem Leviathan angegriffen wird, was dem Großteil der Besatzung das Leben kostet. Unter Milos Führung schaffen es die Überlebenden, nach Atlantis zu gelangen, dessen König sie gar nicht begeistert aufnimmt, während Milo sich in dessen Tochter Kida verliebt. Diese vertraut ihm an, dass Atlantis dem Untergang geweiht ist, weil ihre Bewohner verlernt haben, die alten Schriften zu lesen und die eigene Technologie zu nutzen. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach dem "Herz von Atlantis", einen Kristall, der für das Überleben der Atlanter essenziell ist - dabei stellt sich jedoch heraus, dass es sich bei dem übrigen Expeditionsteam um eine Söldnertruppe handelt, die den Kristall stehlen will. Als diesen es gelingt, ihn zu finden, reagiert er auf Kida, woraufhin diese mit ihm verschmilzt und selbst zum Kristall wird. Daraufhin sperren die Söldner sie in eine Transportkapsel und wollen mit ihr Atlantis verlassen; Milo kann zwar ein paar von ihnen überzeugen, dass das Leben der Atlanter wichtiger ist als der Kristall, aber zwei von ihnen verlassen Atlantis dennoch mit Kida. Der kurz vor dem Ableben stehende König erzählt den anderen, dass der Kristall bei Gefahr immer mit einem Wirt königlichen Geblüts verschmilzt, um Atlantis zu schützen; bleibt der Wirt jedoch zu lange mit ihm verschmolzen, wird er zu einem Teil von ihm. Also beschließt Milo, Kida und Atlantis zu retten; zusammen mit den zurückgebliebenen Expeditionsteilnehmern und den Atlantern zieht er in den Kampf, wobei die beiden, die den Kristall entführt haben, ihr Leben verlieren. Als vor den Toren der Stadt ein gewaltiger Vulkan ausbricht, der droht, sie zu zerstören, können sie die Transportkapsel gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen und die Stadt vor der Lava schützen. Danach gibt der Kristall Kida wieder frei, und während die anderen wieder zurückreisen, beschließt Milo, in Atlantis zu bleiben; Mr. Whitmore erhält als Beweis für die Existenz einen jener Kristalle, die die Bewohner von Atlantis um den Hals tragen. Was aber hat es mit diesem Atlantis auf sich, das in so vielen Geschichten eine Rolle spielt und um das sich so viele Verschwörungsmythen ranken?

Etwa um 360 v. Chr. beschrieb der Philosoph Platon das Inselreich Atlantis in seinen Dialogen Timaios und Kritias - Letzterer blieb unvollendet. Es handelt sich dabei um fiktive Dialoge zwischen jeweils zwei historischen Persönlichkeiten aus Politik und Philosophie - die ausführlichere Beschreibung befindet sich vor allem in der Kritias, in welcher der angebliche Untergang von Atlantis im Krieg gegen Athen erzählt wird. Dem Philosophen Kritias zufolge habe Atlantis große Teile Europas und Afrikas erobert und sei vor seinem Untergang auch im Begriff gewesen, sich auch Griechenland untertan zu machen, ehe es von Athen in einer siegreichen Schlacht geschlagen und kurz darauf durch ein Erdbeben und eine Flutwelle zerstört worden sei. Das Reich selbst wird sehr detailliert beschrieben, beherrscht worden sei es von den Nachfahren des Atlas, eines Sohnes des Meeresgottes Poseidon, der sowohl dem Inselstaat als auch dem Atlantischen Ozean seinen Namen verliehen  hätte und nicht zu verwechseln ist mit jenem Titanen, der für seine Loyalität zu Kronos von Zeus damit bestraft wurde, für alle Ewigkeiten das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern zu tragen, bis er von Perseus mit dem abgeschlagenen Haupt der Medusa versteinert und zum Atlasgebirge wurde. Die Zerstörung von Atlantis erklärt Platon ebenfalls mit der Strafe der Götter, da die Bewohner des Reiches von Gier und Macht getrieben worden seien - nähere Ausführungen dazu gibt es allerdings nicht, da die Kritias, wie schon gesagt, unvollendet ist, und es nun mal in der Natur unvollendeter Werke liegt, dass Teile davon fehlen. Prinzipiell ist die Atlantis-Episode aber wohl eine jener Geschichten, die Platon gerne in seine Werke einbaute, um eine zuvor aufgestellte These zu veranschaulichen. In diesem Falle versuchte er damit, die praktische Bewährung eines idealen Staates zu veranschaulichen. Wobei hier nicht Atlantis, sondern Athen als Ideal dargestellt wurde - vielfach versteht man dies heute als politische Allegorie auf die expansive Seemachtspolitik des realen Athen.

