Nun, das obige Zitat stammt von den Simpsons, eine der Fernsehserien, die meine Jugend geprägt haben - ich kann allerdings nicht mehr genau sagen, aus welcher Folge. Es ging auf jeden Fall um eine Spendenveranstaltung für die Kirche in Springfield, und Bart äußerte mit dieser Frage an seine Eltern seine unbewusste Kritik am religiösen Kapitalismus. Insofern bietet dieses Zitat für mich natürlich auch eine Steilvorlage, um mich endlich einmal mit meinem persönlichen Verhältnis zu Religion und Glauben auseinanderzusetzen.
Wie die meisten Österreicher, die im vorletzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geboren wurden, und damals auch alle Mitglieder meiner Familie, so wurde auch ich katholisch getauft, und die Religion spielte auch eine nicht unerhebliche Rolle in meiner Kindheit. Ich habe Erstkommunion und Firmung empfangen, besuchte einen Kindergarten, der zu einem Nonnenkloster gehörte, und ging fünf Jahre lang in eine Mädchenschule, die von eben diesem Kloster geleitet wird - wie schon meine Mutter, die allerdings aus dem Gymnasium dort genommen wurde, nachdem ihre Mitschülerinnen sie wegen ihrer nicht sehr modischen Erscheinung verspotteten. Eigentlich war die Koedukation in Österreich schon 1972 eingeführt worden, doch die Volksschule, die ich besuchte, war das letzte Relikt einer Zeit, in der Unterricht für Jungen und Mädchen getrennt stattfand - und die erste Bildungseinrichtung für Mädchen in meiner Stadt. Für mich, die ich, wie ich schon in früheren Artikeln erwähnte, mit "Mädchenkram" nicht so viel anfangen konnte, war der Besuch einer reinen Mädchenschule eine Strafe, und ich war erleichtert, dass ich nach der ersten Hauptschulklasse endlich in ein koedukatives Gymnasium wechseln durfte. Da hatte ich zwar andere Probleme, aber das interessiert jetzt nicht.
Jedenfalls spielte die Religion, wie schon gesagt, eine nicht unerhebliche Rolle in meiner Entwicklung. Von klein auf musste ich so manchen Sonntagvormittag in einer Kirche verbringen, in der es auch im Hochsommer noch eiskalt war, man sich nur flüsternd unterhalten durfte und ganz still sitzen musste und ich eintönigen Liedern und langweiligen Predigten lauschen musste, von denen ich kaum etwas verstand. Beispielsweise dachte ich jahrelang, es hieße: "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter MEINEM Dach" - da jedoch die Bibel bekanntlich voller Grausamkeiten ist und die Passionsgeschichte auch nicht gerade ein nettes Kindermärchen ist, habe ich das nie hinterfragt. Übrigens frage ich mich, warum man vielerorts Zeter und Mordio schreit, wenn Kinder mal einen nackten Menschen zu sehen kriegen und Leute die Verfilmung des Romans Die Unendliche Geschichte als für Kinder ungeeignet einstufen, weil da ein Pferd stirbt, man aber ganz offensichtlich nichts dabei findet, in christlichen Kindergärten Geschichten über die Folterung und Hinrichtung eines Menschen zu erzählen, den man sozusagen als Identifikationsfigur aufbaut. Als uns die Betreuerin im Kindergarten, die wir damals noch "Tante" genannt haben, die Geschichte von Passion und Auferstehung erzählt hat, haben ein Freund und ich bei ihm zu Hause oft "Kreuzigung" gespielt - mit Playmobil-Männchen und einem Kruzifix, das in seinem Zimmer normalerweise als Wandschmuck diente. Was Pädagogen heute wohl dazu sagen würden? Wozu das stundenlange Sitzen in einer eiskalten Kirche und langweilige Predigten gut sein sollen, konnte mir übrigens nie jemand erklären.
