Hier präsentiere ich euch ein Fundstück aus einer Kommentarspalte. Damals habe ich mir ein paar alte Folgen von Neo Magazin Royale angesehen - und bin dabei auf jene Sendung gestoßen, in der Jan Böhmermann zwei Schauspieler in die Doku-Soap Schwiegertochter gesucht schmuggelte, um die Missstände aufzudecken, die vor allem den Umgang mit den Kandidaten bestimmen. Denn obwohl die beiden Schauspieler sich selbst ohnehin schon eine sehr skurrile Biographie verpasst haben, schaffte es der Sender ernsthaft, sie noch eigenartiger wirken zu lassen. Dies veranlasste einen Kommentatoren zu der Bemerkung, dass wohl auch der damals noch nicht lange vereidigte US-Präsident Donald Trump von Herrn Böhmermann eingeschmuggelt sein musste. Warum ich das witzig fand, brauche ich findigen Geistern wie euch *wieder mal ordentlich Schleim verspritz* wohl nicht zu erklären.
Aber nicht nur Herr Böhmermann kann einem Witz nicht widerstehen - auch ich kann es einfach nicht lassen. Wobei ich mich natürlich nicht mit einem großen deutschen Satiriker vergleichen kann, dessen Provokationen ich manchmal zwar etwas übertrieben finde, aber durchaus für notwendig erachte, schon allein deshalb, weil gute Satire meiner Meinung nach einer der vielen, vielen Bausteine einer funktionierenden Demokratie ist. Aber heute soll es nicht um Herrn Böhmermann gehen, nein - ich möchte über die neue Sau sprechen, die gerade wieder durchs Dorf getrieben wird. Nicht, weil ich so scharf darauf bin, Themen aufzugreifen, die gerade "in" sind, sondern weil ich bereits den halben Tag darüber lachen muss - auch wenn das Ganze natürlich etwas ärgerlich ist. Und weil ich mich da einfach reinsteigern MUSS. Isso.
Was haben wir Frauen doch für ein Glück! Seit Jahrhunderten als Menschen zweiter Klasse behandelt, quälten wir uns durch Zeiten, in denen wir ausschließlich als Haushaltssklaven, Sexspielzeug und Gebärmaschine betrachtet wurden - durch Zeiten der Entmenschlichung, durch Zeiten unendlicher Scham und unvorstellbarer Qual. Und doch hielten wir den Kopf erhoben, erkämpften uns ein weitgehend selbstbestimmtes Leben, eroberten die Schulen und Universitäten, die Theater und Sporthallen, die Wahlkabinen und Parlamente. Trotzdem ist es bis heute nicht einfach, Frau zu sein - immer noch werden wir für dieselbe Arbeit schlechter entlohnt als Männer, werden eher Opfer von sexueller Belästigung und geschlechtsbedingter Herabwürdigung, erleben die Sexualisierung, aber gleichzeitig auch die Tabuisierung unserer Weiblichkeit, müssen immer noch doofe Fragen beantworten, sofern wir keine Kinder haben wollen. Aber das soll jetzt alles ein Ende haben: Nämlich mit Pinky Gloves, dem innovativen Hygieneprodukt für die Frau! Mit dem man nie wieder unschuldige Menschen mit seiner monatlichen Unpässlichkeit belästigen muss!
