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Laut der Liste der Weltuntergangsprophezeiungen hätte ich eigentlich gar nicht erst geboren werden sollen. Und auch sonst niemand, der heute auf dieser Welt lebt - also auch ihr nicht, meine verehrten gegenderten LeserInnen. Wenn Bhagwan, der Begründer des Neo-Sannyas, Recht gehabt hätte, dann hätte ich die Apokalypse innerhalb meiner ersten 15 Lebensjahre bereits erleben müssen - vielleicht hatte ich es deswegen auch so eilig damit, schwimmen zu lernen (denn er sagte u. a. eine Sintflut wie zu Noahs Lebzeiten voraus). Moses David, der Begründer der Children of God, sagte den Weltuntergang im Jahr 1993 voraus - nur die Angehörigen seiner Religionsgemeinschaft blieben von diesem Massensterben natürlich ausgenommen, also hätte ich, da ich dieser Gemeinschaft nicht angehöre, theoretisch schon im zarten Alter von 9 Jahren das Zeitliche segnen müssen - ich wäre heute also bereits 24 Jahre über der Zeit!!!
Der amerikanisch-christliche Fernsehkanal Trinity Broadcasting Network gab mir übrigens nur 4 Jahre, 8 Monate und 1 - 2 Tage zu leben; wie die auf diesen Termin gekommen sind, wüsste ich selbst gerne. Auch Charles Taylor, Wim Walgo und Norbert Lieth, Paul Kuhn, Hart Armstrong sowie eine Reihe hartgesottener Christen legten den Weltuntergangstermin für das Jahr 1988 fest; ein heißer Tipp, um schnell noch seine letzten Rechnungen zu bezahlen und bei der Apokalypse schuldenfrei zu sein. Da ich damals, wie gesagt, erst vier Jahre alt war, hätte mir zumindest Paul Kuhn, der religiöse Leiter der Michaelsvereinigung in Dozwil am Bodensee, noch eine Chance gegeben - denn laut seiner Prophezeiung wären Kinder von der allgemeinen Heuschrecken- und Skorpion-Invasion am 8. Mai 1988 verschont geblieben. Und dieses Luxusleben blieb mir versagt! Danke, Herr Kuhn! 1988 jährte sich übrigens die Gründung des Staates Israel zum 40. Mal - es gibt keine bessere Ausrede, als in Hysterie zu verfallen.
Laut der Sekte Church Universal and Triumphant, zu der ich leider nicht viele aufschlussreiche Informationen gefunden habe, hätte 1990 übrigens ein weltweiter Atomkrieg ausbrechen müssen - nach Ende dieses Jahres hieß es dann plötzlich: "Nein, jetzt noch nicht, aber bald!" Offensichtlich sind die mit Bunkern und Waffenlagern bis heute gut vorbereitet. Mir drängt sich hierbei allerdings die Frage auf, ob das Überleben eines Atomkrieges tatsächlich besonders erstrebenswert wäre - nach allzu viel Spaß hört sich das nicht an. Zumindest der Führer der südkoreanischen Tami Mission Church Lee Jang Rim bekam Konsequenzen der Panikmache zu spüren, die über den Verlust der Glaubwürdigkeit hinausreichten - seine falsche Prophezeiung des Weltuntergangs am 28. Oktober 1992, der vier Selbstmorde zur Folge hatte, wurde mit einer Geld- und Haftstrafe belegt. Im Großen und Ganzen standen meine Chancen schlecht, dass ich meinen 10. Geburtstag noch erleben würde - im Jahr 1993 erwarteten die Davidaner in Texas den Weltuntergang, und auch die russische Sektenführerin Maria Devi Christos legte den Termin für den Weltuntergang am 24. November 1993 fest - und hätte beinahe einen Massenselbstmord herbeigeführt. Dieser erfolgte erst ein Jahr später, allerdings durch 53 Mitglieder der Sonnentempler (wobei 38 von ihnen von den anderen umgebracht wurden, weil sie nicht freiwillig zum Planeten Sirius mitkommen wollten - manchmal muss man zu seinem Seelenheil wohl gezwungen werden). Allerdings buchten auch später einige Sonnentempler ein One-Way-Ticket in Richtung Sirius - einige sind eben unbelehrbar und lassen sich nicht einmal durch falsche Prophezeiungen davon abbringen, den Weg zur Erlösung zu suchen. Der Erzbischof Ussher of Armagh sagte den Weltuntergang 1996 übrigens bereits im Jahre 1659 voraus - wenn er das damals schon wusste, muss es ja wohl stimmen, oder? Äääääh...nein!!!!
