Donnerstag, 25. November 2021

Manche Zeitungen sind so widerlich, dass man den toten Fisch beleidigt, wenn man ihn darin einwickelt

© vousvoyez
Damals, als die BILD mal wieder in Hochform war. Jenes Medium, das sich aktuell fragt, wie es kommen kann, dass die Infektionszahlen aktuell durch die Decke gehen wie noch nie, das aber zuvor ordentlich Öl ins Feuer gegossen hat, um Misstrauen gegen jegliche Expertise zu schüren. Ja, meine Lieben, es ist mal wieder soweit, wir in Österreich sind wieder im Lockdown. Und das, obwohl wir eine Situation wie diese hätten verhindern können - und obwohl Wissenschaftler uns bereits im Sommer davor gewarnt haben. Aber, wie unsere Eltern schon gesagt haben: Wer nicht hören will, muss fühlen. Blöd nur, dass nicht nur die Unvernünftigen und Nachlässigen fühlen müssen, sondern alle - auch diejenigen, die alles getan haben, um genau dieses Szenario zu verhindern. Und dass die Situation aktuell einen gewaltigen Keil in unsere Gesellschaft treibt. Wie man auch angesichts der Demonstrationen hier in Österreich, aber auch in Belgien und den Niederlanden gesehen hat.

Ja, wir sind wieder im Lockdown - mit dem so lange gewartet wurde, bis in den Krankenhäusern in Salzburg und Oberösterreich die Triage vorbereitet werden musste. Und nicht nur das - ab Februar soll die Impfpflicht in Österreich endgültig auf den Weg gebracht werden. Als ich Letzteres hörte, war mir im Grunde sofort klar: Das gibt Ärger. Wie jedem anderen, der einen kritischen Blick auf die Entwicklungen der letzten Zeit geworfen hat. Und wir haben Recht behalten: Am letzten Wochenende wurden in Brüssel, Rotterdam und Den Haag Autos in Brand gesteckt, die Demos in Wien waren größtenteils von rechtsradikalen und verschwörungsideologischen Gruppierungen organisiert, ganz vorne dabei FPÖ und MFG. Dabei fällt auf, dass sich seit Beginn der Proteste gegen die Maßnahmen ein regelrechter Demonstrations-Tourismus gebildet hat - viele Teilnehmer kamen nicht nur aus anderen Bundesländern, sondern sogar aus dem Ausland. Und viele der Banner, die dort zu sehen waren, waren offen rechtsradikal - scheint aber niemanden gestört zu haben. Und das ist eben ein Problem - und zwar ein gewaltiges.

Ich muss zugeben, ich bin bezüglich der Impfpflicht ebenfalls hin- und hergerissen. Einerseits frage ich mich, ob man die Impfquote nicht anders hätte steigern können und ob man wirklich alles getan hat, um die Leute zum Impfen zu überzeugen. Und hier muss ich ganz klar sagen: Nein - man hat praktisch gar nichts getan. Aktuell haben wir die niedrigste Impfquote im westlichen Europa; es war von Anfang an klar, dass zu wenig Leute sich impfen haben lassen, aber niemand fühlte sich dafür verantwortlich. Dafür hat Sebastian Kurz, als er noch Kanzler war, ständig damit geprahlt, wie toll wir die Pandemie doch meistern - noch als die Intensivstationen wieder anfingen, sich zu füllen, hat er das Ende der Pandemie verkündet. Und nachdem er seinen Platz räumen musste, ist die ÖVP in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, Alexander Schallenberg ist mit seiner Rolle als Bundeskanzler sichtlich überfordert. Die ganze Zeit über hat es geheißen, es wird weder einen weiteren Lockdown noch eine Impfpflicht geben- jetzt haben wir beides. Da wundert es nicht, dass das Vertrauen in diese Regierung praktisch nicht mehr vorhanden ist. Man hätte die jetzige Situation verhindern können und hat es nicht getan - jetzt bleibt einem nichts anderes übrig, als die Reißleine zu ziehen und wieder einmal massive Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung vorzunehmen. Aus diesem Grund fällt mir auch keine Alternative zu einer Impfpflicht ein - die Lage ist ernst, und es gibt nun mal einen harten Kern an Impfgegnern, die alles verweigern, was "die da oben" anordnen. Und nein - man soll nicht unhinterfragt alles tun, was von oben angeordnet wird, aber es ist auch nicht sehr zielführend, alles zu verweigern, nur weil es von oben kommt. So ein Verhalten erwartet man eigentlich eher von Zweijährigen.

Und das ist auch mit ein Grund, warum ich Hohlphrasen wie "Zusammenhalt" und "die Hand reichen" schon so langsam nicht mehr hören kann. Die Politik sorgt sich um die "Spaltung" der Gesellschaft - meist wird diese "Spaltung" aber eher jenen angelastet, die einen realistischen Blick auf die Situation haben, die die mangelnde Impfbereitschaft ansprechen und den Missionierungseifer jener kritisieren, die sich als "Skeptiker" begreifen. Und meist beklagen jene diese "Spaltung", die jedem Widerspruch mit Beschimpfungen und unterschwelligen Drohungen begegnen und die öffentlich die Hinrichtung von Journalisten, Politikern und Wissenschaftlern fordern. Und ja - selbstverständlich wäre mir auch lieber, wenn wir alle an einem Strang ziehen würden, aber sehen wir es doch einmal realistisch: Es gibt Leute, die kannst du nicht mehr überzeugen. Und je mehr du versuchst, mit Fakten zu kontern, desto mehr klammern sie sich an dem fest, was sie glauben wollen. Das sind Leute, die in einer Art Parallelwelt leben und zu denen man mit sachlicher Argumentation nicht mehr durchdringt. Die Ironie dessen, dass diejenigen, die sich ganz freiwillig gegen die Gesellschaft stellen, sich beschweren, dass sie durch 2G von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, entgeht manchen offenbar ganz und gar. Ebenso wie die Tatsache, dass diejenigen, die sich ständig als Opfer des Faschismus sehen, faschistischen Ideologien nachlaufen und für andere die Todesstrafe fordern. Das Problem an jenem immer gleichen Appell an den "Zusammenhalt" ist aber nicht nur dies - sondern auch die Tatsache, dass man zwar permanent fordert, jenen entgegenzukommen, die den Boden gemeinsamer Werte schon längst verlassen haben, dass einem aber all jene, die unter der Pandemie-Situation am meisten leiden, also Gesundheitspersonal, Eltern, Schüler und Studenten, nicht so wichtig zu sein scheinen. Nein, eine Gefahr für die Demokratie ist nicht jene sogenannte "Spaltung", die angeblich von all jenen betrieben wird, die es wagen, Fakten vorzubringen - die eigentliche Gefahr liegt bei jenen, die in ihrer eigenen Realität leben, die in einschlägigen Social-Media-Gruppen völlig ungebremst ihren Hass-, Gewalt- und Umsturzphantasien freien Lauf lassen. Und dass das viel zu viele das augenscheinlich noch immer nicht zu kapieren scheinen.

Dies hat man auch bei der Demo gesehen - wo man angesichts des Gewaltpotenzials total überrascht war, obwohl von vorn herein klar war, dass das keine friedliche Happy-Pappy-Blumenkinderparty wird. Und obwohl ausdrücklich erlaubt war, dass Leute, deren Wissenschaftsverständnis direkt aus dem Mittelalter zu stammen scheint, gegen jene Maßnahmen protestieren, die gerade deshalb noch nötig sind, weil sie nichts tun wollen, um sie obsolet zu machen. Das wirklich Schockierende an der Sache ist jedoch, dass sich so viele, die ja eigentlich "nur" gegen das Impfen sind, sich vollkommen hirnlos in diese Nazi-Filterblase mit hineinziehen lassen. Und ja, noch einmal: Es sind nicht alle Nazis, die auf diesen Demos mitmarschieren - aber das spielt eigentlich auch gar keine Rolle mehr. Die rechtsextreme Fraktion hat diese Proteste schon längst an sich gerissen und nutzt sie, um ungehemmt ihre Propaganda zu verbreiten. Wenn man jedoch Leute damit konfrontiert, die sich nicht als rechts sehen, wird sich nicht distanziert - stattdessen rechtfertigt man sich mit Scheinargumenten wie "wir haben doch gemeinsame Ziele", "ich kann ja nicht alle Plakate lesen" oder "du warst ja gar nicht dabei". Und das, meine Lieben, sind nichts als faule Ausreden - hilflose Versuche, zu rechtfertigen, warum man solchen Leuten hinterherrennt. Und das ist das Gefährliche daran - denn dies ermöglicht es der extremen Rechten, weit über ihre eigene Zielgruppe hinaus neue Schichten anzusprechen. Und nicht nur das - gerade diejenigen, die diesen Ideologien nachlaufen, vergleichen die derzeitige Situation mit dem, was die Nazis im zweiten Weltkrieg all jenen angetan haben, die nicht in ihr Weltbild passten. Dieses unsägliche Leid wird für oberflächliches, populistisches Geschwafel missbraucht, bei jeder kleinen Unannehmlichkeit vergleicht man sich mit den Opfern der Shoa und banalisiert damit das, was damals geschah - gleichzeitig demonstriert man gegen Wissenschaft und Medizin, erwartet aber, dass das bereits jetzt völlig überlastete Gesundheitspersonal im Ernstfall für einen da ist. Ähnlich wie Staatsverweigerer und Reichsbürger sich zwar gegen den Staat auflehnen, aber gleichzeitig Sozialhilfe kassieren und staatliche Institutionen nutzen wollen, um ihre Interessen durchzusetzen. Solche Bewegungen resultieren aus einer Gesellschaft, in der die Verehrung von Göttern und Helden dem Hochhalten des eigenen Egos gewichen ist - in der jeder, der die Kunst der Selbstdarstellung beherrscht, mit nur wenigen Klicks zum Star werden kann. In einer Welt, in der jedem Schwachsinn Gehör geschenkt wird, sind jene, die ständig eingeimpft bekamen, besonders und individuell sein zu müssen, anfällig für die Bauchpinseleien jener, die sie in ihre Welt der Verschwörungsgläubigen hineinziehen. Darum kommt man solchen Leuten auch mit Fakten nicht bei - weil es ihnen eigentlich gar nicht um das Thema an sich geht, sondern um den Schutz ihrer eigenen Selbstwahrnehmung.

Der Egoismus, der in unserer Gesellschaft schon seit langem um sich greift, bricht sich jetzt gerade Bahn: Wir haben über ein halbes Jahrhundert lang praktisch nur Aufschwung erlebt, mussten auf nichts verzichten und konnten uns ganz uns selbst und unserer persönlichen Entfaltung widmen - da ist es jetzt für viele natürlich ein Schock, sich plötzlich anderen zuliebe zurücknehmen zu müssen. Viele dieser Proteste basieren auf der Angst vor dem Verzicht und der Flucht vor der Realität - all diese Leute sprechen sehr oft von Rechten, aber nie von Pflichten. Und ich wette, da sind, wenn überhaupt, nur wenige dabei, die je für gerechtere Löhne, höhere Renten oder gegen Kinderarmut aufgestanden sind - die eigene Komfortzone verlässt man nur noch, wenn man gefordert ist, sich selbst ein wenig zurückzunehmen. Man erkennt es auch daran, dass viele die Impfstraßen nicht deshalb stürmen, um andere zu schützen, sondern um ihre kostbare Freiheit wiederzuerlangen. Manche haben das schon im Sommer so gehalten, als man sich impfen ließ, um auf Urlaub fahren zu können. Das ist auch der Grund, warum der Ruf nach mehr Bildung und Aufklärung ein wenig zu kurz greift - die meisten dieser Leute treffen ihre Entscheidungen durchaus sehr bewusst. Das Problem ist, dass sich dadurch immer mehr die Prioritäten verschieben - sie haben kein Problem (mehr) damit, Teil der rechtsradikalen Propaganda-Maschinerie zu werden. Dies bedeutet, dass uns die Gefahr rechtsextremer Ideologien auch nach der Pandemie noch beschäftigen wird. Auch die Leute, die 1933 Hitler wählten, waren nicht alle Nazis, fanden aber einige seiner Ziele ganz offensichtlich so attraktiv, dass der von ihm geschürte Hass nur noch Nebensache war.

Und klar - mir ist bewusst, dass man auch die Unentschlossenen noch erreichen muss. Aber langsam sind wir an dem Punkt, an dem die Fraktion, die im Vorjahr noch den Diskurs gesucht hat, in der Auflösung begriffen ist. Was mit Sicherheit auch daran liegt, dass man die Sachverhalte schon zu oft erklärt hat - und, wie Dr. Christian Drosten es formuliert hat, keine Lust hat, wie ein Papagei ständig dasselbe zu wiederholen. Denn auch wenn es für viele offenbar so klang - keiner hat je gesagt, dass die Impfung ein Zaubermittel ist. Sie schützt aber ziemlich effektiv vor einem schweren Verlauf - und im übrigen ist all das, was in einen Patienten hineingepumpt werden muss, sobald er auf der Intensivstation landet, deutlich ungesünder als der Impfstoff selbst.

Lustigerweise verweigert man zwar die Impfung, findet aber nichts dabei, Ivermectin zu schlucken, jenes Pferde-Entwurmungsmittel, dessen Einnahme FPÖ-Chef Herbert Kickl empfohlen hat. Und zwar in einer Menge, die für Pferde, nicht aber für Menschen gedacht ist. Und nicht nur, dass dieses Entwurmungsmittel aktuell ausverkauft ist - es liegen auch tatsächlich Leute, die das Zeug eingenommen haben, auf den Intensivstationen. Also nicht nur, dass man eine Impfung verweigert, dafür aber irgendwelchen Mist schluckt, nur weil einem das ein Giftzwerg gesagt hat, den man aus irgendeinem Grund toll findet - man blockiert durch seine Dummheit auch noch die immer knapper werdenden Intensivbetten. Und als sei das nicht schon absurd genug, wurden vor der Demo in Wien Gerüchte verbreitet von wegen, Helikopter würden Pfizer-Impfstoff versprühen und Beamte würden in den Gullys auf Demonstranten lauern, um diese beim Vorbeigehen in die Waden zu impfen.

Wie ihr also seht, ist die Welt anscheinend vollkommen übergeschnappt - so sehr, dass ich mir manchmal wünsche, weit weg auf einer einsamen Insel zu sein und von nichts mehr zu wissen. Und nachdem ich mir wieder mal eine Menge Frust von der Seele geschrieben habe, denke ich, dass ich mich nächstens wieder etwas vergnüglicheren Themen widmen werde. Bis dahin passt auf euch auf und bleibt gesund. Bis zum nächsten Mal!

vousvoyez

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