![]() |
(c) vousvoyez |
1. Kinderzimmer
Zentrum der kindlichen Entwicklung ist natürlich das Kinderzimmer - mache haben eines für sich allein, andere teilen es sich mit den Geschwistern. Und natürlich verändert es sich laufend, da es sich den wandelnden Bedürfnissen seiner Bewohner stets anpassen muss. In meinen ersten Lebensjahren schlief ich in einem Raum neben dem Wohnzimmer, der bei uns nur "kleines Zimmer" genannt wurde und in dem mein Gitterbett stand. Zum Spielen ging ich ins große Kinderzimmer, das ich mit meiner Schwester teilte und in das später auch mein Bett verlegt wurde. Wir hatten eine Puppenküche, einen Schreibtisch, ein Regal, eine große Kommode und einen Schrank - den, den ich mal mit Kugelschreiber beschmiert habe und in dem die Mädchenkleider hingen, die ich nicht anziehen wollte. In einer Ecke stand ein alter Kachelofen, der nicht mehr benutzt wurde, die Wände waren blau gestrichen, und auf der Kommode saß eine beachtliche Sammlung an Kuscheltieren. In der Mitte des Zimmers war ein blauer Fleckerlteppich ausgelegt, auf dem ein großer runder Tisch stand. Unter diesem Tisch war quasi unser Lebensmittelpunkt - hier brachte einer meiner Brüder meiner Schwester Rechnen bei, während ich von ihr die Buchstaben lernte; sie malte kleine Zettelchen mit Buchstaben, die sie mit Tixo auf die Unterseite der Tischplatte klebte. Meine Freunde kamen immer gern zu mir, weil hier so viel Platz war - andererseits traf ordnungswütige Mütter immer der Schlag bei der Unordnung, die ich nicht einmal selbst verschuldet hatte - nachdem dieses Zimmer von insgesamt vier Kindern (meine Brüder hatten vor meiner Geburt auch darin gewohnt, dann zogen sie ins obere Stockwerk um) bewohnt wurde, die alle ihren Krempel hier hinterließen, war es nun einmal nicht mehr so perfekt wie bei anderen, selbst wenn man sich mit dem Aufräumen noch so viel Mühe gab. Als ich ins Schulalter kam, übernahm meine Schwester das "kleine Zimmer" zum Lernen und als Rückzugsort, und als meine Brüder auszogen, nahmen wir nacheinander die kleineren Räume im oberen Stock ein. Hier wurde ich allmählich zum Teenager, und dem Spielzeug wichen Poster, CDs und ein Computer. Bücher hatte ich allerdings immer.
2. Urzeitkrebse
Ich glaube, so ziemlich jedes Kind von den 1970er Jahren abwärts ist zu einem gewissen Zeitpunkt seines Lebens irgendwann der Faszination der artemia nyos, besser bekannt als "Salzkrebse", "Urzeitkrebse" oder auch "Sea Monkeys", verfallen. Der Begriff sea monkey ist vor allem in den USA verbreitet - warum gerade "Meeresaffen", entzieht sich allerdings meiner Kenntnis; mich hat das schon irritiert, als ich den Namen das erste Mal (in der Serie My Wife And Kids) hörte. Bekannt wurden diese eigentlich recht unscheinbaren Tierchen, die ansonsten eher als lebendes Fischfutter recht beliebt sind, als Beigabe in Jugendmagazinen wie Yps oder später auch Micky Maus. Da bekam man dann zwei Plastikbehälter; der eine enthielt die Eier mit Meersalz, der andere das Algenfutter, von dem sich die Tierchen ernähren. Da es sich bei den Eiern dieser Krebsart um Dauereier handelt - also Eier, die an ungünstige Lebensbedingungen angepasst sind und daher mehrere Jahre überdauern können -, eignen sie sich natürlich ideal dafür, länger aufbewahrt zu werden. Heutzutage sind sie vor allem als Bestandteil von Experimentierkästen erhältlich. Besonders das deutsche Comic-Magazin Yps wurde durch diesen Gimmick im gesamten deutschsprachigen Raum sehr begehrt - der sonstige Inhalt dieses Hefts war wohl qualitativ nicht mehr so hochwertig wie zu Anfang, jedenfalls kann ich mich kaum noch daran erinnern. Ich habe die Hefte damals tatsächlich fast nur wegen ihrer Gimmicks gekauft. Was die Krebse betrifft - ich habe ein paarmal versucht, welche zu züchten, manchmal sind sie auch geschlüpft, kamen aber über das Larven-Stadium nie hinaus. Das war nicht bei allen Kindern so - ich erinnere mich, wie zwei meiner Schulkolleginnen ihre Urzeitkrebse einmal in die Schule mitbrachten. Sie wurden in weitaus kleineren Gläsern gehalten als meine und hatten es dennoch geschafft, fast einen Zentimeter groß zu werden. Ich bin wohl nicht für die Kleintierzucht geschaffen.