Nun, was ist Pinky Gloves? Wer Englisch kann, ist natürlich klar im Vorteil: Als Pinky Gloves wird ein Hygienehandschuh aus Kunststoff bezeichnet. Einweghandschuhe gibt es schon, sagst du? Dann halte dich gut fest: Dieser Handschuh ist nicht nur in einem niedlichen Schächtelchen mit Herzchenschrift und glänzender Prägung erhältlich, er ist auch noch PINK! Ja, ihr habt richtig gelesen! Wo doch jeder weiß, dass alle Frauen total verrückt nach Pink sind! Und natürlich auch viel zu dumm, um zu begreifen, dass ein Produkt EXTRA FÜR SIE gemacht ist, wenn es nicht in einem Augenkrebs fördernden Barbie-Pink daherkommt! Kennt man ja von den Damenrasierern, die ja meistens auch pink sind - für die Frauen, die zu doof zum Lesen sind und gleichzeitig auch doof genug, um sich ihre hübschen Köpfchen nicht darüber zu zerbrechen, dass sie zwar exakt das gleiche Produkt kaufen, das die Herren der Schöpfung für ihr Gesicht verwenden, für dieses aber deutlich mehr bezahlen, weil es PINK ist! Dafür gibt es sogar einen Namen: Pink Tax. Und diese Pink Tax bezahlen wir Frauen für alle Produkte, die speziell für uns hergestellt sind - selbst wenn diese dieselben Inhaltsstoffe haben wie die nicht-pinken für Männer. Aus diesem Grund bin ich auch eine sehr böse Frau, die den gleichen Rasierer verwendet wie ihr Freund, weil sie nicht einsieht, warum sie für eine Farbe, sie sie ohnehin hässlich findet, mehr bezahlen muss - UM GOTTES WILLEN, WIE KANN SIE NUR! Nicht nur, dass sie sich erfrecht, ein Produkt für Männer zu verwenden - SIE HASST AUCH NOCH PINK! Sie kann doch nur vom Teufel besessen sein! RETTE SICH WER KANN!!! Und nicht nur das - sie stellt sich auch noch die Frage, warum man als Frau weniger Geld für die gleiche Arbeit verdient, gleichzeitig aber mehr für Pflegeprodukte bezahlen soll. Und warum wir bis vor einem Jahr auf durchaus notwendige Monatshygiene-Produkte (also Binden und Tampons) auch noch eine Luxussteuer zu zahlen hatten. Und warum gewisse Herren der Schöpfung kollektiv ausgerastet sind, als sie erfuhren, dass auf öffentlichen Damentoiletten in Schottland Binden und Tampons - haltet euch fest - GRATIS zur Verfügung stehen sollen! Ja, ihr habt recht gehört - die Damen verlangen nicht nur das allgegenwärtige kratzige Häuslpapier, sondern auch noch ... ähm ... "Material" für ihre ekligen Unpässlichkeiten! Oh mein Gott, die Welt steht nicht mehr lange! Hör gefälligst auf, unangenehme Fragen zu stellen, das schickt sich nicht für eine Frau!
Stattdessen sollte ich dankbar sein. Dankbar dafür, dass zwei Herren vier Jahre gebraucht haben, um einen pinkfarbenen Einweghandschuh zu erfinden, der nicht nur mich und meine Geschlechtsgenossinnen, sondern überhaupt alle menstruierenden Personen vor dieser ekligen Unpässlichkeit retten, mit der wir die arme Männerwelt seit Anbeginn der Evolution belästigen! Denn, so erzählten die beiden ehemaligen Bundeswehrsoldaten in der Fernsehshow Höhle der Löwen, die Idee kam ihnen, als sie in einer Wohngemeinschaft lebten, die außer ihnen nur von Frauen bevölkert war, und auf die glorreiche Idee kamen, den Mülleimer des gemeinschaftlichen Badezimmers zu inspizieren. Was sie da gesucht oder gar erwartet haben, kann ich euch nicht sagen - jedenfalls waren sie nach einer ausführlichen Analyse des Inhalts, wie sie erklärten, sehr "verwundert". Woraufhin sie von ihren Mitbewohnerinnen erfuhren, dass diese Probleme mit der Entsorgung ihrer Monatshygiene hätten. Und was tut man als heldenhafter Mann angesichts solch haarsträubender Nöte? Richtig - man macht sich bewusst, dass man es selbst in der Hand hat, so viel unnötiges Leid zu beenden! Und tut das, was man von Kind an schon getan hat - man rettet die hilflose Prinzessin vor dem bösen Drachen! Mit anderen Worten - man entwickelt ein Produkt, das es den Frauen ermöglicht, sich nicht mehr mit ihren unappetitlichen Körperflüssigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Hallo - wir verwöhnten Damen aus Westeuropa müssen doch froh und dankbar sein, dass wir in der Zeit, in der wir unsere Tage haben, nicht aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, wie es in weitaus repressiveren Teilen der Welt immer noch üblich ist! Da darf man doch nicht so kleinlich sein!
