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Top-Eierer Numero 34: "Wegen eurer Elektroautos müssen Kinder leiden"
Anlass ist natürlich jene Doku von ZDFinfo, die kürzlich auf Social Media angepriesen wurde: Darin geht es um das Kobalt für Elektroauto-Batterien, das angeblich daran schuld ist, dass Kinder im Kongo unter Tage arbeiten müssen. Nun - dass der Abbau von Rohstoffen in armen Ländern ein Riesenproblem ist, was Menschenrechte und auch die Umweltproblematik betrifft, ist natürlich schon lange kein Geheimnis mehr. Das Ding ist doch aber: Das ist kein Problem, das explizit die Fahrer von Elektroautos betrifft, und überdies ist es ohnehin nur nur die halbe Wahrheit. Und mal abgesehen davon, schlägt ZDFinfo damit in dieselbe Kerbe wie diejenigen, die krampfhaft nach jeder noch so blödsinnigen Ausrede suchen, um zu rechtfertigen, warum sie auf gar keinen Fall etwas an ihrem Lebensstil ändern können. Das sind dieselben Leute, die angesichts des Klimawandels erklären, dass es immer schon mal wärmer war und dass die junge Generation erst dann das Recht auf eine eigene Meinung hat, wenn sie sich in die Riege der Steuerzahler eingereiht hat. Ein solcher Beitrag bringt lediglich Applaus von jenen, denen es in Wirklichkeit vollkommen egal ist, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden, solange sie zu Primark rennen und sich dort für zwanzig Euro neu einkleiden können, solange es morgens genug Kaffee und im Supermarkt preiswerte Bananen gibt, solange man sich jährlich das neueste Handy kaufen und sich wöchentlich mit dem SUV das McDonald's-Menü gönnen kann. Sobald es aber um Dinge geht, die man doof findet, wie eben etwa das Elektroauto, werden sofort literweise Krokodilstränen vergossen wegen der armen Kinder, die im übrigen bequem weit weg in Afrika leben - setzen diese sich dann aber in ein Schlauchboot, weil sie auch am Wohlstand partizipieren wollen, dem auf ihrem Rücken gefrönt wird, oder schaffen sie es gar bis vor unsere Haustüre, dann sind das alles Sozialschmarotzer oder potenzielle Vergewaltiger. Aber solange sie nur für mitleiderregende Fotos posieren, sind sie natürlich furchtbar praktisch für all jene, die glauben, sie hätten die dummen Gutmenschen "durchschaut", die sich in Wirklichkeit ja nur über andere erheben wollen. Und die sich gleichzeitig über die junge Generation erheben, indem sie Fotos von Steine schleppenden Nachkriegskindern teilen und damit ausdrücken wollen, dass die Fridays-for-Future-Demonstranten gar nicht das Recht hätten, für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen, weil es früheren Generationen noch schlechter gegangen wäre. Dass eben diese Kinder genau das getan haben, was der heutigen Jugend bevorsteht, wenn wir so weitermachen wie bisher, nämlich den Dreck aufgeräumt, den Ältere gemacht haben, das wird eher selten bedacht. Ebenso wenig, wie gefragt wird, woher die Rohstoffe für das Gerät stammen, mit dem solche Bildchen geteilt werden. Und bevor hier jemand aufschreit: Ja, ich weiß, auch ich nutze Handy und Laptop, aber zumindest bin ich nicht ständig geil darauf, immer die aktuellsten Modelle haben zu müssen. Liebe Top-Eierer Numero 34: Es geht nicht aller Welt darum, sich moralisch über euch zu erheben, also hört endlich mit dieser Doppelmoral auf!
