Mittwoch, 8. September 2021

Die Reise nach Jerusalem können Österreicher zurzeit nur in einem Gesellschaftsspiel antreten



@funkmastacrump
Ein Spruch des von mir so geschätzten Peter Klien, dessen Satire-Sendung Gute Nacht Österreich, die ich wirklich gerne geschaut habe, bekanntlich abgesetzt wurde, weil er sich zu kritisch zur Kurz-Regierung äußerte - womit er sich in eine ganze Reihe großartiger satirischer ORF-Sendungen einreihte, die alle dran glauben mussten, weil sie irgendwann einmal auf zu viele furchtbar wichtige Zehen getreten sind. Natürlich ist auch dies ein Zitat aus der Zeit des ersten Lockdowns, als noch nicht absehbar war, wie viel uns die Pandemie tatsächlich kosten würde - und hier spreche ich nicht nur von Geld. Mich hat sie vor allen Dingen Nerven gekostet - wie man wohl vor allem zu Beginn dieses Jahres auch in diesem Blog gemerkt hat. Aber da war ich auch nicht die einzige. Und ehrlich gesagt bin ich auch schon wieder leicht genervt, weil wir gerade mit Karacho auf eine vierte Welle zusteuern - wovor wir schon vor Monaten gewarnt wurden, aber wir wollten ja nicht hören.

Wie ihr wisst, nutze ich diesen Blog sehr gerne, um Dampf abzulassen - und anscheinend kommt das auch ganz gut an, jedenfalls habe ich da schon einiges an positivem Feedback bekommen. Da ich mich allerdings nicht ausschließlich mit dem leidigen Thema beschäftigen will, dachte ich mir, ich schreibe heute mal wieder über etwas anderes - etwas, das zwar ebenfalls mit Gesellschaftskritik zu tun hat, das uns aber dennoch ein wenig von dem Pandemie-Thema wegbringt. Wie ihr wisst, habe ich ja eine sehr beliebte Rubrik auf diesem Blog, in der ich mich vor allem mit en Hintergründen zu den Disney-Filmen beschäftige. Im Zuge dessen habe ich schon sehr lange den Gedanken im Hintergrund, mich auch einmal mit dem Thema Propaganda in den Werken der Walt Disney Company zu befassen. Dabei bin ich auf ein Kapitel in Walt Disneys Biographie gestoßen, das anscheinend nicht so bekannt ist - ich jedenfalls habe zuvor noch nie davon gehört. Dieses Kapitel umfasst auch zwei Filme aus der Meisterwerk-Reihe, mit denen ich mich bisher noch nicht befasst habe, weil ich keine Ahnung hatte, was ich mit ihnen anfangen soll. Mittlerweile weiß ich jedoch, welche Intention dahinter steckt, weshalb ich mich heute endlich mal mit ihnen beschäftigen werde.

Saludos Amigos und The Three Caballeros erzählen keine durchgängige Geschichte, sondern bestehen aus einzelnen Segmenten, die aneinander gereiht und durch eine Rahmenhandlung verbunden wurden. Ähnlich wie Song of the South, worüber ich ja auch schon einmal einen Artikel geschrieben habe, so bestehen auch diese Filme aus Zeichentrick- und Realfilmsequenzen, die in The Three Caballeros ineinander verwoben sind. Technisch und künstlerisch sind sie zweifelsohne sehr gut gemacht - die Geschichten sind teilweise allerdings ein wenig seltsam, und ideologisch sind sie auch nicht unbedenklich. Aber mal zum Anfang.

Die Erfolgsgeschichte von Walt Disney, der aus einfachen Verhältnissen stammte und dessen Namen heute das weltweit größte Medienunternehmen trägt, ist ein großer Mythos der US-Historie, bedient sie doch in perfekter Art und Weise das Narrativ des vom Tellerwäscher-zum-Millionär-Märchens, welches sich trotz der sukzessiven Entzauberung des amerikanischen Traums immer noch hervorragend verkauft. In der magischen Welt der Walt Disney Company siegt das Gute immer über das Böse, Zwischentöne gibt es nicht - entsprechend ist Kritik an ihrem Schöpfer dort auch nicht allzu gern gesehen. Und dennoch wissen wir mittlerweile, dass in der Geschichte jenes Mannes, der mit viel Beharrlichkeit und Fleiß ein ganzes Imperium schuf, das bis heute Kinderherzen zum Leuchten bringt, nicht alles eitel Wonne war - und dass sein umfangreiches Werk, das unabhängig von Sprache und Kultur auf der ganzen Welt gekannt und verstanden wird, natürlich auch für politische Zwecke missbraucht wurde. Wir wissen, dass Disney selbst ein glühender Republikaner und leidenschaftlicher Antikommunist war, der seine Mitarbeiter am liebsten wie Leibeigene behandelt hätte und die meisten ihrer genialen Ideen für seine eigenen ausgab - und dass er während des Zweiten Weltkriegs, als der europäische Markt wegfiel, jede Möglichkeit ergriff, sein Studio über Wasser zu halten. Übrigens war er da auch nicht der einzige.

Walt Disney, der in schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen war und schon früh seine künstlerische Begabung entdeckte, begann als junger Mann in Kansas City, mit Animationstechniken zu experimentieren und ging 1923 nach Hollywood, wo er zusammen mit seinem Bruder Roy das Disney Brothers Cartoon Studio gründete. Den großen Durchbruch bescherte ihm bekanntlich im Jahr 1928 eine anthropomorphe Maus, die ihre beispiellose Karriere vor allem einer technischen Innovation verdankte - nämlich dem Tonfilm. Einer der ersten Zeichentrickfilme mit Tonspur, Steamboat Willie, läutete die goldene Ära der Disney-Studios ein, die in der Produktion des ersten abendfüllenden Zeichentrickfilms Schneewittchen und die sieben Zwerge aus dem Jahre 1937 gipfelte. Die Glückssträhne endete jedoch mit dem Zweiten Weltkrieg, vor allem deshalb, weil der europäische Markt wegfiel - weitere Langfilme konnten den durchschlagenden Erfolg von Schneewittchen nicht wiederholen, und die Disney-Studios gerieten zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Zu allem Überfluss machte sich unter den Angestellten aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen, der fehlenden Wertschätzung und der schlechten Bezahlung allmählich Unmut breit, was 1941 zu einem handfesten Streik führte. All dies zwang Disney dazu, seine Fühler anderweitig auszustrecken - und eine Möglichkeit, die sich ihm dabei bot, war Nelson Rockefellers "Good Neighbour Policy", die ihm einen neuen Markt erschließen sollte.

In den 1940er Jahren war die größte Sorge der USA der wachsende globale Einfluss Deutschlands und Japans; sie befürchteten vor allem, dass Deutschland zu viel ideologischen und politischen Einfluss auf die lateinamerikanische Bevölkerung nehmen könnte, und das nicht zu Unrecht, hatte sich doch eine hohe Anzahl japanischer, italienischer und vor allem deutscher Einwanderer auf südamerikanischem Boden angesiedelt - speziell in Brasilien und Argentinien wuchs die Präsenz der Nationalsozialisten. Für die USA war jedoch vor allem Südamerika im Kriegsfall von großer Bedeutung, vor allem wegen der Rohstoffe und der Lebensmittelversorgung. Aufgrund dessen startete der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt mit Hilfe von Nelson Rockefeller, dem Sohn des Ölmagnaten John D. Rockefeller, der bereits in den 1930er Jahren vermehrt in verschiedene südamerikanische Länder gereist war, eine breit angelegte Imagekampagne, unter anderem durch staatlich geförderte wissenschaftliche und kulturelle Austauschprogramme, was 1940 zur Gründung des Office of Inter-American Affairs (OIAA) führte. Dieses nutzte unter anderem auch Hollywood, um den USA in Lateinamerika ein besseres Image zu verpassen, weshalb es Kulturvermittler einsetzte, die Filmen mit südamerikanischem Bezug ein authentischeres Bild verpassen und kulturellen Missverständnissen vorbeugen sollten. Man setzte jedoch nicht nur auf Kinofilme, sondern vor allem auch auf Lehr- und Bildungsfilme, um die Bekanntheit amerikanischer Wertmaßstäbe und Konsumprodukte zu steigern, da diese selbst in entlegenen Gegenden gezeigt werden konnten und so ein breiteres Publikum erreichten.

