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Hier in Österreich soll es mit 1. Februar eine allgemeine Impfpflicht geben - und ich persönlich stehe dem Ganzen nach wie vor skeptisch gegenüber. Versteht mich nicht falsch: Ich weiß, dass diese "Notbremse" eine Reaktion auf die alarmierend hohen Infektionszahlen ist, und ich weiß auch, dass eine hohe Impfquote notwendig ist, um dem etwas entgegenzusetzen. Ebenso weiß ich, dass das nicht möglich sein wird, solange Leute mit teilweise vollkommen absurder Argumentation Stimmung gegen die Impfung machen und andere ihnen blind glauben. Aber warum zur dreifach durchgenudelten Zahnpastatube muss der neue Krisenstab, die Gecko-Kommission (Gesamtstaatliche COVID-Krisenkoordination), so auftreten, als befänden wir uns in einem Krieg? Ich persönlich finde die Rhetorik, die General Rudolf Striedinger an den Tag legt, eher beunruhigend, ebenso wie den Umstand, dass er ständig im Tarnanzug auftreten muss. Und ebenso beunruhigend finde ich, dass es offenbar möglich ist, sich von der Impfpflicht freizukaufen - dies passt genau zu der bisherigen Vorgehensweise der ÖVP-Regierung, für die Profitgier während der Pandemie stets an erster Stelle stand, und zwar auf Kosten der Gesamtbevölkerung. Aber was ist auch anderes zu erwarten von Wirtschaftsliberalen, die sich so lange einen Dreck darum geschert haben, dass Massentierhaltung, die Abholzung der Wälder und die generelle Ausschlachtung der Natur uns irgendwann noch mal auf den Kopf fallen wird? Denn eines ist klar: Pandemien wie die aktuelle haben ihren Ursprung in unserem rücksichtslosen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Und selbst wenn wir COVID-19 in den Griff bekommen, ist die nächste Gesundheitskrise nur eine Frage der Zeit.
Ich habe in meinen letzten drei Artikeln ein großes Thema behandelt - nämlich die Schnittpunkte zwischen Rechtsextremismus und Esoterik. Damit habe ich versucht, zu erklären, warum auf den Demos gegen die Maßnahmen Leute, die eigentlich keine Nazis sind, so völlig unreflektiert hinter Reichsbürgerfahnen und Hetzparolen herlaufen, ohne diese zu hinterfragen oder ihnen zu widersprechen. Und das, obwohl sie sich am liebsten mit den Opfern jenes grausamen Regimes von damals vergleichen. Aber es ist ja bekannt, dass solche Leute die Sachverhalte gerne umkehren - so, wie sie sich beispielsweise auch als die großen Beschützer der Kinder aufspielen, während sie diese auf jede "Querdenker"-Demo mitschleppen und als Argument für alles missbrauchen. So gab es zu Beginn des aktuellen Schuljahres eine Riesendebatte darüber, dass Eltern ihre Kinder vermehrt von der Schule abmeldeten. Wie sich zeigte, handelten viele dabei überstürzt, denn nur einen Monat später saßen viele dieser Kinder wieder in ihren alten Klassen. Klar - viele Eltern hatten sich das so easy vorgestellt wie beim Homeschooling, wo das Lernmaterial von den Lehrern gestellt worden war, und nicht mit einkalkuliert, dass sie sich in Zukunft selbst darum kümmern würden müssen. Versteht mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen Heimunterricht, solange er in einem vernünftigen Rahmen stattfindet und die Kinder trotzdem die Möglichkeit haben, Kontakt zu Gleichaltrigen zu pflegen. Und auch ich bin der Meinung, dass unser Schulsystem schon lange nicht mehr zeitgemäß ist und dringend einer umfassenden Sanierung bedarf. Das Ding ist halt - über das schlechte Schulsystem wird bereits seit Jahrzehnten debattiert, ohne dass sich deshalb die Schulabmeldungen gehäuft hätten. Und ich zweifle auch stark daran, dass alle Eltern, die ihre Kinder Anfang September aus der Schule genommen haben, diesen tatsächlich Heimunterricht in adäquater Qualität bieten können. Deswegen war mir von Anfang an klar, dass neben jenen Eltern, denen die Schulen aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen nicht sicher genug waren, auch ein erheblicher Teil dabei war, dem es hauptsächlich darum ging, den Maßnahmen zu entgehen.