Top-Eierer Numero 35: Längst überholte Fernsehshows
Angesichts der aktuellen Staffel von Das Supertalent, die offenbar ziemlich langweilig ist und die anscheinend auch keinen mehr so richtig interessieren, wage ich es, die steile These aufzustellen, dass Casting-Shows anscheinend nicht mehr in die heutige Zeit passen. Wir leben ja aktuell in so einer Zeit, in der man ganz offensichtlich versucht, seine Angst vor der Zukunft zu kompensieren, indem man an Vergangenem festhält. So plant man ganz offensichtlich eine Neuauflage von Wetten, dass ...?, die wieder von Thomas Gottschalk moderiert werden soll. Nun, ganz abgesehen davon, dass Gottschalks Einstieg in die Jury von Deutschland sucht den Superstar am Beginn dieses Jahres den ohnehin nicht allzu guten Einschaltquoten eher abträglich war, scheint auch das Interesse an der einst so populären Spieleshow in den letzten Jahren deutlich nachgelassen zu haben. Was auch verständlich ist - in meiner Kindheit und Jugend war Wetten dass ...? noch ein Ereignis für die ganze Familie, über das man sich noch montags in der Schule angeregt unterhalten hat. Aber dann ist eine neue Jugend gekommen, die ganz andere Interessen hatte - so weit, so normal. Und aktuell kämpft das Fernsehen damit, dass es für junge Leute, die ihren Medienkonsum fast nur noch über das Internet beziehen, zunehmend an Bedeutung verliert. Und so verlieren sie anscheinend auch immer mehr das Interesse an jenem Format, das vor zwanzig Jahren noch neu und aufregend war - den Casting-Shows. Als ich Teenager war, veränderten sich die Vorstellungen davon, wie man es schaffen könnte, ein Star zu werden, ganz massiv. Zuvor haben sich ein paar pickelige, besoffene und eingerauchte Kids mit Instrumenten vom Flohmarkt in Garagen zusammengefunden und versucht, gemeinsam irgendetwas zu produzieren, das annähernd wie Musik klang, um sich dann in düsteren, verrauchten Kellerspelunken zu genialen Bands zu entwickeln und irgendwann einmal gefeierte Stars zu werden, deren Namen man noch kennt, wenn sie selbst schon längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen sind. Tatsächlich haben die meisten namhaften Bands, seien es nun die Beatles, die Rolling Stones, die Toten Hosen, Nirvana oder wer auch immer, genau so angefangen: als ein Haufen unbekümmerter Jugendlicher, die scheiße gespielt haben, aber fest davon überzeugt waren, die Welt aus den Angeln heben zu können. Entsprechend haben es die Teilnehmer von DSDS & Co. auch selten geschafft, ihren Zuschauern im Gedächtnis zu bleiben, von Ausnahmen wie Christina Stürmer (die bei Starmania nur zweite wurde) oder den No Angels mal abgesehen. Trotzdem suggerieren Casting-Shows immer noch, dass es möglich sei, mit einem eher geringen Maß an Individualität und minimal harter Arbeit zu gefeierten Superstars zu werden. Nun gut, manche von ihnen landen hinterher in der Z-Promi-Ecke und bevölkern das Dschungelcamp - aber das ist ja nicht wirklich etwas, womit man so gern angibt. Im übrigen scheinen viele auch nicht zu verstehen, dass es bei Kunst in erster Linie nicht darum geht, berühmt zu werden, sondern darum, eine eigene Ausdrucksform zu finden. Vor allem aber ist eines noch immer nicht ganz klar: Nicht jeder kann ein Superstar werden. Selbstverständlich steckt in jedem von uns irgendein Talent und eine Besonderheit, aber nur die wenigsten werden zu Stars - so ist unsere Welt nun mal. Und ja - auch ich war mal jung und habe geglaubt, es gehe wirklich darum, den neuen Superstar, das neue Supertalent oder das neue Topmodel zu finden und dass tatsächlich immer der bzw. die Beste oder zumindest Beliebteste gewinnt. In Wirklichkeit ist der eigentliche Verlierer jedoch die Person, die die Staffel gewinnt - und sich am Ende in einem Knebelvertrag wiederfindet, der sie als neue Hochleistungskuh des Unterhaltungsfernsehens ausweist, die irgendwann einmal auf dem Schlachthof des Vergessens landet, sobald sie nicht mehr gemolken werden kann. Aber nicht nur die vermeintlichen Gewinner, sondern gerade auch diejenigen, die am Anfang schon ausgemustert werden, sind Opfer dieser Unterhaltungsmaschinerie - inzwischen haben sich schon einige von ihnen trotz Schweigegebots an die Öffentlichkeit gewandt und ausgepackt, etwa jener junge Mann, der 2019 aufgrund seiner Homosexualität gezwungen wurde, in High Heels zum DSDS-Casting zu erscheinen, oder die junge Frau, die von der britischen Casting-Show X-Factor fast in den Selbstmord getrieben wurde. Natürlich kann man die Kandidaten da nicht ganz aus der Verantwortung nehmen - bevor du einen Vertrag unterschreibst, solltest du ihn besser auch lesen, und du solltest dir auch ganz genau überlegen, ob du das, was darin steht, auch wirklich tun willst. Generell möchte ich aber sagen: Wer wirklich Talent hat und damit auch etwas erreichen will, sollte sich besser nicht auf Casting-Shows verlassen. Generell scheint es aber so zu sein, dass immer weniger Leute wirklich Interesse an diesen Sendungen haben - warum sonst steckt man Kandidaten in Plüschtierkostüme oder setzt auf das altbewährte Mittel der Nacktheit, um Quoten einzufahren? Liebe Top-Eierer Numero 35: Es scheint, als seid ihr bald Geschichte, also findet euch lieber damit ab.
Top-Eierer Numero 36: Leute, von denen man nicht so richtig weiß, warum sie berühmt sind
Kommen wir also zu jenen, von denen wir meistens nicht so genau wissen, warum die jetzt berühmt sind, die aber jeder zu kennen scheint - selbst wenn er weder Klatschpresse liest noch Trash-TV schaut. So wie eben die titelgebende Person dieses Artikels - denn sind wir uns ehrlich, die meisten kennen Herrn Wendler doch eher wegen seiner Schwurbel-Eskapaden, möglicherweise kannten sie ihn zuvor noch als irgendeinen Typen, der eine gerade mal volljährige Frau geheiratet hat und öfter mal von Oliver Kalkofe parodiert wurde, oder als Running Gag in Jan Böhmermanns Sendung (so wie ich). Aber ich möchte mich da nicht ausnehmen - wir alle vergessen mitunter, wie wertvoll unsere Aufmerksamkeit ist, und schenken sie gerne jenen, bei denen es besser gewesen wäre, man hätte sie ignoriert. Manche haben sich dieses Phänomen zunutze gemacht - und sind jetzt Trash-TV-Stars oder Influencer. Die einen scheinen nie der frühkindlichen Trotzphase entwachsen zu sein und denken: "Negative Aufmerksamkeit ist besser als gar keine Aufmerksamkeit." Die anderen haben für sich ein super Konzept gefunden, um sich teure, sinnlose Produkte leisten zu können, ohne dafür einen konventionellen Job annehmen zu müssen - und auf einmal schauen Leute ganz freiwillig endlose Werbevideos. Und wollen am liebsten alles haben, was darin gezeigt wird - denn wer noch sehr jung ist, durchschaut natürlich nicht, dass sein Idol damit Geld verdient. Vor allem dann nicht, wenn suggeriert wird, der Influencer habe eine persönliche Beziehung zu seinem Publikum. Eine eigene Meinung darf man dann halt nicht mehr haben - sonst läuft man nämlich Gefahr, seine Follower vor den Kopf zu stoßen. Manchen ist offenbar alles so egal, dass sie Werbedeals mit den dubiosesten Firmen eingehen, um Reichweite zu generieren, und in ein Land ziehen, das permanent Menschenrechte mit Füßen tritt, um Steuern zu sparen. Die Menge an Information, die wir heute zur Verfügung haben, macht, dass rund um die Uhr um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt wird - und wir von allen Seiten mit Anfragen bombardiert werden. Und irgendwann verlernen wir, pure Berieselung von echter Information zu unterscheiden - und am Ende bekommt ein veganer Koch, der seine antisemitischen Gewaltphantasien in Caps Lock auf Telegram herausplärrt, mehr Aufmerksamkeit als ein seriöser Wissenschaftler, der erklärt, warum es für Covid-Impfungen keine "Notfallzulassung" gab. Und eine junge Dame mit Schlauchbootlippen, die ein überteuertes Haarshampoo bewirbt, generiert tausendmal mehr Follower als ein haariger Typ, der mit gut recherchierten YouTube-Videos versucht, die Köpfe junger Leute mit ein wenig Inhalt zu füllen. Und am Ende weiß ich, dass Sarah und Pietro Lombardi sich getrennt haben, weil Social Media mich monatelang mit dieser Information vergewaltigt hat, aber um zu wissen, wie es um den Klimawandel steht, muss ich immer noch selber aktiv werden. Deshalb kommentiere ich auch so viel - weil ich mitbekomme, dass der eine oder andere doch irgendwann einmal anfängt, nachzudenken. Liebe Top-Eierer Numero 36: Könnt ihr nicht zur Abwechslung mal etwas Vernünftiges tun?
