![]() |
© vousvoyez |
Dennoch gibt es immer wieder Leute, die meine Sachen anscheinend gerne lesen - und das war auch bei meinem letzten Post der Fall, wofür ich mich noch einmal ganz herzlich bedanken will. Trotzdem gibt es eine Sache, die ich leider ansprechen muss, auch wenn ich mir sicher bin, dass zumindest der allergrößte Teil meiner geschätzten Leser und Innen sich nicht mitgemeint fühlen muss. Ich habe nämlich erfahren, dass die Hersteller von Pinky Gloves ihr Produkt inzwischen zurückgezogen haben - und das ist ja an sich eine gute Nachricht. Was mich allerdings schockiert hat, ist, dass die beiden Herren auch Gewalt- und Morddrohungen gegen sich und ihre Familien erhalten haben. Ähnlich übrigens wie die Teilnehmer von #allesdichtmachen, für die sogar schon ein Berufsverbot gefordert wurde. Und das, meine Lieben, ist absolut nicht cool, wirklich überhaupt nicht! Kritik üben an einem Produkt, das an den Bedürfnissen einer Zielgruppe so komplett vorbei geht? Oder an einer Kunstaktion, die nach Ansicht vieler nicht gut umgesetzt ist? Das ist richtig und legitim. Fremde Leute wegen eines pinken Plastikhandschuhs und ein paar YouTube-Videos bedrohen? Verdammt noch mal. NEIN! NO, NEE, NON, NÃO, NEI, NE, HANNI, E LOCO TE, NEJ, LĀ, NEM, IIE ... ich weiß nicht, in wie vielen Sprachen ich deutlich machen soll, dass ich ein solches Verhalten für absolut unangebracht halte! Und nicht nur das - es schadet auch unserer Demokratie. Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir in ein paar Generationen wieder von Baum zu Baum hüpfen - und von den Affen gemobbt, die nicht glauben wollen, dass wir gemeinsame Vorfahren haben. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.
Wobei die meisten von uns sich ja zum Glück darüber einig sind, dass Drohungen ein Mittel sind, zu dem man niemals greifen sollte. Stattdessen bedient man sich anderer Methoden, um Diskussionen auf Social Media mit Humor zu nehmen. Die Faktenchecker-Seite mimikama hat deshalb einen Leitfaden für nervige Standard-Kommentare publiziert, woraufhin sich eine rege Diskussion darüber entspann, mit welchen sinnlosen Kommentaren man häufig zugetextet wird, wenn man die Meinung jener nicht teilt, die ich gerne unter dem Begriff "die üblichen Verdächtigen" zusammenfasse. Und da ich ja selbst gerne und viel kommentiere, habe ich selbst einige sehr häufig gebrauchte Kommentare zusammengetragen, denen man im Dschungel von Facebook, Twitter & Co. immer wieder begegnet.
Bei aller Aufregung sollten wir aber nicht vergessen, dass Al Bundy 1966 vier Touchdowns in einem Spiel gemacht hat und den Polk High School Panthers damit zur Stadtmeisterschaft verholfen hat! In China ist soeben ein Sack Reis umgefallen!
Da ich ja bekanntlich überhaupt kein Fan der Serie Eine schrecklich nette Familie bin, finde ich den Al-Bundy-Satz auch außerhalb der Pandemie eher blöd als lustig. Umso nerviger ist es, diesen Satz pausenlos lesen zu müssen, wenn Leute einen Post ins Lächerliche ziehen wollen. Was den Sack Reis betrifft, so habe auch ich bisweilen das entsprechende GIF gepostet. Nun könnte ich ja klugscheißen und darauf hinweisen, dass chinesische Reissäcke liegend gelagert werden und entsprechend auch nicht umfallen können, aber das wäre angesichts dessen, dass ich im Glashaus sitze, wohl ein bisschen doof. Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass ich den Sack Reis eher unter Posts mit irrelevantem Prominentenklatsch gesetzt habe und nicht unter Meldungen, in denen es um überlastetes medizinisches Personal, Pandemie-Todeszahlen, Seenotrettung oder rassistische Übergriffe ging.
Die Verschwörungstheorien vom letzten Jahr sind alle wahr geworden!