3. Rubbel-Tattoos
Ach, Urlaub in der Kindheit! Es ist Pfingsten, die Temperaturen bereits sommerlich, und ich fahre mit meiner Mutter und Freunden, die ebenfalls Kinder haben, für ein paar Tage in die italienische Touristenstadt Grado, um die Zeit vor dem großen Ansturm der Hauptsaison zu nutzen und ein wenig Sonne zu tanken. Ich erinnere mich daran, wie überrascht ich war, als mir meine Mutter, die mir ständig damit in den Ohren lag, dass wir nicht so viel Geld ausgeben konnten, zum ersten Mal tausend Lire in die Hand drückte mit der Aufforderung, mir doch ein Eis kaufen zu gehen. Tausend Schilling - so stellte ich mir als Sechsjährige den wahren Reichtum vor! In einem Jahr war für uns jedoch nicht Eiscreme der große Hit, sondern Lollys, deren Verpackung ein Klebetattoo beigefügt war - man musste nur die Rückseite abziehen, das Tattoo auf die gewünschte Körperstelle drücken, mit Wasser befeuchten und dann die Vorderseite abziehen, schon hatte man für ein paar Tage ein paar hübsche Bilder auf dem Körper. Und das alles ganz kindgerecht ohne Schmerzen! Das einzige Risiko: Das Tattoo blieb nicht immer vollständig kleben, sprich, wenn man Pech hatte, lief man ein paar Tage lang nur mit einem halben Bildchen auf der Haut herum. Die kleinste Tochter einer befreundeten Familie wollte, als ihr das einmal passierte, auf der Stelle den Urlaub abbrechen. Mit sechzehn war ich für zwei Wochen in Torquay, Südengland und ließ mir dort mit Henna ein chinesisches Zeichen auf die Schulter malen. Laut Beschreibung sollte es "Frieden" bedeuten, es hätte aber ebenso auch "Du Arsch" heißen können.