Ob es sich bei Atlantis um ein real existierendes historisches Inselreich oder eine reine Erfindung Platons handelt, daran scheiden sich bis heute die Geister - bereits in der Antike wurde darüber gestritten. Die Fiktionalität der Geschichte ist allerdings bereits daran erkennbar, dass in der Kritias ein Athen geschildert wird, das es so nie gegeben hat, während das Bild von Atlantis aus verschiedenen Elementen realer Vorbilder zusammengestückelt und nach den Feindbildern des antiken Griechenlands gestaltet ist. Andere wiederum sind überzeugt davon, dass es sich bei dieser Erzählung um keine Erfindung Platons handelt - argumentiert wird dies damit, dass Platon die Atlantik-Geschichte, im Gegensatz zu seinen anderen Parabeln, nicht ausdrücklich als "Mythos" gekennzeichnet hat und dass es auffällige Ähnlichkeiten zu älteren Quellen aus Ägypten gäbe. Und dann gibt es eben diejenigen, die glauben, dass es Atlantis tatsächlich gegeben und sein Untergang wirklich stattgefunden hat. Sie sind überzeugt, dass Platons Erzählung auf einer wahren Begebenheit beruhe oder zumindest einen historischen Kern beinhalte. Die Versuche, ein historisches Atlantis zu lokalisieren, beschränken sich allerdings bis heute auf Hypothesen von einzelnen Personen - die meisten Philologen und Althistoriker halten die Geschichte allerdings für reine Fiktion und begründen das damit, dass all die Spekulationen letztendlich auf nur eine einzige Quelle - nämlich Platon - zurückzuführen ist.

Vermutungen um ein historisches Atlantis gab es, wie schon erwähnt, bereits in der Antike, etwa bei Krantor von Soloi, Proklos und Tertullian. Im Mittelalter geriet der Mythos allmählich in Vergessenheit, um in der frühen Neuzeit im wahrsten Sinne des Wortes eine Renaissance zu erleben - natürlich durch die Rückbesinnung auf die griechisch-römische Antike, aber auch durch die Seereisen zu bisher unbekannten Teilen der Welt, allen voran natürlich Amerika. Viele damalige Philosophen machten sich das Stilmittel der Scheingeschichte, um Kritik an Geschehnissen der eigenen Gegenwart zu üben, zu eigen, so etwa Thomas Morus, Tommaso Campanella oder auch Francis Bacon. Im 16. und 17. Jahrhundert hielten manche Atlantis gar für den Ursprung der menschlichen Zivilisation, eine Idee, die sich im 19. Jahrhundert in Ignatius Donnellys Buch Atlantis - The antediluvian World wiederfindet, der sogar behauptete, Atlantis sei die Urheimat der Arier; er beschrieb Atlantis als eine Art Paradies, das jedoch moralisch korrumpiert worden sei, womit er dessen Untergang erklärte. Theosophen, Anthroposophen und Ariosophen hielten die "Atlantider" für die Repräsentanten einer der sieben Menschheitsepochen, während der Mythos in der Philosophie Cosmique als Ursprung okkulter Lehren genannt wird. Diese beiden Lehren fanden auch ihren Niederschlag in der Ideologie des Nationalsozialismus - hier soll Atlantis zur Urheimat der "arischen Herrenrasse" erklärt; lokalisiert wurde es in diesem Rahmen allerdings in der Nordsee oder gar am Nordpol. Diese Idee findet bis heute in rechtsextremen Kreisen großen Anklang, und zwar weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Aber natürlich werden auch die Außerirdischen mit der Atlantis-Geschichte in Verbindung gebracht - in dieser Geschichte wurde Atlantis als erste Zivilisation von Aliens gebaut. Nach seiner Zerstörung wurde das reichhaltige atlantische Wissen zwar gerettet, aber dummerweise in der Bibliothek von Alexandria aufbewahrt, die ja bekanntermaßen verschwunden ist.

Aber nicht nur in toxischen Ideologien und esoterischen Kreisen, auch in Kunst und Kultur wurde es immer wieder als Sujet benutzt - etwa in E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen Der goldne Topf oder in Pierre Benoits Fantasy-Roman L'Atlantide, aber auch in trivialen Werken wie der Perry-Rhodan-Reihe. Sowohl in Michael Endes Jim Knopf und die wilde 13 als auch in Thomas Manns Joseph und seine Brüder und in J. R. R. Tolkiens Silmarillion findet Atlantis ebenfalls Erwähnung. In Walter Moers' herrlich bekloppter Romanreihe, die er selbst als "Zamonien-Zyklus" beschreibt, ist Atlantis die Hauptstadt des fiktiven Kontinents Zamonien, und in einem der letzten Asterix-Bände, die noch von Albert Uderzo verfasst worden waren, Obelix auf Kreuzfahrt, fahren Asterix, Obelix und Miraculix mit einem gekaperten Schiff voller entflohener Sklaven nach Atlantis, um sich Rat bei den dort ansässigen Druiden zu holen. Ihr seht also, Atlantis bietet so viel Stoff für Mythen und Legenden, dass wir noch in hundert Jahren nicht damit fertig würden.

Wie ihr also seht, ist auch die griechische Antike ein Thema, über das ich ewig und drei Tage berichten könnte, aber wie ich merke, habe ich schon wieder einen viel zu langen Artikel geschrieben. Ich hoffe, dass wir uns bis zum nächsten Mal wiedersehen und dass ihr mir bis dahin gesund bleibt! Bon voyage!

vousvoyez

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen