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Nun, ich würde jetzt eine Kellertreppe nicht unbedingt mit einem Atomkraftwerk vergleichen - aber Satire darf ja bekanntlich alles. Vielleicht nicht alles, aber doch zumindest weitaus mehr als etwas, das ernst gemeint ist. Das Problem ist halt, dass es zu viele gibt, die das eine vom anderen nicht unterscheiden können. Deswegen ist es heutzutage auch sehr leicht, alle möglichen Märchen als wahr zu verkaufen - irgendjemand wird das schon glauben. Wenn auch nur, weil es ja Verschwörungstheorien gibt, die tatsächlich wahr geworden sind!
Nun - das ist tatsächlich nicht falsch. Prominentes Beispiel dafür ist etwa die Shoa: Lange wollte man außerhalb des europäischen Kontinents nicht glauben, dass Juden und andere dem Nationalsozialismus missliebige Personengruppen systematisch in Konzentrationslagern dahingerafft wurden. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man das fast schon witzig finden - immerhin wurden diese unfassbaren Grausamkeiten ebenfalls mit einer Verschwörungstheorie gerechtfertigt, nämlich jener des "Weltjudentums", dem zufolge die Juden angeblich die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Ich denke, man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass "die Juden" ein genauso schwammiges Kollektiv ist wie etwa "die Deutschen" oder "die Radfahrer". Und auch die Überwachungs- und Spionagepraktiken britischer und amerikanischer Geheimdienste, die der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden aufgedeckt hat, wurden ursprünglich als "Verschwörungstheorien" bezeichnet. Und auch die Watergate- und die Iran-Contra-Affäre waren ursprünglich nur Verschwörungstheorien.
Aber wenn das stimmt, dann muss es doch auch wahr sein, dass die Amerika nie auf dem Mond waren, dass die Erde flach ist und dass uns durch die Covid-Impfungen ein Chip implantiert wird, oder? Nein, ganz so einfach ist es natürlich nicht! Nehmen wir einmal ein anderes Beispiel: Wir alle sind seit unserer Kindheit mit den berühmten Schauspielerinnen und Schauspielern Hollywoods vertraut. Und so manch einer ist von diesen so fasziniert, dass er oder sie den großen Wunsch hegt, einer von ihnen zu werden. Sie bzw. er absolviert eine Schauspielausbildung (oder auch nicht) und reist nach Los Angeles, in der Hoffnung, dort entdeckt zu werden. Da dies allerdings selbstverständlich nicht gerade wenig Leute sind, liegt es in der Natur der Sache, dass nur ein Bruchteil all dieser hoffnungsvollen Talente oder Möchtegern-Talente eines Tages auf den großen Leinwänden der Welt zu sehen sein wird, und sei es auch nur als kleiner Mitarbeiter oder Statist. Viele vergeuden praktisch ihr ganzes Leben damit, auf die große Chance zu warten, und übersehen dabei komplett, dass es auch noch andere Dinge auf der Welt gibt. Denn wer es wirklich schafft, kann niemand voraussagen - auch großes Talent ist keine Garantie, zumal mitunter auch Leute wie Ashton Kutcher am großen Hollywood-Kuchen mitnaschen dürfen. (Ja, es tut mir furchtbar leid, ich habe nichts gegen ihn persönlich, aber ich halte ihn nicht für einen guten Schauspieler. Und jetzt her mit den faulen Tomaten!) Ähnlich ist es auch mit den Verschwörungsgeschichten - seit Menschengedenken gibt es davon ungefähr so viele wie Sand am Meer, aber nur die wenigsten stellen sich irgendwann einmal als wahr heraus. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Wenn du oft genug würfelst, ist klar, dass du irgendwann einmal die Vier erwischst. Und da es schon seit Jahrtausenden so viele Verschwörungstheorien gibt, ist klar, dass nicht alles davon falsch ist. Es macht aber das Geschwurbel über die angeblich erfundene Pandemie und die ach so gefährliche Impfung, das gerade jetzt von allen Seiten auf uns einprasselt, nicht wahrer.
