Dienstag, 27. August 2019

Wenn Jambo "Hallo" heißt, heißt dann Coco Jambo "Hallo, ihr Nüsse"?

(c) vousvoyez
Eine schwierige, aber durchaus nicht uninteressante Frage - zumindest bietet sich diese an, wenn man das Swahili-Wort "Jambo" in anderer Form nicht kennt. Ich habe mal gehört, dass Swahili einmal als Amtssprache der Afrikanischen Union hätte eingeführt werden sollen - ähnlich, wie man Esperanto als übergeordnete Weltsprache etablieren wollte. Der Unterschied ist halt, dass Esperanto eine Plansprache ist, also eine, die sich nicht evolutionär entwickelte, sondern aufgrund der Ghetto-Strukturen in der polnischen Stadt Bjelostock im späten 19. Jahrhundert von einer Einzelperson entwickelt wurde, während Kiswahili die Muttersprache einer ethnischen Gruppe in Ostafrika, eben dem Bantuvolk der Swahili, ist und bis heute die dort am weitesten verbreitete Verkehrssprache.

Wir wissen ja, dass die Zukunft unserer Erde im Moment mehr als ungewiss ist - und das bekommen besonders tropische Regionen, eben auch Afrika, vermehrt zu spüren. Wobei wir Afrika ja schon ziemlich lange sozusagen als Müllhalde benutzen - ich will hier jetzt nicht über die Kollektivschuld aller Europäer sprechen, Verantwortung tragen beide Seiten. Das Problem ist halt, dass besonders wir hier in Europa die Konsequenzen nicht sehen wollen. Ich habe in Isabel Allendes historischem Roman Geisterhaus gelesen, dass nach dem Militärputsch in Santiago, der Hauptstadt Chiles, die Bettler hinter Werbeplakaten versteckt wurden, damit die besser betuchte Bevölkerung die Illusion bekam, alles sei in bester Ordnung. So ähnlich kommt es mir auch heute manchmal vor - man kehrt den Schmutz unter den Teppich, um nicht zu zeigen, dass wir uns einem Abgrund nähern. Und Besorgnis erregend ist in diesem Rahmen natürlich auch, dass der Amazonas-Regenwald in Brand steht. Und deswegen möchte ich heute einmal über Empathie sprechen.

Empathie - die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle nachzuvollziehen - wird ja als eine der großen Tugenden der Menschheit begriffen. Was ja an sich auch nicht falsch ist. Das Problem dabei ist halt, dass Empathie nichts Rationales ist. Wir kennen das ja aus dem Alltag - wenn ein Prominenter stirbt, trauern auch Menschen, die diese Person als solche gar nicht kannten. Auf der Welt sterben täglich viele Menschen unter oftmals sehr grausamen Bedingungen. Das meiste wird aber im Alltag gar nicht erst erwähnt. Was natürlich auch verständlich ist - ich kann deswegen auch nicht tagaus, tagein im Bett liegen und weinen, weil es nichts ändert und weil ich meine eigene Situation dadurch nur sinnlos verschlimmern würde. Trotzdem bin ich mir dessen bewusst, dass unsere Welt mitunter auch ein Ort der Trauer und des Schreckens ist. Ich würde es gerne ändern und kann es nicht. Und ja, oft geht es mir deswegen auch nicht gut. Und um nicht an all dem zugrunde zu gehen, blende ich vieles aus. Das ist nicht schön, aber notwendig, weil ich nur so überlebe. Und viele von uns sind sich auch dessen bewusst, dass persönliches Leid nicht dadurch gelindert wird, indem man den Leidenden darauf hinweist, dass es anderen Menschen noch schlechter geht. Nun gut.

Die absurde Seite von Empathie wurde mir in letzter Zeit wieder vor Augen geführt, als die ersten Nachrichten über den Brand im Amazonas-Regenwald eintrafen. Das geschah ziemlich spät, weil ja zuvor Heidi Klum geheiratet hat, was ja so extrem wichtig ist, dass man rund um die Uhr darüber informiert werden muss. Und es hat anfangs auch irgendwie niemanden so richtig interessiert. Und die ersten Meldungen waren natürlich wieder der übliche mediale Dünnpfiff - der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro wetterte, dass angeblich irgendwelche Umwelt-NGOs den Regenwald angezündet haben sollen, während in den sozialen Netzwerken wieder mal Greta Thunberg als Sündenbock herhalten durfte. Den größten Aufschrei riefen aber die Photoshop-Bilder angeblich brennender Tiere hervor, die aktuell überall geteilt werden. Ein höchst erstaunliches Phänomen selektiver Wahrnehmung ist für mich ja auch, dass gerade Leute, die Seiten wie mimikama abonniert haben und sich kollektiv über rechtspopulistische Fake-Bilder empören, die dazu dienen, Linke, Ausländer und die Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung in den Dreck zu ziehen, plötzlich überhaupt kein Problem mehr damit haben, wenn überall im Netz ungekennzeichnete Fake-Bilder auftauchen, die angeblich aktuell im Amazonas-Regenwald aufgenommen wurden, weil der Zweck ja die Mittel heiligt. Obwohl man sich also moralisch über eine gewisse Menschengruppe stellt, ist man bereit, deren Methoden für seine eigenen Zwecke anzuwenden. Wem das nicht zu denken gibt, der sollte meiner Ansicht nach seine moralischen Prinzipien nochmals überdenken.