Da Walt Disney in Südamerika bereits eine hohe Popularität genoss, trat Rockefeller 1941 an ihn heran mit der Idee einer "goodwill tour", bei der er als Kulturbotschafter der USA quer durch die südamerikanischen Staaten reisen und nebenbei noch Ideen für neue Filme entwickeln sollte, mit denen er die Herzen der dortigen Zuschauer gewinnen konnte. Dies war für Disney einerseits eine willkommene Gelegenheit, den Problemen im Studio für eine Weile den Rücken zu kehren, andererseits konnte er so gleichzeitig Material für neue Filme sammeln, die das Potenzial hatten, ihm wieder zu finanziellem Erfolg zu verhelfen. So reiste er zusammen mit seiner Frau und einigen ausgewählten Mitarbeitern zwei Monate lang durch Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Peru und Uruguay, wo er überall mit Jubel empfangen wurde. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten realisierte er vier Kurzfilme, die sich jeweils auf ein anderes Land bezogen und die am Ende zu einem einzigen Film zusammengefasst wurden. Saludos Amigos (dt. Grüß euch bzw. Drei Caballeros im Sambafieber) unter der Regie von Norm Ferguson, Wilfried Jackson, Jack Kinney, Hamilton Luske und Bill Roberts hatte seine Weltpremiere 1942 in Rio de Janeiro und war damit der erste Disney-Film, der nicht in den USA uraufgeführt wurde.

Der aufwändig gestaltete Technicolor-Film besteht aus verschiedenen Realfilm- und Cartoon-Segmenten, eine Kombination, die zur damaligen Zeit noch neu war. Die Realfilmaufnahmen, die Disneys Reise dokumentieren, liefern hier die Rahmenhandlung rund um die vier Zeichentrickszenen. Die erste handelt von Donald Ducks Reise an den Titicacasee, im Zuge derer er versucht, auf einem Lama eine Hängebrücke heil zu überqueren; die zweite erzählt von Pedro, einem kleinen Flugzeug mit Kindergesicht, das die waghalsige Reise über die Anden von Chile nach Argentinien antritt, um die Postsendung seines Vaters in Mendoza abzuholen; in der dritten schlüpft Goofy in die Rolle eines argentinischen Gauchos; in der vierten wird Donald von einem grünen Papagei in die Geheimnisse der brasilianischen Kultur eingeführt. Insgesamt wirkt der Film wie eine Mischung aus Reisetagebuch und Werbespot - aus heutiger Sicht wirkt das Gesamtkonzept gerade durch die niedlich-kindliche Aufmachung ziemlich überholt, ja sogar herablassend. Bereits damals fand jenes Segment, in dem Goofy sich als Gaucho versucht, beim südamerikanischen Publikum keinen besonders großen Anklang, und tatsächlich zeugt die Art und Weise, wie hier ein nationales Symbol verballhornt wird, nicht gerade von großem kulturellem Verständnis. Die tragende Bedeutung der Gauchos für das Nationalgefühl vor allem der Argentinier und Uruguayer ist in etwa mit der des Cowboys in den nordamerikanischen Südstaaten vergleichbar - vor diesem Hintergrund ist es nur allzu verständlich, dass das amerikanische Publikum über die Charakterisierung ihres Landes durch Disney nicht allzu begeistert war. Goofy zeigt sich als Gaucho ebenso doof und ungeschickt, wie man es von ihm gewohnt ist; er streift gemütlich durch die Pampas, spielt Gitarre, kämpft ab und zu mit der Kontrolle über sein Pferd, mit dem er in Ermangelung einer Frau auch zu argentinischer Folkloremusik tanzt, und macht mit der Bola, einer traditionellen Wurfwaffe, Jagd auf einen Strauß, wobei er sich hier ebenfalls eher dämlich anstellt.

Im Gegensatz dazu eroberte vor allem der niedliche grüne Papagei José Carioca aus Rio de Janeiro die Herzen der Zuschauer, und tatsächlich ist er, obwohl er mit seinem temperamentvollen, unbekümmerten, fast ein wenig verantwortungslosen Charakter durchaus ebenfalls ein Klischee bedient - nämlich das des südamerikanischen Frauenhelden -, die mit Abstand gelungenste Figur des Films, weshalb er schnell zu dessen heimlichem Star avancierte. Ganz allgemein ist das letzte Segment der technische und visuelle Höhepunkt des Films - José Carioca führt Donald durch Rio, bringt ihm bei, Samba zu tanzen und macht ihn mit dem Geschmack des berühmten Cachaça bekannt. Der Charme des Papageis stiehlt Donald schnell die Show, und obwohl er sich in Europa und den USA lediglich als Nebendarsteller etablierte, erlangte er in späterer Folge zumindest in Comics die Hauptrolle. Der von Ari Baroso komponierte Samba Aquarelo do Brasil, der in dieser Szene zu hören ist, wurde durch den Film übrigens weltberühmt - bis heute wird er häufig als akustische Untermalung in Filmen und Dokumentationen verwendet, die Brasilien zeigen.

