Dienstag, 18. Dezember 2018

Da hätt' ich viel Geld, wenn ich ein schwangerer Mann wär'

(c) vousvoyez
Dieser Satz geht wieder einmal auf meine Kindheit zurück; damals war ich mit meinen Eltern und einer befreundeten Familie wandern - wo, weiß ich nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass auf einer Berghütte der jüngste Sohn der anderen Familie - er war damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt - beim Anblick eines Mannes mit vorspringendem Bauch ganz laut rief: "Da schau, ein schwangerer Mann!" Woraufhin dieser zu ihm ging, ihm die Bauchtasche unter seiner Jacke zeigte und nur trocken meinte: "Da hätt' ich viel Geld, wenn ich ein schwangerer Mann wär'."

Wandern gehört ja praktisch zum österreichischen Kulturgut - immerhin liegt unser Land direkt in den Alpen. Überhaupt besinnen sich immer mehr Österreicher auf ihre Ursprünge und ihre Kultur - oder das, was sie dafür halten. Trotzdem sehen viele ihre Kultur und Traditionen bedroht, da unser schönes Land immer mehr Einwanderer anzieht. Ich möchte hierzu einen Satz aus einem Asterix-Heft (Das Geschenk Cäsars) loswerden - der eine oder andere weiß vielleicht, dass ich aus einer Familie von Asterix-Fans komme. Und zwar ist es ein Satz von Methusalix, dem Dorfältesten: "Du weißt, ich hab nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde, aber diese Fremden sind nicht von hier."

So lässt sich die allgemeine Stimmung hier auch zusammenfassen. Wobei es natürlich immer darauf ankommt, wie man die Sache sieht - ich halte auch nichts davon, Schüler auf Grund des Ramadans von Prüfungen zu befreien oder muslimische Mädchen vom Sexualkundeunterricht auszuschließen. Aber seit einiger Zeit gibt es (besonders im Internet) eine "Tradition", die besonders zur Weihnachtszeit, die ja jetzt schon in den letzten Zügen ist, angewendet wird. Und zwar ist es die Tradition der Übertreibung.

Ich weiß nicht, ob es euch schon aufgefallen ist - etwa ab November häufen sich in den sozialen Netzwerken seit einigen Jahren Meldungen, in denen beklagt wird, dass wir aus Rücksicht auf unsere muslimischen Mitbürger angeblich unsere eigenen Traditionen verleugnen. Das Martinsfest heißt auf einmal Lichterfest, der Weihnachtsmarkt Wintermarkt und der Weihnachtsmann Zipfelmützenmann (hoffentlich wird mein Blog durch dieses Wort nicht wieder als "jugendgefährdend" eingestuft). Angeblich deswegen, weil Muslime sich sonst auf den Schlips getreten fühlen. Deswegen können wir auch immer weniger unsere Kultur ausleben, und irgendwann werden unsere Frauen auch verschleiert herumlaufen müssen und wir werden zur muslimischen Fastenzeit nicht mehr beim Essen oder Trinken erwischt werden dürfen.

Ganz ehrlich? Ich weiß gar nicht, was die alle haben - wir leben doch unsere Kultur! Und zwar dermaßen penetrant, dass kaum jemand davor sicher ist. Das beginnt in meiner Stadt schon im September mit einem großen Trachtenfest mit sehr viel Maskerade - man kann sich kaum noch Richtung Innenstadt wagen, ohne auf Dirndl und Lederhosen zu treffen. Was das Martinsfest angeht - das heißt bei uns größtenteils "Laternenfest", und da sind nicht die Muslime schuld; diese Bezeichnung gibt es schon so lange, wie es das Martinsfest gibt, und ich wette, beim Lichterfest ist es auch nicht anders. Besonders aber leben wir unsere Kultur jetzt, zur Weihnachtszeit aus - an allen Ecken und Enden hört man Last Christmas oder Wonderful Christmastime, überall sind die Straßen und Häuser mehr oder weniger hübsch dekoriert, jeder ist grantig und hetzt von Geschäft zu Geschäft. Und nach Weihnachten geht das dann auch noch weiter - mein absolutes Hassfest, der Fasching, kommt als nächstes, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass wir jetzt nicht mehr Ostern feiern, nur weil ein Teil unserer Bevölkerung mittlerweile muslimisch ist.

Liebe Leute, es wird selten so heiß gegessen, wie gekocht wird. Lasst euch nicht irre machen von irgendwelchen Verschwörungsideologen Aufgeweckten aus dem Internet, die irgendwelche Bildchen teilen und das dann als Beleg dafür nehmen, dass wir unsere Kultur "verraten". Schaut euch lieber einmal um - habt ihr wirklich das Gefühl, dass wir unsere Traditionen nicht mehr leben? In meiner Kindheit gab es weit weniger Muslime, aber trotzdem waren Trachten eine Zeit lang verpönt (und es gab auch noch keinen Andreas Gabalier). Heute gehört unsere traditionelle Kleidung wieder zum guten Ton - zumindest einmal jährlich, was weitaus öfter ist als noch vor 20 oder 30 Jahren. Und was die Zuwanderung betrifft - wir sollten endlich aufhören, alles zu dramatisieren, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Dass Sprache, Kultur und Ethnie niemals statisch sein können, sollte eigentlich schon allgemein bekannt sein. Unser Land wird sich in nächster Zeit noch verändern, aber das Leben besteht nun einmal aus Veränderungen. Und es liegt an uns, zu entscheiden, welche Veränderungen wir zulassen und welche nicht. Und ich denke, dass es vor allem diejenigen sein sollten, die uns vorwärts bringen - und Rassismus ist das ganz sicher ebenso wenig wie die Akzeptanz von rückschrittlichen Traditionen. Und damit meine ich nicht nur unsere eigenen.

vousvoyez

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