Samstag, 15. Juni 2019

Wenn das allgemeine Verhüllungsverbot gilt, darf die Polizei dann überhaupt noch verdeckt ermitteln?

Wir erinnern uns: Vor fast zwei Jahren, kurz vor den Nationalratswahlen, wurde eine Verordnung erlassen, nach der man sich in Österreich nicht mehr öffentlich das Gesicht bedecken durfte - bis auf Ausnahmefälle, etwa bei extremer Kälte. Das Ziel war klar: Muslimischen Frauen sollte das Tragen von Burka und Niqab nicht mehr erlaubt sein. Demzufolge wurde dieser Erlass im Volksmund auch "Burkaverbot" genannt. Ich muss dazu sagen, in meiner Wohngegend gibt es viele Menschen mit Migrationshintergrund - und natürlich auch viele Muslime. Ich sehe häufig Frauen mit Kopftuch - aber nur selten mal einen Niqab, bei dem nur die Augen sichtbar sind, und nicht einmal eine Burka. Und das war auch schon vor dem allgemeinen Verhüllungsverbot so. Es wundert also nicht, dass die Folgen dieses Gesetzes hauptsächlich Leute trafen, die sich etwa den Schal zu tief ins Gesicht gezogen haben oder Staubmasken trugen, und weniger echte Burka-Trägerinnen. Was jetzt nicht heißt, dass ich für die Burka wäre - ich finde nur, das Gesetz dagegen war einfach unsinnig. Zumal es heute kein Thema mehr ist. Und es soll auch nicht Thema dieses Artikels sein.

Wie wir ja wissen, ist die Regierung bei uns in Österreich inzwischen Geschichte - zumindest vorläufig. In den Wochen nach der Ibiza-Affäre habe ich die Debatte sehr aufmerksam verfolgt - und auch nicht vor den Kommentarspalten von Tageszeitungen und Fernsehsendern nicht zurückgeschreckt. Da gab es immer noch ausreichend FPÖ-Fans, die diese Geschichte überhaupt nicht zu beeindrucken schien. Was besonders auffällig war - viele von denen, die am lautesten "jetzt erst recht" skandierten und die meisten blauen Herzen teilten, outeten sich in ihren Profilen als ausnehmend tierlieb. Einige hatten als Profilbild nicht ihr eigenes Konterfei, sondern das des Hundes oder der Katze, und in ihrer Chronik riefen sie unermüdlich zum Schutz und Respekt von Tieren auf.

Man möchte meinen, dass Tierliebe eher eine Sache des linken Sektors sein sollte. Wer allerdings aufmerksam die sozialen Netzwerke verfolgt, bemerkt sehr schnell, dass dem nicht so ist. Unter denjenigen, die Fotos von Flüchtlingsbooten im Mittelmeer mit "absaufen" kommentieren und sich am meisten darüber aufregen, dass Asylwerber in Österreich eine Lehre machen dürfen oder mehr als 1.50 € pro Stunde für gemeinnützige Arbeit bekommen sollen, sind auffallend viele, die nicht zögern, den herzlosen Umgang der Menschen mit ihren tierischen Mitgeschöpfen anzuprangern und beim Anblick eines verletzten Katzenbabys in mitfühlende Tränen auszubrechen.

Dass gerade Tierfreunde so oft Fans von Rechtsparteien sind, liegt wohl daran, dass sich diese sehr geschickt an jene verkaufen können. Vor vier Jahren rechtfertigten auffällig viele ihre Sympathie für die FPÖ damit, dass diese das Schächten von Tieren verbieten wolle - ein Brauch, der bei Juden und Muslimen praktiziert wird. In welcher Weise dies Massentierhaltung und unethische Praktiken auf Schlachthöfen rechtfertigen soll, ist mir zwar schleierhaft, aber gut. Mir war schnell klar, dass es nicht um Tierschutz ging, sondern lediglich darum, Feindbilder zu schaffen und Stimmen zu generieren - denn keiner sprach davon, seinen Fleischkonsum zugunsten besserer Lebensbedingungen von Schlachtvieh zu reduzieren. Auffällig ist auch, dass FPÖ-Politiker gerne mit Tieren fotografieren lassen - H. C. Strache war da besonders fleißig, und seine liebe Ehefrau ist ja auch bekannt für ihre Herz erwärmende Tierliebe. Fest steht - Rechtspopulisten setzen sich weitaus medienwirksamer für Tiere ein als alle anderen Parteien. Und kassieren entsprechend natürlich auch mehr tierliebe Stimmen. Auf diesen Zug sind auch Rechtsparteien in anderen Ländern, beispielsweise bei unseren deutschen Nachbarn, bereits aufgesprungen: Auch die NPD spricht sich immer wieder für Tier- und Umweltschutz aus, und die AfD setzt sich jetzt auf einmal gegen das Shreddern von niedlichen Küken ein (was ihnen bisher komplett egal war). Der Sinn dieser Aktionen und Äußerungen ist leicht durchschaubar: Einerseits passen Tierliebe und Misanthropie gut zusammen, andererseits nährt man damit dem Gedanken: "Wer tierlieb ist, kann kein schlechter Mensch sein."

Diese Haltung ist keineswegs neu - wir wissen, dass Adolf Hitler vegetarisch lebte und ein großer Hundefreund war, und dereinst verbot auch er Schächtungen unter dem Deckmantel des Tierschutzes, während es in Wirklichkeit nur darum ging, Juden als grausam darzustellen und ihre Religionsfreiheit einzuschränken. Medizinische Versuche an Tieren waren verboten - während sie gleichzeitig an Menschen praktiziert wurden. Im Rechtsextremismus wird häufig die "Natur" als unhinterfragbare Instanz hochgehalten - zumindest das, was Vertreter rechten Gedankenguts unter Natur verstehen. Während man die Zivilisation und Kultur als "Werteverfall" kennzeichnet, soll das Tier als Vorbild für den Menschen dienen - eine Art braun gefärbte Back-to-Nature-Ideologie.

Dem Beispiel rechter Politiker folgen viele ihrer Anhänger - mit übertriebenem Einsatz für den Schutz und die Rechte von Tieren stellen sie sich als besonders empathisch hin, während sie ihre seelischen Abgründe an Ausländern ausleben. Die Intention der Rechtsparteien trägt Früchte - mit tierfreundlichen Parolen kommt man eben (noch) weiter als mit offen rassistischen, und das wird ausgenutzt. Umso ironischer, dass die FPÖ in letzter Zeit gerade viele Stimmen von Tierfreunden in den Sand gesetzt hat - indem sie sich gegen ein Verbot des Shredderns von Küken und der Haltung von Schweinen auf Vollspaltböden entschieden.

Und jetzt möchte ich einmal eines klarstellen: Ich habe vollsten Respekt vor Leuten, die sich für Tiere einsetzen und sogar bereit sind, dafür auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Und ich kenne selbst einige, die sich trotzdem gegen Menschenhass aussprechen. Pauschalisieren ist nie gut. Ganz allgemein möchte ich nur sagen: Ehe man sich für eine Partei entscheidet, sollte man sie als Ganzes betrachten und nicht nur auf ein paar einfache Parolen anspringen. Und man sollte sich immer die Frage stellen: Geht es wirklich um meine Anliegen oder geht es nur um Stimmenfang?

vousvoyez

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