
Auf der anderen Seite gibt es auch wieder Trends, von denen ich wünschte, sie wären endlich ausgestorben, aber leider sind sie es nicht. Zu diesen zählen die Challenges - denn von denen gibt es leider bis heute immer wieder neue. Zu Beginn der Pandemie gab es ja diese dumme Influencer-Barbie, die nichts Besseres zu tun hatte, als einen Toilettensitz abzulecken, was dann natürlich ein paar Volltrottel nachgemacht haben - wenn es kein Toilettensitz war, waren es die Haltegriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine andere Tussi, die sich wohl für besonders witzig hielt, bastelte sich aus den zu diesem Zeitpunkt nicht leicht zu bekommenden Einweg-Gesichtsmasken einen, ähm, "originellen" Büstenhalter. Mindestens eine dieser Intelligenzbestien brachte diese besonders coole Aktion bereits ins Krankenhaus.
Mein Leben läuft jetzt seit kaum einem Monat wieder halbwegs "normal", und schon flattert uns der nächste unglaublich witzige Trend ins Haus - die Kulikitaka-Challenge. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe Gruppentänze immer schon verabscheut. Oder sagte ich das schon? Na, egal, jedenfalls ist es momentan Trend, Tanzvideos von Jugendlichen zu Toño Rosarios (in meinen Augen bescheuertem) Song Kulikitaka auf TikTok zu posten, was ja an sich noch völlig okay ist. Was allerdings überhaupt nicht okay ist - einigen scheint das bloße Tanzen dann doch zu langweilig geworden zu sein, und was kann man da Tolles tun, um ein bisschen Pep in die Videos zu bringen, hm? Richtig - Tiere erschrecken! Ihr habt richtig gelesen - die Ersteller der Videos sind dazu übergegangen, mit den ruckartigen Tanzbewegungen Tiere zu verängstigen. Waren es anfangs noch die eigenen Hunde und Katzen, geht man nun immer öfter dazu über, Kühe in Panik zu versetzen. Ich verstehe ja ehrlich gesagt überhaupt nicht, warum manche Leute inzwischen schon praktisch ein Leumundszeugnis brauchen, um auf eine Alm gelassen werden zu können - selbst ich als Stadtkind weiß schon, seit ich denken kann, dass man in der Nähe von Tieren, die zwar meist friedlich, aber dennoch deutlich größer und stärker sind als man selbst und die einen mit einem Stoß schwer verletzen könnten, vorsichtig zu sein hat. Dass man auf einer Weide voller Kühe nicht einfach herumtrampelt und sich aufführt, wie es einem beliebt. In den letzten Jahren höre ich aber immer wieder, dass es Leute gibt - erwachsene Leute! - die das offensichtlich überhaupt nicht begreifen. Und jetzt versetzt man diese Tiere auch noch mutwillig in Panik, nur damit andere denken, man wäre witzig oder cool. Ganz abgesehen davon, dass es ein ziemlicher Arschloch-Move ist, Tiere zu erschrecken und sich darüber lustig zu machen, ist das auch noch richtig gefährlich - für einen selbst, für die Tiere und auch für andere Menschen.
Nun sind Jugendtrends ja keineswegs etwas absolut Neues - wie wir wissen, bringt jede Zeit neue kulturelle Aktivitäten und Stile der jüngeren Generation hervor. Wir hatten unsere, unsere Eltern und Großeltern hatten ihre, und die Jugend von heute hat eben auch ihre eigenen, die zum Glück nicht alle so extrem bescheuert sind wie die Challenges. Nicht nur das - Jugendkultur fing nicht erst Mitte des vorigen Jahrhunderts an. Ich bin mir sicher, dass sich die jüngere Generation schon seit Anbeginn der Zivilisation stilistisch und weltanschaulich immer wieder von der älteren abgrenzte. Und das muss auch so sein - weil wir uns sonst nie weiterentwickelt hätten. Schon der griechische Philosoph Sokrates ließ es sich nicht nehmen, die Respektlosigkeit der Jugend zu beklagen und dass man sich früher als junger Mensch noch zu benehmen wusste - umso paradoxer, dass ausgerechnet er wegen angeblich verderblichen Einflusses auf die Jugend mit dem Schierlingsbecher hingerichtet wurde. Aber auch aus schriftlichen Quellen aus dem mittelalterlichen Byzantinischen Reich geht hervor, dass zumindest die männliche Jugend bereits damals eigene Subkulturen bildete. Ein weiteres Beispiel für frühe Jugendkulturen war die "Jeunesse dorée" ("vergoldete Jugend") des gehobenen Bürgertums, die sich im Laufe der Französischen Revolution von der Politik distanzierte und dem Vergnügen sowie der Entwicklung neuer Moden hingab und dabei viel Verachtung seitens der älteren Generation erfuhr. Ab dem frühen 19. Jahrhundert revoltierten viele Studentenverbindungen - Burschenschaften, Sängerschaften und Turnerschaften -, deren Tradition teilweise bis ins Mittelalter zurückreichte, gegen die reaktionäre Politik der Restauration, was zur bürgerlich-liberalen Märzrevolution 1848/49 führte. Bekanntlich sind viele dieser Verbindungen inzwischen aber eher rechtslastig.
Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandten sich im deutschsprachigen Raum viele Jugendliche aus dem bürgerlichen Milieu von der fortschreitenden Industrialisierung ab. Die zunehmende Verstädterung weckte in ihnen eine Sehnsucht nach Natur und Gemeinschaft. So entstanden zur damaligen Zeit viele Wanderbewegungen, die erste war der in Steglitz gegründete Wandervogel, innerhalb derer man sich in Kleingruppen aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen organisierte und seine Freizeit hauptsächlich mit Wanderungen draußen in der Natur verbrachte. Anfangs noch unpolitisch, wandten sich viele dieser Bewegungen nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend rechts-nationalistischen Idealen zu, ein Trend, der von den Nationalsozialisten erkannt und für seine Zwecke genutzt wurde. Ab 1933 wurden sämtliche Jugendvereinigungen verboten - junge Leute wurden nun in der Hitlerjugend und im Bund deutscher Mädel zusammengefasst. Ich hatte vor ein paar Monaten mal eine Auseinandersetzung mit Leuten, die behaupteten, die Jugend hätte dort Respekt vor den Eltern gelernt. Das ist romantisch-verklärter Schwachsinn - die jungen Leute wurden aus dem Einflussbereich der älteren Generation entfernt, für Hitlers Ideologie instrumentalisiert und zu Kanonenfutter für den bereits geplanten Zweiten Weltkrieg ausgebildet. Wer diese Indoktrination für "romantisch" hält, der sollte ganz dringend einen Arzt aufsuchen. Oder einen Geschichtslehrer.
Natürlich liefen aber nicht alle Jugendlichen dieser Ideologie blind hinterher. Viele erkannten im Laufe der Zeit, dass der Drill in der Hitlerjugend nicht mehr allzu viel mit der Freiheit zu tun hatte, die sie sich erträumt hatten. Vor allem der Beginn des Krieges desillusionierte viele einstmals brave Jünger des Nationalsozialismus, und so manche von ihnen wurden zu erbitterten Widerständlern. Auch die bekannten Geschwister Scholl, die sich später der studentischen Münchener Widerstandsbewegung Weiße Rose anschlossen und wegen widerständischer Aktivitäten auf dem Schafott hingerichtet wurden, waren ursprünglich in der HJ bzw. im BDM - so manche sehen das als Indiz, warum diese es nicht verdient hätten, als Helden gefeiert zu werden. Ich antworte darauf allerdings, dass Jugendliche erstens damals keine Wahl hatten, als sich diesen Bewegungen anzuschließen und dass es zweitens Respekt verdient, zu erkennen, dass man bisher falschen Idealen nachgelaufen ist, und sich diesen auch noch so mutig entgegenzustellen. Neben der Weißen Rose gab es aber auch die sozialistischen Edelweißpiraten, die sich hauptsächlich auf den Kölner Raum konzentrierten und sich ebenfalls aktiv dem Regime widersetzten. In deutschen Großstädten wie Frankfurt, Berlin und Hamburg, aber auch in Wien entstand die damals oppositionelle Swing-Jugend, die sich am amerikanisch-englischen Lebensstil orientierte und sich vor allem durch die Swing-Musik von der Hitlerjugend abgrenzte. Ab 1937 war das Spielen von Swing-Musik in Tanzlokalen verboten; dass jedoch alle Gaststätten dazu verpflichtet wurden, Schilder mit der Aufschrift Swing tanzen verboten aufzuhängen, ist allerdings ein Marketing-Gag aus den 1970er Jahren - nach Kriegsbeginn waren Tanzveranstaltungen sowieso generell verboten.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg standen einige junge Literaten des anglo-amerikanischen Sprachraums für das Lebensgefühl einer neuen Zeit - sie reisten mit wenig bis gar keinem Geld übers Land und hörten Bebop und Modern Jazz. Die so genannte Beat Generation ist uns vor allem durch Schriftsteller wie Jack Kerouac, William S. Burroughs und Allen Ginsbergh in Erinnerung geblieben. Als ich etwa fünfzehn war, waren es diese Bücher, die mich zum Träumen anregten. Ab Mitte der 1950er Jahre läutete der Rock'n'Roll, der sich Ende der 1940er Jahre in den USA aus dem schwarzen Rhythm'n'Blues entwickelt hatte und 1955 durch den Film Blackboard Jungle (Saat der Gewalt) allmählich auch die europäische Jugend in seinen Bann zog, eine neue Ära ein. Die ältere Generation, die gerade einen Krieg hinter sich gebracht hatte und für die schon die Sissi-Trilogie knallharte Action war, schätzte diese neuen Töne gar nicht - sie hielten sie für viel zu laut und zu aggressiv, was uns in der heutigen Zeit, in der die wilden Zeiten des Punk und Heavy Metal bereits ein alter Hut sind, natürlich lächerlich vorkommt. Sie wussten eben noch nicht, was auf sie zukam.
