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101 Dalmatiner von Clyde Geronimi, Hamilton Luske und Wolfgang Reitherman erschien im Jahr 1961 und basiert auf dem 1956 erschienenen Roman The Hundred and One Dalmatians, or the Great Dog Robbery (Hundertundein Dalmatiner) der englischen Schriftstellerin und Drehbuchautorin Dorothy Gladys "Dodie" Smith. Es war das erste Buch, das sie nicht unter einem Pseudonym veröffentlichte und ist auch ihr bekanntestes Werk - nicht zuletzt durch den Film. Die Geschichte handelt von einem Wurf Dalmatinerwelpen, die von der extravaganten Cruella de Vil entführt werden, da diese von einem Pelzmantel aus Dalmatinerfell träumt, und von den Hundeeltern, die sich auf die abenteuerliche Suche nach ihren Welpen machen. Im Buch sind es drei erwachsene Dalmatiner - Pongo (benannt nach Smiths eigenem Hund), Missis Pongo und Perdita. Im Film verschmelzen die beiden Hündinnen zu Pongos Gefährtin Perdita, außerdem setzt die Handlung früher ein - nämlich vor der Heirat des jungen Ehepaares Dearly, zu dem die Hunde gehören. In dem Film wurde erstmals eine neue Technik, die Xerox-Fotokopie, verwendet, die es ermöglichte, die Originalskizzen direkt auf den Film zu übertragen, was die Produktion enorm beschleunigte - zuvor musste nämlich jede Zeichnung per Hand mit Tinte zu Papier gebracht werden. Gleichzeitig löste dieses Verfahren auch die künstlerische Schwierigkeit, hundertein Dalmatiner auf einem Filmbild unterzubringen. Diese Technik war in den nächsten zwei Jahrzehnten charakteristisch für die Disney-Filme, was jedoch in der Folge zu einer Verflachung der Disney-Animationskunst führte, die erst in den 1980er Jahren gestoppt wurde.
Der letzte Zeichentrickfilm in Spielfilmlänge, der noch von Walt Disney selbst produziert wurde, war Das Dschungelbuch aus dem Jahr 1967 unter der Regie von Wolfgang Reitherman. Nicht zuletzt aufgrund seines Soundtracks ist dies einer der populärsten Disney-Filme aller Zeiten. Er basiert auf Motiven von The Jungle Book (Das Dschungelbuch) einer Sammlung von Erzählungen und Gedichten des in Indien geborenen britischen Schriftstellers und Dichters Rudyard Kipling, der im Jahr 1907 als erster englischsprachiger Autor den Literaturnobelpreis erhielt - wobei er mit damals 42 Jahren bis heute den Rekord als jüngster Literaturnobelpreisträger hält. Ursprünglich handelt es sich dabei um zwei Bücher - veröffentlicht 1894 und 1895 -, die heute jedoch in der Regel in einem Band herausgegeben werden. Bis heute gehört The Jungle Book zu den bekanntesten und erfolgreichsten Jugendbüchern, auch wenn Kiplings allgemein eher positive Einstellung zum Kolonialismus gemeinhin kritisiert wird. Die bekanntesten Erzählungen sind natürlich die des Menschenjungen Mowgli (in verschiedenen Übersetzungen auch Maugli oder Mogli geschrieben), der bei den Tieren im indischen Dschungel aufwächst, die ihm beibringen, die Gesetze der Natur zu achten und zu befolgen. Weitere Geschichten aus dem Dschungelbuch sind etwa die des Mungos Rikki-Tikki-Tavi, der im Garten einer weißen Familie in Indien lebt und diese vor gefährlichen Schlangenangriffen beschützt, oder die des Jungen Toomai, dem Sohn eines Mahut, eines Elefantenführers, der nur in die Fußstapfen seines Vaters treten kann, wenn er den Tanz der Elefanten gesehen hat. Im Disney-Film werden allerdings nur die Geschichten von Mowgli als Motiv verwendet und zu einer völlig eigenständigen Geschichte verarbeitet. Disney starb, noch bevor der Film in die Kinos kam - auch wenn Das Dschungelbuch nicht der letzte war, den er in Auftrag gegeben hatte. Sein kreativer Einfluss auf den Film war längst nicht mehr so groß wie bei den ersten, aber seine Entscheidungen waren für den Stil nach wie vor ausschlaggebend. So ist der Film weit weniger düster als die Literaturvorlage, auch wenn im Vorspann noch ersichtlich ist, dass das ursprünglich noch nicht so geplant war. Vor allem der anfangs von Terry Gilkyson komponierte Soundtrack war ihm nicht heiter genug - lediglich The Bare Necesseties (Versuch's mal mit Gemütlichkeit) wurde in das Endprodukt mit aufgenommen, die restliche Musik stammte dann von den Brüdern Robert und Richard Sherman, die auch schon die Lieder zu Mary Poppins geschrieben hatten.
