Ich habe diesen Satz von einem ehemaligen Arbeitskollegen aufgeschnappt, der auf ironische Art und Weise darlegen wollte, warum es gescheiter ist, an Thor zu glauben als an den christlichen Gott. Mir fällt da nur der Witz ein mit den zwei Männern im Zug, wo der eine eine Banane aus der Tasche holt, sie schält, salzt und aus dem Fenster wirft. Das wiederholt er mehrere Male, bis sein Gegenüber ihn fragt, warum er das tut. Daraufhin er: "Um die Löwen zu vertreiben!" Worauf der andere einwendet, dass es hier doch überhaupt keine Löwen gäbe. Die Antwort: "Sehen Sie? Es wirkt schon!"
Das Argument gegen den christlichen Gott ist ja sehr oft, dass dieser auf der Erde unermessliches Leid zulässt. Durchaus etwas, das es wert ist, zu diskutieren. Zu Beginn dieses Monats gab es ja wieder mal zwei Amokläufe in den USA - einen in El Paso, Texas und einen in Dayton, Ohio. Und natürlich ist klar, dass dies zum Teil auch daran liegt, dass Amerika ein massives Problem mit Schusswaffen hat; andererseits haben diese Ereignisse jedoch wohl auch mit dem politischen Hass zu tun, der vor allem im Internet wütet und überall auf der Welt die Gesellschaft spaltet. Und daran hat der amerikanische Präsident, der ja seine Weisheiten gerne auf Twitter verbreitet, sicher einen nicht unwesentlichen Anteil.
Aber all das war nach den Attentaten erstmal nicht so relevant wie die Frage, ob Videospiele schuld an den Amokläufen gewesen seien. Eine uralte Diskussion, in der die Meinungen weit auseinander gehen. Deswegen will ich sie heute einmal anreißen - und mit einem Thema verknüpfen, dem ich mich schon lange mal widmen wollte, nämlich der ideologischen Interpretation.
Nun, die Frage, ob Videospiele schuld an Amokläufen sind, ist, wie zuvor schon erwähnt, schon lange nicht mehr neu. Und wenn nicht die Videospiele schuld sind, sind es die Horrorfilme oder Heavy Metal. Natürlich nicht das extrem lockere Waffengesetz, das es Privatpersonen erlaubt, automatische Schusswaffen zu besitzen. Deswegen ist der Lösungsansatz gegen Amokläufe an Schulen ja auch äußerst
Nun, ich kenne keine Amokläufer. Aber ich kenne etliche Leute, die in ihrer Jugend Videospiele gespielt haben - und oft auch Gewaltspiele. Meist auch noch in einem Alter, in dem diese Spiele für sie nicht geeignet waren. Trotzdem sind all diese Kinder von damals verantwortungsbewusste, friedliche Erwachsene geworden. Einzelfälle? Oder liegt es vielleicht nicht doch eher daran, dass all diese Kinder von damals ein liebevolles Elternhaus, ganz allgemein ein stabiles soziales Umfeld sowie eine relativ gute Schulbildung genossen haben? Die wissenschaftliche Debatte über den Zusammenhang von Amokläufen und Videospielen ist zwar durchaus gegeben, es gibt da aber einige Widersprüche und Unklarheiten, wenn es um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit geht. Sehr aufschlussreich ist hierzu das Video des YouTube-Kanals mailab. Vieles auf YouTube ist Mist, aber deswegen auch nicht alles.
Wer diesen Blog kennt, weiß auch, dass ich ein Faible für Horrorfilme habe und dass ich diese schon konsumiert habe, als ich eigentlich noch nicht alt genug dafür war. Trotzdem würde mich jemand, der mich persönlich kennt, wohl kaum als gewalttätigen oder auch nur aggressiven Menschen beschreiben. Und wer einmal auf einem Metal-Konzert war, kann bestätigen, dass diese oft weitaus friedlicher ablaufen als so manche Schlagerparty und dass Metal-Fans in der Regel sehr liebenswerte und aufgeschlossene Menschen sind, wenn man es selbst ist und Menschen nicht nur nach Äußerlichkeiten beurteilt. Zumal, man mag es nicht glauben, auch ich Gefallen an Songs von Bands wie AC/DC, Black Sabbath und Judas Priest finden kann. Wer behauptet, Videospiele sind schuld an Amokläufen, der behauptet auch, wer Super Mario spielt, wird Installateur, wer Autorennspiele spielt, ist ein Raser auf der Straße und wer Tetris spielt, wird viereckig.
Ideologische Interpretation ist wohl so alt wie die Menschheit selbst. Aber in heutigen Zeiten müssen nicht nur die vergleichsweise noch jungen Medien Videospiel, Fernsehen und Film daran glauben; die ideologische Debatte macht auch nicht davor halt, auch klassische Künstler der früheren Vergangenheit mit Schmutz zu bewerfen. Vor einer Woche machte das junge feministische Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule mit einer Aktion auf sich aufmerksam, die wieder mal eine altbekannte Debatte auslöste: Was darf Kunst?