Für mich war die Existenz Gottes und die Wahrhaftigkeit der Bibel als kleines Kind ganz selbstverständlich und wurde nicht hinterfragt. Hinter Zweifeln und Witzen steckte immer etwas Anrüchiges, das anfangs abschreckend, mit der Zeit aber auch reizvoll wurde. Als ich erfuhr, dass es das Christkind und den Osterhasen gar nicht gibt und die Geschenke von den Eltern gebracht werden, begann ich mich zu fragen, ob die Geschichte vom lieben Gott nicht auch geschwindelt sein könnte. Das war die Zeit, als ich beim üblichen Nachtgebet mit einem Elternteil beim apostolischen Glaubensbekenntnis, wenn es hieß "den Schöpfer des Himmels und der Erde", oft fragte: "Den Suppenschöpfer?" Woraufhin meine Eltern das Beten mit mir aufgaben - es hat ja keinen Sinn, wenn das Kind immer alles ins Lächerliche zieht. Ich kann mich erinnern, dass wir, nachdem der Krieg in Jugoslawien begonnen hatte, neben dem engeren Familienkreis auch die kroatischen Verwandten meiner Mutter einschlossen - das war die Zeit, als ich erfuhr, dass es Kriege gibt. Ebenso beteten wir auch für den älteren Bruder meines Vaters, der in seinen frühen Vierzigern an Krebs starb - damals erfuhr ich, dass jeder irgendwann einmal stirbt. Man erzählte mir, dass die Seele, die ich mir so ähnlich wie eine Sehne vorstellte, dann in den Himmel fliegt, wo der liebe Gott wohnt, und dass man dort dann als Engerl herumfliegt. Als meine Großmutter mütterlicherseits starb - ich war damals zehn Jahre alt - erzählte mir die Mutter meines Vaters viel vom Himmel, auch wenn ich schon damals Zweifel hatte, ob es den überhaupt gibt. Trotzdem stellte ich mir manchmal vor, wie die "große" Großmama, wie wir sie nannten, mit dem Klapprad, auf dem sie sich immer fortbewegt hatte, im Himmel herumfliegt.
Die andere, die "kleine" Großmama, war sehr katholisch und hatte wohl den meisten Einfluss auf unsere religiöse Erziehung. Obwohl sie ansonsten eine überraschend moderne Frau war, die schon in den fünfziger und sechziger Jahren zum Lebensunterhalt der Familie beitrug, und in einer verhältnismäßig unkonventionellen Familie aufwuchs, in der die Eltern sich scheiden ließen, als die Liebe vorbei war - im Gegensatz zur "großen" Großmama, die nach dem frühen Tod ihrer großen Liebe ihr Leben mit einem Mann verbrachte, den sie nicht liebte -, hielt sie doch zeit ihres Lebens am Katholizismus fest. In Kombination mit ihrer blühenden Phantasie und ihrer Fähigkeit zur Inszenierung war das für uns als kleine Kinder irgendwo schon faszinierend. Ich erinnere mich beispielsweise, dass sie mich und meine Cousins - ich wohnte mit meinen Eltern und Geschwistern damals im selben Haus wie ein Onkel von mir mit seiner Frau und seinen Kindern sowie der "kleinen" Großmama - häufig vor dem Schlafengehen zu sich holte, damit wir miteinander den Rosenkranz beten konnten. Sie hatte in ihrem Schlafzimmer einen richtigen kleinen Hausaltar mit Kerzen und Heiligenbildchen stehen, an dem wir immer im Schlafanzug knieten und zusammen beteten, ehe wir Kinder ins Bett gingen. Nach ihrem Tod vererbte sie meiner Schwester ihren Betschemel, woraufhin diese erklärte, nur Großmama würde es schaffen, ihr noch über ihr Lebensende hinaus eins auszuwischen, weil sie ihre Kinder nicht hat taufen lassen.