Auch eine Deutschlehrerin, Anhängerin der Sternengeschwister, prophezeite den Weltuntergang nach einem Ausbruch des Atomkrieges, allerdings erst sechs Jahre nach dieser komischen amerikanischen Sekte. Da fällt mir ein, im Herbst 1996 wurde das Gymnasium, in dem ich meinen Abschluss machte, in einen Neubau umgesiedelt - dessen Keller als Atombunker gebaut worden war. Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl zehn Jahre zuvor war das damals eine verpflichtende Maßnahme - ähnlich wie die alljährliche Petition, die jedem Schüler die Verabreichung von Kaliumjodidtabletten nach einem neuerlichen Super-GAU gewährleisten sollten, um Schilddrüsenkrebs vorzubeugen. Gibt's das eigentlich noch? Offensichtlich, denn im World Wide Web kann man die Einverständniserklärung tatsächlich noch herunterladen! Übrigens sagte das Biblische Astronomische Nachrichtenblatt am 10. April 1997 die Ankunft des Antichristen voraus - wer immer das auch sein mag. Jedenfalls scheint er im Jahr 1997 mehrere Termine versäumt zu haben - auch die Zahlenmystiker errechneten seine Ankunft 13 Jahre nach meiner Geburt (oh je, das auch noch!!!). Laut der Internationalen Hellsehervereinigung hätte sich die Apokalypse allerdings bis zum Jahr 2001 hinziehen müssen - offensichtlich hatten die eine sadistische Ader. Die Prophezeiung des Tag X auf den 25. Juli 1998, nach der einige Auserwählte von Außerirdischen auf die Raumschiffe des Sex(hihihihihi)-Gottes gebeamt werden sollten, während der Rest der Menschheit vernichtet würde, musste nach dem Verstreichen des Termins revidiert werden - der nächste Termin ist im Jahr 8661. Das nennt man sich Zeit verschaffen! In diesem Jahr wurde die Apokalypse übrigens vielleicht tatsächlich gerade noch verhindert - nämlich durch einen geplanten Anschlag amerikanischer christlicher Fanatiker auf die Al Aqsa Moschee in Jerusalem. Und natürlich mussten auch die Zahlenmystiker ihren Senf dazugeben - nachdem es 1997 nicht geklappt hatte, sollte der Weltuntergang ein Jahr später nachgeholt werden.
An diverse Weltuntergangstermine im Jahr 1999 erinnere ich mich sogar selbst noch - damals hätte praktisch jeden Tag die Welt untergehen sollen! Man prophezeite die Sintflut, den Atomkrieg, die Evakuierung der Erde durch Außerirdische, den Einschlag eines Planetoiden (ich sage nur eines: Uriella!), die Ankunft des lang ersehnten Kometen und die Sonnenfinsternis (die dann tatsächlich kam, aber außer ein paar Minuten Dunkelheit hielt sie nicht, was sie versprach). Angehörige einer indonesischen Sekte waren so wütend, dass sie nach dem 9. 9. 1999 wieder zur Arbeit mussten, dass sie drei ihrer Führer erschlugen. Nostradamus sagte für dieses Jahr den "großen Schreckenskönig" voraus - er hat sich mir allerdings nicht vorgestellt. Die Hysterie erreichte ihren Höhepunkt dann am 31. Dezember 1999 - dem letzten Tag des zweiten nachchristlichen Jahrtausends; für mich übrigens ein entspannter Tag auf Skiurlaub mit Familie und Freunden.
Natürlich war das Jahr 2000 voll von Verschwörungstheorien und Weltuntergangsprophezeiungen. Eine Frage, die übrigens auch Dr. Sommer, die Allwissende Müllhalde des BRAVO-Universums, beschäftigte. All diese Termine näher zu benennen, würde allerdings den Rahmen des Machbaren sprengen.
Der südafrikanische Reverend J. S. Malan verlegte die Apokalypse von 1995 auf 2002. Die typischen Terminprobleme eines Geistlichen. Im Jahr 2003 hätten abermals ein paar Auserwählte von den Aliens gerettet werden sollen - aber die hatten wohl was anderes zu tun. Laut George Curle hätte die Apokalypse übrigens von 1999 bis 2005 andauern sollen - komisch, dass ich davon nichts mitbekommen habe.
2012 war das nächste dankbare Jahr für Verschwörungstheoretiker - denken wir nur an das Ende des Maja-Kalenders am 21. 12. Das wird ein schwerer Schlag gewesen sein für all jene, die den weihnachtlichen Verwandtenbesuchen entgehen wollten.
Nun ja, und morgen ist also der nächste Termin. Was das alles mit fliegenden Steinböcken zu tun hat? Keine Ahnung - vielleicht überleben die ja die Apokalypse und fliegen dann im Weltall herum. In diesem Fall möchte ich mich dafür entschuldigen, dass der Titel dieses Artikels nicht der Wahrheit entspricht. Wir werden ja sehen.
vousvoyez