Der Roman erzählt, wie Mowgli, der seine Eltern bei einem Überfall des Tigers Shere Khan verloren hat, in einer Wolfsfamilie aufgezogen wird; wie der Bär Baloo und Bagheera, der schwarze Panther ihn lehren, im Dschungel zu überleben und dessen Gesetze zu achten; wie er durch eine Intrige aus dem Wolfsrudel verstoßen wird und zu den Menschen zurückkehrt; wie er seinen ewigen Widersacher Shere Khan besiegt und von den Menschen verstoßen wird, woraufhin er zu den Wölfen zurückkehrt. Im Film wiederum beschließen die Wölfe, als Mowgli zehn Jahre alt ist, dass Bagheera ihn wieder zu den Menschen zurückbringen soll, weil Shere Khan, der Tiger ihn sonst töten würde. Mowgli ist gar nicht begeistert von der Idee, in einem Menschendorf leben zu müssen, und gerät ständig in Schwierigkeiten bei dem Versuch, Bagheera zu beweisen, dass er nicht vor Shere Khan beschützt werden muss. Dabei trifft er auf den gutmütigen, unbekümmerten Bären Baloo, der den Jungen sofort adoptieren will. Als dieser jedoch von einer Horde Affen verschleppt wird, muss Baloo einsehen, dass sein Schützling nur in der Obhut von seinesgleichen sicher ist. Als er versucht, dies Mowgli zu erklären, fühlt dieser sich verraten und läuft weg; kurz darauf wird er von Shere Khan angegriffen, wobei Baloo ihn gerade noch vor seinen Klauen retten kann, schafft es jedoch, den Tiger zu besiegen. Die Gefahr, vor der Mowgli in Sicherheit gebracht werden sollte, scheint gebannt, doch auf ihrer Reise sind er, Bagheera und Baloo an den Rand des Menschendorfes gekommen, wo der Junge ein Mädchen trifft und ihr ins Dorf folgt. Neben dem Disney-Film ist mir auch die Nippon-Animation-Serie aus dem Jahr 1989 bekannt, deren Handlung teilweise auf der Romanvorlage, zum Teil aber auch auf der Filmversion von Disney basiert.
Der 1999 erschienene Film Tarzan unter der Regie von Kevin Lima und Chris Buck ist bis jetzt die einzige abendfüllende, animierte Version der Tarzan-Geschichten des amerikanischen Schriftstellers Edgar Rice Burroughs und beruht auf dessen Roman Tarzan of the Apes (Tarzan bei den Affen) von 1912. Für diesen Film wurde eigens die Deep-Canvas-Software erstellt, die es erlaubt, CGI-Hintergründe zu erstellen, die wie handgezeichnet wirken; sie wurde jedoch in keinem anderen Film mehr eingesetzt. Das Aussehen des jungen Tarzan war an dessen Sprecher, den Schauspieler Alex D. Linz, angelehnt, die Songs wurden von Phil Collins komponiert und auch gesungen - nicht nur in der englischen, sondern auch in der deutschen, spanischen, italienischen und französischen Fassung. Die Geschichte handelt von einer britischen Familie, die sich von einem brennenden Schiff an die afrikanische Küste retten; nach dem Tod der Eltern wird der kleine Sohn von einer Gruppe Affen großgezogen. Während es im Film jedoch ein Gorillapaar ist, dessen Kind von einem Leoparden getötet wurde, ist es im Buch eine unspezifische Affenart. Im Laufe der Geschichte lernt Tarzan Jane kennen, die Tochter eines Wissenschaftlers, und verliebt sich in sie. Im Roman zieht er mit ihr nach England, heiratet sie und wird Vater, kehrt jedoch später wieder mit ihr nach Afrika zurück. Im Film bleibt Jane bei Tarzan in Afrika und gliedert sich in die Affengemeinschaft ein. Außer der Disney-Version existieren noch über hundert Realverfilmungen der Tarzan-Geschichte; am bekanntesten sind sicher die zwölf Filme mit Johnny Weissmüller in der Hauptrolle, dem ersten Schauspieler, der seine Hollywood-Karriere seinen herausragenden Leistungen als Sportler - er war fünffacher Olympiasieger im Freistilschwimmen - zu verdanken hatte (sein schauspielerisches Talent war eher mäßig) und der den charakteristischen Tarzanschrei kreierte.