Ach wirklich? Checken wir das doch mal: Bei der Corona Impfung wird ein Mikrochip implantiert, der einen kontrollieren und überwachen soll!¹ Das Coronavirus wurde erfunden, um eine neue Weltordnung zu schaffen!² Donald Trump rettet gerade Kinder, die im Untergrund leben, sexuell missbraucht und zur Gewinnung von Adrenochrome gefoltert werden!³ Das Coronavirus ist nur eine harmlose Grippe!⁴ Der Tod von George Floyd ist von Schauspielern inszeniert!⁵ Nun, die Antworten auf diese Fragen habe ich euch unten verlinkt, damit ihr auch etwas zu tun habt - selbstverständlich konnte ich nur eine kleine Auswahl zusammenstellen, aber ich denke, das Wichtigste habe ich fürs Erste mal unter den Hut gebracht.
Google doch mal! Informier dich mal! Recherchier doch selbst! Ich gebe meine Quellen nicht öffentlich preis!
Dies liest man oft von Leuten, die gerne krude Behauptungen raushauen, gleichzeitig aber zu faul sind, sie zu belegen - oder es schlicht und ergreifend nicht können, weil sie nur wiedergeben, was sie irgendwann einmal irgendwo aufgeschnappt haben. Im übrigen sollte inzwischen bekannt sein, dass Google seine Suchergebnisse nach Aufrufzahlen listet - und nicht nach Seriosität der Quellen. Und nein - nicht derjenige, der den Wahrheitsgehalt einer Behauptung anzweifelt, ist verpflichtet, diese zu belegen, sondern derjenige, der die Behauptung aufstellt. Am besten gefallen mir diejenigen, die von "recherchieren" sprechen - denn dieses Wort gibt der Vorgehensweise, nach Informationen zu suchen, die der eigenen Meinung entsprechen, einen "seriösen" Anstrich. Der YouTuber Ascendancer, der die Schwurbelszene aus eigener Erfahrung kennt, hat einmal beschrieben, wie verdammt schwer es ist, sich mit Quellen zu befassen, die das eigene Weltbild widerlegen. Wobei ich denke, wer wirklich eine fundierte Meinung hat, dem fällt es leichter, sich auch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Ganz großes Kino ist es, zu sagen, dass man seine Quellen nicht preisgibt - suggeriert es doch, dass man zu einem auserwählten Kreis gehöre und über ein geheimes Wissen verfüge. In Wirklichkeit ist es jedoch nur ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Person ihre Behauptung lediglich aus dem Allerwertesten gezogen hat - denn welche Quelle ist so geheim, dass man sie nicht preisgeben, gleichzeitig aber ihre Inhalte nach Lust und Laune im World Wide Web verteilen darf?
Lern erst mal selber denken! Das ist meine Meinung. Punkt! Ein Verschwörungstheoretiker ist einer, der hinterfragt!
Ich finde es ja recht interessant, dass Leute, die sich bisher ganz offensichtlich noch nie Gedanken über irgendetwas gemacht haben, in letzter Zeit plötzlich angefangen haben, "kritisch" zu sein, "selbst" zu denken und zu "hinterfragen". Einerseits habe ich das in meinem persönlichen Umfeld erlebt, bei Leuten, die in ihrer Denkweise bislang recht oberflächlich waren, andererseits merkt man an gewissen Kommentaren, dass bei vielen, die sich für die großen Denker und Hinterfrager halten, dies bislang keineswegs zu ihren großen Stärken gehörte. Deswegen picken sie sich meist auch nur die Rosinen heraus, die ihre Ansichten bestätigen, und nennen das dann "selber denken". Und betonen zusätzlich noch, dass das ihre Meinung sei - das dahinter ausgeschriebene "Punkt!" soll die anderen dabei so beeindrucken, dass sie gar nicht mehr auf die Idee kommen, ihnen weiterhin zu widersprechen. Hilft halt nur nicht wirklich viel - es wirkt eher hilflos, weil es den Eindruck erweckt, dass der Person die Argumente ausgegangen sind und sie trotzdem hofft, die anderen einschüchtern und so davon abhalten zu können, ihr weiterhin Contra zu geben. Stattdessen zeigt sie damit etwas, das die meisten, die zu Verschwörungsglauben tendieren, miteinander verschwindet - nämlich, dass es in Wirklichkeit gar nicht ihre Meinung ist. Denn wer wirklich eine eigene Meinung hat und diese auch präzise begründen kann, der muss erstens nicht ständig betonen, dass das seine Meinung ist, und zweitens kann er, wie gesagt, eher akzeptieren, dass es neben seiner eigenen Meinung auch noch andere gibt. Leute, die ständig erwähnen, dass das, was sie von sich geben, ihre Meinung sei, wiederholen in Wirklichkeit nur das, was sie irgendwo aufgeschnappt haben und was gleichzeitig in ihr Weltbild passt - man kann im Umkehrschluss also davon ausgehen, dass sie diese Meinung erst haben, seit sie sie von anderen übernommen haben. Es ist also ein bisschen so wie bei der Werbung, die Probleme kreiert, die niemand hatte, bevor sie nicht von ihr erwähnt wurden. Und wenn gar nichts mehr hilft, begibt man sich halt in die Opferrolle - indem man suggeriert, dass nur diejenigen "hinterfragen", die von anderen als "Verschwörungstheoretiker" bezeichnet werden, und alle anderen vollkommen kritiklos dem "Mainstream" folgen.