Prinzipiell finde ich es auch als großer Fan von Goethes Dichtkunst keineswegs verwerflich, auch vermeintlich unantastbare große Geister der Kunst- und Literaturgeschichte wie ihn zu hinterfragen. Mir fällt da die Autobiographie des deutschen Graphikers und Bassisten Klaus Voormann, Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier, John?, ein, der darin die lange geltende Hierarchie innerhalb der Musikgenres anprangerte, die sich erst heute etwas aufweicht und bei der am unteren Ende Schlager und Unterhaltungsmusik, am oberen Ende wiederum die unantastbare Ernste Musik oder Klassik steht. Aber mit dem Wechsel der Generationen ist diese Sichtweise tatsächlich nicht mehr ganz so verbreitet wie früher, hat es doch Bob Dylan, der Jahrzehnte in der Schublade der Unterhaltungs- und Popmusik verweilen musste, durch den Literaturnobelpreis in die oberste Riege der ernst zu nehmenden Künstler geschafft.
Das Ding mit der Aktion der Frankfurter Hauptschule ist halt: Wenn man Goethe kritisieren will, sollte man zunächst mehr liefern können als persönliche Interpretation, die so gedreht wurde, dass sie einem wunderbar in den Kram passt - nicht jeder sieht in Heidenröslein die Verharmlosung einer Vergewaltigung. Und man sollte seine Aktion wenigstens so gestalten, dass diese betreffend des Niveaus dem großen Dichter einigermaßen gerecht wird. Sprich, ein wenig mehr Originalität zeigen, anstatt zu einer Vertonung von Heidenröslein Klopapier auf Goethes Gartenhaus zu werfen. Aber nun ja, im Prinzip haben die jungen Leute das, was sie wollten, nämlich Aufmerksamkeit. Hoffen wir, dass sie mit der Zeit ein wenig intelligenter und auch origineller werden. Ich habe bis Mitte Zwanzig auch hin und wieder seltsame, nicht sehr intelligente Aktionen geliefert.
Besonders beliebt ist ideologische Interpretation ja vor allem bei Medien für Kinder. So verführt Harry Potter angeblich zum Satanismus, während Dornröschen, wie in einem anderen Artikel schon erwähnt, sexuelle Belästigung darstellt. Ganz allgemein geraten besonders Kinderfilme und -serien häufig ob ihres angeblich schädlichen Einflusses auf ihre jungen Rezipienten gerne unter Beschuss. Und daran sind meine speziellen Freunde, die Schwurbler, oft nicht unbeteiligt. So läuft schon seit längerer Zeit die Debatte, dass Disney-Zeichentrickfilme angeblich durch unterschwellige Sex-Botschaften zu unzüchtigem Verhalten aufrufen sollen. Botschaften, die keiner sieht, der nicht mit der Nase drauf gestoßen wird - und einen gewaltigen Dachschaden hat. Nun wissen wir ja, dass Sexualität
Nun, ich bin kein großer Fan der "Früher-war-alles-besser"-Ideologie. Dennoch muss ich zugeben, dass mir die alten Kinderserien und -filme in der Regel besser gefallen als die neuen. Das liegt möglicherweise auch daran, dass ich die alten Filme und Serien mehr mit meiner Kindheit verbinde und dass ich heute nicht mehr zur Zielgruppe gehöre. Schon als Kind hörte ich oft von den Erwachsenen, dass die neuen Kinderfilme und -serien alle "Dreck" seien und die alten angeblich viel besser. Gefallen hat mir der "Dreck" trotzdem - als Kind hat man noch keine so hohe Affinität zur Vergangenheit. Dennoch muss ich gestehen, dass ich die Tendenz, alte Serien und Filme als 3D-Remakes wieder auszustrahlen, eher erschreckend finde - so wie ganz allgemein den Hang zu Remakes in der heutigen Zeit, auch wenn ich mir bewusst bin, dass Remakes kein neues Phänomen sind. Aber zurzeit finde ich halt, dass hier massiv übertrieben wird.
Generell beobachte ich, dass dem Rezipienten - besonders im Kindesalter - weitaus weniger zugetraut wird, als er zu leisten imstande ist. Und dass wir in unserem ewachsenen Hang zur Interpretation, gerade wenn es um Medien für Kinder geht, mitunter übertreiben. Aber nicht zuletzt auch, dass Zusammenhänge - wie im Fall der Videospiele - allzu oft zu sehr vereinfacht werden. In Erinnerung an meine eigene Kindheit und Jugend bin ich der Ansicht, dass es für einen jungen Menschen im Prinzip hauptsächlich zwei Faktoren gibt, die seine Entwicklung prägen und entscheidend dafür sind, wie er die Welt später betrachtet: Das Elternhaus und das soziale Umfeld. Alles andere ist mehr oder weniger Auslegungssache.
vousvoyez
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