Den Lederjacken und pomadisierten Haaren folgten im Laufe der 1960er Jahre erst die Beatles und die Rolling Stones, von denen jeder auf seine Weise die Musik revolutionierte, und gegen Ende des Jahrzehnts schließlich die bunte, auffällige Kleidung, der klimpernde Schmuck, die langen Haare und struppigen Bärte der Hippies. Diese Bewegung nahm im größtenteils studentischen Umfeld der USA ihren Anfang und verbreitete sich allmählich auch in anderen Teilen der Welt - man nahm alle möglichen Drogen, liebte die Natur, fuhr in bunt bemalten VW-Bussen durch die Weltgeschichte, predigte Liebe und Frieden und frönte der sexuellen Befreiung, und das alles zu den Klängen von Scott McKenzie, Frank Zappa, Jimi Hendrix, den Doors, Creedence Clearwater Revival, Janis Joplin, Jefferson Airplane und wie sie alle hießen. Es war die Zeit der ersten großen Open-Air-Konzerte, und Festivals wie das Monterey Pop Festival, das tragische Altamont Free Concert und natürlich das Woodstock Festival gingen in die Geschichte ein. In der Zeit um 1968 entwickelten sich außerdem zunehmend linksorientierte politische Bewegungen, die vor allem von Studenten geprägt waren. Diese waren dann irgendwann nicht mehr ganz so friedlich - aus der ursprünglich friedlichen Bürgerrechtsbewegung der USA gingen beispielsweise die Black Panther hervor, während sich aus der deutschen Studentenbewegung die Rote Armee Fraktion (RAF) entwickelte. Und wir dürfen auch nicht die mörderische Manson-Familie vergessen, die so viele Menschenleben auf dem Gewissen hat.
Nachdem der schillernde Glamrock den alternativen Hippies in den frühen 1970ern eine Absage erteilt hatte, entstand Mitte dieses Jahrzehnts in New York City eine Bewegung aus Studenten und jungen Arbeitern, deren Ziel hauptsächlich die Provokation war - nämlich der Punk, der später nach England kam und in der Folge auch nahezu die ganze Welt eroberte. In Deutschland nahm er erst Fahrt auf, als er im englischsprachigen Raum schon fast wieder out war, und stellte zusammen mit dem New Wave die Weichen für die Neue Deutsche Welle. Auffällig für Punks war natürlich in erster Linie ihr Erscheinungsbild - zerrissene Kleidung, Nieten, Buttons, Aufnäher, Armeestiefel und Alltagsgegenstände wie Sicherheitsnadeln. Am markantesten waren aber natürlich die Haare, die anfangs extrem kurz getragen wurden, ehe sie bunt gefärbt und mit viel Gel in Kombination mit rasierten Stellen zu allen möglichen gewagten Frisuren gestylt wurden, deren bekannteste natürlich bis heute der Irokese ist. Zu den ersten Punks dieser Bewegung gehörten die New York Dolls, die Ramones, The Clash und die Sex Pistols - im deutschsprachigen Raum sind bis heute vor allem die Ärzte, die Toten Hosen und die Böhsen Onkels bekannt, wobei man deren Musikstil inzwischen schon lange nicht mehr ausschließlich dem Punk zuordnen kann.