Wie gesagt, habe ich auch einige der vorgeschriebenen Sakramente empfangen - neben der Taufe auch Firmung und Erstkommunion, von allen drei Ereignissen gibt es Fotos: Ich bei der Taufe in den Armen meiner Patin in einem Kleid, das schon meine Geschwister getragen hatten und das mir bereits zu kurz war, weil ich doch ein recht großes Baby war; als Achtjährige bei der Erstkommunion in einem weißen Kleidchen mit einem Blumenkränzchen auf dem kurzen Haar, das ich meiner Mutter nie verzeihen werde - ich fühle heute noch das Stechen des Drahts auf der Kopfhaut, und ihr Hinweis "Das müssen alle tragen" war gelogen -, wie ich gähnend in der Reihe meiner Schulkolleginnen stehe, die Kommunionskerze vor mir; als Vierzehnjährige neben meiner Firmpatin in blauem Blazer, weißer Bluse und weißer Jeans, der Pfarrer legt mir die Hand in die Stirn, während ich aus irgendeinem Grund ein ziemlich böses Gesicht mache. Ich bin ehrlich - die vielen tollen Geschenke, die man als Firmling so bekam, waren für uns alle ein guter Grund, uns firmen zu lassen. Ich bekam damals zum Beispiel meine erste Stereoanlage, die mich tatsächlich lange Zeit begleitete. Es gab mal eine Zeit, da bekam man als katholischer Firmling lediglich eine Uhr geschenkt - ich weiß nicht, ob dieser Anreiz so groß gewesen wäre. Für den Musiker, Autor und Schauspieler Rocko Schamoni war das jedenfalls ein Grund, in den Siebzigern zum Protestantismus zu wechseln, wo man wenigstens Geld bekam.
Die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des katholischen Glaubens, ja überhaupt des Glaubens, zogen sich jedoch durch meine gesamte Jugend und einen Teil meiner Kindheit. Der erste Anlass war eben der Wegfall der wichtigsten Mythen meiner Kindheit - Christkind und Osterhase -, der zweite waren die Widersprüche, die sich zwischen dem, was die Kindergärtnerin und später die Religionslehrerin erzählte, und dem, was die Bibelgeschichten erzählten, auftaten. Warum sagt die Bibel, dass man nicht töten soll, warum wird uns erzählt, dass Gott uns alle gleichermaßen liebt, und dieser ist dann im Alten Testament so rachsüchtig? Und warum müssen schon in der Bibel Unschuldige - Frauen und Kinder - unter dieser Rachsucht leiden? Warum ist die Welt so ungerecht, wenn uns doch ständig versichert wird, dass Gott uns über alles liebt? Und letztendlich - warum gibt es so extrem viele Geschichten über Leute, die wirklich mit Gott gesprochen haben, aber in Wirklichkeit hat keiner je etwas erlebt, das die Existenz von diesem je bewiesen hat? Und schließlich erfuhr ich noch, dass nicht alle Menschen auf der Welt an den gleichen Gott glaubten. All das war für mich extrem verwirrend.
Wenn man erwachsen wird, entmystifiziert sich die Welt dadurch, dass man an Lebenserfahrung gewinnt, nach und nach. Und so kam mir mit etwa fünfzehn Jahren zum ersten Mal der Gedanke, dass der Katholizismus möglicherweise nicht das ist, woran ich glaube. Daraus folgte etwa zwei bis drei Jahre danach die Erkenntnis, dass Glaube ganz allgemein nicht mein Weg ist.
Ich habe in diesem Zusammenhang zwei Artikel in der Zeit entdeckt, von denen einer von einer Gläubigen, der andere hingegen von einer Atheistin stammt. Als Nicht-Gläubige kann ich natürlich Letzteren doch ein bisschen besser nachvollziehen, aber gerade deswegen war es der andere, der mich ein bisschen mehr geärgert hat, weil hier die starrsinnige Haltung wieder eingenommen wurde, die so oft jenen entgegenschlägt, die sich nun mal gegen den Glauben entschieden zu haben.