Sowohl die Geschichte von Mowgli als auch die von Tarzan greift das Phänomen der "Wolfskinder" auf - Kinder, die ihre Entwicklungsphase eine Zeitlang außerhalb menschlichen Einflusses verbrachten und sich daher in ihrem Verhalten von normal sozialisierten Kindern unterscheiden. Viele dieser Kinder sollen von Tieren - etwa Wölfen oder Bären - großgezogen worden sein, der Wahrheitsgehalt der meisten Wolfskind-Geschichten wird jedoch von Wissenschaftlern angezweifelt. Solcherlei Legenden kursieren praktisch seit Anbeginn der Geschichte, doch die allermeisten stammen aus zweiter Hand, und nur wenige Fälle konnten tatsächlich wissenschaftlich untersucht werden. Manchen Berichten aus erster Hand wird ebenfalls Manipulation vorgeworfen, etwa der über die Mädchen Amala und Kamala, zwei Mädchen, die in einem indischen Waisenhaus aufwuchsen und 1920 angeblich in der Höhle einer Wölfin gefunden wurden - Joseph Amrito Lal Singh, der Missionar und Rektor des Waisenhauses, der sie fand, behauptete in seinen Aufzeichnungen, sie würden auf allen Vieren gehen, äßen nur rohes Fleisch und könnten für Menschen unmögliche Sinnesleistungen vollbringen, aber seine Schilderungen wurden nie bestätigt. Wolfskind-Geschichten aus dem Mittelalter sind natürlich stark von Aberglauben geprägt, beispielsweise sind sie eng mit den Wechselbalg-Geschichten verbunden, derer zufolge Kinder von dämonischen Wesen ausgetauscht wurden; wie diese wurden sie damals dazu benutzt, Behinderungen vermeintlich zu "erklären" und die Misshandlung von Kindern, die nicht der Norm entsprachen, zu rechtfertigen. Im Zuge der Aufklärung rückten Wolfskinder ins Interesse von Anthropologen und Pädagogen, die an ihnen die natürliche Bestimmung des Menschen innerhalb der Gesellschaft beweisen wollten. Viele Sagen und Legenden thematisieren die Wolfskinder, sie sind jedoch auch in allen möglichen künstlerischen Genres vertreten. Bekannt ist natürlich die Sage der Gründer Roms, der Zwillinge Romulus und Remus, die ausgesetzt und von einer Wölfin gesäugt worden sein sollen. Aber auch der Ursprungsmythos der Türken erzählt von einem Jungen namens Asena, der als einziger Überlebender seines Stammes, der einem Massaker zum Opfer fiel, von einer Wölfin großgezogen wurde. Auch Wolfdietrich, ein von einem unbekannten Autor verfasstes mittelalterliches Epos, erzählt von einem Helden, der seine Kindheit teilweise in der Obhut von Wölfen verbrachte. Außerdem fällt mir noch die (etwas langweilige) italienische Komödie Bingo Bongo von Pasquale Festa Campanile aus dem Jahr 1982 mit Adriano Celentano in der Hauptrolle ein - die Geschichte eines jungen Mannes, der von Schimpansen im afrikanischen Dschungel großgezogen und von einer Expedition aufgegriffen wird, die ihn für wissenschaftliche Studien nach Mailand bringen. Dort entdeckt er die Großstadt als neuen Dschungel, lernt das Sprechen, verliebt sich in die Anthropologin Laura und wird zum Vermittler zwischen Mensch und Tier.
Da zu dem Dalmatiner-Film nicht allzu viel zu finden war und sich das Thema Wolfskinder in Zusammenhang mit Tarzan und dem Dschungelbuch natürlich anbot, hatte ich diesmal das große Vergnügen, nicht nur zwei, sondern gleich drei Filme hinsichtlich ihrer Hintergründe behandeln zu können. Natürlich habe ich auch noch genügend Stoff für weitere Fortsetzungen. Ich habe auch bereits wieder Ideen für neue Artikel. Fürs erste danke ich euch für eure Aufmerksamkeit und hoffe, dass ihr auch das nächste Mal wieder mit dabei seid. Bon voyage!
vousvoyez
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