Ausgehend von den späten 70ern wurde die Jugendkultur in den 1980ern und 1990ern weitaus heterogener. Damals formierte sich beispielsweise die Schwarze Szene (Gothic, Dark Wave etc.); außerdem gab es die Popper, die sich von den anderen durch teure Markenkleidung und eine gewaltige Föhnwelle unterschieden; oder die Metal-Szene, die ursprünglich als Jugendkultur begann, heute jedoch alle erdenklichen Altersgruppen umfasst. Ich erinnere mich an eine Zeit im letzten Jahrzehnt, als Teenager gerne in T-Shirts mit Logos von Punk- und Metal-Bands herumliefen, deren Musik sie überhaupt nicht kannten. Am schrecklichsten fand ich ein weißes Ramones-T-Shirt mit Glitzersteinchen, das ich einmal an einem Mädchen sah. Den Gegenpol zum Starkult der Rock-Szene bildeten die Clubs, in denen Techno und House gespielt wurde und wo das gemeinsame ekstatische Musikerlebnis im Vordergrund stand. Ich konnte damit eher wenig anfangen, lernte aber auch diese Musikrichtung allmählich zu schätzen - zumindest die weniger nervige Variante. Hingezogen fühlte ich mich eher zu den "Slackers" der Indie-Bewegung, die ihre frühe Ausdrucksform im Grunge fand, heute aber eher noch dem Namen nach "independent" ist. In Nordeuropa und den USA waren eine Zeit lang außerdem die Straight Edgers sehr aktiv, die sich aus dem Punk entwickelt hatten, aber jegliche Drogen, Alkohol und Tabak ablehnten - manche ernährten sich sogar streng vegan. Die radikalsten unter ihnen waren die Hardliners, die gegen alles kämpften, was nicht ihrer Ideologie entsprach, seien es Abtreibungen, Homosexualität oder Gewalt gegen Tiere. Sie überlebte sich hauptsächlich deshalb, weil die anderen Straight Edgers nicht mit den Hardliners in einen Topf geworfen werden wollten.
Eine Jugendkultur, die sich, wenn auch sehr verändert, bis in die heutige Zeit gehalten hat, ist die Hip-Hop-Szene. Diese machte vor allem die Street fashion populär, die anfangs noch sehr von der Black-Pride-Bewegung geprägt war und später zunehmend Einflüsse aus dem Gangsta-Milieu übernahm. In meiner Jugend gehörten dazu die extrem tief sitzenden Baggy Pants, Kapuzenpullover, Baseballcaps und Bandanas sowie Markenturnschuhe. Später zeugten riesige Markenlogos und auffälliger Gold- und Platinschmuck vom finanziellen Aufstieg der Rap-Stars. In den frühen 2000ern präsentierten viele von ihnen auf MTV stolz ihren Reichtum, immer in derselben Reihenfolge: fettes Auto, riesige Villa, gewaltiger Swimmingpool, ein Bett für etwa zehn Personen sowie ein begehbarer Schrank voller Sneaker-Einzelstücke. Heute ist der Bekleidungsstil deutlich individueller, aber hochpreisige Marken müssen immer noch sein. Neben der Kleidung spielt natürlich auch die Rap-Musik eine wesentliche Rolle - der schnelle Sprechgesang hat seinen Ursprung bekanntlich in der afro-amerikanischen Kultur. In den frühen Achtzigern noch ein Nischenprodukt, etablierte sich Rap allmählich immer mehr innerhalb der populären Musikszene und wurde bald auch von weißen Interpreten übernommen. In den Neunzigern etablierte sich der Sprechgesang des Rap allmählich auch in anderen Musikrichtungen - eine Zeit lang verfügten praktisch alle Chart-Songs über Rap-Sequenzen, was ich, um ehrlich zu sein, manchmal auch eher nervig fand. In den 90ern etablierte sich auch der Deutschrap, der vor allem im letzten Jahrzehnt immer beliebter wurde. Eine wesentliche Rolle in der Hip-Hop-Kultur spielen außerdem auch Breakdance und Graffiti-Kunst. Ich habe mich als Jugendliche selbst auch auf dem Grundstück von Freunden an der Spraydose versucht - allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Momentan bemerke ich, dass viele Rapper ihre Baseballcaps gegen Aluhüte eingetauscht zu haben scheinen - immerhin ist eines der Kennzeichen dieser Musikrichtung der Kampf gegen das Establishment. Grundsätzlich habe ich auch nichts dagegen - ich finde halt, wenn schon, dann sollte man diesen wenigstens mit Verstand führen.