4. Gummihupfen
Dieses Spiel, dessen Standardbezeichnung "Gummitwist" lautet, das in Österreich allerdings eher unter der Bezeichnung "Gummihupfen" bekannt ist, kommt so ziemlich in jeder Generation irgendwann einmal in Mode - hauptsächlich bei Mädchen im Grundschulalter. Bei diesem Spiel ist nichts weiter vonnöten als ein etwa drei Meter langes Gummiband, meist handelt es sich hierbei um einen Durchzugsgummi für Kleidungsstücke - mittlerweile sind aber schon speziell zum Gummihupfen angefertigte Gummibänder im Handel erhältlich. Bei diesem Spiel wird der Gummi um die Füße zweier sich gegenüber stehender Kinder gespannt, der Abstand muss groß genug sein, dass er straff gespannt ist. Nun hüpft ein dritter Mitspieler in, auf oder zwischen dem Gummiband nach Regeln, die stets variieren können. Natürlich gibt es verschiedene Variationen, die den Schwierigkeitsgrad erhöhen - so kann die Beinstellung verbreitert oder verengt werden, oder das Gummiband wird höher gespannt, in seltenen Fällen sogar bis unter die Achsel. Bei manchen Variationen kann das Gummiband während des Springens auch bewegt oder gar gekreuzt werden. In Erinnerung geblieben sind den meisten dabei die sinnentleerten Sprüche, die die Springerin währenddessen aufsagen musste, etwa: "Rucki zucki, Donald Ducki, Micky Mausi, eini, aussi"; "Auf einem Gummi-, Gummiberg, da saß ein Gummi-, Gummizwerg, der aß ein Gummi-, Gummibrot, dann war er gummi-, gummitot"; "Peter Alexander, Haxen auseinander, Haxen wieder zamm und du bist dran" oder auch nur "Seite, Seite, Mitte, Seite, Seite, Mitte, raus". In dem Spiel kommt es vor allem auf Geschicklichkeit, Rhythmusgefühl und Körperbeherrschung an; wer einen Fehler macht, muss einer anderen Springerin das Feld überlassen. Was mich betrifft, ich war da eher Zuschauerin, oder ich hab auch mal den Gummi gehalten - erstens war ich sowieso nicht besonders sportlich, zweitens interessierten mich die typischen "Mädchenspiele" nicht wirklich. Ich erinnere mich aber, dass meine ältere Schwester eine Zeit lang in unserem gemeinsamen Kinderzimmer, den Gummi zwischen zwei Stühle gespannt, wie besessen geübt hat.
5. Klatsch-Armbänder
Auch diese Erinnerung ist eng mit den Grado-Urlauben verbunden: Armbänder, bestehend aus einem mit Stoff überzogenen biegsamen Metallstreifen, den man sich aufs Handgelenk schlug, woraufhin er sich einrollte und so um den Arm schlang. Man bekam das Klatsch-Armband für wenig Geld in Souvenir- und Gift-Shops, am beliebtesten war es natürlich in Leuchtfarben. Ich besaß irgendwann sogar eine Digitaluhr mit Klatsch-Armband. Wenn sich der Stoffüberzug allerdings auflöste und das Metall darunter zum Vorschein kam, war es Zeit, sich von seinem geliebten Spielzeug zu verabschieden.
6. Hüpfball
Seit den 1960er Jahren darf er in keinem Kinderzimmer fehlen: Der große, aufblasbare Gummiball, der im Wesentlichen einem Gymnasikball ähnelt und oben einen oder zwei Griffe zum Festhalten hat. Handelsüblich waren in meiner Kindheit Bälle mit zwei Hörnern als Haltegriffe und einem Tiergesicht vorne drauf. Man setzt sich hinter die Griffe, hält sich fest und hüpft durch die Gegend - am besten geeignet ist hierbei ein glatter, fester Untergrund, sprich, der Parkettboden bei uns in der Wohnung war ideal. Ich hatte einen roten Ball, der statt der Hörner einen Haltebügel hatte. Mit diesem hatte man einen besseren Halt und konnte entsprechend auch höher hüpfen. Hüpfbälle trainieren Gleichgewicht und Koordination und dienen dem Muskelaufbau - davon merke ich jetzt, als Erwachsene, allerdings nichts. Aber der Hüpfball war ein wunderbares Gerät, um sich auszutoben - es sei denn, man störte dabei ruhebedürftige Erwachsene.