Im Großen und Ganzen sind Verschwörungstheorien, ob glaubwürdig oder nicht, wahr oder nicht, wohl schon so alt wie die Menschheit selbst - es gab und gibt sie in allen Gesellschaften und Kulturen. Vor Beginn der Neuzeit erreichten sie allerdings weitaus seltener eine Massenwirksamkeit - zu den wenigen Beispielen gehörte etwa der frühe Tod des allseits beliebten römischen Feldherrn Nero Claudio Germanicus, dem man ein Mordkomplott andichtete, weil die Erklärung, er sei einer Krankheit erlegen, zu profan erschien. Im Mittelalter waren es vor allem die Juden, die für Verschwörungsmärchen herhalten mussten - so behauptete man, sie seien Schuld am Ausbruch der Pest, da sie die Brunnen vergiftet hätten, oder man unterstellte ihnen, christliche Kinder zu entführen und rituell zu ermorden. Ähnlich rechtfertigte man auch die Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit - ein Schema, das auch heute noch funktioniert: Die Corona-Pandemie ist eine Verschwörung der Regierung, an der Behinderung meines Kindes ist die Masernimpfung schuld und die Flüchtlinge sind für alle wirtschaftlichen Probleme verantwortlich. Im Großen und Ganzen wurden unerfreuliche Ereignisse jedoch eher als Strafe Gottes verstanden denn als die Machenschaften menschlicher Verschwörer. Die erste Verschwörungstheorie in größerem Maßstab entstand im elisabethanischen England mit dem Mythos der vom Ausland gesteuerten Jesuiten-Verschwörung - diese sollten angeblich für diverse Mordanschläge auf das Königshaus verantwortlich sein. Dass der Jesuiten-Orden im 18. Jahrhundert aufgelöst wurde, war nicht zuletzt auch die Ursache solcher Verschwörungstheorien, die viele auch bestätigt sahen, als sich diese in Paraguay gegen spanische und portugiesische Herrschaftsansprüche zur Wehr setzten. Dennoch hielten sich antijesuitische Verschwörungstheorien in den USA bis ins 19. Jahrhundert hinein.
Als einen der berühmtesten Verschwörungstheoretiker der Geschichte könnte man Maximilien de Robespierre bezeichnen, der einen prägenden Einfluss auf die Französische Revolution hatte. Er rechtfertigte die Verfolgung, Inhaftierung und Hinrichtung politischer Gegner damit, dass sie Teil der Verschwörung des absolutistischen Auslands gegen die revolutionäre Regierung seien - eine Behauptung, die durchaus einen wahren Kern besaß, sich aber zu einem Selbstläufer entwickelte, der darin gipfelte, dass im Frühjahr 1794 die Hébertisten hingerichtet wurden, die angeblich vom Ausland dafür bezahlt wurden, durch absichtlich übersteigerte Maßnahmen die junge Republik zugrunde zu richten - oder, wie es in Georg Büchners Drama Dantons Tod so treffend zum Ausdruck gebracht wird: "Ich weiß wohl, die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder." (Georg Büchner: Sämtliche Werke. Insel Verlag (insel taschenbuch) 2002, S. 31)
Dass man jenen, die dem Konspirationismus anhängen, unterstellt, gerne eine Kopfbedeckung zu tragen, die aus Stanniolpapier gefertigt ist, ist allerdings ein Narrativ, der erst seit dem 20. Jahrhundert populär ist. Heute ist es bereits gang und gäbe, dass man Leuten, die behaupten, Donald Trump befreie Kinder aus dem Untergrund, deren Blut Prominenten, die lustigerweise immer politische Gegner des amerikanischen Fast-nicht-mehr-Präsidenten sind, als Verjüngungsmittel diene, empfiehlt, ihren Aluhut abzunehmen, oder andere, die die aktuelle Pandemie für eine Verschwörung diffuser Welt-Eliten halten, zu fragen, ob ihr Aluhut möglicherweise zu fest sitzt. Aber woher kommt das?