Aber natürlich gibt es sie auch, die andere Seite - Eltern, die sich darum sorgen, dass ihr Kind in der Schule nicht ausreichend geschützt ist. Und das ist in der Tat ein Problem - das wiederum ebenso deutlich zeigt, wie sehr die Corona-Politik vieler westlicher Industriestaaten dem neoliberalen Diktat unterworfen ist. Und so sind Kinder um jeden Preis in der Schule zu halten, damit deren Eltern nicht von der Arbeit freigestellt werden müssen und weiterhin Profite erwirtschaften können. Ebenso, wie um jeden Preis der Wintertourismus stattzufinden hat - trotz Lockdowns und trotz etlicher Antsteckungsfälle beim Après-Ski. Und obwohl von Anfang an klar sein hätte müssen, dass der Ansatz, dass Krankenhäuser Profit abwerfen müssen, grundfalsch ist. Ein Problem, das nicht erst seit gestern existiert - schon 2016 forderte FPÖ-Saubermann Norbert Hofer den Abbau von Intensivbetten, was bereits vor Corona zu einer Verknappung der Kapazitäten führte. Ironischerweise rechtfertigen die selbst ernannten "Rebellen" die Leugnung des Pandemie-Problems gerne mit dem Abbau der Betten - ohne dabei den Abbau des Personals ins Feld zu führen, das es ja schließlich auch braucht, weil Betten allein noch keine Patienten betreuen. Und dabei sind wir in Österreich im internationalen Vergleich noch ziemlich gut aufgestellt.
Womit wir uns auch dringend auseinandersetzen müssen, ist mit unserem Verständnis von Journalismus. Während der ganzen Pandemie wurde sich redlich bemüht, alle zu Wort kommen zu lassen - mit dem Ergebnis, dass Fakten nur allzu häufig auf "Meinungen" runtergebrochen wurden und irgendwann der Eindruck entstand, der wissenschaftliche Konsens sei geringer, als er tatsächlich ist. Weil man glaubte, jeder noch so abstrusen Minderheitenmeinung eine Bühne geben zu müssen. Auch von Seiten der Rezipienten wird häufig sehr laut nach objektiver, neutraler Berichterstattung geschrien. Aber das, meine lieben Leser und Innen, ist reine Utopie. Denn kein Journalist ist absolut objektiv und neutral. Und im Prinzip wissen wir ja, was diejenigen welchen mit "objektiv" und "neutral" eigentlich meinen: Nämlich, dass Journalisten gefälligst ihre Meinung wiedergeben und ihr Weltbild bestätigen sollen. Hier in Österreich hatte dieser Schrei nach Objektivität, der in Wirklichkeit die Forderung nach einem Rechtsruck ist, schon häufiger unschöne Folgen - etwa die Forderung des ehemaligen Innenministers und Pferdefreundes Herbert Kickl, regierungskritische Medien mit Unterdrückung von Informationen zu bestrafen. Oder auch die Unterstützung wohlwollender Medien durch Inserate und unfassbare Mengen an Steuergeld, welche hierzulande auf eine lange Tradition zurückblickt. Und trotz des Rundfunkvolksbegehrens aus dem Jahre 1964, welches dem ORF politische Neutralität zusichern sollte, ist auch dieser vor politischer Instrumentalisierung nicht sicher. Zu spüren bekommen haben das vor allem Satire-Formate, zuletzt Peter Kliens Sendung Gute Nacht, Österreich, die allerdings seit letzter Woche wieder auf die Bildschirme zurückgekehrt ist.
Die Forderung nach Objektivität ist schon deshalb absurd, weil wir in Österreich und auch in Deutschland in der Regel ziemlich genau wissen, welchen Platz auf der politischen Skala welches Medium in etwa einnimmt. Um das zu erkennen, muss man sich natürlich mit dem Inhalt auseinandersetzen - es reicht aber zumindest hierzulande schon, sich anzusehen, wem welches Medium gehört. Und zu erkennen, dass auch im breiter aufgestellten ORF Führungspositionen politisch besetzt werden - das bemerkt man dann daran, wie das Programm gestaltet ist. In anderen Ländern ist das nicht so - im englischsprachigen Raum etwa ist die politische Richtung einzelner Medien transparent, und trotzdem können sie professionelle journalistische Arbeit leisten, und darüber hinaus kann man dies als Zuschauer auch leichter einordnen. Und überdies ist es nicht die Aufgabe des Journalismus, jedem Hansel nach dem Mund zu reden und jeden Trottel zu Wort kommen zu lassen - das muss auch mal ganz klar gesagt werden. Natürlich wird es immer ein paar Meinungen geben, die am Rand des Spektrums zu verzeichnen sind - aber es ist weder möglich noch wünschenswert, jede von ihnen gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen.