7. Rollschuhe
Meinen Recherchen zufolge existiert der Rollschuh bereits seit dem 18. Jahrhundert - der erste wurde von einem belgischen Instrumentenbauer und Violinisten konstruiert, der bei seiner ersten Ausfahrt auf einem Maskenfest in London allerdings gleich einmal gegen eine Spiegelwand knallte. Im 19. Jahrhundert war das Rollschuhfahren hauptsächlich eine Bühnenattraktion - in seiner heutigen Form wurde der Rollschuh um 1862 von dem Amerikaner James L. Plimpton entwickelt. Die zunehmende Asphaltierung in Städten und die Entwicklung leistbarer Kugellager machten das Rollschuhfahren allmählich zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung. Anfangs bestanden Rollschuhe aus einem Chassis mit Rollen aus Eisen, das mit Lederriemen an den Schuh geschnallt wurde. 1956 kamen die ersten Gummirollen auf den Markt, die schon bald durch Kunststoff ersetzt wurden. Um 1980 waren dann bunte, mit den Rollen fix verbundene Stiefel, genannt "Roller-Skates", der große Hit der Discowelle - unvergesslich die Szene in La Boum - Die Fete, in der Protagonistin Vic während einer Rollschuh-Veranstaltung in einer Diskothek versucht, ihren Freund, der mit einem anderen Mädchen gekommen ist, mit ihrem Vater eifersüchtig zu machen, der wackelig auf seinen Rollschuhen versucht, sich ihren Liebesbekundungen zu entziehen. Oder der Musical-Film Xanadu mit John Michael Beck und Olivia Newton-John. Meine ersten Rollschuhe bekam ich mit etwa acht oder neun Jahren - es waren verstellbare Eisen-Chassis, die man mit roten Lederriemen an die Schuhsohlen schnallte. Zum Reinwachsen, sozusagen. In meiner Jugend wurden die Rollschuhe jedoch allmählich von den Inline-Skates abgelöst, die es im Prinzip schon fast so lange gab wie Rollschuhe, ihren Durchbruch aber erst im Laufe der 1980er durch die Firma Rollerblade ihren Durchbruch erlebten und in den Neunzigern DER heißeste Scheiß im Bereich des Jugendsport war. Ich war etwa dreizehn oder vierzehn, als ich ein Paar Inlineskates geschenkt bekam - mit Knie- und Ellbogenschützern, die ich mir fern von den Augen der Eltern herunterriss. Inzwischen sehe ich allerdings auch häufig Kinder und Jugendliche mit Heelys auf der Straße - Turnschuhe mit integrierten Rollen an der Ferse, die man ein- und ausfahren kann.
8. Wundertüten und Überraschungseier
Wir sind ja inzwischen mit den Prinzipien des Kapitalismus vertraut, die vor allem in der Werbung zum Tragen kommen: Es geht vor allem um Versprechungen, von denen man von vornherein weiß, dass sie eh nicht gehalten werden können. Dieses Joghurt macht dich nicht schöner; jener Schokoriegel macht dich nicht intelligenter; dieses Kleidungsstück macht dich nicht beliebter; jenes Waschmittel verändert nicht dein Leben. Ähnlich funktioniert es auch mit der Wundertüte: Meist enthält sie steinharte Süßigkeiten sowie irgendwelches Schrott-Spielzeug - und trotzdem wollte man als Kind immer wieder eine haben. Sie lagen in dem Café auf, das ich samstags manchmal zusammen mit meiner Großmutter besuchte, nach Jungen und Mädchen getrennt. Jedes Mal hoffte man, dass da etwas drin war, was man gebrauchen konnte, und jedes Mal wurde man enttäuscht. Nach einem ähnlichen Prinzip wie die Wundertüten funktionieren bekanntlich auch die Überraschungseier der Ferrero-Marke Kinder. Ich erinnere mich noch an die Werbespots von früher, wo Kinder sich stets "was Spannendes, was zum Spielen und Schokolade" wünschten und dann die in Stanniolpapier eingewickelten Schoko-Eier bekamen, in deren Hohlkörper sich ein gelber Plastikbehälter befand, der ein kleines Spielzeug enthielt. Besonders beliebt waren die Sammelfiguren, von denen man natürlich nie alle hatte, weil man erstens von außen gar nicht sehen konnte, was sich in dem Ei befand und weil zweitens schon wieder neue kamen, sobald man endlich einmal eine oder zwei besaß. Ähnlich war es ja auch mit den Panini-Sammelalben - man bekam nie eines voll, weil man immer etliche doppelt hatte und das neue Album nicht auf dich wartete. In den USA sind die Überraschungseier übrigens verboten - aufgrund eines Gesetzes, das die Kombination von Essbarem und Nicht-Essbarem für Kinder untersagt, weil sie dieses angeblich nicht unterscheiden können. Dafür kommen sie leichter an Schusswaffen - immerhin etwas. (Ja, das war Sarkasmus.)