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass das Brasilien-Segment das einzige ist, das jenen zeitlosen Unterhaltungswert bietet, den man sich von einem Disney-Film erwartet. Die betont kindgerechte Darstellungsweise kann zumindest rückblickend nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film auch für damalige Verhältnisse keinerlei Informationsgehalt bietet, sondern lediglich Klischees. Auffällig ist auch das Whitewashing in den Realfilmszenen, das Zeigen von ausschließlich weißen Menschen, das allerdings in allen US-amerikanischen Filmen der damaligen Zeit üblich war, und auch die mangelnden Kenntnisse Donalds der portugiesischen Sprache, während José Carioca fließend Englisch spricht - was viele wahrscheinlich als Nebensache werten würden, betont die als selbstverständlich klassifizierte Vormachtstellung der USA gegenüber den südamerikanischen Ländern. Trotz all dieser Kritikpunkte wurde der Film allerdings ein Kassenschlager - der einzige während der Kriegsjahre. Sein Erfolg inspirierte Disney zu einem weiteren Film mit südamerikanischer Thematik.

The Three Caballeros (dt. Drei Caballeros) wurde 1944 in Mexiko City uraufgeführt; Regie führten Norman Ferguson, Clyde Geronimi, Jack Kinney und Bill Roberts. Da auch die USA bereits aktiv im Zweiten Weltkrieg involviert waren und die Disney-Zeichner damals größtenteils mit Ausbildungsfilmen für die Armee und Propagandafilmen gegen den Nationalsozialismus beschäftigt waren, war dieses bunte Spektakel für sie eine willkommene Abwechslung, auch wenn es durch die anderen Projekte immer wieder zu Unterbrechungen kam. In den USA wurde der Film nur einmal zur Gänze aufgeführt; ein paar Segmente wurden jedoch später als eigenständige Kurzfilme veröffentlicht (was erklärt, warum mir ein paar Szenen so bekannt vorkamen). Aufgrund der Kombination von Zeichentrick und klassischem Spielfilm gilt er als filmtechnische Errungenschaft - tatsächlich ist es eher die Experimentierfreudigkeit, die diesen Film sehenswert macht, denn die Handlung ist einigermaßen verwirrend. Bei manchen Details habe ich mich außerdem gefragt, was die mit Südamerika zu tun haben sollen  - etwa der improvisierte Stierkampf und der fliegende Teppich.

Wie Saludos Amigos, so besteht auch The Three Caballeros aus mehreren Segmenten, die durch eine Rahmenhandlung miteinander verbunden sind: Donald Duck hat Geburtstag und erhält von seinen südamerikanischen Freunden ein großes Paket, in dem sich drei weitere, kleinere Päckchen befinden. Er öffnet das erste, und heraus kommen ein Filmprojektor, eine Leinwand sowie eine Filmrolle. Diese enthält einen Kurzfilm namens Aves Raras (Seltene Vögel), der von dem Pinguin Pablo handelt, der sich über die Kälte in der Antarktis beschwert, bis er es schließlich nach Südamerika schafft, wo er in einer Hängematte liegt und sich von den dort ansässigen Schildkröten bedienen lässt. Anschließend wird gleich einer Dokumentation der südamerikanische Urwald zeigt sowie ein paar Vögel, die offensichtlich nicht alle Latten am Zaun haben. Irgendwann wird dann die Geschichte des kleinen Gauchito erzählt, eines Jungen, der nach einem Kondor sucht und dabei aus völlig unerfindlichen Gründen einen fliegenden Esel in einem Horst entdeckt.