Top-Eierer Numero 37: Leute, die langweiligen Dingen einen fancy Namen verpassen
Bevor ich Fahrrad fahren lernte, fuhr ich ab und zu mit einem ausrangierten Tretroller, der in unserer Garage stand - wem er ursprünglich gehört hatte, weiß ich nicht mehr. Er war rot, mit einem Rahmen aus Eisen, einem Trittbrett aus Holz und kleinen Gummireifen. Außer mir fuhr aber kaum noch jemand mit diesem Gefährt - denn Tretroller waren uncool, und wer was auf sich hielt, fuhr BMX oder später Mountainbike, ansonsten nutzte man Go-Carts oder Inline-Skates. Tretroller waren ein Relikt aus der Nachkriegszeit, als man nichts hatte und Roller zu den wenigen Spielgeräten gehörten, die Kindern zur Verfügung standen - jedenfalls erzählte man uns das so. Dann kam die Jahrtausendwende, und auf einmal sah man überall in der Stadt die obligatorischen Klapproller aus Leichtmetall, die nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen genutzt wurden. Und damit sie das dröge Image verloren, bekamen sie auch einen neuen Namen: Scooter. Das klingt natürlich ganz anders als "Tretroller"! Und auf diese Weise wurde aus jenen altmodischen Gefährten, die in den Achtzigern und Neunzigern in den hintersten Winkeln von Garagen verstaubten, ein hippes Tool, das jeder haben musste. Jaja! Und nicht nur der Tretroller bekam durch einen fancy Namen ein neues Image - die Methode, etwas Langweiliges zum neuen heißen Scheiß zu machen, indem man ihm einen cool klingenden fremdsprachigen, meistens englischen Namen verpasst, hat inzwischen schon längst Schule gemacht. Generationen von Kindern durften bei Magenschmerzen nur ekligen Haferschleim essen - bis es im letzten Jahrzehnt plötzlich Mode wurde, zum Frühstück Porridge bzw. Oatmeal zu essen. Nun muss ich zugeben - ich esse morgens selbst gern eine Schüssel Haferbrei, schön mit Hafermilch angerührt und mit frischen Früchten und einer Handvoll Nüssen garniert. Und natürlich klingen "Haferschleim" und "Hafergrütze" auch nicht sonderlich appetitlich - ersteres klingt doch sehr nach Körpersekreten, letzteres nach Entenscheiße. Aber auch das weitaus angenehmere Wort "Haferbrei" stinkt neben einem fancy englischen Namen doch ganz schön ab. Ähnlich uncool klingt "altrosa" - ein Wort, das man mit Oma-Strickjacken, Kittelschürzen und Kreuzstich-Deckerln in alten Bauernhäusern verbindet. "Millennial Pink" ist zwar dasselbe, aber nachdem die coolen Influencer es für sich entdeckt hatten, war es Ende des letzten Jahrzehnts auf einmal total cool, sein Outfit mit freshem Millennial Pink aufzupeppen. Ändert zwar nichts daran, dass ich es immer noch hässlich finde, aber wenigstens hat es einen Namen, der so richtig nach In-Crowd klingt. Und es muss auch nicht immer Englisch sein: Als man auf die Idee kam, die in Vergessenheit geratene Rauke bei ihrem italienischen Namen Rucola zu nennen, erlebte der wegen seines scharfen Geschmacks vormals nicht besonders beliebte Salat im Zuge des Trends zu mediterraner Küche Anfang der 2000er eine fulminante Renaissance, und auf einmal durfte Rucola in keinem Salat, Risotto oder Pesto und auf keiner Pizza mehr fehlen. Und denken wir nur an die Modetrends: Es vergeht kaum noch ein Jahr, in dem man nicht ständig über bisher unbekannte englische Bezeichnungen stolpert, bei denen sich hinterher herausstellt, dass sie Kleidungsstücke benennen, wie man sie selbst schon im eigenen Schrank hängen hatte oder zumindest auf der Straße sah: Die Röhrenhose wurde zur Skinny Jeans, das langärmlige T-Shirt zum Longsleeve und der Einteiler hießt heute Onesie. Aber da wir ja alle mit Werbung aufgewachsen sind, haben wir uns daran gewöhnt - und wenn irgendetwas, das wir im letzten Jahr noch total langweilig fanden, auf einmal einen aufregenden, internäschonäll klingenden Namen hat, finden wir es auf einmal total fresh und fancy! Eigentlich traurig, dass wir so leicht zu durchschauen sind. Liebe Top-Eierer Numero 37: Ihr habt das Spiel verstanden!
Und nachdem ich mir wieder mal ordentlich Luft gemacht habe, kann ich euch ohne schlechtes Gewissen bis zum nächsten Mal verabschieden. Und hoffen, dass ihr euch bis dahin ordentlich aufführt und keinen Müll kauft. Bon voyage!
vousvoyez
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