Du bist doch eh schon von den Staatsmedien indoktriniert! Ich sehe schon, die Gehirnwäsche hat gewirkt! Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen die Wahrheit gar nicht berichten! Du glaubst aber auch alles, was die Mainstreammedien dir vorbeten! Öffentlich-rechtliche Medien und Faktenchecks sind doch alle von der Regierung gekauft! Die Medien sind alle gleichgeschaltet! Die Zeitungen schreiben alle dasselbe!
Die Behauptung, dass die kritischen Hinterfrager in Wirklichkeit nur bei jenen zu finden sind, die in der Außenwelt als Verschwörungsgläubige wahrgenommen werden, fördert ein Problem zutage, das in den letzten Jahren immer mehr zunimmt: Nämlich, dass viele Leute das Vertrauen in die öffentlichen Medien verloren haben - und das leider nicht ganz zu Unrecht. Das kann ich, die ich in einem Land lebe, in dem die Boulevardmedien so mächtig sind wie in keinem anderen, sogar sehr gut nachvollziehen. Ich begegne diesem Problem dadurch, dass ich meine Informationen aus Zeitungen beziehe, die nicht die Kronen-Zeitung sind und auch nicht aus der Fellner-Gruppe stammen - oder von der deutschen Springer-Presse. Andere sehen die Lösung darin, dass sie den offiziellen Medien einfach überhaupt nichts mehr glauben und stattdessen auf dubiose Quellen und "alternative Fakten" vertrauen. Die ihnen erzählen, dass die Öffentlich-Rechtlichen alle von der Regierung gekauft sind - und wenn sie mal kritisch über diese berichten, dann nur, weil sie davon ablenken wollen, dass sie in Wirklichkeit Teil der Verschwörung sind. Was gleichzeitig auch bedeutet, dass alle, die die Darstellung offizieller Medien nicht pauschal ablehnen, bereits von diesen "indoktriniert" und "gehirngewaschen" seien. Da hilft es auch nichts, dass man die Informationen, die man aus Nachrichtensendungen und Zeitungen bezieht, durch Faktenchecker-Seiten wie mimikama, correctiv oder den Volksverpetzer ergänzt, denn obwohl diese ehrenamtlich betrieben und durch Spenden finanziert werden, sind sie laut jenen, die "alternativen Medien" vertrauen, ebenfalls vom Staat gekauft. Wobei häufig übersehen wird, dass gerade jene, die man für vertrauenswürdiger hält als den "Mainstream", es nicht selten trickreich verstehen, ihren Gläubigen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ein prominentes Beispiel ist etwa Michael Ballweg, der Initiator von "Querdenken", der sich Geld "schenken" lässt, weil Spenden steuerpflichtig sind, und auch sonst finanziell ordentlich von der Pandemie profitiert hat. Stattdessen behauptet man, dass die Medien alle "gleichgeschaltet" seien - ein Narrativ, das aus der dunklen Zeit der NS-Diktatur stammt und ursprünglich das Bestreben dieser beschrieb, Institutionen und Körperschaften der nationalsozialistischen Weltanschauung anzugleichen. Es handelt sich hierbei also wieder einmal um eine Verharmlosung der NS-Vergangenheit. Wobei gerade die Reaktionen auf die #allesdichtmachen-Aktion das Gegenteil zeigen - denn ich konnte mehrmals innerhalb von ein und demselben Medium sehr unterschiedliche Ansichten dazu finden. Amüsant finde ich ja auch, dass Leute, die behaupten, die Zeitungen schrieben alle das gleiche, im selben Atemzug zugeben, gar keine Zeitungen zu lesen - ja kruzifix, wie kannst du dann bitte wissen, dass die alle das gleiche schreiben? Aber wie ich schon öfter angemerkt habe, meinen solche Personen in Wirklichkeit eigentlich, dass die Medien nicht ihre Meinung abbilden - wobei es, wie ich finde, völlig legitim ist, Zeit und Druckerschwärze nicht an jenen zu verschwenden, die ständig Falschinformationen verbreiten. Gerade diejenigen, die behaupten, sich für Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen, wollen in Wirklichkeit den Medien vorschreiben, was sie zu berichten haben, und bedrohen Leute, die nicht ihre Meinung teilen. Anhand dessen können wir uns gut überlegen, wer hier wirklich für Meinungsfreiheit steht.