Im zweiten Paket befindet sich ein Aufklapp-Bilderbuch, aus dem José Carioca springt und Donald nach Baía einlädt. Also reisen sie nach Salvador de Baía und treffen dort auf die brasilianische Schauspielerin und Sängerin Aurora Miranda, deren ältere Schwester Carmen Miranda jene von ihr selbst kreierte, aus Südfrüchten bestehende Kopfbedeckung, die heute als Tutti-Frutti-Hut weltberühmt ist, zum Inbegriff weiblicher Exotik. Aurora wird von zahlreichen männlichen Bewunderern umschwärmt, die aus irgendeinem Grund diese rot-weiß gestreiften T-Shirts tragen, die wir damals in Österreich als "Ruderleiberl" bezeichnet haben, weil sie eigentlich zur Tracht der venezianischen Gondolieri gehört. Die Tatsache, dass in dieser Szene ausschließlich weiße Menschen zu sehen sind, stößt besonders bitter auf, wenn man weiß, dass Baía die brasilianische Region mit dem höchsten Anteil an schwarzer Bevölkerung ist - allerdings darf man nicht vergessen, dass sowohl in Hollywood als auch in Brasilien schwarze Hautfarbe als "rückständig" und weiße Hautfarbe als "fortschrittlich" galt, und dass schwarze Künstler außerhalb ihrer Community nur selten sichtbar waren.

Als Donald und José das dritte Paket öffnen, kommt eine Tonspur heraus, die explodiert, woraufhin der rote mexikanische Hahn Panchito erscheint, der, nachdem er das Lied Three Caballeros angestimmt hat, den mexikanischen Brauch der Piñata erklärt - der übrigens ursprünglich aus China nach Südeuropa und von dort aus durch spanische Missionare nach Mittelamerika transferiert wurde, wo diese Tradition mit einem Brauch der Mayas kombiniert wurde, die ihre Götter unter anderem mit dem Zerschlagen von Tontöpfen ehrten. Daraufhin muss Donald ebenfalls eine Piñata zerschlagen - darin befinden sich weitere Geschenke, darunter ein Buch über Mexiko sowie ein fliegender Teppich mit indianischem Muster. Auf diesem Teppich erleben die drei Caballeros die Sehenswürdigkeiten Mexikos - Strände, Folklore, Nachtleben -, wobei hier Donalds Interesse für die schönen Frauen des Landes besonders auffällig ist, zumal Sexualität mit Disney-Figuren eigentlich unvereinbar scheint (obwohl sexuelle Anspielungen in Zeichentrickfilmen zum damaligen Zeitpunkt schon längst nichts Neues mehr waren). Nachdem er sich in Veracruz von der Tänzerin und Schauspielerin Carmen Molina den Lilongo beibringen lässt, wobei seine Freunde ihn nur mit Mühe wieder auf den Teppich zerren können, um weiterzuziehen, jagt er am Strand von Acapulco einer Gruppe junger Bikinischönheiten hinterher, wobei jene Szene, in der er José Carioca mit einer von ihnen verwechselt und ihn abküsst, woraufhin ihn dieser entschieden zurückweist, beinahe schon homophob anmutet. Anschließend betrachten die drei Freunde im Buch ein Bild vom mexikanischen Sternenhimmel, woraufhin die mexikanische Sängerin Dora Luz erscheint und anfängt, You Belong To My Heart zu singen. Die exotische Schönheit versetzt Donald in einen sexuellen Rausch, der in einem psychedelischen Reigen aus Farben und Formen, küssenden Lippenpaaren, phallisch wirkenden Kakteenwäldern und Blütenregen gipfelt.

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sowohl Saludos Amigos als auch The Three Caballeros vor allem eines deutlich machen, nämlich, dass der Begriff des "Kulturbotschafters" für Disney nicht wirklich zutrifft - die Filme verkaufen Klischees und Stereotypen und tragen weder zum Verständnis noch zum Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen bei. Ein authentisches Bild Südamerikas wird hier ebenso wenig vermittelt, wie es gelingt, ein positives Bild der USA in Südamerika zu etablieren: Der Pinguin Pablo wirkt wie ein Kolonialist, der kleine Gauchito wie ein Sklavenhändler und Donald Duck wie ein Sextourist. Kritisch hinterfragt wurde dies zur damaligen Zeit nicht, ganz im Gegensatz zu den sexuellen Anspielungen vor allem in The Three Caballeros, die wohl vor allem Leute in die Kinos locken sollten, indem man die Anwesenheit realer exotischer Schönheiten im Film betonte. Die lateinamerikanischen Themen schwanden nach 1945 aus den Disney-Filmen - der nächste geplante Film, Don Quixote, wurde nie realisiert, zeigt aber, wie wenig Eigenständigkeit den südamerikanischen Kulturen zur damaligen Zeit zugestanden wurde und mit wie wenig Sensibilität die Tatsache behandelt wurde, dass hinter dem Umstand, dass der Großteil des südamerikanischen Volkes heute Spanisch spricht, eine überaus grausame Geschichte aus Gewalt und Ausbeutung steckt.