Was ich aber ebenfalls bemerkenswert finde: Solange nur die Luftbilder brennender Bäume zu sehen sind, berührt uns das nicht wirklich - Waldbrände sind ja per se nichts Ungewöhnliches, vor allem in den Sommermonaten. Sobald aber niedliche Tiere zu sehen sind, die vermeintlich zu Schaden kommen, sind alle auf einmal ganz erschrocken. Klar - natürlich kommen bei diesem Waldbrand auch sehr viele Menschen und Tiere zu Schaden und nein, dass diese Bilder Fake sind, ändert nichts daran. Diese Geschichte zeigt jedoch meiner Beobachtung nach, wie selektiv unsere Empathie eigentlich ist - Einzelschicksale berühren weit mehr als eine kollektive Katastrophe, kleine Kinder und süße Tiere rühren unser Herz viel mehr als erwachsene Personen, Pflanzen oder Tiere, die vielleicht nicht so süß sind. Bezeichnend finde ich in diesem Lichte auch der Umgang mit den Katastrophen, die sich schon seit längerer Zeit im Mittelmeer abspielen - zwischen 2014 und 2019 ertranken bisher schätzungsweise 17.900 Menschen im Mittelmeer. Empathische Reaktionen gab es jedoch erst, als im Netz das Foto eines ertrunkenen Kindes am Strand von Lampedusa auftauchte. Und mittlerweile scheint ja selbst das vergessen. Aber das ist eine andere Geschichte. Andererseits wird Empathie auch häufig dafür benutzt, um unlautere Verhaltensweisen zu rechtfertigen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Pfandflaschen sammelnden Rentner in Deutschland, die früher niemanden interessiert haben, die aber jetzt häufig als Argument benutzt werden, warum man Ausländern nicht helfen und sich nicht um die Umwelt sorgen soll. Kürzlich bekam ich einen Artikel zu Gesicht, in dem klimafreundliche Energie kritisiert wurde mit dem Argument, dass für die für Elektroautos so wichtigen Lithium-Batterien Bergarbeiter im Kongo sterben. Nun ja - einer der besten Freunde meines Partners ist Kongolese, mein Partner selbst ist dort geboren, und auch wenn das nicht so wäre, wie könnte mir das egal sein? Das Ding ist halt - auch für weitaus weniger klimafreundliche Produkte werden Menschen ausgebeutet, nicht nur im Kongo, aber auch dort. Das weiß man schon seit Jahrzehnten - interessiert hat es nur keinen. Erst jetzt, wo es um Klimafreundlichkeit geht, wird das angeprangert.

Nicht, dass wir uns jetzt falsch verstehen: Ich bin sicherlich keine von denen, die einem Menschen, der sich für Tiere einsetzt, Sätze wie "Und was ist mit den Menschen?" vor den Latz knallt. Falls ich das noch nicht erwähnt habe. Im Grunde genommen nützt ein weniger exzessiver Konsum von Tierfleisch den Menschen genauso viel wie den Tieren selbst, zumal das Futter für Massenbetriebe ja hauptsächlich aus Ländern kommt, wo Menschen verhungern. Vor sehr vielen Jahren, als es langsam zu den Menschen durchdrang, dass auch Personen, die nicht in der unmittelbaren Umgebung wohnen, möglicherweise Empathie verdient haben, kam man auf die Idee, dass auch Wesen einer anderen Spezies Gefühle haben, die man berücksichtigen sollte. Außer, man war ein Fan von René Descartes, der dereinst behauptete, Tiere seien Maschinen - früher hat mich diese These sauer gemacht, aber allmählich komme ich auf die Idee, dass dies mit der Industrialisierung zu tun haben könnte, wo Menschen ja teilweise auch schon als "Maschinen" begriffen wurden, die mit Hilfe medizinischer Versorgung "repariert" werden könnten und die durch Erziehung zum "Funktionieren" gebracht werden müssten. Es gibt nur zwei Dinge, die ich dabei echt scheiße finde: Erstens, dass so manche Tierfreunde einen regelrechten Hass gegen die gesamte Menschheit zu hegen beginnen - zugegeben, es ist nicht schwer, Menschen zu hassen, wenn wir sehen, was wir uns gegenseitig und anderen Lebewesen antun, aber was können hungernde Kinder dafür, dass viele von uns sich augenscheinlich Hunde züchten müssen, die nicht richtig atmen können? Und warum fällt man auf Wahlversprechen rein, die so augenscheinlich nicht dem Wohl der Tiere, sondern zum Schaden von Menschen, die zufällig anders aussehen als wir, gereichen? Zweitens, dass man seine Empathie so sehr an den Niedlichkeitsfaktor hängt.

Klar, Kinder sind in der Regel süßer als Erwachsene. Aber soll ein Teenager aus dem Sudan weniger Rechte haben als der Adoptivsohn von Madonna, nur weil er nicht so süß ist? Und ist der Brand des Amazonas-Regenwaldes tatsächlich weniger Besorgnis erregend, wenn dabei keine süßen Tiere zu Schaden kommen? Ernsthaft?

Tatsache ist, es brennt nicht nur der Regenwald - wir alle sind gefordert, unsere Denk- und Lebensweise gründlich zu hinterfragen. Und zwar jetzt!

vousvoyez

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