Wir leben in einer Meinungsdiktatur! Ich schreibe jetzt besser nichts, sonst werde ich zensiert! Ich habe eine kontroverse Meinung! Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur aufwachen! Schnell teilen, bevor es zensiert wird!
Und genau diejenigen, die es nicht aushalten, dass nicht alle ihrer Meinung sind, lamentieren den lieben langen Tag, dass wir in einer "Meinungsdiktatur" leben - während sie ungehindert auf die Straße gehen und ihre Schilder hochhalten dürfen, während sie straffrei Regierungsmitglieder verunglimpfen und ihre Meinung frei im Internet verbreiten. Meinungsfreiheit bedeutet nicht nur, seine Meinung frei äußern zu dürfen, sondern auch, dass andere zu dieser Äußerung eine andere Meinung haben und diese ebenso frei aussprechen dürfen. Gewalt- und Morddrohungen, bewusste Lügen und Hetze gegen andere haben jedoch nichts mehr mit Meinung zu tun, weshalb Gesetze gegen Hassrede entgegen der Behauptung eines Lesers nichts mit "Zensur" zu tun haben. Und Meinungsfreiheit bedeutet auch nicht, dass man dazu verpflichtet ist, jeder Meinung einen Raum zu geben. Entsprechend ist klar, was Leute, die erklären, dass sie nichts schreiben werden, damit erreichen wollen - entweder wollen sie sich wichtig machen, oder sie wissen sehr genau, dass das, was sie äußern wollen, Widerspruch provoziert oder gar einen Gesetzesverstoß darstellt. Ähnlich verhält es sich auch mit jenen, die ständig betonen müssen, was für eine kontroverse Meinung sie doch haben - sie wollen, dass andere sie für besonders edgy und mutig halten, weil sie nicht dem "Mainstream" folgen. Und mit jenen, die empfehlen, etwas schnell zu teilen, bevor es "zensiert" wird - um das noch einmal klarzustellen: Facebook, Twitter & Co. sind keine staatlichen Institutionen, sondern kommerzielle Unternehmen, deren größtes Interesse darin besteht, möglichst viele Nutzer zu generieren, um an diesen Geld zu verdienen - und deren Nutzungsbedingungen du zustimmst, um dir einen Account erstellen zu können. Meiner Ansicht nach - und damit bin ich nicht alleine - reagieren diese ohnehin viel zu langsam, teilweise auch völlig undurchsichtig, wenn es um die Durchsetzung ihrer Gemeinschaftsstandards geht. So hat Twitter Donald Trumps Account erst dann gesperrt, als klar war, dass jener das Potenzial hatte, Nutzer von der Plattform zu vertreiben, das aber nur am Rande. Gerne wird auch der Satz "Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur aufwachen" zitiert, der fälschlicherweise Goethe zugeschrieben wird. Und wie auch das abgewandelte Fragment von Bertold Brecht, "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht", so ist auch dieser so allgemein gehalten, dass sich jeder damit schmücken kann. Auch wenn er durchaus einen wahren Kern enthält, denn Demokratie muss man sich immer wieder aufs Neue erkämpfen - aber man wird sie nicht schützen, indem man Meinungen unterdrückt, die einem nicht passen, und Vertretern von antidemokratischen Ideologien hinterherläuft. Und dass die Querdenken-Bewegung in Deutschland mittlerweile unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, liegt nicht daran, dass ihre Anhänger eine andere Meinung vertreten, sondern daran, dass innerhalb dieser Bestrebungen herrschen, den Staat abzuschaffen, dass zu Kampf und Gewalt aufgerufen wird und dass es bereits gewalttätige Übergriffe gegen Maskenträger, Journalisten und Polizisten gab - und das weiß ich nicht nur von Faktenchecker-Seiten, ich höre es auch häufig von Leuten, die bereits näher am Geschehen waren als ich.