Nun, der Aluhut geht auf die Science-Fiction-Kurzgeschichte The Tissue-Culture King zurück, die der britische Biologe, Philosoph und Schriftsteller Julian Huxley im Jahr 1927 veröffentlichte. Darin schützt sich der Protagonist vor den telepathischen Fähigkeiten eines afrikanischen Stammes, der ihn gefangen hält, mit Hilfe einer aus Metallfolie gebastelten Kopfbedeckung. Seit damals wird der Begriff des Aluhutes mit Paranoia und Konspirationismus in Verbindung gebracht - und wird meist im übertragenen Sinn verwendet. Auch tatsächliche Aluhüte werden meist im satirischen Sinne verwendet - oder auch als Trotzreaktion, etwa während jener Proteste gegen die Maßnahmen bezüglich der aktuellen Pandemie, die seit April 2020 regelmäßig stattfinden. Eine Demonstrantin in Wien behauptete gar, der Aluhut ermögliche es ihr, frei zu denken - eine Aussage, die an Ironie nur schwer zu überbieten ist. Beliebt bei jenen, die sich "Querdenker" nennen, sind auch Kugeln aus Alufolie, an der Kleidung befestigt, die ihnen als Erkennungszeichen dienen (und es unsereins erleichtern, bestimmten Leuten aus dem Weg zu gehen). Allerdings gibt es auch nicht-konspirationistische Bereiche, in denen so ein Aluhut von Nutzen ist: Israelische Chirurgen kamen etwa auf die Idee, ihre OP-Haube bei Operationen an Frühgeborenen durch eine Abdeckung aus Aluminium zu ergänzen, um ihre Köpfe vor der für die Körperregulierung der Kinder notwendigen Infrarot-Strahlung zu schützen. Bekannt ist auch der Negativpreis Goldener Aluhut, gestiftet von Giulia Silberbergers gleichnamiger Initiative, der seit 2015 in Berlin verliehen wird und dessen Träger so verschwurbelte großartige Persönlichkeiten wie Xavier Naidoo und der Volkslehrer, desinformative Institutionen wie der Kopp-Verlag und Astro-TV oder auch diverse Blogs und Kanäle aus dem Kontext der Universität zu Youtubingen sind. Ironischerweise brach Michael Ballweg, seines Zeichens Initiator der Schwurbel-Bewegung "Querdenken", einen Rechtsstreit gegen den Goldenen Aluhut vom Zaun, weil er glaubte, einen Anspruch auf diesen Preis zu haben - ein seltsames Anliegen, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um einen Spott-Preis handelt. Aber jeder, wie er glaubt, nicht wahr?
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass "Querdenken" ursprünglich so gar nichts mit Konspirationismus zu tun hatte - ganz im Gegenteil. Quer zu denken hieß früher nicht, an Märchen zu glauben, um sich als etwas Besonderes darstellen zu können - Querdenker waren Menschen, die dazu fähig waren, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und die Menschheit ein Stück weit voranzubringen. Deswegen wurde Querdenken, ehe Ballweg den Begriff als "Marke" etablierte, als Synonym für laterales Denken gebraucht - für die Lösung eines intellektuellen Problems mittels kreativem Denken. In Ballwegs Sinne bedeutet "Querdenken" jedoch, alles abzulehnen, was einem nicht gefällt und nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. Und das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich betrüblich - denn viele scheinen sich ja tatsächlich auf einer Ebene mit jenen großen Künstlern und Wissenschaftlern zu sehen, die einst in konservativen Kreisen für ihre revolutionären Ideen in Ungnade fielen. Was angesichts dessen, dass viele sich nicht einmal in ihrer eigenen Muttersprache einigermaßen verständlich ausdrücken können, ziemlich schmerzhaft ist.
Aus Erfahrung kann ich nur sagen: Wenn ein Begriff einmal auf diese Weise in Ungnade gefallen ist, ist es leider nahezu unmöglich, ihn wieder seiner ursprünglichen Bedeutung zuzuführen. Aber gerade deswegen möchte ich euch anregen, eure Gedanken die Flügel ausstrecken zu lassen, als einfach nur stumpf den Ballwegs, Schiffmanns und Wendlers dieser Welt nachzulaufen. Denn dies hat nichts mit "Freiheit" zu tun - ganz im Gegenteil, man lässt sich damit auf einen Mechanismus ein, der sehr ausgrenzend ist. Um hier dazuzugehören, muss man denjenigen, die das Sagen haben, stets nach dem Mund reden - im Prinzip ist es, auch wenn es hart klingt, vergleichbar mit dem Eintritt in eine Sekte. Und wenn das einmal eingetroffen ist, sind eure Gedanken nicht mehr frei - auch wenn ihr es noch so sehr glaubt. Dann hilft euch auch das Singen alter Studentenlieder nicht mehr.
vousvoyez
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