Um eines gleich einmal klarzustellen: Ich will hier nicht blöde Worte und Phrasen wie "Religioten" oder "imaginärer Freund" gebrauchen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass auch Atheisten in ihrer Entschlossenheit, alles abzulehnen, was mit Glauben zu tun hat, sehr häufig auch zu weit gehen. Ich war eine Zeit lang in einer Facebook-Gruppe für Atheisten - ich musste sie nach kurzer Zeit wieder verlassen, weil viele dort ihren latenten Rassismus mit ihrem Nicht-Glauben gerechtfertigt haben. Auch wenn viele das vollkommen anders sehen, so möchte ich doch sagen: Ja, auch Atheisten können durchaus "missionierend" auftreten - etwa, indem sie vollkommen respektlos auftreten gegenüber jenen, die glauben, und den Anspruch haben, jeden Menschen von seinem Glauben abzubringen, weil er ihrer Ansicht nach der Grund für alles Böse dieser Welt sei. Ich glaube, ich muss jetzt nicht anfangen zu erklären, dass auch Kommunismus und Nationalsozialismus dezidiert anti-religiöse Strömungen waren - obwohl sich die Nazis auch von der Kirche legitimieren ließen. Aber ganz allgemein kann man sagen: Ja, es gab und gibt Religionskriege, aber es gab und gibt auch Kriege, die keineswegs religiös motiviert sind oder waren. Und die Abwesenheit des Glaubens macht einen genauso wenig wie der Glaube selbst automatisch zu einem besseren Menschen.
Allerdings gilt das, wie schon angeführt, für beide Seiten. Was mich an dem Artikel von Hanna Jacobs, die ihren religiösen Standpunkt vertritt, am meisten gestört hat, war, dass sie die Kritikpunkte gegen die Kirche auf die längst vergangenen Kreuzzüge reduziert hat. Kein Wort von den Missbrauchs-Skandalen, kircheninterner Zensur, durchaus fehlendem Respekt gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen oder der Raffgier, die besonders die katholische Kirche an den Tag legt. Natürlich ist das soziale Engagement der Kirche keineswegs zu vernachlässigen, aber das gilt genauso für das Engagement derer, die sich keinen Glauben auf die Fahnen geschrieben haben. Und ich behaupte: Man kann sich auch ohne Glauben moralisch verhalten - ich versuche es, so gut ich kann, weil ich Mitgefühl für eines der höchsten Tugenden der Menschheit halte (auch wenn ich es sehr oft vermisse) und weil es eines der vielen, vielen Grundlagen ist, die es uns ermöglichen, als Gemeinschaft zu existieren. Der Unterschied zwischen mir und einem redlich handelnden Christen ist lediglich, dass ich mich für meine Moralvorstellungen nicht auf ein höheres Wesen berufe. Höchstens auf den kategorischen Imperativ. ("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.") Ja, ich weiß, dass auch Kant von einer Existenz Gottes ausging - aber bis zu Nietzsche taten das so gut wie alle namhaften Philosophen der westlichen Welt. Schon allein durch diese Bemerkung sollte klar werden - auch der Atheist ist nicht davor gefeit, sich für seinen Nicht-Glauben rechtfertigen zu müssen. Der Unterschied zu früher ist halt - in einem Land, in dem Kirche und Staat getrennt sind, kann er zu seinem Nicht-Glauben genauso stehen wie der Gläubige zu seinem Glauben. Und ich gehöre zu jenen, die den Laizismus befürworten, einfach aus dem Grund, weil er alle Glaubensrichtungen, wenn man so will, mit einbezieht und Gesetze unabhängig davon funktionieren.
Abschließend kann ich nur sagen - es ist völlig in Ordnung, sich für den Weg des Glaubens zu entscheiden. Es ist halt nur nicht meiner. Ich bin trotzdem bemüht, respektvoll mit Leuten umzugehen, die meine Meinung nicht teilen - das gilt nicht nur für die Religion. Ich fahre damit einfach seit langer Zeit am allerbesten. Jeder hat nun mal seine eigene Art, die Welt zu sehen - das muss doch nicht heißen, dass wir keinen Konsens finden können. Bemühen wir uns doch, uns gegenseitig ein bisschen mehr zu respektieren!
Und am Ende will ich euch noch den Gruß mit auf den Weg geben, der momentan in aller Munde ist: Bleibt gesund! Und passt gut auf, dass ihr euch immer brav die Hände wascht und genügend Klopapier zu Hause habt!
vousvoyez
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