9. Slime
Dieses völlig sinnlose, aber für mich damals herrliche Spielzeug ist seit 1976 auf dem Markt - in meiner Kindheit wurde es in verschiedenen Farben in Plastikbechern mit Deckel verkauft. Es gab sie fluoreszierend, mit Gummiwürmern, Augäpfeln aus Gummi oder einer Leuchtkugel als Beigabe - Hauptsache möglichst eklig. Am liebsten rollte ich den Slime auf dem Boden aus, obwohl ich das eigentlich gar nicht durfte, und mit der Zeit blieben immer mehr Holz- und Staubpartikel darin kleben, bis man das Zeug kaum noch von den Fingern bekam. Dann war es Zeit, das geliebte Spielzeug zu entsorgen und auf den nächsten Anlass zu warten, an dem man sich ein neues kaufen oder wünschen konnte.
10. My Little Pony
Obwohl ich mich nie als "typisches Mädchen" sah, war auch ich dem Charme von My Little Pony nicht abgeneigt - ich kannte die in den 1980ern entwickelte Spielzeugserie allerdings noch in ihrer ersten Generation, wo die Figuren weitaus mehr nach Pferden aussahen als heute mit dem viel zu großen Kopf zu dem viel zu dünnen Körper. Allerdings waren die quietschbunten, auf Mädchen zugeschnittenen Farben schon damals nicht sehr Pferde-like - anders als die Vorläufer-Serie My Pretty Pony, die noch Ponys in "natürlichen" Farben herausbrachte. Wenn ich mir die Namen der frühen Ponys ansehe, frage ich mich außerdem, was sich die Hersteller dabei gedacht haben; Ruby Lips, Chocolate Delight und Steamer erinnert meiner Ansicht nach mehr an Pornostars als an Kinderspielzeug. Ich habe allerdings weder die Fernsehserie noch den Film je gesehen - bei uns waren tatsächlich nur die Spielzeugfiguren verfügbar. Ich erinnere mich, eines in Blau, eines in Rosa und zwei in Weiß besessen zu haben - das eine weiße war allerdings ein "Kind" und hatte Flügel, ich bekam es zusammen mit einer Babyflasche. Wenn ich mir diese farbigen Pferde mit den Riesenaugen und dem kämmbaren Langhaar allerdings so ansehe, denke ich mir, nein, alles war früher nicht besser. Und die Ponys waren nicht so viel schöner als heute. Äußerst witzig finde ich jedoch einen vor zehn Jahren inszenierten Internet-Schabernack, als irgendwelche Trolle auf Internet Movie Data Base von My Little Pony: The Princess Parade schwärmten wie von einem Kunstwerk. Mein Lieblingssatz: "Wenn Orson Welles nur einen Film über sprechende Ponys gemacht hätte - dieser wär's gewesen!"