Denn es ist ja schon ein Wunder, dass ich immer noch lebe, wo ich doch seit meinem dreizehnten Lebensjahr ohne pinkfarbene Einweghandschuhe menstruieren muss! Vergesst diese Papierbeutel, die in öffentlichen Toiletten die Entsorgung der Monatshygiene-Artikel unterstützen. Vergesst das Toilettenpapier und vor allem - vergesst, dass es nicht erst seit gestern Einweghandschuhe aus Latex oder Kunststoff gibt. Denn diese sind ja nicht pink! Und nicht nur das - man muss sie zuknoten, anstatt sie, wie Pinky Gloves, einfach mit einem Klebestreifen zu verschließen! Huch, ZUKNOTEN, sowas kriegen wir geistig minderbemittelten Wesen doch nicht hin! Und nicht nur das - jede dieser Verpackungen enthält ganze ZWÖLF PAAR Handschuhe! Hört ihr, zwölf PAARE! Damit man, nachdem man mit dem einen das Tampon herausgezogen, darin eingewickelt und zugeklebt hat, mit dem anderen ein sauberes Tampon platzieren kann, ohne sich mit bloßen Händen "da unten" anfassen zu müssen! Und nicht nur das - so ein kleines Schächtelchen kostet fast vier Euro! Also ungefähr so viel wie eine Großpackung handelsüblicher Haushaltshandschuhe.
Wer in meinem Alter ist, wird sich mit Sicherheit noch an die alten OB-Werbespots erinnern - jene, in denen engagierte Damen erklärte, dass die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller "Missverständnisse" sei. Nur, um diese Missverständnisse um ein neues zu erweitern: Denn wie viele Kinder, so habe auch ich jahrelang darüber gerätselt, was es mit diesem merkwürdigen geriffelten Watteröllchen mit der türkisen Schnur am Ende auf sich hat, das die Frau im Fernsehen in ihrer Handfläche versteckt. Wobei ich ehrlich sagen muss - im Gegensatz zu Standard-Kolumnistin Beate Hausbichler bin ich persönlich nicht der Meinung, dass es lebensnotwendig ist, Menstruationsblut in Werbespots zu zeigen. Oder wenn, dann wäre ich für Gleichberechtigung - dann sollte in Werbespots für Windeln auch Babykacke gezeigt werden. Wenn schon alles offenlegen, dann sollten schließlich nicht nur wir Frauen dafür herhalten müssen. Aber das müssen wir ja sowieso nicht - denn dank Pinky Gloves müssen die Herren der Schöpfung nicht mehr "verwundert" sein, wenn sie in Mistkübel hineinschauen. Und Worte wie "sauber", "diskret" und "unsichtbar" können wieder trenden. Und als sei das noch nicht genug, ist das gute Stück auch noch recyclebar - wenn auch natürlich nur, wenn es getrennt von seinem Inhalt entsorgt wird. Moment einmal - WTF???
Fassen wir also noch einmal zusammen: Pinky Gloves ist ein pinker Einweghandschuh, der nicht nur teurer ist als vergleichbare, nicht explizit als Damenhygiene ausgeschriebene Produkte, die nicht pink sind, ein Thema, um dessen Enttabuisierung aktuell gekämpft wird, erneut tabuisiert und darüber hinaus auch noch alle Bemühungen, endlich nicht mehr den Geldbeutel überstrapazieren zu müssen, nur weil man das Pech hat, ein paar Tage im Monat zu menstruieren, ins Lächerliche zieht - er trägt auch noch zum Müllproblem bei, indem er den Markt mit NOCH mehr Einwegprodukten aus Plastik überschwemmt! Da ist es natürlich VÖLLIG unverständlich, dass die Zielgruppe auf Twitter und Facebook einen Shitstorm gestartet hat, der sich gewaschen hat. Leider befürchte ich, dass trotz dieses Shitstorms genügend Damen dieses unnötige Produkt kaufen wollen - spätestens dann, wenn die coolen Influencerinnen es für sich entdecken. Und den bekanntlich leicht zu beeindruckenden Teenies erklären, dass sie ohne pinken Einweghandschuh nicht überleben können. Ich hoffe nur, dass sich ein paar Damen der Unpässlichkeiten jener Herren annehmen, die es für unzumutbar halten, sich nach dem Urinieren die Hände zu waschen - und einen blauen Einweghandschuh entwickeln, damit diese das eklige Ding "da unten" nicht mehr mit bloßen Fingern berühren müssen.
vousvoyez
https://www.youtube.com/watch?v=J7X2FEMzvXU
https://www.zeit.de/zett/liebe-sex/2021-04/pinky-gloves-menstruation-hoehle-der-loewen-alternative
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