Eine eher umstrittene Jugendkultur ist die Skinhead-Szene, gekennzeichnet durch sehr kurz geschnittene oder gar abrasierte Haare, Springerstiefel mit Stahlkappen sowie Bomber-, Harrington- oder Donkey-Jacken. Entgegen der landläufigen Meinung sind nicht alle dieser doch sehr heterogenen Szene Nazis - es gibt neben den bekannten rechtsradikalen Skins auch unpolitische oder gar linksradikale. Die ersten Skinheads traten Ende der 1960er Jahre auf, in den späten 1970ern bildete sich die rechtsradikale, fremdenfeindliche Szene heraus, die zum üblichen Outfit im Laufe der Zeit auch neonazistische Symbole hinzufügte. Besonders in den 1990ern waren Neonazi-Gruppierungen für viele Jugendliche eine Möglichkeit, gegen Eltern zu rebellieren, die sich von Rock'n'Roll, Hippies, Punks und Metal nicht mehr aus der Ruhe bringen ließen. Ich hatte damals den Eindruck, dass viele junge Nazi-Skinheads nicht die blasseste Ahnung von dem hatten, was sie da von sich gaben, und Rechtsrock hauptsächlich deshalb hörten, weil er die strengen Tabus bricht, die wir uns mit der Bewältigung des Nationalsozialismus nach und nach auferlegt haben. Ehrlich gesagt sehne ich mich heute manchmal ein bisschen nach jener Zeit, als man Neonazis an ihrer Kleidung und ihren zur Schau gestellten Symbolen noch sehr leicht erkennen konnte.
Als ich etwa Anfang bis Mitte zwanzig war, war der Emo-Stil bei Jugendlichen sehr angesagt. Sie trugen bevorzugt schwarz, manchmal auch zweifarbig gefärbte Haare, meist in einem asymmetrischen Pony, der ein Auge verdeckt, ansonsten mischten sie Elemente aus Punk, Grunge, Gothic, Rockabilly und der Skater-Kultur miteinander. Die schwarze Kleidungsfarbe wurde oft durch grelle Muster kontrastiert, außerdem machten sie die zuvor verpönten Röhrenhosen populär, die ich inzwischen nicht mehr sehen kann. Kennzeichnend waren auch niedliche Accessoires, Piercings und schwarz geschminkte Augen sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen. Ein beliebtes Accessoire ist auch die Rasierklinge, außerdem wird den Anhängern dieser Szene ein Hang zur Selbstverletzung nachgesagt, dies gilt aber mit Sicherheit nicht für alle. Im deutschsprachigen Raum etablierte sich der Emo-Style vor allem durch die deutsche Band Tokio Hotel. Abgesehen davon möchte ich auch die Gamer-Szene, die Surfer und Skater sowie die Cosplayer nicht unerwähnt lassen, die sich hauptsächlich durch ihre jeweiligen Interessen formieren. Aber auch die Fridays-For-Future-Bewegung, die sich vor zwei Jahren um die damals sechzehnjährige Greta Thunberg formierte und sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams für den Klimaschutz einsetzt, kann als Jugendkultur gesehen werden.
Was den Challenge-Trend betrifft, so hat dieser mit den Jugendkulturen wohl eher wenig zu tun. Ich bleibe da bei meiner Theorie, die ich an anderer Stelle schon einmal angesprochen habe - nämlich, dass diese das Ergebnis dessen sind, dass Kinder und Jugendliche in den USA heutzutage kaum noch Freiheiten haben. Mich hat es schockiert, zu hören, dass Kinder dort nicht frei wählen dürfen, was sie spielen wollen, dass Erwachsene aktiv in jeden Konflikt zwischen den Kindern eingreifen und dass es augenscheinlich Eltern gibt, die jeden Schritt ihres Kindes auf dem Handy beobachten. Da ist es kein Wunder, dass der eine oder andere Jugendliche auf blöde Ideen kommt. Ich finde diese Entwicklung allerdings höchst bedenklich, da aus solchen Kindern Leute werden, die Entscheidungen nicht mehr selbst treffen können. Gepaart mit einem miserablen Schulsystem ist dieser Trend für das Streben nach einer gesunden Demokratie höchst kontraproduktiv - denn wer nicht in der Lage ist, selbst zu entscheiden, verlangt nach einem starken Führer, und das Ergebnis sehen wir ja bereits heute. Deshalb mein Appell an alle: Geht ein bisschen gelassener mit den Ideen und Träumen der jungen Generation um. Lasst sie ihren Weg selbst finden und akzeptiert, dass sie vielleicht mit dem, was ihr an eurer eigenen Jugend so toll findet, nichts anfangen können. Lasst die Jugend ihre Erfahrungen selbst machen und greift nur dort ein, wo es unbedingt nötig ist - beispielsweise eben bei dummen Challenges oder destruktiven Ideologien. Und vor allem - bleibt im Dialog und versucht, eure Differenzen sachlich zu klären. Nur so können wir auf eine positive Zukunft hoffen.
vousvoyez