Neben den beiden Spielfilmen drehte Disney auch noch etliche Dokumentations- und Erziehungsfilme, wofür etliche Botschaften, Gesandtschaften und Konsulate sogar extra mit Abspielgeräten versorgt wurden, um sie zeigen zu können. Zur Beliebtheit der USA trugen sie allerdings noch weniger bei als die Kinoproduktionen, zeugten sie doch hauptsächlich von Ignoranz und fehlendem Einfühlungsvermögen, teilweise sogar von Übergriffigkeit. So sorgten jene Filme, die zur Alphabetisierung beitragen sollten und ganz nebenbei noch ein wenig Ernährungslehre beinhalteten, durch ihre fehlerhafte Aufbereitung verbunden mit den unpassenden Inhalten für Spott und Protest bei der Zielgruppe. Vor allem die von Disney produzierten Gesundheitsfilme offenbaren die Respektlosigkeit der USA gegenüber der lateinamerikanischen Bevölkerung durch den Versuch, auch noch in deren intimste Lebensbereiche einzudringen. Die Protagonisten werden durchgehend als dumm und faul dargestellt, wodurch ihnen ganz selbstverständlich die Schuld an Armut, Krankheiten und mangelnder Hygiene zugeschoben wird - ausgeblendet wird hingegen die Verantwortung seitens der Wirtschaftsmächte, die durch die Gründung großer Firmen auf südamerikanischem Boden die Landflucht begünstigten und so auch die Ansiedlung vieler Menschen auf engem Raum ohne die erforderliche Infrastruktur. Bemerkenswert ist auch ein Kurzfilm namens The winged scourge, der Tipps zur Bekämpfung der Malaria übertragenden Anopheles-Mücke gibt - unter anderem durch den ausufernden Einsatz von Kupferarsenitacetat, das wegen seines hohen Anteils an Arsen heute zu Recht verboten ist.

Abschließend muss ich sagen, dass ich es für nicht weiter verwunderlich halte, dass meine Kenntnisse im Bereich der Disney-Filme mit Südamerika-Bezug bisher äußerst rudimentär waren - Saludos Amigos und The Three Caballeros sind nach heutigem Standard größtenteils eher wenig unterhaltsam. Den meisten anderen Disney-Meisterwerken können sie jedenfalls mit Sicherheit nicht das Wasser reichen - aber ich finde es im historischen Kontext nicht falsch, sie mal gesehen zu haben. Auch wenn das vorgebliche Wohlwollen seitens der USA gegenüber ihrer Nachbarn aus dem Süden eher den Eindruck hinterließ, dass sie diese eher in Abhängigkeit halten wollten. Ganz allgemein sind wir es jedoch schon so gewöhnt, von klein auf mit der Propaganda des US-Imperialismus gefüttert zu werden, dass es den meisten von uns im Großen und Ganzen gar nicht mehr auffällt, selbst wenn es in manchen Filmen offensichtlich ist. Aber gerade deshalb halte ich es für wichtig, sich einmal damit auseinanderzusetzen - auch wenn uns das nicht davon abhalten sollte, diese Filme trotzdem zu genießen. Denn im Großen und Ganzen sind sie ja doch Teil unserer Kindheit - und trotz allem gehöre ich zu jenen, die sie nicht mehr missen wollen. Bon voyage!

vousvoyez

http://othes.univie.ac.at/12188/1/2010-11-12_0108515.pdf

https://www.film-rezensionen.de/2017/01/saludos-amigos/

https://www.film-rezensionen.de/2017/01/drei-caballeros/

Einige Beispiele der Gesundheitsfilme:

https://www.youtube.com/watch?v=XoE3gyVd_ds

https://www.youtube.com/watch?v=_LNCpA92Wz8

https://www.youtube.com/watch?v=ICnSpLsiDzI

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