11. Zigaretten
In meiner Kindheit gehörten Kaugummi- und Schokoladezigaretten noch ganz selbstverständlich dazu. Sowohl die Papierhülle der Schoko- oder Kaugummistangen als auch die Verpackung waren täuschend echt den Zigaretten nachgeahmt - nicht umsonst sind sie heute eher umstritten. Damals gehörte Rauchen auch bei Erwachsenen allerdings noch zum guten Ton, es war praktisch überall erlaubt und man dachte sich auch nichts dabei, vor den Kindern zu rauchen. Heute sind Süßigkeiten, die wie Zigaretten aussehen, nicht verboten, aber auch nicht so leicht erhältlich, da viele sie als "Einstiegsdroge" werten. Nun - ich will nicht verhehlen, dass Rauchen in meiner Kindheit aus nahe liegenden Gründen als "erwachsen" galt - unabhängig davon, dass es natürlich nicht gut ist. Entsprechend kamen wir uns mit unseren Imitationen selbstverständlich ebenfalls besonders cool und erwachsen vor. Aber ohne unsere Vorbilder wäre wohl kaum einer von uns in Versuchung gekommen, mal an so einem ekligen Stängel zu ziehen. Heutzutage wird kaum noch Werbung für Zigaretten gemacht - und wenn, dann wird darin nicht geraucht. Auch rauchende Filmhelden und Innen wie Humphrey Bogart, James Dean oder Marlene Dietrich gehören schon längst der Vergangenheit an. Heutzutage rauchen in Filmen eigentlich fast nur noch die Bösen und ab und zu mal ein Intellektueller. Und immer mehr scheinen E-Zigaretten den Tabakerzeugnissen den Rang abzulaufen - auch wenn sie anscheinend keineswegs so "gesund" sind, wie immer behauptet wird. Im Prinzip gibt es so etwas wie "echte" Raucher heute nicht mehr - wer kein Nichtraucher ist, entschuldigt sich permanent für sein Rauchen, selbst im Rahmen allerhöchster Rücksichtnahme auf Minderjährige und Nichtraucher. Auch ich verhalte mich größtenteils wie ein Nichtraucher - beispielsweise rauche ich nicht in meinem Schlafzimmer, wegen des Gestanks hinterher. Die E-Zigarette ist im Prinzip nur ein weiteres Beispiel für all die Genussmittel, auf die man nicht verzichten will, die jedoch möglichst keine schädlichen Eigenschaften mehr haben sollen: koffeinfreier Kaffee, kalorienfreies Cola, fettfreies Obers, alkoholfreies Bier. All diese Produkte sind jedoch nicht das, was sie zu sein vorgeben - und das erkennt man meistens schon am Geschmack. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek bezeichnet diese Art des Konsums als Teil einer "Surrogatsgesellschaft", die "Realität ohne Substanz" will. So weit würde ich nun nicht gehen - selbstverständlich ist Nichtrauchen in jedem Fall besser -, aber einen wahren Kern hat diese These doch: Heutzutage wollen wir den ultimativen Genuss, aber die vollständige Abwesenheit von Gefahr. Ich kritisiere ja häufig die zum Teil schon überängstliche Kindererziehung und ihre absurdesten Auswüchse - im Prinzip sind es jedoch bereits wir alle, die möglichst frei von Risiken leben wollen. Oder, wie meine Mutter bemängelt: Unsere Gesellschaft ist wahnsinnig verklemmt geworden. Und in der aktuellen Situation erleben wir, dass es ein vollständig risikofreies Leben nicht gibt - aber manche scheinen es nicht zu begreifen und halten das Tragen einer Maske schon für "Diktatur".
12. Barbie
Last but not least möchte ich mich einem Spielzeug widmen, das ich damals gehasst hatte und bis heute ehrlich gesagt scheußlich finde, das aber ebenso Teil meiner Kindheit war: Der Barbie-Puppe.
Meine Schwester hatte keine Barbies, sondern ein britisches Erzeugnis namens Sindy, das nicht von Mattel, sondern von Pedigree Dolls & Toys hergestellt wurde. Die Sindy-Puppe sollte in direkter Konkurrenz zur Barbie stehen, Ende der 1960er Jahre war sie in England auch tatsächlich beliebter; ich finde sie optisch ansprechender als das amerikanische Erzeugnis - vielleicht war das auch der Grund, warum meine Mutter lieber Sindys kaufte als Barbies. Letztendlich ist es jedoch trotzdem das hässliche Mattel-Erzeugnis, das bis heute die Herzen kleiner Mädchen höher schlagen lässt - ein Plastik gewordenes Klischee aus Glitzer und Rosa.