"Mainstreammedien"; "Staatsfunk"; "DDR 2.0"; "Meinungsdiktatur"; "Lügenpresse"
Womit wir bei jenem Vokabular sind, das häufig von dieser Klientel angewendet wird. Das mit der Meinungsdiktatur habe ich ja bereits hinreichend erklärt. Häufig hört man auch den Begriff "Mainstreammedien", der ähnlich wie der Begriff "gleichgeschaltet" suggeriert, dass diese nur noch eine einzige Meinung wiedergeben dürfen - gleichzeitig wird hier das Narrativ "wir gegen die" bedient. Sprich, auf der einen Seite die große Mehrheit, die blind dem "Mainstream" hinterherläuft, auf der anderen Seite die mutigen Rebellen, die sich trauen, zu widersprechen. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff "Lügenpresse" - ein Propagandawort, das in der Vergangenheit von antisemitischen Katholiken, Propagandisten des Ersten Weltkriegs, Nationalsozialisten und DDR-Kommunisten verwendet wurde. Seit Beginn der 2000er wird er vor allem von rechtsextremen Gruppierungen gebraucht. Die Intention ist klar: Man unterstellt damit den offiziellen Medien pauschal, bewusst Falschaussagen zu tätigen, um die Meinung "des Volkes" zu lenken. Ich sage es noch einmal: Die offiziellen Medien haben nicht immer recht, aber einem ganzen Medienapparat undifferenziert bewusstes Lügen zu unterstellen, weil er nicht die eigene Meinung widergibt, ist schon sehr kurzsichtig. Ein weiterer häufig gebrauchter Begriff ist "Staatsfunk" - so wurden die Medien der NS-Zeit bezeichnet, nachdem sie verstaatlicht und zentralisiert worden waren, um als Propagandainstrument zu dienen. Es handelt sich also wieder mal um Verharmlosung der NS-Zeit. Die Öffentlich-Rechtlichen wiederum wurden nach dem Zweiten Weltkrieg als Gegenentwurf zum Großdeutschen Rundfunk nach Vorbild der BBC in Deutschland gegründet - also unabhängig vom Staat und ohne dass dieser sich einmischen darf. In Österreich war das ein bisschen anders - dieser wurde erst nach dem Volksbegehren aus dem Jahr 1964 zu einer öffentlich-rechtlichen Institution. Der Wert einer solchen wurde mir erst zu Beginn des Jahres 2019 so richtig bewusst, als die FPÖ die GIS, also die Rundfunkgebühren, abschaffen und den ORF zu einem parteikonformen Propaganda-Kanal umfunktionieren wollte. Gerne wird auch von einer "DDR 2.0" gesprochen - ein Narrativ, der natürlich auf die Steuerung von Medieninhalten seitens des Zentralkomitees der DDR anspricht und im Wesentlichen dasselbe behauptet, nämlich, dass der Staat die Medien kontrolliere.
Wie ihr also seht, ist der "Schatz" der Standardsätze und -begriffe, denen man auf Social Media immer wieder begegnet, sehr reichhaltig - so sehr, dass ich ihn nicht in einem einzigen Artikel unterbringen konnte. Abschließend möchte ich noch sagen, dass es auch mir nicht darum geht, andere Meinungen zu diskreditieren - ich möchte lediglich dazu anregen, mit der eigenen Wortwahl etwas achtsamer umzugehen. Nicht nur, weil man durch einen bestimmten Sprachgebrauch gerne einmal in entsprechenden Schubladen landet, sondern vor allem auch, weil die meisten dieser Totschlag-"Argumente" jegliche differenzierte Diskussion schnell mal im Keim ersticken. Wir sehen uns also bald wieder, und ich hoffe, dass ihr bis dahin brav bleibt und gut auf euch acht gebt. Bon voyage!
vousvoyez