Und ja, die Medien haben sich in dieser Pandemie auch nicht immer vorbildlich verhalten - etwa im Umgang mit der rechtsradikalen Instrumentalisierung der Proteste gegen die Maßnahmen. Das war auch der Grund, warum mir die letzten drei Artikel so wichtig waren - ich wollte ein wenig die Mechanismen sichtbar machen, mit denen rechtsradikale Gruppierungen es verstehen, so viele Denkrichtungen wie möglich vor ihren Karren zu spannen. Man tönt zwar laut, dass man den Leuten zuhören und sie ernst nehmen muss - das Ding ist aber halt, das passiert nicht. Denn schon vor der Pandemie wurden Rechtsgestrickte immer wieder unterschätzt - so hatten FPÖ-Wähler in Österreich immer den Rang der "Protestwähler", und ja, auch ich habe das eine Zeitlang nur allzu bereitwillig geglaubt. Aber spätestens seit der Ibiza-Affäre sollte uns klar sein, dass dahinter mehr steckt als nur Protest - denn hartgesottene FPÖ-Wähler sind trotzdem nicht von ihrem Kurs abgewichen. Ich fürchte, wir werden uns damit abfinden müssen, dass es den meisten von ihnen eben nicht darum geht, Verbesserungen für sich selbst zu erwirken - sondern Verschlechterungen für diejenigen, die sie nicht wollen. Und dies zeigt sich vor allem durch den restriktiven Umgang der türkis-blauen Regierung mit Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund - genau dies ist der Grund, warum die FPÖ bei einer gewissen Klientel so beliebt ist: Sie wählen die FPÖ nicht aus Protest und trotz ihres ewigen "Ausländer-raus"-Geschreis, sondern gerade deswegen. Selbst wenn es gegen ihre eigenen sozialen Interessen geht. Und eigentlich sollten Menschen mit ein bisschen Lebenserfahrung, die in Österreich leben, so wie ich beispielsweise, langsam bewusst sein, dass wir hierzulande schon immer stabile, sehr rechtslastige Milieus hatten, die mehr oder weniger geduldet waren - viele Kinder wachsen bereits in diesen Denkmustern auf. Ich selbst bin bereits in meiner Schulzeit mit rechtsradikalen Burschenschaften in Berührung gekommen - selbst wenn ich deren Parallelwelt als brave Austro-Bolschewistin (keine Selbstbezeichnung!) natürlich nie betreten habe. Zudem wird häufig übersehen, dass auch andere Parteien zur Verankerung ihres Weltbildes beigetragen haben. Dass es ideologische Überschneidungen von FPÖ und ÖVP gibt, sollte außerdem jedem klar sein, der sich mit unserer Geschichte einigermaßen auskennt: Die FPÖ wurde aus Altnazis gegründet, die ÖVP aus katholischen Austrofaschisten. Entsprechend ist es auch lächerlich, von einem "linken Mainstream" zu schwadronieren.
Und ebenso wie der Rechtsradikalismus nach wie vor tendenziell eher unterschätzt wurde, hat man auch die Rolle der sozialen Medien viel zu lange unterschätzt. Zugegeben - es war auch nicht leicht, diesen etwas entgegenzusetzen. Dass Rechtsextreme und Corona-Leugner sich vor allem auf der russischen Plattform Telegram organisieren und dort ihren Gewaltphantasien hemmungslos freien Lauf lassen, ist schon längst kein Geheimnis mehr. Im Mai letzten Jahres wurden bei Hausdurchsuchungen von Ex-Soldaten durchaus auch Waffen gefunden - nachdem diese auf Telegram spekulierten, wie man am einfachsten zu diesen kommen könnte. Dabei ist natürlich zu erwähnen, dass nicht alle, die diese Phantasien in Worte fassen, auch tatsächlich Gewalt anwenden - aber die Gefahr, dass einer von ihnen es doch einmal tut, ist nicht zu unterschätzen. All diesen Gruppierungen aber ist die Messenger-App Telegram eine digitale Heimat - denn auch wenn die Sicherheitsmaßnahmen auf Facebook und Twitter eher lasch sind, sind sie dort praktisch nicht vorhanden. Dies soll sich jedoch in naher Zukunft ändern - angeblich. Ich persönlich glaube das erst, wenn ich es sehe - denn auch Facebook ist nach wie vor wankelmütig und intransparent, wenn es um die Gemeinschaftsstandards geht. Klar, offensichtliche Falschinformation wird entweder gelöscht oder mit einem Faktencheck versehen - aber ich bin nicht die einzige, die schon Erfahrung mit Sperrungen hatte, für die es keine Erklärung gab, während offen gewalttätige Kommentare stehen blieben, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Mein Profil wurde sogar schon eingeschränkt, ohne dass ich es mitbekommen habe - weil ich die betroffenen Funktionen nie genutzt habe. Abgesehen davon, dass Faktenchecks nur dann etwas bringen, wenn diejenigen, an die sie sich wenden, sie auch anerkennen. Und ähnlich wie bei Facebook, so will auch bei Telegram keiner zuständig sein.
Ich muss ehrlich sagen - ich weiß nicht, wie es dieses Jahr weitergehen wird. Aktuell sind wir bei den Infektionszahlen auf einem Höchststand, getan wird dagegen so wenig wie noch nie. Ich hoffe natürlich, dass Professor Drosten Recht hat und wir nach Ende der fünften Welle in eine etwas positivere Zukunft blicken können. Aber eines ist gewiss - wir werden uns mit den Themen, die ich hier angeschnitten habe, auch nach der Pandemie beschäftigen müssen.
vousvoyez
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