Modepuppen wie Barbie gibt es bereits seit dem 13. Jahrhundert; die erste Barbie-Puppe wurde im Jahr 1959 herausgebracht und entstand nach dem Vorbild der Bild-Lilli, einer Puppe, die wiederum nach dem Vorbild einer Figur aus einem Comic der BILD-Zeitung gestaltet war. Von Anfang an orientierte sich Barbie an den Modetrends und dem Schönheitsideal der jeweiligen Zeit, in der sie erzeugt wurde, so dass sie bis heute immer ein Abbild des jeweiligen Zeitgeistes ist. Seit 1980 gibt es jedes Barbie-Modell auch in einer Afro- oder Latino-Variante, und zahlreiche Zugaben wie schneidbare Haare oder bewegliche Gliedmaßen machten das Spielen mit der Puppe für Kinder, die sowas mochten, stets interessant.
Barbie und ihr Zubehör wurden von Anfang an größtenteils in China und Japan hergestellt, dennoch war die Puppe ursprünglich ein Luxusspielzeug, weshalb ihre Ausstattung sich auch eher an der Oberschicht orientierte. Etwa Mitte der 1960er Jahre wurde die Barbie-Mode und auch sonstiges Zubehör jedoch wesentlich mehr an den Trend der Jugend angepasst und avancierte so zum Massenprodukt. Im Laufe der Zeit wurde eine ganze Biographie kreiert, und bekanntlich wurden die Spielmöglichkeiten noch durch weitere Puppen erweitert - die bekannteste ist natürlich Barbies Partner Ken, der 1961 auf den Markt kam. Sogar die typische Farbe der Kartons, in denen die Barbie-Puppen verpackt sind, ist unter dem Namen Barbie-Pink geschützt (überflüssig zu erwähnen, dass diese Farbe für mich die hässlichste der Welt ist). Seit den 1980ern ist Barbie zum begehrten Sammlerobjekt avanciert.
Abgesehen von meiner doch rein subjektiven Abneigung gerät Barbie vor allem wegen ihrer unrealistischen Proportionen immer wieder in die Kritik - häufig geriet die Puppe in den Verdacht, Essstörungen auszulösen. Es gibt auch tatsächlich Frauen, die Unmengen an Geld für Schönheitsoperationen ausgeben, um Barbie möglichst ähnlich zu sehen - und auch Männer, die wie Ken aussehen wollen. Kritik gibt es jedoch auch, weil Barbie ein traditionelles Frauenbild zementiert und zu kritiklosem Konsum anregt. Daneben werden auch die umweltschädlichen Materialien und die schlechte Bezahlung der Arbeiter, die für die Herstellung zuständig sind, kritisiert. In Saudi-Arabien und im Iran ist der Verkauf von Barbie als "Symbol der westlichen Unmoral" verboten. Mit Grausen erinnere ich mich auch noch an das Lied Barbie Girl der Eurodance-Gruppe Aqua.
Tja, meine Lieben, ich bin erst bei der Hälfte meiner Liste angekommen, und trotzdem reicht es schon für einen ganzen Artikel. Ich bemerke immer wieder, wie dankbar manche Themen sind. Für dieses hier folgt aber auf jeden Fall noch ein zweiter Teil! Ich hoffe, dass ihr bis dahin nichts anstellt und euch nicht mit den Wahnwichteln verbrüdert, sondern euch, sofern es unsere Möglichkeiten noch zulassen, doch noch ein bisschen am Leben erfreut. Bon voyage!
vousvoyez
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen